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Gemeinsam mit seiner Frau Monica

pflegt Peter Graf die Reben, aus denen der Bischofsteiner

Wein entsteht.

Ein Gesicht, das einen bleibenden

Eindruck hinterlässt. Als Model heraus­

geputzt für ein Fotoshooting.

Motorenöl und Haargel. Gülle und Parfum. Spritzmittel und Puderdose. Mit diesen Gegensätzen jongliert Peter Graf

in seinem Alltag. Denn der Landwirt arbeitet nebenbei als Model. Text Christine Zwygart Fotos Barbara Sigg

Bauer und Model

Schöner Nebenjob

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Seine Muskeln sind das Resultat

harter Hofarbeit

S eine Kraftgeräte stehen draussen auf dem Hof und auf den Feldern. Wenn er als Model seine Bauch­

mus keln trainiert, ist das höchstens ein netter Nebeneffekt – denn körperlich schwere Arbeit gehört zum Alltag von Landwirt Peter Graf.Er umsorgt auf seinem Betrieb oberhalb von Sissach BL 1500 Obstbäume, pflegt seine Reb­ berge, kümmert sich um die Kühe. Der 54­Jährige führt sozusagen ein Fitnesscenter, das die Fläche von zwanzig Fussball feldern um­fasst, eingerichtet ist mit abwechs­lungsreichen Maschinen und eine Menge Handarbeit abverlangt. «Da kann jede herkömmliche Bauch­weg­Mucki­Schmiede nur neidisch in meine Richtung schielen.»

STERNSTUNDEDer Schalk steht dem gross gewach­senen Mann mit der geschmeidi­ gen Figur ins Gesicht geschrieben. Er, der leidenschaftliche Bauer, der seit zwei Jahren neben beruflich im In­ und Ausland vor Kameras posiert, schiebt sich genüsslich ein Reiheli Schoggi in den Mund und trinkt dazu ein Glas Milch.«Leider ist es heute kaum mehr möglich, auf einem kleinen bis mittleren Hof finanziell über die Runden zu kommen.» Seine Frau Monica arbeitet seit Jahren im Verkauf, er selber hat sich immer wieder um Nebenjobs bemüht. Etwas Dauerhaftes zu finden, war jedoch schwierig – bis ihn im Herbst 2010 ein Fotograf auf der Hochzeit seines Neffen ansprach. Der Profi geriet beim Anblick des Bauern ins Schwärmen, faselte etwas von «interessanter Charakterkopf» und liess den ganzen Abend nicht locker. Peter Graf hielt das Gerede für einen Witz, doch die Hart näckig­keit des Fotografen zeigte Wirkung. Die beiden trafen sich für ein Probe­shooting: Die dabei entstandenen Bilder stiessen bei diversen Model­agenturen auf Interesse.

BAUERNLEBENSchon als Kind wusste Peter, dass er dereinst den elterlichen Betrieb

Hohe Stämme, lange Leitern, strenge Ernte.

Auf dem Land der Grafs gedeihen über

1500 Obstbäume.

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übernehmen will. Er ist auf dem Hof Letten geboren, hier ist sein Daheim. «Was chani hälfä?» Das war seine Standardfrage an Vater Max, dem Klein Peter auf Schritt und Tritt folgte. Kühe melken, Gras mähen, Traktor fahren – der Bub war überall mit dabei. Nur zu gut erinnert er sich an Ferien, die er mit Geschwistern und Mami machen durfte. Ihn plagte das Heim­weh, und so hing er über seinem Teller Makkaroni und meinte: «Wenn man diese Teigrollen wie Güllenrohre aneinanderlegt, könn­ten wir damit eine lange Leitung bauen – bis nach Hause zu Vati!»Seine innige Beziehung zu Tieren ist als Kind entstanden und bis heute geblieben; so gehören zehn Büsi zur Familie. Einige der Vier­beiner streichen dem Hausherrn, der gerade am langen Küchentisch sitzt, um die Beine. «Früher habe ich manchmal Cowboy gespielt.» Das Lachen in seinem Gesicht macht schnell klar, dass diese Episode hier noch nicht zu Ende ist. Er kramt

in einem alten Fotobuch, blättert und schiebt das Album dann über den Tisch. Das Bild zeigt einen Jungen, der auf einer Kuh sitzt. «Wir hatten halt kein Pferd», meint er und lacht. Der Mann weiss viele Geschichten zu erzählen. Von früher und von heute. Immer mit Witz und Charme. «Ich versuche, das Kind im Manne zu pflegen, und möchte es bis ins hohe Alter nie verlieren.»

MODEL-DASEINTrotz guten Leistungen besuchte er das Gymnasium nicht. Wozu auch? Peter wollte Bauer werden. Führte die Schule allerdings ein Theater auf, war er mit Herzblut dabei. Oft erinnert er sich an diese ersten Schritte auf der Bühne, wenn er auf einem Set einen Werbefilm dreht. Das Modeln ist für ihn zwar nur ein Nebenerwerb, ein finanzieller Zustupf – «aber diese Arbeit fordert meinen Geist. Und darüber freue ich mich ganz besonders.» Villiger Cigars, Victorinox, Head, SBB – zu Peter Grafs Auftraggebern

«Runzeln machen auf Kommando

finde ich schwierig»

gehören grosse, starke Marken. Je nach Typ, der gefragt ist, schlüpft er in verschiedenste Rollen. Jugend­licher Vater, Mann von Welt, knorrig mit Bart. Bettina Schaefer, Inhaberin der Modelagentur Scout, glaubt fest an seinen Erfolg: «Er ist überdurchschnittlich intelligent, ein Bewegungstalent und arbeitet mit Hartnäckigkeit an seinem Traum.»

Selber gefällt Peter sich original am besten. «Ich habe Freude an jeder neuen Falte in meinem Gesicht.» Das Alter mache reifer und könne einer Figur mehr Charakter verleihen. So wie beispielsweise bei seinem Idol, Schauspieler Sean Connery. Auch die Mimik von Komiker Helmi Sigg, den er persönlich kennt, ist ihm Vorbild. Und seine Bewunderung

gilt Schauspielerin Vreni Brun, die mit über siebzig Jahren noch immer von Set zu Set zieht.

ÜBUNGSSTUNDEN Passende Mimik, Texte aufsagen, richtig bewegen. Das Model­Dasein ist nicht immer einfach, erzählt Peter Graf. «Vor allem das Runzeln­machen auf Kommando finde ich

schwierig.» Deshalb hat er daheim in seinem Büro mehrere Spiegel aufgestellt – so kann er üben und sich dabei rundherum begut­achten. Denn mit einem schönen Gesicht alleine ist in dieser Branche noch nichts gewonnen. «Das ist ein bisschen wie beim Bauern», zieht das Model einen anschauli­chen Vergleich. Um ein landwirt­

Zum nächsten Termin begleitet ihn stets sein Model­Rucksack, gepackt mit Nützlichem wie Telefon, Karte (falls das Navi ausfällt), Pflegeprodukten.

Peter Graf übt im Büro vor der Spiegel­Arena. Von hier aus betreut er

auch seine Internet­ und Facebook­Seiten. «Das

habe ich in meinem hohen Alter noch gelernt.»

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Die Tiere gehören bei Grafs

zur Familie

glücklich ist – «sie ist meine geliebte Ehefrau, meine Freundin, meine Managerin, meine Beraterin, meine Frau für alle Fälle». Und das Modeln? Ja, auch da gebe es noch Sachen, die Peter Graf reizen. Mal in Hollywood, Kapstadt oder Alaska arbeiten. «Im guten alten Westen einen guten alten Western drehen, auf einem schweren Motor­

rad oder im Cabrio am Strand entlangbrausen, auf einem Kamel reiten.»Wer weiss schon, was die Zukunft bringt? Ausserdem ist Peter Graf zufrieden mit seinem Leben und hofft, dass ihm der Nebenjob auch finanziell irgendwann so viel einbringt, dass er sich keine Sorgen mehr machen muss. Heute im

Übergwändli die Gülle ausbringen, morgen im edlen Anzug posieren. Eben noch die Finger voller Motoren­ öl, ein paar Stunden später mit Schminke vor der Kamera. Am Morgen den Kuhstall misten, am Nachmittag an der Seite einer gut riechenden Dame sitzen. Peter Graf liebt diese zwei Welten. «Was will ich mehr?» C

schaft liches Unternehmen erfolg­reich führen zu können, muss der Bauer in vielen verschiedenen Bereichen sein Wissen vertiefen. Im Show business sei das ähnlich: «Das ist ein Knochenjob.»Er wendet sich wieder seinen Spiegel übungen zu. Stirn in Falten legen – los gehts. Peter Graf nimmt seinen Nebenjob ernst, will auf dem Set stets ein Lächeln auf das Gesicht des Kameramanns oder des Fotografen zaubern. Und das gelingt ihm meistens. «Ich habe in den letzten zwei Jahren mehr Anerkennung für meine Leistungen erhalten als die fünfzig Jahre davor.» Er sagt das nicht bedrückt oder gar verletzt. Aber die Mentalität auf dem Hof ist eben eine andere, eine «Wenn i nüt säg, isch s dänk rächt»­Ideologie. Dieses plötzliche Lob tut dem Bauern gut – so ungewohnt das für ihn auch ist. «Meine Seele saugt alles auf. Manchmal komme ich mir vor wie ein Kamel, das nach zwei Wochen Wüstenwanderung wieder an einem Brunnen steht.»

ERNTEZEITHerrscht auf dem Hof Hoch­betrieb, wächst die grafsche Familie rapide an. Freunde und Familien­angehörige helfen dann mit, Stein­obst zu pflücken oder Trauben zu ernten. «Monica und ich haben zwar keine Kinder, trotzdem fühlen wir uns mit all den lieben Menschen um uns herum als Familie.»Peter Graf ist «dankbar»; dieses Wort fällt oft. Und wer mehr Zeit mit ihm verbringt, merkt, dass dies nicht einfach eine Floskel, sondern tief im Glauben verankert ist. Seine Frau beschreibt ihn als «herzlich, vielseitig, intelligent». Er selber sagt schlicht, er versuche, den Weg zu erkennen, der für ihn parat sei. «Am glücklichsten bin ich, wenn ich Monica an der Seite habe und Gott im Herzen trage.» Die Bibel betrachtet er als eine Art Gebrauchsanweisung fürs Leben. Ein anderes Buch nimmt er ebenso häufig zur Hand, «Cassell’s German Dictionary». Auch dazu gibt es natürlich eine Geschichte: «Die Welt ist heute voller Abkürzungen. Und ich muss einfach immer wissen,

was diese Buchstaben bedeuten.» Vieles ist in Englisch, und da hilft das Wörterbuch weiter.

TRAUMWELTWünsche hat der Landwirt viele. Dass die Ernte der Reben im Herbst gut verläuft. Dass das Obst von Hagel verschont bleibt. Dass er noch viele Jahre mit seiner Monica

Peter Graf pflegt ein inniges Verhältnis

zu seinen Hoftieren, im Speziellen zu den

Kühen. Sie danken es ihm auf ihre Weise.

Gediegen und urtümlich für die Villiger Original­Krumme.

Verschmust und fürsorglich für die Schweizerischen Bundesbahnen.

Nüchtern und überraschend für das Blutspendezentrum beider Basel.

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