assoziierte verletzungen(beitrag als pdf-datei

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GOTS-Expertenmeeting:Vorderes Kreuzband, 95–112 (2010) www.gots.org 95 Th. Zantop u. a. · Assoziierte Verletzungen ASSOZIIERTE VERLETZUNGEN Die Inzidenz isolierter Rupturen des vorderen Kreuzbandes ist gering. Bei assozierten Läsionen muss zwischen akuten Begleitläsionen und chronischen Läsionen unterschieden werden (Abb. 1). Zur Verhinderung chronischer Schäden ist die genaue Erfassung und Therapie initialer Schäden von großer Wichtigkeit. Neben initialen Knorpel- und Meniskus- läsionen sind auch akute assoziierte Läsionen vorhanden, dessen Lang- zeitfolgen noch nicht ausreichend wissenschaftlich geklärt sind. Als Bei- spiel kann hier die Knochenkontusion mit subchondralen Ödem genannt werden, das sogenannte „bone bruise“. VORDERES KREUZBAND ASSOZIIERTE VERLETZUNGEN Thore Zantop, Oliver Miltner, Martin Engelhardt, Romain Seil, Gerhard Bauer GOTS - - E E x x p p e e r r t t e e n n m m e e e e t t i i n n g g 2 2 0 0 1 1 0 0 Begleitende Meniskusläsionen Die Inzidenz für primäre Meniskus- verletzungen in Kombination mit einer VKB-Ruptur liegt zwischen 15 und 40% (Levy et al. 2003). Fair- banks konnte in einer radiologischen Studie zeigen, dass nach kompletter Entfernung der Menisken eine Oste- oarthrose entsteht (Fairbanks 1948). Auch nach partieller Menis- kusentfernung wurde das Auftreten degenerativer Gelenkschäden be- schrieben (Veth 1985, Shelbourne et al. 2001). Aus diesem Grunde besitzt die Therapie der akuten Meniskuslä- sion eine große Bedeutung für das Langzeitergebnis nach VKB-Rekon- struktion. Die Entstehung der Meniskusrisse kann anhand eines der häufigsten Verletzungsmechanismen erklärt werden (Abb. 2). Beim Valgus-/ Innenrotationstrauma (siehe Kapitel Epidemiologie) kommt es zu einer Ruptur des medialen Kollateralband- komplexes. Hier ist der tiefe Anteil des MCLs über die Cooperschen Fa- sern mit dem medialen Meniskus ver- wachsen und kann zur Ruptur des Meniskusgewebes führen. Gleichzei- tig kommt es zur Kompression im la- Akute Begleitläsionen Chronische Begleitläsionen Meniskus: Longitudinalrisse, Meniskusläsion degenerativ, Korbhenkelrupturen Korbhenkelrupturen Knorpel: abgescherte Fragmente Degenerative Chondromalazie Ligamentär: Kollateralbandläsionen Varus-/Valgus Malalignement Ossär: Segondfrakturen, Eminentia Ligamentär: HKB, chronische Seitenbandläsion Abbildung 1 Tabellarische Übersicht akuter und chronischer Begleitläsionen.

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GOTS-Expertenmeeting: Vorderes Kreuzband, 95–112 (2010)www.gots.org

95Th. Zantop u. a. · Assoziierte Verletzungen

ASSOZIIERTE VERLETZUNGEN

Die Inzidenz isolierter Rupturen des vorderen Kreuzbandes ist gering.Bei assozierten Läsionen muss zwischen akuten Begleitläsionen undchronischen Läsionen unterschieden werden (Abb. 1). Zur Verhinderungchronischer Schäden ist die genaue Erfassung und Therapie initialerSchäden von großer Wichtigkeit. Neben initialen Knorpel- und Meniskus-läsionen sind auch akute assoziierte Läsionen vorhanden, dessen Lang-zeitfolgen noch nicht ausreichend wissenschaftlich geklärt sind. Als Bei-spiel kann hier die Knochenkontusion mit subchondralen Ödem genanntwerden, das sogenannte „bone bruise“.

VORDERES KREUZBAND

ASSOZIIERTE VERLETZUNGENThore Zantop, Oliver Miltner, Martin Engelhardt, Romain Seil, Gerhard Bauer

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Begleitende Meniskusläsionen

Die Inzidenz für primäre Meniskus-verletzungen in Kombination miteiner VKB-Ruptur liegt zwischen 15und 40% (Levy et al. 2003). Fair-banks konnte in einer radiologischenStudie zeigen, dass nach kompletterEntfernung der Menisken eine Oste-oarthrose entsteht (Fairbanks1948). Auch nach partieller Menis-kusentfernung wurde das Auftretendegenerativer Gelenkschäden be-schrieben (Veth 1985, Shelbourne etal. 2001). Aus diesem Grunde besitztdie Therapie der akuten Meniskuslä-

sion eine große Bedeutung für dasLangzeitergebnis nach VKB-Rekon-struktion.Die Entstehung der Meniskusrissekann anhand eines der häufigstenVerletzungsmechanismen erklärtwerden (Abb. 2). Beim Valgus-/Innenrotationstrauma (siehe KapitelEpidemiologie) kommt es zu einerRuptur des medialen Kollateralband-komplexes. Hier ist der tiefe Anteildes MCLs über die Cooperschen Fa-sern mit dem medialen Meniskus ver-wachsen und kann zur Ruptur desMeniskusgewebes führen. Gleichzei-tig kommt es zur Kompression im la-

Akute Begleitläsionen Chronische Begleitläsionen

Meniskus: Longitudinalrisse, Meniskusläsion degenerativ,Korbhenkelrupturen Korbhenkelrupturen

Knorpel: abgescherte Fragmente Degenerative Chondromalazie

Ligamentär: Kollateralbandläsionen Varus-/Valgus Malalignement

Ossär: Segondfrakturen, Eminentia Ligamentär: HKB,chronische Seitenbandläsion

Abbildung 1Tabellarische Übersicht akuter und chronischer Begleitläsionen.

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teralen Gelenkbereich, welches mitden im MRT nachweisbaren Kno-chenödemen einhergeht, bevorzugtim dorsolateralen Tibiaplateau-bereich (siehe Kapitel Diagnostik).Somit ist erklärlich, dass das Außen-meniskushinterhorn bei frischenVKB-Läsionen sehr häufig betroffenist. Arthroskopisch zeigen sich Me-niskusquetschungen und Zerreissun-gen jeglichen Ausmaßes. Daher istdas Erscheinungsbild der Meniskus-läsion im akuten Stadium vielseitig.So können Längsrisse als komplette

oder inkomplett an der femoralenoder tibialen Oberfläche durchge-hende Risse diagnostiziert werden(Abb. 3). Neben einfachen sind auchkomplexe Längsrisse vorhanden, dieggf. sich zu einem dislozierten Korb-henkelriss entwickeln können (Abb.4). Sollte ein dislozierter Korbhen-kelriss klinisch oder im MRT diagnos-tiziert worden sein, so muss auf-grund des Verletzungsmechanismusund der hohen Inzidenz der Kombi-nationsverletzung Korbhenkelrupturund VKB-Ruptur, die Diagnostik un-

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ASSOZIIERTE VERLETZUNGEN

Abbildung 2Typischer VKB-Verletzungsmechanismus.Beim Valgus/Innenrotationstrauma kannes zur MCL-Distorsion und Innenmenis-kusruptur kommen. Der Aussenmeniskusweißt häufig eine starke Kontusion ohneRißbildung auf („crush lesion“).

Abbildung 3Längsriss im Aussenmeniskushinterhorn beiVKB-Ruptur.

Abbildung 4Komplexer Längsriss. Die Ruptur hat imHinterhorn keinen Kontakt mehr zur Menis-kusbasis und ist in den Gelenkspalt luxiert.

a bAbbildung 6Avulsionsverletzung des medialen Meniskushinterhorns. Über die tibiale Insertion des Vor-der- und Hinterhorns kann der intakte Meniskus die auftretenden Scherkräfte auf die Tibialeiten (a, lateraler Meniskus). Bei einer Avulsion ist die Überleitung der Scherkräfte nichtmehr möglich und es kommt zu einer Extrusion des Meniskus (a, medialer Meniskus). Dieseist pathologisch, wenn in den koronaren MR-Schichten die Extrusion einen Wert von 3 mmübersteigt (b, Blockpfeil).

Abbildung 5Typische Kombinationsverletzung eines dislozierten Korbhenkelriss des Innenmeniskus(IM) bei VKB-Insuffizienz. Der IM ist in die Fossa interkondylaris eingeschlagen (a). Das VKBstellt sich nur noch als schmales Faserband dar und ist auf dem hinteren Kreuzbandvernarbt (sogenannte Lambda-Einheilung, Blockpfeil). Die Insertion am lateralen Femur-kondylus ist frei (b).

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ASSOZIIERTE VERLETZUNGEN

bedingt auf das VKB ausgeweitetwerden (Abb. 5). Seltener sind dieakuten Begleitläsionen als Radiärris-se oder als Avulsion der Insertion,sogenannter Wurzelausriss (Petersenund Zantop 2006, 2009). Diese bei-den Rissformen weisen allerdingseinen besonders desaströsen Effektfür die Meniskusfunktion auf. Auf-grund der komplexen Zerstörung derzirkumferent verlaufenden Faserndes Meniskusgewebes kann die Me-niskusfunktion bei diesen Rissenkomplett aufgehoben sein (Abb. 6).Eine Avulsion des Hinterhorns desMeniskus kann durch eine kombi-nierte Rotation- und Valgusbewe-gung isoliert oder in Kombinationmit einer VKB-Läsion auftreten (Pe-tersen und Zantop 2006, 2009). Auchbei posteriorer Platzierung des tibia-len Tunnels bei VKB-Rekonstruktionkann die Läsion auftreten (Abb. 7).Auch bei chronischen Instabilitätenfinden sich unterschiedliche Formender Meniskusläsion. Ursächlich kannhierfür zum einen die erhöhte ante-riore tibiale Translation bei VKB-In-suffizienz sein. Im VKB-intaktenKniegelenk können die Menisken die

Gelenkinkongruenz ausgleichen undwerden physiologisch belastet(„Hemmschuhwirkung“, Abb. 8).Kommt es zu einer Insuffizienz desvorderen Kreuzbandes, so führt dieszu einer anterioren tibialen Transla-tion und somit zu einer vermehrtenBelastung oder Überlastung im Be-reich der Menisken. Hierduch kommtinsbesondere das Innenmeniskus-hinterhorn unter Belastung undkann ein degeneratives Rissbild zei-gen (Abb. 9). Durch die auftretendenScherbelastungen kann es nebenKnorpelusuren auch zu Aufrauungender Meniskusoberfläche kommen.Führen Blockadephänomene bei Vor-liegen eines dislozierten Korbhen-kelrisses beim Patienten nicht zurumgehenden ärztlichen Konsulta-tion, so kann es zu einem Abriss desKorhenkels am hinteren oder vorde-ren Fixationspunkt und Umschlagendes Rissanteiles in den Rezessus füh-

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Abbildung 7Avulsionsverletzung des lateralen Menis-kushinterhornes bei Rezidivinstabilitätnach VKB-Rekonstruktion in transtibialerTechnik. Durch die posterolaterale Anlagedes tibialen Tunnels ist es zu einer Verlet-zung der tibialen Insertion gekommen. DieStabilität des Aussenmeniskus wird nurnoch durch das posteriore menisko-femo-rale Ligament vermittelt.

a bAbbildung 8Schematische Darstellung der Belastungs-situation des Meniskushinterhornes. Im in-takten Kniegelenk ist das VKB ein wichtigerBestandteil für die physiologische Belas-tung der Menisken (a). Bei VKB-Insuffizienzkommt es zu einer anterioren Translationund somit zu einer vermehrten Belastungdes Meniskushinterhornes. Diese kann zurÜberlastung und somit zu degenerativerRißbildung führen (b).

a b

Abbildung 10Chronischer Korbhenkel-riss des medialen Menis-kus, MRT-Diagnostik. Inden sagittalen Schichtenzeigt sich der Meniskusnach anterior luxiert (a,Blockpfeil). In der korona-ren Schichtführung ist dasMeniskusfragment nachmedial luxiert (b, Block-pfeil).

Abbildung 9Chronische Meniskusläsionen bei VKB-Ruptur. Degenerative Rißbildung am Innenmeniskus-hinterhorn (a, Fischmaulriss) und Aufrauhung der Pars intermedia des Aussenmeniskus (b).

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ren (Abb. 10). Die Blockierungenund Beschwerden sind dann geringerausgeprägt, chirurgisch bestehtallerdings meist keine Refixations-möglichkeit mehr (Abb. 11).Ziel der operativen Therapie ist es,soviel intaktes Meniskusgewebe wiemöglich zu erhalten. Für eine erfolg-reiche Refixation muss eine strengeIndikationsstellung berücksichtigtwerden (Abb. 12). Neben der Riss-form spielt auch die Lokalisation desRisses eine entscheidende Rolle beider therapeutischen Entscheidungs-findung (Arnoczky et al. 1982, 1988,Petersen und Tillmann 1999, Peter-

sen und Zantop 2006) (Abb. 13). Ba-sisnahe Rupturen befinden sich ineinem gut vasukularisierten Bereich,da die Blutgefäße von der äußerenZirkumferenz in die Meniskusbasiseindringen (sogenannte rote Zone).Das zentrale Drittel des Meniskus-gewebes ist avaskulär und besitztdeshalb eine geringe Heilungsten-denz (sogenannte weiße Zone) (Abb.14). Den Übergangsbereich zwischenroter und weißer Zone bezeichnetman als rot-weiße Zone. Da die mög-liche Einheilung des refixierten Ge-webes von der Vasukularisation ab-hängt, werden Meniskusrefixationenin der roten und in der rot-weißenZone empfohlen (Warren 1985, Eggliet al. 1995, Rockborn et al. 2000,von Trommel 1998, Petersen undZantop 2006) (Abb. 15, 16). Daszentrale Fragment sollte hierbeikeine ausgeprägten degenerativenSchäden aufweisen. In solchen Fäl-len muss ggf. eine Meniskusteil-resektion erfolgen. Bei einemRadiärriss ausgehend von der Basisbis hin in das zentrale Drittel (vonder roten bis zur weißen Zone) sinddie zirkulär verlaufenden Ringspan-nungen und somit die Funktion desMeniskus als transportable Gelenk-fläche aufgehoben. Obwohl für sol-che Rupturtypem eine Refixations-technik nicht standardisiert ist,

kann insbesondere im lateralen Kom-partment bei Kindern und Jugend-lichen auch bei einem Radiärriss dieIndikation zur Refixation gestelltwerden (Siebold et al. 2007). Kurze Rissformen bei VKB-Ruptur,bei denen sich das innere Fragmentnicht mit dem Tasthaken in dasGelenk luxieren lässt, werden als sta-bile Längsrisse bezeichnet. DieseRupturen sollen eine gute Spontan-heilungstendenz besitzen, wenn dasKniegelenk stabilisiert wurde (Pujolund Beaufils 2009).

Zusammenfassend kann festgestelltwerden, dass assoziierte Meniskus-läsionen bei VKB-Ruptur häufig an-zutreffen sind. Diese sollten einzei-tig mit einer VKB-Rekonstruktionversorgt werden. Aus medizinischerSicht sollten beim beruflichen am-bitionierten Sportler dieselben The-rapiestrategien wie beim Freizeit-sportler greifen. Dies beinhaltetden Leitsatz so viel Meniskusgewe-be wie möglich zu erhalten. Die Ein-heilungsraten der Meniskusrefixa-tion hängen von der Stabilität desGelenkes ab. Somit ist unserer An-sicht beim beruflich ambitioniertenSportler die Meniskusrefixation imRahmen der VKB-Rekonstruktionbei medizinischer Indikation stetsdurchzuführen auch wenn sich da-durch die Rehablitationszeit undggf. das Intervall bis zur Aufnahmeder sportlichen Aktivität verlängert.Eine spätere Teilresektion (insbe-sondere bei lateralen Korbhenkel-rupturen) bei nicht Einheilen derRefixation muss in Kauf genommenwerden. Ziel dieses Artikels ist esdie assoziierten Pathologien undTherapie aufzuzeigen. Zum weiterenStudium der klinischen Ergebnissewird auf Fachliteratur verweisen(Albrecht-Olsen et al. 1992, Cannonet al. 1992, DeHaven 1989, 1995,Eggli et al. 1995, Haas et al. 2005,Laprell et al. 2002, Rockborn etal. 2000, Siebold 2007, Warren1985).

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ASSOZIIERTE VERLETZUNGEN

Abbildung 11Chronischer Korbhenkelriss des medialenMeniskus (Fortsetzung Abb.10). Bei kom-plettem Abriss der Anheftung im Hinter-horn ist keine IM Refixation möglich.

Indikation zurMeniskusrefixation

Dislozierter basisnaher Korb-henkelriss mit guter Qualität des

zentralen Anteils

Instabiler Längsriss mit guterQualität des zentralen Anteils:

rote und rot-weiße Zone

Medialer oder lateraler Wurzelausriss

Indikation zurMeniskusteilresektion

Komplexe Ruptur mit Ausläufernnach zentral (Fischmaul-Form)

Instabiler Längsriss mit degenerati-ven Veränderungen des zentralenAnteils (ggf. partielle Resektion

und Refixation)

Reruptur bei nicht eingeheilterRefixation

Risse in der weißen ZoneFehlende Compliance des Patienten

Abbildung 12Indikation zur Meniskusrefixation.

Abbildung 13Indikation zur Meniskusresektion.

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ASSOZIIERTE VERLETZUNGEN

Begleitende Knorpelläsionen

Knorpelläsionen sind eine der häu-figsten assoziierten Begleitläsionenbei VKB-Ruptur. Aufgrund des Verlet-zungsmechanismus im Sinne einesValgus/Innenrotationstrauma (sieheAbb. 2) können die Knorpelschädenakut auftreten. Chronische Knorpel-schäden können durch die Instabi-lität bedingt sein. Bei intaktemKniegelenk ist das Drehzentrum zwi-

schen medialer und lateraler Emi-nentia gelegen (Amis et al. 2005,Larson 1983, Slocum 1968). Beieiner Ruptur kommt es nun zu einerVerlagerung des Drehzentrums in dasmediale Kompartiment. Hiermitkann es zum einen zu einer Überbe-lastung des medialen femoro-tibia-len Gelenkabschnittes kommen.Zeitgleich kommt es allerdings auchzu auftretenden Scherkräften im la-teralen Gelenkabschnitt (Abb. 17).

Aufgrund der vermehrten Bewegungdes lateralen Kompartimentes imVKB-defizienten Zustand sind Knor-pelläsionen und Meniskusläsionenlateral gehäuft zu diagnostizieren.Mafulli et al. analysierten die chon-dralen Oberflächen bei 378 VKB-Rekonstruktionen und konnten bei157 Patienten Knorpelläsionen do-kumentieren (Mafulli et al. 2003).Femoralseitig waren die Läsionenam häufigsten. Eine weitere Studie

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Abbildung 14Schematische Darstellung der Rißlokalisa-tion unter Berücksichtigung der Vasku-larität. Basisnahe Risse können aufgrundder guten Vaskularität des äußeren Drittelsrefixiert werden (a). Risse im zentralen Ab-schnitt des Meniskus haben aufgrund derverminderten vaskulären Versorgung eineschlechte Heilungsrate (c). Hier wird eineTeilresektion durchgeführt. Zur Therapievon Rissen in der Zone zwischen den beiden Extremen muss eine individuelle Entscheidung unter Berücksichtigung der assoziiertenVerletzungen getroffen werden (b).

Abbildung 15Dislozierter Innenmeniskuskorbhenkelriss.Das Fragment ist in die Fossa interkondylariseingeschlagen (a). Die Reposition kann mitHilfe eines stumpfen Trokars erfolgen (b).

Abbildung 16Nach Reposition erfolgt die Naht in outside-in Technik. Hierfür wird zunächst eine Fa-denschlaufe in das Gelenk eingebracht (a).Nach Durchshutteln erfolgt die Naht miteinem nicht resorbierbaren Fadenmaterial(hier: Vertikalnaht, b).

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berichtet eine Inzidenz 45,1% vonKnorpelläsionen bei VKB Ruptur(Yüksel et al. 2007). Die Assoziation zwischen Instabi-lität und chronischen Knorpelscha-den ist in der Literatur hinlänglichbekannt (Jonsson et al. 2004, Finket al. 1994, Krüger-Franke et al.1997, Shelbourne et al 1997, 2000,2003). Dieser Zusammenhang wurde

von Daniel et al. (1994) als „ACL-Cascade“ bezeichnet (Modifikation„VKB-Trauma-Kaskade“, siehe Kapi-tel Indikation). Dieser Effekt scheintinsbesondere bei Sportler ausge-prägt zu sein (Abb. 18). Nebelungund Wuschech haben Leistungs-sportler nach durchschnittlich 35Jahren untersucht und berichten bei13 von 19 Patienten osteoarthroti-sche Veränderungen (Nebelung undWuschech 2005). Ziel der operativenTherapie ist daher neben der Verbes-serung der subjektiven Instabilitätauch ein Verhindern der frühenOsteoarthrose (Abb. 19). Viele Stu-dien konnten jedoch zeigen, dassauch bei Patienten nach VKB-Rekon-struktion im Langzeitverlauf Knor-pelläsionen auftreten können. Häu-

fig wurden in diesen Studien aller-dings ältere OP-Methoden (offeneVKB-Rekonstruktion, synthetischerLigamentersatz, transtibiale Rekon-struktionstechnik) und unterschied-lichste Rehabilitationsverfahren ein-gesetzt (Ruhigstellung mit Gipsbe-handlung bis zur frühzeitigen ag-gressiven Rehabilitation). Wissen-schaftlich objektiv muss angemerktwerden, dass nur wenige Studien be-weisen konnten, dass durch eineVKB-Rekonstruktion die Osteoarth-rose verhindert werden kann. Jomhaet al. führten eine prospektive Stu-die zur Analyse der Sekundärschädenund Osteoarthrose bei Patientenmit VKB-Ruptur und Risikofaktorendurch. Die Autoren konnten zeigen,dass bei Patienten mit Risikopoten-tial eine Kreuzbandrekonstruktionmögliche Sekundärschäden und früh-zeitig beginnende Osteoarthroseverhindert (Jomha et al. 1999). Risi-kofaktoren für das Auftreten von Se-kundärschäden sind hohe Aktivität,das Auftreten von Giving way Phäno-menen im Sport, Kindes- und Ju-gendalter, oder Alltag, erhöhte APTranslation und ein positives Pivotshift Phänomen (Jomha et al. 1999,Petersen und Zantop 2009). Aberauch primäre Knorpelschäden (undMeniskusläsionen) können einensignifikanten Beitrag zur späterenArthroserate haben (Abb. 20). Die

100 Th. Zantop u. a. · Assoziierte Verletzungen

ASSOZIIERTE VERLETZUNGEN

a b c

DintDdef DdefDdef

Abbildung 17Schematische Darstellung auftretender Scherkräfte bei VKB-Ruptur. Das Drehzentrum desintakten Kniegelenkes ist im Bereich der tibialen Eminentia lokalisiert (a, Dint). Bei VKB-Ruptur kommt es zu einer Verlagerung des Drehzentrums in das mediale Kompartiment(Ddef). Somit kommt es im lateralen Kompartiment zu einer vermehrten Translationsfähig-keit nach anterior (b, durchgehende Linie) und posterior und zum Auftreten von Scher-kräften (c, durchgehende Linie).

a b

c d

Abbildung 18Projektionsradiographischer Verlauf beiVKB-Ruptur. Die VKB-Ruptur wurde miteiner Resektion der VKB-Stümpfe (ohneRekonstruktion) behandelt. Radiologischzeigt sich 1 Jahr postoperativ eine ver-mehrte Sklerosierung des medialen Kom-partiments (a). Ca. 8 Jahre nach Stumpf-resektion zeigen sich deutliche degenerati-ve Veränderungen am medialen und latera-len Kompartiment (b). PatellofemoralerGelenkabschnitt 1 Jahr (c) und 8 Jahre nachStumpfresektion (d).

Abbildung 19Chronische VKB-Läsion. Im medialen Kompartiment zeigt sich aufgrund der Verlagerungdes Drehzentrums eine ausgeprägte Chondromalazie (a). Das VKB lässt sich nur noch alsschmale Struktur abgrenzen (b). Es besteht eine subjektive und objektive Instabilität.

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ASSOZIIERTE VERLETZUNGEN

therapeutische Strategie sollte beiKnorpelläsionen und VKB-Insuffi-zienz auch beide geschädigten ana-tomischen Strukturen befassen: denKnorpel und das VKB. Eine lokaleTherapie des Knorpelschadens beiinstabilem Gelenk ohne eine Stabili-sierung scheint weder sinnvoll nocherfolgsversprechend.

Zusammenfassend kann festgestelltwerden, dass bei Kniegelenkinstabi-lität aufgrund einer Läsion des vor-deren Kreuzbandes bei einem Teil derPatienten sekundäre Meniskus- und

Knorpelschäden auftreten. Hierbeiist die Sportaktivität und das Aktivi-tätsniveau ein entscheidender Risi-kofaktor. Die therapeutischen Stra-tegien zur Verbesserung der Regene-rationsförderung des Knorpels rei-chen von Eröffnung des subchondra-len Markraumes mit Provokationeiner Blutung (z. B. Mikrofrakturie-rung, Pridiebohrung oder Abrasions-arthroplastik, Abb. 21) über kombi-nierte Verfahren mit Matrixabde-ckung (autologe matrix-induzierteChondrogenese) bis zur Knorpelzell-transplantation (autologe matrix-

101Th. Zantop u. a. · Assoziierte Verletzungen

Abbildung 20Primäre Knorpelschäden bei VKB-Ruptur. Die chondrale Oberfläche am lateralen Femur-kondylus ist abgeschert (a). Die Gelenkkörper sind in den Hiatus popliteus disloziert. NachMobilisation der Gelenkkörper können diese entfernt werden (b).

Abbildung 21Primärer Knorpelschaden bei VKB-Ruptur. Zunächst erfolgt das Abtragen der instabilenKnorpelbezirke (a). Bei gut erhaltener Schulter und entsprechender Größe wird eineMirkrofrakturierung durchgeführt.

Abbildung 22Matrix assoziierte autologe Chondrozyten-transplantation (m-ACT). Es erfolgt die Im-plantation der auf die Matrix kultiviertenChondrozyten in offener Technik.

Abbildung 23Valgisierende hohe tibiale Umstellungs-osteotomie in medial eröffnender Technikzur Entlastung des medialen Kompartimen-tes. Bei chronischer VKB-Rezidivinstabilität(femorale high noon Positionierung) er-folgte die Umstellung bei ausgeprägterVarusdeformität und symptomatischenKnorpelschaden im medialen Komparti-ment.

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assoziierte Chondrozytentransplan-tation) (Abb. 22). Insbesondere beidiesen Verfahren ist die Gelenkstabi-lität eine wichtige Voraussetzung fürden Therapieerfolg und somit ist beiVKB-Ruptur eine Rekonstruktion es-sentiell. Im chronischen Stadium derVKB-Insuffizienz spielt auch die Bei-nachsenbegradigung im Sinne einerOsteotomie eine wichtige Rolle imtherapeutischen Regime (Abb. 23).

Begleitende knöcherne Läsionen

Auch bei den ossären Begleitläsio-nen kann zwischen akuten und chro-nischen Schäden differenziert wer-den. Bei den Luxationsfrakturen(Moore 1981, Moore et al. 1987), diezwangsläufig eine ligamentäre In-stabilität des vorderen oder hinterenKreuzbandes bedingen, steht dieanatomische Reposition der Gelenk-parameter im Vordergrund. Im Rah-men dieses Kapitels wird auf die be-gleitenden knöcheren Läsionen beibestehender VKB-Ruptur eingegan-gen. Zum Therapiealgorithmus beiLuxationsfrakturen mit Hauptaugen-merk auf die knöcherne Repositionund Fixation wird auf weiterführendeLiteratur verwiesen (Lobenhoffer1997, Hertel 1997, Petersen et al.2006). Zu den akuten knöchernen Begleit-pathologien gehört Eminentia inter-kondylaris Fraktur (Meyers undMcKeever 1970, Zaricznyj et al.1977, Eggers et al. 2007). Ursacheder Instabilität ist hier die Frakturder tibialen (selten auch femoralen)VKB-Insertion (siehe Kapitel Dia-gnostik) (Abb. 24). Diese Form istinsbesondere bei kindlichen VKB-In-stabilitäten vorhanden und wird ent-sprechend nach der Dislokation desFragmentes in Stadien eingeteilt(siehe Kapitel Diagnostik, kindlicheRupturen). Während gering dislo-zierte Fragmente (I°), die sich ggf.in Streckstellung reponieren lassen

102 Th. Zantop u. a. · Assoziierte Verletzungen

ASSOZIIERTE VERLETZUNGEN

a bAbbildung 24Anteriore Eminentiafraktur. Nach projektionsradiographischer Diagnostik wurde eine CTdurchgeführt, um die Konsistenz des Fragmentes zu beurteilen. Während im sagittalenStrahlengang die Fraktur diskret disloziert erscheint (a), zeigt die Frontalebene die Frag-mentierung (b).

Abbildung 25Anteriore Eminentiafraktur (Fortsetzung Abb. 24). Nach Reposition erfolgt die Fixationmit einer Nahtcerclage mit Hilfe eines 4,5 mm tibialen Tunnels. Die Fäden werden durchdas VKB vorgelegt und durch den tibialen Tunnel ausgeleitet (a). Bei Fragmentierung undentsprechender Größe des Fragementes wurde eine zweite weiter posterior gelegeneNahtcerclage angelegt. Die Fäden werden über jeweils einen femoralen Fixationsknopffixiert (b).

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ASSOZIIERTE VERLETZUNGEN

und mit Hilfe einer konservativenTherapie ausheilen können, so kannbei dislozierten Fragmenten (II/III/IV°) das operative Therapieregimefavorisiert werden. Ein Grund, dasshöhergradig dislozierte Fragmentesich nicht reponieren, ist die Inter-position des Ligamentum transver-sum genus zwischen Fragment undFrakturbett. Das Ligament kann soeine Einheilung verhindern. Zur ope-rativen Therapie stehen neben einerretrograden oder anterograden (beideutlich geöffneten Wachstumsfu-gen) Schraubenfixation, die Naht-cerclage zur Reduktion des Fragmen-tes zur Verfügung (siehe Kapitelkindliche VKB Ruptur) (Abb. 25)(Berg et al. 1993, Kobayashi et al.1994, Lubowitz et al. 2005, Eggerset al. 2007). Im Rahmen der Aufklä-rung sollte darauf hingewiesen wer-den, dass neben der Fraktur aucheine ligamentäre Instabilität vorlie-gen kann. Trotz anatomischer Repo-sition und gutem Einheilen kann imVerlauf eine Instabilität bestehen,die durch die plastische Verformungder Bandanteile bedingt ist (sieheKap. Kindliche Rupturen). Weitere knöcherne Begleitläsionenkönnen im Bereich des tibialen Ge-lenkpartners auftreten. Insbesonderezur Differentialdiagnose bei Häm-arthros muss eine Fraktur ausge-schlossen werden (Abb. 26). BeimAuftreten einer lateralen Tibiapla-teaufraktur (B1-3) steht zunächstdie knöcherne Konsolidierung imVordergrund. Eine Segondfraktur um-schreibt einen assoziierten knöcher-nen Ausriss des lateralen Kapselban-daparates an seiner tibialen Insertion(kein knöcherner Ausriss LCL, Radio-logische Darstellung siehe KapitelDiagnostik). Selten besteht bei derSegondfraktur eine Indikation zuroperativen Therapie des Fragmentesselbst; sie gilt jedoch als hinweisendfür eine VKB-Ruptur. Als Sulcus Zei-chen wird eine Impaktion des latera-len Femurcondylus in Höhe der Linea

terminalis definiert (Abb. 27). Einemögliche Erklärung ist der tibiale An-schlag an den lateralen Femurkondy-lus zum Verletzungszeitpunkt. Auchein Hyperextensionsmechanismus istdenkbar, dieser ist jedoch nicht nurfür isolierte VKB-Läsionen ursächlich(siehe Kapitel Epidemiologie).

Die wahrscheinlich häufigste ossäreBegleitläsion ist das sogenanntebone bruise im Bereich des lateralenFemurkondylus. Ist diese Knochen-kontusion zeitgleich mit einemSignal im Bereich der posterolatera-len Tibiaplateaus assoziiert, wirddies als kissing lesion bezeichnet.

103Th. Zantop u. a. · Assoziierte Verletzungen

a bAbbildung 26Tibiakopfraktur vom Typ AO 41 B3. Neben einer Spaltung ist es auch zu einer Impressiondes lateralen Fragmentes gekommen (a). Es erfolgt die arthroskopische Reposition undFixation mit Schraubenosteosynthese in überkreuzender Technik (Jail-Technik, b).

Abbildung 27Sulcus terminalis Zeichen. Das MRT zeigt die Impaktion des lateralen Femurkondylus(femorale Impressionsfraktur, a). Arthroskopisch kann der Befund in extensionsnaherPosition dargestellt werden (b). Eine Versorgung dieser Läsionen ist nur im Ausnahmefallnotwendig.

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Pathobiomechanisch handelt es sichum einen Ausdruck der zum Unfall-zeitpunkt bestehenden Subluxationdes Kniegelenkes (Abb. 28). EineEmpfehlung, ob bei Vorhandenseineiner kissing lesion zunächst eineTeilbelastung durchgeführt werdensoll, kann unserer Ansicht nach auf-grund der wissenschaftlich nicht ge-sicherten Lage nicht ausgesprochenwerden. Davies et al. untersuchtenden Verlauf eines bone bruises mitHilfe Kontroll MRI-Untersuchungen12–14 Wochen nach Verletzungszeit-punkt Bei ca. 80% der Patientenzeigte sich eine Reduktion um mehrals 50%, allerdings konnte bei allen30 Patienten die Persistenz des Kno-chenmarködems dokumentiert wer-den (Davies et al. 2004). Grösse undReduktionsrate des bone bruisewaren dabei unabhängig von liga-mentären Begleitläsionen. Es konntemit dieser Studie gezeigt werden,dass das positive MRT-Signal ggf.trotz klinischer Besserung der vor-handenen Beschwerden länger be-stehen bleibt als zunächst angenom-men (Davies et al. 2004).

Während das Auftreten des bone bru-ise bei VKB-Ruptur als pathognomo-nisch gilt, ist die Prognose für denchondralen Überzug des Bezirkesnicht absehbar. Costa-Paz et al.(2001) haben 21 Patienten mit einerisolierten VKB-Ruptur ohne initialeKnorpelläsion im Mittel 34 Monate(24–64 Monate) nach VKB-Rekon-struktion mit einem BPTB-Transplan-tat erneut einer MRT-Untersuchungunterzogen und die Bilder mitder präoperativen Diagnostik ver-glichen. Bei allen Patienten mitSchädigung der subchondralen Plat-te (Typ-III-Läsion) konnte auf denKontroll MRT-Aufnahmen eine Aus-dünnung des Knorpels dokumentiertwerden. Diese Läsionen waren am la-teralen Femurkondylus lokalisiert.Langzeitstudien zur Verlaufskontrol-le sind in der Literatur nicht be-schrieben. Zu den chronischen knöchernen Be-gleitpathologien gehören vor allemosteophytäre Anbauten. Die Kno-chenneubildungen in der Area inter-condylaris oder am Notcheingangkönnen als Stabilisationsversuch des

Gelenkes gewertet zu werden (Abb.29). Bei entsprechender Größe kön-nen sie für ein Extensionsdefizit ur-sächlich sein. Da sie die Visualisa-tion auf die femorale VKB-Insertionan der Wand des lateralen Femurkon-dylus deutlich beeinträchtigen, soll-ten sie bei der Rekonstruktion mitHilfe einer Notchplastik entferntwerden (Abb. 30). Bei VKB-Rekon-struktion und bestehenden Notchos-teophyten kann es zu einem Impin-gement des Transplantates kommen,dass bis zum Versagen führen kann(Abb. 31). Die Durchführung einerNotchplastik ist allerdings keine Me-thode, um eine Fehlplatzierung desTransplantates und ein pathologi-sches Impingement zu kompensie-ren (siehe Kapitel Tunnelpositionie-rung). Zusammenfassend stehen bei chro-nischen ossären Begleitpathologiendie osteophytären Anbauten in derFossa interkondylaris oder am me-dialen und lateralen Femurkondylusim Vordergrund. Bei akuten ossärenBegleitpathologien handelt es sichum Frakturen, die sich häufig alsKapsel-Band Absprengungen präsen-tieren (Segond-/Eminentiafraktur).Eine Besonderheit bildet hier derbone bruise des lateralen Femurkon-dyls und des lateralen Tibiaplateaus.

Begleitendeligamentäre LäsionenRupturen des VKBs können mit meh-reren assoziierten ligamentären Lä-sionen einhergehen. Diese reichenvon Verletzungen der peripherenStabilisatoren des medialen und la-teralen Kollateralbandes bis hin zurMitbeteiligung des hinteren Kreuz-bandes. Von einer multiligamentärenVerletzung wird ab einer Beteiligungvon 3 ligamentären Strukturen ge-sprochen. Die ligamentären Begleit-läsionen lassen sich häufig durchden Verletzungsmechanismus erklä-ren (siehe Abb. 2)

104 Th. Zantop u. a. · Assoziierte Verletzungen

ASSOZIIERTE VERLETZUNGEN

a b cAbbildung 28Schematische Darstellung der Entstehung des bone bruise. Bei der Subluxationsstellungzum Verletzungszeitpunkt (a) kommt es zur Impression des lateralen Femurkondylus oderdem Tibialplateau (b). Das MRT bei VKB-Ruptur zeigt die typische Signalalteration (c).

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ASSOZIIERTE VERLETZUNGEN

105Th. Zantop u. a. · Assoziierte Verletzungen

a b

Abbildung 29Notchstenose bei chronischer VKB-Insuffi-zienz (a). Die Notchosteophyten werden inder Rosenbergaufnahme deutlich (b).

Abbildung 30Notchstenose bei chronischer VKB-Insuffi-zienz. Die Osteophyten lenken den Verlaufdes VKBs ab (a). Im Rahmen einer VKB-Rekonstruktion sollte eine Notchplastik zurResektion der Osteophyten erfolgen. An-sonsten besteht die Gefahr der Transplan-tatlazeration, die bis zur Reruptur führenkann (b).

Abbildung 31Notchstenose bei chronischer VKB-Insuffi-zienz (Fortsetzung von Abb. 30). Die Notch-plastik wird mit Hilfe eines scharfen Löffelsoder einer Tannenbaumfräse durchgeführt(a). Die femorale Insertion des VKBs ist freiund es besteht eine chronische Insuffizienzdes VKB mit Auflagerung auf das HKB (b,Visualisation durch das mediale Portal).

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Anteromediale Instabilität

Die anteromediale Instabilität ist diehäufigste ligamentäre Begleitverlet-zung, die aufgrund des Valgus/Aussenrotationstrauma entsteht(siehe Kapitel Epidemiologie) (Lipkeet al. 1981). Zur genauen Klassifika-tion der medialen Instabilität isteine akkurate klinische Diagnostiknotwendig (Abb. 32). Die erst- und zweitgradigen Läsio-nen treten häufig im Rahmen vonSportverletzungen auf und betreffenmeist den oberflächlichen Anteil desmedialen Kollateralbandes (MCL)(Müller 1982, Petersen et al. 2008).Durch das intakte hintere Schräg-band und die Anteile der posterome-dialen Kapsel ist der Kontakt derRupturenden gewährleistet und einekonservative Therapie indiziert(Abb. 33). Bei erstgradiger Instabi-lität können physikalische Maßnah-men und eine Teilbelastung ausrei-chen. Bei zweitgradigen Instabilitä-ten sollte eine VKB Orthese zur Si-cherung der Einheilung verordnetwerden. Bei ausgeprägter Valgus-deformität wird die Indikation zurOrthesenverordnung großzügig ge-stellt. Insbesondere partielle Ruptu-ren mit mäßiger Instabilität zeich-nen sich durch eine ausgeprägteSchmerzsymptomatik aus (siehe Ka-pitel Diagnostik). Die operative Ver-sorgung der VKB-Ruptur erfolgt imschmerz- und reizfreien Intervall. Akute drittgradige Läsionen zeich-nen sich durch eine ausgeprägteAufklappbarkeit aus (siehe Kapi-tel Diagnostik). Pathophysiologischkommt es zu einer Ruptur des ges-amten MCL-Komplexes (Abb. 34). Istbei der Läsion das hinteren Schräg-band und die posteromediale Kapselbetroffen, so sollte die frühe opera-tive Strategie verfolgt werden. Sel-tene Rupturformen sind die tibialeAvulsion des MCLs. Hier kann es zuranatomischen Lage der rupturiertenLigamentanteile auf dem Pes anseri-

nus superficialis kommen und esbestehen genau wie bei eingeschla-genen MCL-Fasern in das Gelenkschlechte Einheilungchancen. Alsoperatives Vorgehen empfiehlt sichdie Ankerrefixation und die Faszien/Kapselduplikation (Operation nachHughston, Hughston 1976). Bei chronischen Läsionen ist dastherapeutische Vorgehen deutlichschwerer. Bei geringerer Instabilität

(I/II°) kann im Rahmen der VKB-Re-konstruktion eine Anfrischung undMirkrofrakturierung der Insertionenerfolgen. Bei deutlichen chronischenInstabilitäten (III°) sollte nebeneiner Kapselduplikatur (OP nachHughston) auch die Möglichkeiteiner medialen Sehnenrekonstruk-tionstechnik beachtet werden. Die Beachtung der assoziierten liga-mentären Instabilitäten der antero-

106 Th. Zantop u. a. · Assoziierte Verletzungen

ASSOZIIERTE VERLETZUNGEN

Therapiemöglichkeiten bei VKB-Ruptur und MCL-Läsion

Grad I 0–5° TeilbelastungPhysikalische Maßnahmen

Grad II 5–10° VKB-Orthese(freie Beweglichkeit)

VKB-Rekonstruktion imreizfreien Intervall

Grad III �10° Akute Läsion: frühzeitige Refixation(Naht, Ankertechnik, Duplikatur)

Chronische Läsion: Sehnentransfer, Duplikatur

Abbildung 32Therapiemöglichkeiten bei VKB und MCL Läsion.

Abbildung 33MCL-Distorsion. Bei II° klinischer Aufklappbarkeit zeigt das MRT eine femorale Signalalte-ration (a). Das Ligament selber ist durchgängig darstellbar. Die MCL-Läsion kann konser-vativ mit Hilfe einer Orthese zur Ausheilung gebracht werden (b). Die Versorgung des VKBserfolgt im schmerzfreien Intervall.

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ASSOZIIERTE VERLETZUNGEN

medialen Gelenkecke hat auch Ein-fluss auf die Transplantatwahl beider VKB-Rekonstruktion. Da dieHamstringsehnen als aktiver Stabili-sator einen Einfluss auf die medialeGelenkecke haben, sind bei einerausgeprägten medialen Instabilitätdie ipsilateralen Hamstringsehnennicht das Transplantat der Wahl. Viel-mehr sollten hier als Transplantateine Patellarsehne, die Quadrizeps-sehne oder die Hamstringsehnen derGegenseite verwandt werden (sieheKapitel Transplantatwahl).

Anterolaterale Instabilität

Bei der anterolateralen Instabilitätkommt es zu einer assoziierten Ver-letzung der Insertion der anterolate-ralen Kapsel (Segond Fraktur), deslateralen Kollateralbandes oder desTractus illiotibialis (Lipke et al.1982, Zantop et al. 2006, Müller1982). Obwohl streng anatomischbetrachtet bei Läsionen der Sehnedes M. popliteus und der Bizeps-sehne eher die Bezeichnung postero-laterale Instabilität zutreffend wäre,

so sollte diese Läsion trotzdem imZusammenhang mit der VKB-Läsiongesehen werden (Abb. 35). ImGegensatz zur anteromedialen Insta-bilität, die durch den Verletzungs-mechanismus suffizient erklärt wer-den kann, ist beim Vorliegen eineranterolateralen Instabilität häufig

eine Verletzungssituation mit höhe-rer äußerer Energieeinwirkung ver-antwortlich (Zantop et al. 2006). Beichronischer VKB-Insuffizienz kannes zudem zur Entwicklung einerfunktionellen lateralen Instabilitätkommen. Kanamori et al. konntenzeigen, dass bei experimentellerVKB-Resektion die Spannungen indem medialen und lateralen Kolla-teralbandkomplex deutlich anstie-gen (Kanamori et al. 2000). Bei Vor-liegen einer Varusdeformität kommtes zusätzlich zu einer Steigerung derSpannung im LCL. Pathobiomechanisch sind die ge-nannten Strukturen der antero-(postero-) lateralen Ecke sekundäreStabilisatoren zur Limitation der an-terioren tibialen Translation (Lipkeet al. 1982, Zantop et al. 2006, Mül-ler 1982). Diese Funktion kommtinsbesondere Verlust des primärenStabilisators, dem VKB zu tragen(Abb. 36). Eine rein intra-artikuläreRekonstruktion im Sinne einer VKB-

107Th. Zantop u. a. · Assoziierte Verletzungen

Abbildung 34Makroskopisches intraoperatives Bild einerdrittgradigen medialen Instabilität. Diemedialen Strukturen sind rupturiert. Dashintere Schrägband erfüllt seine Funktionnicht mehr, so dass sich unter Valgusstressder Meniskus komplett vom femoralenKondylus ablösen lässt.

Assoziierte anterolateralePathologie

Läsion des lateralenKollateralbandes (selten isoliert)

Läsion des Tractus illiotibialis

Läsion der anterolateralenKapselinsertion (Segond)

Läsion der Bizepssehne

Posterolaterale Läsion(Tendo M. popliteus)

Abbildung 35Mögliche Komponenten der anterolateralenInstabilität

a b c

Abbildung 36Schematische Darstellung der stabilisierenden Funktion der lateralen Strukturen (hierlaterales Kollateralband, LCL). Im intakten Kniegelenk besitzt das LCL eine sekundär stabi-lisierende Funktion bei anteriorer tibialer Translation (a). Bei VKB-Ruptur und zunehmen-der anteriorer tibialer Translation steigt die Spannung im LCL an und die Bedeutung zurLimitation steigt (b). Eine stark vermehrte anteriore tibiale Translation ist bei Insuffizienzdes VKBs und LCL vorhanden (c). Dasselbe trifft auf den Einfluss des Tractus iliotibialis zu.

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Rekonstruktion reicht in diesen Fäl-len nicht aus, um die komplexe Ver-änderung der Kinematik zu adressie-ren. Eine biomechanische Studiekonnte zeigen, dass bei ausgepräg-ter Läsion der lateralen Kollateral-bandes (III°-Läsion) auch eine ana-tomische VKB-Doppelbündelrekon-struktion nicht ausreicht, um dieKinematik des intakten Kniegelenkeswiederherzustellen (Zantop et al.2010). Für die klinische Praxis be-deutet dies, dass das bei einer VKB-Ruptur mit ausgeprägter lateralerInsuffizienz die operative Strategiedie intra- und extra-artikuläre Insta-bilität adressieren muss. Zusätzlich zu den bekannten dia-gnostischen Verfahren (siehe KapitelDiagnostik) sind bei Verdacht auf as-soziierte anterolaterale Instabilitäteinige Besonderheiten erwähnens-wert. Im Rahmen der klinischenUntersuchung kann es bei Läsion desTractus illiotibialis zu einem Aus-bleiben des Repositionsmanöversdes lateralen Tibiaplateaus kommenund somit zu einem falsch negativenBefund (Abb. 37). Zum anderen soll-te bei der ggf. durchzuführendenMRT Diagnostik der radiologischeKollege explizit auf die Fragestellungeiner assoziierten Läsion der antero-und ggf. auch posterolateralenStrukturen hingewiesen werden. Zur

Beantwortung dieser Fragestellungkann eine Modifikation des Stan-dardprotokolls der MRT-Untersu-chung nötig sein. Einige Protokollesind aufgrund der anatomischen To-pographie der häufigsten Patholo-gien (VKB-Läsion, Meniskusruptur)und zur Verkürzung der Untersu-chungszeit auf die Fossa interkondy-laris fokussiert. Eine Diagnostik ins-besondere der posterolateralenStrukturen ist bei diesen Untersu-chungsprotokollen nicht möglich.Im Sinne des Patienten sollte beidiesen Fällen auf eine entsprechendeKommunikation zwischen traumato-logischen Orthopäden und Radiolo-gen geachtet werden. Die pathobiomechanische Kinematikhat in Kombination mit den anato-mischen Besonderheiten der Kompo-nenten der anterolateralen Gelenk-ecke eine klinische Relevanz. ImGegensatz zum medialen Kollateral-bandkomplex scheinen die Einhei-lungschancen des lateralen Komple-xes geringer. Zusätzlich scheint beiLäsion des LCLs aufgrund seiner blei-stiftartigen anatomischen Strukturdie primäre Refixation mit Hilfeeiner Ankertechnik besser geeignetals bei der breiten Insertionszone

des medialen Bandkomplexes. Beieiner III °-Aufklappbarkeit (Klassifi-kation siehe anteromediale Instabi-lität, Abb. 33) im akuten Stadium isthier die primäre Refixation indiziert,ggf. mit primärer Augmentation(Abb. 38). Die Entscheidung derzeitgleichen VKB-Rekonstruktion er-folgt individuell und ist neben sport-lichen und beruflichen Aspektenauch von weiteren assoziierten Lä-sionen (refixierbarer Meniskusriss)abhängig. Über eine erhöhte Gefahrder Arthrofibrose bei präoperativerBewegungseinschränkung und ge-reizten Kniegelenk sollte der Patientaufgeklärt werden (Mayr et al.2003). Eine schwierige klinische Situationzeigt der Patient mit VKB-Rupturund chronischer Instabilität der an-terolateralen Ecke. Bei geringerfunktioneller Instabilität aufgrundeiner Varusdeformität kann eine al-leinige VKB-Rekonstruktion ggf.ausreichen, um ein gutes klinischesErgebnis zu erreichen. Bei ausge-prägt chronischer lateraler Instabi-lität muss sowohl die intra- als auchdie extra-artikuläre Instabilitätadressieren werden (Abb. 39). Hiersollte zur intra-artikulären Rekon-

108 Th. Zantop u. a. · Assoziierte Verletzungen

ASSOZIIERTE VERLETZUNGEN

Merke

Bei Läsion der anterolateralenGelenkecke, insbesondere desTractus iliotibialis kann es zueiner falsch negativen Inter-

pretation des pivot shift Testeskommen. Um die Subluxations-

stellung des lateralen Tibia-plateaus zu reponieren, ist dieIntegrität des Tractus ilioti-

bialis Voraussetzung.

Abbildung 37Pivot shift Test und anterolaterale Instabi-lität.

Abbildung 38Primäre Refixation einer lateralen Instabilität mittels Ankerrefixation (a). Zur anatomi-schen Refixation des LCL und der Popliteussehne wurde eine doppelte Ankerrefixationverwandt.

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ASSOZIIERTE VERLETZUNGEN

struktion eine anatomische Ein-zelbündelrekonstruktion favorisiertwerden, da es bei einer Doppelbün-delrekonstruktion und einer zusätz-lichen lateralen Rekonstruktion mitfemoraler Tunneltechnik theoretischzur Gefahr einer Osteonekrose im la-teralen Femurkondylus kommenkann (Zantop et al. 2010). Bei ver-mehrter Varusdeformität kommt eszu einer zunehmenden Bedeutungder valgisierenden Umstellungs-osteotomie in medial eröffnenderTechnik. Die Entscheidung einereinzeitigen Umstellungsosteotomieund VKB-Rekonstruktion muss mitunter Berücksichtigung der erhöh-ten Komplikationsgefahr individuellgefällt werden, allerdings solltedie Beinachsenkorrektur in diesenFällen zuerst therapiert werden(Abb. 40).

Multiligamentäre Instabilität

Im Gegensatz zu einer assoziiertenanteromedialen oder anterolateralenInstabilität wird eine multiligamen-täre Verletzung ab einer Beteiligungvon 3 ligamentären Strukturen defi-niert (Abb. 41). Häufig handelt essich bei diesen Verletzungen umHochrasanztraumen im Rahmen vonVerkehrsunfällen. Als typisches Bei-spiel kann das klassische Anprall-trauma an das Armaturenbrett imAuto angeführt werden (siehe Kapi-tel Diagnostik). Hierbei kann es zueiner Läsion des hinteren Kreuzban-des, des vorderen Kreuzbandes derposteromedialen und -lateralen Struk-turen kommen. Aber auch im Rah-men von Sportunfällen kann es zurmultiligamentären Instabilität kom-men. Mit Hilfe einer retrospektivenStudie konnten Schulz et al. zeigen,dass von 494 Patienten mit Läsiondes hinteren Kreuzbandes sich 197Patienten (ca. 40%) die Verletzungbei der Ausübung des Sportes zuzo-gen (Schulz et al. 2002). Haupt-sportart war in diesem Patienten-

109Th. Zantop u. a. · Assoziierte Verletzungen

a bAbbildung 39Anterolaterale Instabilität bei VKB-Ruptur und lateraler Instabilität, präoperative Diag-nostik (a). Die Versorgung erfolgte mit einer Einzelbündel VKB-Rekonstruktion in medialerPortaltechnik und lateraler Rekonstruktion in modifizierter Larson Technik (b, Tunnelgestrichelt nachgezeichnet).

Therapiemöglichkeiten beiVKB-Ruptur und chronischer lateraler Instabilität

Geringe laterale AusgeprägteInstabilität laterale Instabilität

Geringe Varus- VKV-Rekonstruktion VKB-Rekonstruktion (EB)deformität mit lateraler

Sehnenrekonstruktion

Ausgeprägte Valgisierende hohe Valgisierende hoheVarus- tibiale Umstellungs- tibiale Umstellungs-

deformität osteotomie osteotomie mit lateralerGgf. einzeitige VKB- Sehnenrekonstruktion

Rekonstruktion

Abbildung 40Therapiemöglichkeiten bei VKB-Ruptur und chronischer lateraler Instabilität.

baAbbildung 41Kniegelenkluxation mit multiligamentärer Instabilität beim Fußball.

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klientel Fußball (25%) und Skilaufen(8%) (Abb. 42). Bei multiligamentären Verletzungensteht die Versorgung des hinterenKreuzbandes im Vordergrund. Diesesollte von der Diagnostik über dietherapeutische Strategie bis hin zurRehabilitation die HKB-Läsion füh-rend sein (Abb. 43). Die operativeTherapie sollte eine simultane Re-konstruktion des HKBs, VKBs und derSeitenbandstrukturen beinhalten(Abb. 44, 45). Aufgrund der komple-xen therapeutischen Besonderheitenbei HKB Läsionen verweisen wir hierauf Fachliteratur (Harner et al. 2000,Jung et al. 2010, Petersen und Zan-top 2010, Strobel und Weiler 2008,Wind et al. 2004, Zantop und Peter-sen 2010). Patienten mit multiliga-mentärer Kniegelenkinstabilität soll-te in ausgewiesen Zentren für knie-chirurgische Maßnahmen betreutwerden.

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110 Th. Zantop u. a. · Assoziierte Verletzungen

ASSOZIIERTE VERLETZUNGEN

Abbildung 42Kniegelenkluxation mit traumatischer Ruptur des N. peroneus.

Merke

Bei multiligamentärer Instabi-lität ist die Läsion des hinterenKreuzbandes therapieführend.

Eine isolierte Versorgungdes vorderen Kreuzbandes im

multiligamentär instabilen Knie-gelenk ist kontraindiziert.

Abbildung 43Leitschema zurmultiligamentä-ren Instabilität.

Abbildung 44Multiligamentäre Rekonstruktion. Zunächst erfolgt die Anlage desfemoralen HKB-Tunnels (a, b). Der tibiale HKB-Tunnel endet ca. 20 mmunterhalb der Meniskusbasis (c). Es wird eine Einzelbündelrekon-struktion in Augmentationstechnik des anterolateralen Bündelsdurchgeführt (d).

Abbildung 45Postoperatives Röntgenbild nach multili-gamentärer Rekonstruktion beim 18-jähri-gen Fußballer nach Kniegelenkluxation.Es wurde zunächst extern eine primäre Re-fixation der posterolateralen Strukturendurchgeführt. Bei persistierender posterio-rer und posterolateraler Instabilität erfolg-te die simultane VKB/HKB und posterolate-rale Rekonstruktion.

95-112 Assoziierte Verletzungen 25.05.2011 14:41 Uhr Seite 110

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ASSOZIIERTE VERLETZUNGEN

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