arbeitsbedingungen und qualität im lokaljournalismus: neue forschungsbefunde

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Zürcher Fachhochschule IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft Arbeitsbedingungen und Qualität im Lokaljournalismus: Neue Forschungsbefunde Prof. Dr. Vinzenz Wyss Kolloquium Lokaljournalismus und Qualität, 7. Juli 2011 im Aktionsfeld Medien & Kommunikation Zyklus: Regional- und Lokalmedien der Zukunft: Wer nutzt, wer macht, wer finanziert sie?

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Page 1: Arbeitsbedingungen und Qualität im Lokaljournalismus: Neue Forschungsbefunde

Zürcher Fachhochschule

IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft

Arbeitsbedingungen und Qualität im Lokaljournalismus: Neue Forschungsbefunde

Prof. Dr. Vinzenz Wyss

Kolloquium Lokaljournalismus und Qualität, 7. Juli 2011

im Aktionsfeld Medien & Kommunikation

Zyklus: Regional- und Lokalmedien der Zukunft: Wer nutzt, wer macht, wer

finanziert sie?

[email protected]

Page 2: Arbeitsbedingungen und Qualität im Lokaljournalismus: Neue Forschungsbefunde

Zürcher Fachhochschule 2

Fragen

• Unter welchen strukturellen Bedingungen

arbeiten Lokaljournalisten heute?

• Wo lassen sich im Schweizer Journalismus

«prekäre» Zustände feststellen hinsichtlich:- verringerte soziale Sicherheit - erschwerte Arbeitsbedingungen- geringer Professionalisierungsgrad- schwache Praktiken der Qualitätssteuerung

Page 3: Arbeitsbedingungen und Qualität im Lokaljournalismus: Neue Forschungsbefunde

Zürcher Fachhochschule 3

Zur gesellschaftlichen Funktion des Journalismus: Selbstbeobachtung und Synchronisation von Gesellschaft

Religion

Politik

Wissenschaft

Erziehung

KunstJournalismus

Demonstration

Film

Report

Verkündigung

Öffentlichkeit

Wirtschaft Recht

Vermittlung

Public Relations

Urteil

Page 4: Arbeitsbedingungen und Qualität im Lokaljournalismus: Neue Forschungsbefunde

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Qualitätsanforderungen an den Journalismus I:

 In institutioneller Hinsicht:

− Medienorganisationen als „intersystemische Organisationen“− Organisationale Trennung von Management und Redaktion − Unabhängig von systemfremden Logiken

In organisationaler Hinsicht:

− Trend zur Entdifferenzierung von Ressortstrukturen − Verfahren der Qualitätssicherung− Kompetenz (Wissen, Ausbildung, Reflexion)

Page 5: Arbeitsbedingungen und Qualität im Lokaljournalismus: Neue Forschungsbefunde

Zürcher Fachhochschule

Qualitätsanforderungen an den Journalismus II:

 In inhaltlich-funktionaler Hinsicht:

− Gesellschaftliche Relevanz − Unabhängigkeit − Perspektivenvielfalt− Aktualität (Bezug auf Jetzt-Zeit)− Faktizität, Richtigkeit− Transparenz − Zugänglichkeit (Verständlichkeit, Übersichtlichkeit,

Anschaulichkeit, Narrativität)

 

 

Page 6: Arbeitsbedingungen und Qualität im Lokaljournalismus: Neue Forschungsbefunde

Zürcher Fachhochschule

Qualitätsanforderungen an den Journalismus III:

Je nach Systembezug zu ergänzende normative Kriterien:

•Politik:

• Freiheit, Gleichheit, Integration, Deliberation, Legitimation

•Wirtschaft:

• Effizienz und Zielgruppenpassgenauigkeit

•Religion:

• Solidarität oder Nächstenliebe

•Kunst:

• Ästhetik

 

 

 

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Zürcher Fachhochschule

Befunde aus den aktuellen BAKOM Studien (SwissGis) Politik bzw. Demokratiebezug

• Politiker bemängeln Sachkenntnis der Journalisten

• Politiker stellen hohe Fluktuation bei Journalisten fest

• Lokaljournalismus konzentriert sich auf Exekutivpolitiker und organisierte Interessen

• Politiker kritisieren Tendenz zu «soft news», aber auch (politisch) unkritischer Berichterstattung

• Politiker vermissen lösungsorientierten Journalismus

Page 8: Arbeitsbedingungen und Qualität im Lokaljournalismus: Neue Forschungsbefunde

Zürcher Fachhochschule

Rückgriff auf das Sampleaus zwei Untersuchungen

Privat-rundfunk

SRGPrint /Online

Quantitative Studie

Methode Onlinebefragung Fragebogen

Im Feld Winter 2006/7

Herbst 2007

Sommer2008

Grund-gesamtheit

1’ 100 1’ 800 7’ 300

Sample 449 610 1’ 403

Rücklauf 39% 33% 19%

Qualitative Studie

Methode InterviewsBeobachtung

-Interviews Beobachtung

Im Feld Sommer2010

-Sommer2010

Sample 48 Redakteure in 12 Redaktionen8

Page 9: Arbeitsbedingungen und Qualität im Lokaljournalismus: Neue Forschungsbefunde

Zürcher Fachhochschule 9

WOLLEN / SOLLEN Deutungsmuster

Normen:Journalismuskonzepte

OrientierungenSelektionskriterien

Inszenierungsregeln

KÖNNENAllokative &

Autoritative Ressourcen:Personal, Wissen

Zeit Arbeitsbedingungen

(Sicherungs-)Prozesse

kommunizieren / rechtfertigen

Macht ausüben

Regeln der Signifikation/Legitimation

Ressourcen der Herrschaftsordnung

Strukturationsprozess

reku

rsiv

er

Pro

zess

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Zürcher Fachhochschule

Arbeitsbedingungen

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Zürcher Fachhochschule

Bedingungen für die Recherche

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Zürcher Fachhochschule

Professionalisierung:Aus- bzw. Weiterbildung; Organisiertheit (Verband)

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Weiterbildung (Studie: Evaluation el. Privatmedien, N=196)

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Job-Zufriedenheit (Privatrundfunk N= 196)

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Page 15: Arbeitsbedingungen und Qualität im Lokaljournalismus: Neue Forschungsbefunde

Zürcher Fachhochschule

Qualitätssteuerung:Dokumente und Prozesse der Q-Sicherung

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Page 16: Arbeitsbedingungen und Qualität im Lokaljournalismus: Neue Forschungsbefunde

Zürcher Fachhochschule

Orientierungen

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Rollenkonzepte

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1 = trifft stark zu6 = trifft nicht zu

Medientyp   Spezialfälle  Langzeit-Vergleich

  SRGPrivat-

rundfunkPrint   Lokales

Gratis-zeitung

Online   1999 2008

Neutraler Berichterstatter

1.6 1.7  1.6   1.3 1.4  1.7   1.8  1.6 

Analytiker  2.2 2.9  2.1    2.1 2.3 2.3    2.2  2.2 

Kritiker  2.7 2.7 2.5    2.1 2.5 2.7   2.4 2.5 

Dienstleister 2.6 2.5 2.9   3.0 2.6  2.8    3.1 2.8

Vermarkter 5.3 4.6  4.9    5.1   4.1 5.0   4.8 4.9 

Zielgruppenverkäufer 5.6 4.8 5.0 5.3 4.4 5.2 5.1 5.1

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Zürcher Fachhochschule 18

Wissenschaft

Wissenschaft

Ratgeber

Ratgeber

Medien

Medien

Chefredaktion

Politik Wirtschaft Kultur Sport Lokales

Politik Wirtschaft Feuilleton Sport Lokales

Online-Redaktion

Politik

Wirtschaft

Sport

Kultur

weitere Plattformen

Neue Organisationsmodelle

Page 19: Arbeitsbedingungen und Qualität im Lokaljournalismus: Neue Forschungsbefunde

Zürcher Fachhochschule

Abgrenzungen

Abgrenzung: „Wir“ und „die dort“

•„Die (Online) machen einfach ohne Absprachen ihre Geschichten und

dann sehen wir (Tages-Anzeiger) ungefähr so, was die am Machen sind.“

•„Jede Information, die wir (20 Minuten) ihnen (20 Minuten Online) geben,

ist für uns verloren. Wir haben das Interesse, eine News so lange wie

möglich für uns zu behalten und dafür umso besser abzurecherchieren,

damit wir am nächsten Tag den Knaller haben.“

•„Wenn die (Onliner) besser werden wollen, legen wir denen sicher nicht

Steine in den Weg.“ 

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Page 20: Arbeitsbedingungen und Qualität im Lokaljournalismus: Neue Forschungsbefunde

Zürcher Fachhochschule

Abgrenzungen – Abschichtungen?

Abschichtung: „Der Abstieg“

•„Wir alten Kläuse denken Print. Man macht zwar zuerst etwas fürs

Online, aber eigentlich macht man ja trotzdem Print. Vielen ist es nicht

wohl.“

•„In der Abbauübung wird klassischen Printredaktoren gesagt, sie könnten

bleiben, seien danach aber Onlinereaktoren. Das ist vom Status her ein

Abstieg, weil Online noch nicht positiv besetzt ist.“

•Einerseits sagt man, Online sei so wichtig und andererseits hat man dort

minderqualifizierte und schlechter bezahlte Leute.“ (Aargauer Zeitung)

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Page 21: Arbeitsbedingungen und Qualität im Lokaljournalismus: Neue Forschungsbefunde

Zürcher Fachhochschule

«Online ist …«

… „Häppchen“

… „knackige Titel“

... „unsorgfältig“

… „marginal“

… „nicht ernst genommen“

… „unerfahren“

… „fehlerresistent“

… „respektlos“

… „beschämend“

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«Zeitungstitel funktionieren im Online nicht. Zu wenig pointiert, zu wenig boulevardesk, sie machen nicht neugierig, sind langweilig. Man muss sie immer adaptieren, umformulieren, zuspitzen.»

«Man kann durch die Klicks direkt verifizieren, welche Geschichte gut läuft. Man weiss, dass Titel, die aus dem Print importiert werden, immer schlecht laufen.»

Printredakteure ein Onliner

Page 22: Arbeitsbedingungen und Qualität im Lokaljournalismus: Neue Forschungsbefunde

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Ressource Internet als Treiber der Ko-Orientierung

Erleichterte Zugänglichkeit zu Onlinemedien (auch Ausland)

Effiziente Themenfindung („Monitoring“)Potenzial nimmt durch Zahl/Menge zu

Exklusivität V+ +Reproduktion

Ergänzung

V- +

V- -

Komplexitätsreduktion

Konzentration

Neuer Aspekt / Perspektive

„nachziehen“

Quantitätssteigerung

Stopp

Neue Themensuche

Page 23: Arbeitsbedingungen und Qualität im Lokaljournalismus: Neue Forschungsbefunde

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„Orientierung“, Publikum kennenSeismograph „Demokratisierung“

„Inspirationsquellen“ „Personalisierung“

„Mehr Quellen“, „Fotos“„Primeur-Maschine“

Mehr Kontakt, „Motivation“ „Niedrige Schwelle“

„Kontrollmöglichkeit“ Barometer „Inspirationsquelle“„Inputs“, Kontakt zu Publikum

Interaktion mit dem Publikum

Publikum

Veränderung der Interaktivität?Ambivalenz

Kontaktzunahme durch Mails

Forumseintrag/Kommentar

„Klick“-Referenz

Social Media /„Facebook“ etc.

„wenig fruchtbar“,„Zeitfresser“

„User Generated Content“

„aufwändig“, „aufgeregt“ „keine Schranken“, „Reflexe“„Affekt„Geschwätz“,

V + V -

„Müll“, Valenzproblem, „zeitaufwändig“

Interaktion bleibt eher einseitig, Potenzial der Inklusion wenig ausgeschöpft

erhöhter Ressourcenbedarf, erhöhte Anforderungen an Professionalität

„Anpassungsdruck“„gefährliches Tool“ Nivellierung

„zeitaufwändig“, „80% Trash“ „Kontrollaufwand“

Page 24: Arbeitsbedingungen und Qualität im Lokaljournalismus: Neue Forschungsbefunde

Zürcher Fachhochschule

IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft

Arbeitsbedingungen und Qualität im Lokaljournalismus: Neue Forschungsbefunde

Prof. Dr. Vinzenz Wyss

Kolloquium Lokaljournalismus und Qualität, 7. Juli 2011

im Aktionsfeld Medien & Kommunikation

Zyklus: Regional- und Lokalmedien der Zukunft: Wer nutzt, wer macht, wer

finanziert sie?

[email protected]