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Molekulargenetische Diagnostik Redaktion: H.-G. Klein Anwendungen der DNA-Array-Technologie in der Laboratoriumsmedizin Uses of DNA Microarray Technology in Laboratory Medicine P. Cullen 1,2 , S. Lorkowski 1 469 J Lab Med 2001; 25 (11/12): 469-476 Zusammenfassung: Die kürzlich erfolgte Sequen- zierung des menschlichen Genoms hat eine Fülle an neuen Daten generiert. Die in diesen Daten enthalte- nen Informationen werden sich schon bald auf die hu- mane Diagnostik im allgemeinen und insbesondere auf die Laboratoriumsmedizin auswirken. Eine der wich- tigsten Applikationen, die diese Informationen nach- haltig nutzen wird, ist die Technologie der sogenann- ten DNA-Mikroarrays, die im Prinzip zweidimensio- nale Arrangements von DNA-Molekülen darstellen. Diese Technologie ermöglicht eine schnelle und hoch- gradig parallele Analyse der Genexpression und von Gensequenzen und wird sicherlich bald im großem Umfang für Routineanalysen im diagnostischen Labor eingesetzt werden. Der vorliegende Artikel beschreibt die wichtigsten aktuellen Applikationen dieser Techno- logie und gibt einen kurzen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen. Schlüsselwörter: DNA-Mikroarrays; DNA-Chips; Laboratoriumsmedizin; Diagnostik; humanes Genom. Summary: The recent decoding of the human genome has provided a wealth of new information, which will soon impact human diagnostics in general, and labora- tory medicine in particular. One of the most important applications that will use this information is DNA mi- croarray technology. DNA microarrays are two-dimen- sional arrangements of DNA molecules, which allow rapid and massively parallel analysis of gene expres- sion and sequence. We will soon see routine use of this technology in the field of diagnostics. This article de- scribes the most important current applications of this technology and discusses future developments in this field. Keywords: DNA microarrays; DNA chips; laboratory medicine; diagnostics; human genome. Einleitung Nach der beinahe vollständigen Entschlüsselung des humanen Genoms im letzten Jahr ist die labormedizi- nische Diagnostik in eine neue Phase eingetreten. In zahlreichen Laboratorien und Unternehmen weltweit werden Werkzeuge entwickelt, um dieses Wissen so- wohl in der Forschung als auch in der Entwicklung neuer Diagnostika und Therapeutika umzusetzen. Nach der Phase der „Genomics“, wendet man sich nun den „Transkriptomics“ und den „Proteomics“ zu, die sich mit der Summe aller Transkripte bzw. aller Pro- teine einer Zelle beschäftigen und im Falle der Proteo- mics auch versuchen, posttransnationale Modifikation und die Interaktion von Proteinen untereinander oder mit ihren Liganden aufzuklären. Sogar der Begriff von „Metabolomics“, die Summe aller metabolischen In- teraktionen innerhalb einer Zelle, macht derzeit die Runde. Diese Ansätze zeichnen sich durch die folgenden drei Merkmale aus: 1. Massive Parallelität. Es besteht nun die Möglichkeit mit neuen Technologien nicht nur Hunderte, son- dern oft Tausende oder sogar Zehntausende von Molekülen gleichzeitig zu analysieren. 2. Ein sehr hoher Bedarf an Datenverarbeitung und In- tegration mit anderen Datenquellen, die sogenannte Bioinformatik. Oft gewinnen ermittelte Daten erst durch diesen Schritt überhaupt eine biologische Be- deutung. 3. Hoher Durchsatz. Durch Automatisierung und Stan- dardisierung wird versucht, eine möglichst hohe Probenzahl zu analysieren. In den kommenden Jahren wird durch Anwendung der neuen Technologien unser Wissen über die molekulare Funktionsweise und die Komplexität lebender Syste- me in bisher ungeahnter Weise vertieft. In der Laboratoriumsmedizin werden nach unseren Einschätzungen die ersten Testsysteme dieser neuen technologischen Welle integriert, die aus dem Bereich der DNA-Mikroarray-Technologie, die oft allgemein als „Genchip“-Technologie bezeichnet wird, stammen. Aus diesem Grund werden wir uns in der vorliegenden Übersichtsarbeit auf eine Beschreibung dieser Techno- logie und ihrer Anwendungen beschränken. © 2001 Blackwell Wissenschafts-Verlag, Berlin 1 Institut für Arterioskleroseforschung, Domagkstraße 3, 48149 Münster 2 Ogham Diagnostics GmbH, Mendelstraße 11, 48149 Münster Korrespondenzadresse: PD Dr. Paul Cullen, Institut für Arterio- skleroseforschung, Domagkstraße 3, D-48149 Münster. E-mail: [email protected]

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Page 1: Anwendungen der DNA-Array-Technologie in der ... · Molekulargenetische Diagnostik Redaktion: H.-G. Klein Anwendungen der DNA-Array-Technologie in der Laboratoriumsmedizin Uses of

Molekulargenetische Diagnostik Redaktion: H.-G. Klein

Anwendungen der DNA-Array-Technologie in derLaboratoriumsmedizinUses of DNA Microarray Technology in Laboratory Medicine

P. Cullen1,2, S. Lorkowski1

469J Lab Med 2001; 25 (11/12): 469-476

Zusammenfassung: Die kürzlich erfolgte Sequen-zierung des menschlichen Genoms hat eine Fülle anneuen Daten generiert. Die in diesen Daten enthalte-nen Informationen werden sich schon bald auf die hu-mane Diagnostik im allgemeinen und insbesondere aufdie Laboratoriumsmedizin auswirken. Eine der wich-tigsten Applikationen, die diese Informationen nach-haltig nutzen wird, ist die Technologie der sogenann-ten DNA-Mikroarrays, die im Prinzip zweidimensio-nale Arrangements von DNA-Molekülen darstellen.Diese Technologie ermöglicht eine schnelle und hoch-gradig parallele Analyse der Genexpression und vonGensequenzen und wird sicherlich bald im großemUmfang für Routineanalysen im diagnostischen Laboreingesetzt werden. Der vorliegende Artikel beschreibtdie wichtigsten aktuellen Applikationen dieser Techno-logie und gibt einen kurzen Ausblick auf zukünftigeEntwicklungen.

Schlüsselwörter: DNA-Mikroarrays; DNA-Chips;Laboratoriumsmedizin; Diagnostik; humanes Genom.

Summary: The recent decoding of the human genomehas provided a wealth of new information, which willsoon impact human diagnostics in general, and labora-tory medicine in particular. One of the most importantapplications that will use this information is DNA mi-croarray technology. DNA microarrays are two-dimen-sional arrangements of DNA molecules, which allowrapid and massively parallel analysis of gene expres-sion and sequence. We will soon see routine use of thistechnology in the field of diagnostics. This article de-scribes the most important current applications of thistechnology and discusses future developments in thisfield.

Keywords: DNA microarrays; DNA chips; laboratorymedicine; diagnostics; human genome.

Einleitung

Nach der beinahe vollständigen Entschlüsselung deshumanen Genoms im letzten Jahr ist die labormedizi-nische Diagnostik in eine neue Phase eingetreten. Inzahlreichen Laboratorien und Unternehmen weltweitwerden Werkzeuge entwickelt, um dieses Wissen so-wohl in der Forschung als auch in der Entwicklungneuer Diagnostika und Therapeutika umzusetzen.Nach der Phase der „Genomics“, wendet man sich nunden „Transkriptomics“ und den „Proteomics“ zu, diesich mit der Summe aller Transkripte bzw. aller Pro-teine einer Zelle beschäftigen und im Falle der Proteo-mics auch versuchen, posttransnationale Modifikationund die Interaktion von Proteinen untereinander odermit ihren Liganden aufzuklären. Sogar der Begriff von„Metabolomics“, die Summe aller metabolischen In-teraktionen innerhalb einer Zelle, macht derzeit dieRunde.

Diese Ansätze zeichnen sich durch die folgendendrei Merkmale aus:1. Massive Parallelität. Es besteht nun die Möglichkeit

mit neuen Technologien nicht nur Hunderte, son-dern oft Tausende oder sogar Zehntausende vonMolekülen gleichzeitig zu analysieren.

2. Ein sehr hoher Bedarf an Datenverarbeitung und In-tegration mit anderen Datenquellen, die sogenannteBioinformatik. Oft gewinnen ermittelte Daten erstdurch diesen Schritt überhaupt eine biologische Be-deutung.

3. Hoher Durchsatz. Durch Automatisierung und Stan-dardisierung wird versucht, eine möglichst hoheProbenzahl zu analysieren.

In den kommenden Jahren wird durch Anwendung derneuen Technologien unser Wissen über die molekulareFunktionsweise und die Komplexität lebender Syste-me in bisher ungeahnter Weise vertieft.

In der Laboratoriumsmedizin werden nach unserenEinschätzungen die ersten Testsysteme dieser neuentechnologischen Welle integriert, die aus dem Bereichder DNA-Mikroarray-Technologie, die oft allgemeinals „Genchip“-Technologie bezeichnet wird, stammen.Aus diesem Grund werden wir uns in der vorliegendenÜbersichtsarbeit auf eine Beschreibung dieser Techno-logie und ihrer Anwendungen beschränken.

© 2001 Blackwell Wissenschafts-Verlag, Berlin

1Institut für Arterioskleroseforschung, Domagkstraße 3, 48149Münster2Ogham Diagnostics GmbH, Mendelstraße 11, 48149 MünsterKorrespondenzadresse: PD Dr. Paul Cullen, Institut für Arterio-skleroseforschung, Domagkstraße 3, D-48149 Münster.E-mail: [email protected]

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Hauptergebnisse der Entschlüsselungdes menschlichen Genoms

Um die labormedizinische Anwendung von DNA-Mi-kroarrays in den richtigen Kontext zu setzen, ist eszunächst nützlich, die Hauptergebnisse der Entschlüs-selung des humanen Genoms darzustellen. Das huma-ne Genom wurde im Jahr 2000 von einem öffentlicheninternationalen Konsortium, geführt vom amerikani-schen Wissenschaftler Francis Collins, sowie von demprivaten Unternehmen Celera Genomics, unter derLeitung von Craig Venter, entschlüsselt und zeitgleichin den Zeitschriften Nature [1] und Science [2] im Jahr2001 veröffentlicht. Die Ergebnisse beider Gruppenstimmen in den wesentlichen Punkten gut überein. Dasmenschliche Erbgut besteht aus circa 3,2 MilliardenBasen in 24 Molekülen mit einer Gesamtlänge vonetwa 1,8 m. Etwa 25 % des Genoms scheint keineGene zu enthalten, und nahezu weitere 50 % bestehthauptsächlich aus hochrepetitiven Elementen (vomBiologen Richard Dawkins als „selfish DNA“ bezeich-net [3]). Etwa 28 % des Genoms kodieren für RNAund enthalten nach derzeitigen Schätzungen zwischen30.000 und 40.000 Gene. Diese Zahl ist viel niedrigerals frühere Schätzungen, die von möglichen 100.000bis 150.000 Genen ausgingen. Etwa siebenhundertGene des menschlichen Genoms sind RNA-Gene, diehauptsächlich t-RNA kodieren. Aufgrund von Rekom-bination, die viel häufiger vorzukommen scheint, alsbisher angenommen wurde, geht man aber davon aus,daß die etwa 35.000 Gene für bis zu 250.000 ver-schiedene Proteine kodieren könnten. Das „Durch-schnittsgen“ erstreckt sich auf 27 kB des Genoms undenthält neun Exone über eine Länge von 1,3 kB, diewiederum für 447 Aminosäuren kodieren. Man gehtdavon aus, daß etwa die Hälfte aller Gene Spleißvari-anten aufweist. Es darf jedoch nicht außer Acht gelas-sen werden, daß die Länge der Gene sehr stark vari-iert. Das Titin-Gen, das Gen mit der längsten kodie-renden Sequenz im Genom, enthält als Beispiel 80.780Basen in mehr als 170 Exonen und kodiert für ein Pro-tein mit über 30.000 Aminosäuren.

Ein wichtiges Ergebnis der Sequenzierung des hu-manen Genoms ist der hohe Grad an Ähnlichkeit zwi-schen verschiedenen Spezies. Die Homologie zwi-schen Menschen und Schimpansen beträgt zum Bei-spiel über 99 %, während die Homologien auf der Pro-teinebene zum Nematoden Caenorhabditis elegans46 % und zur Fruchtfliege Drosophila melanogaster61 % betragen. Sogar zu einzelligen Hefen bestehteine 41 %ige Homologie auf der Proteinebene. Auchuntereinander sind sich die Menschen erstaunlich ähn-lich: zwischen allen Mitgliedern der Spezies Homo sa-piens besteht nämlich eine Homologie von über99,9 % (siehe dazu Abbildungen 1 und 2). Es wird ver-mutet, daß über 90 % der Diversität zwischen Men-schen aufgrund von etwa 60.000 Einzelnukleotidpoly-morphismen (auf Englisch single nucleotide polymor-phisms oder SNPs) in den kodierenden Regionen desGenoms zustande kommt.

Für beide Sequenzierungsgruppen lag ein großerTeil der Arbeit darin, den verschiedenen DNA-Se-quenzen eine Funktion bzw. sie einem Gen zuzuwei-sen. Durch diese Prozedur, die als Annotation bezeich-net wird, wurden in bisher nicht-sequenzierten DNA-Regionen putative Gene identifiziert. Obwohl beideKonsortien mehrere unabhängige Methoden verwen-deten, stellte die Suche nach Homologien zu bekann-ten Genen in Menschen und anderen Spezies für beideGruppen das wichtigste Werkzeug dar. Durch dieseProzedur gelang es den Gruppen, etwa 58 % der puta-tiven Proteine, die durch das Genom kodiert werden,eine Funktion zuzuweisen. Die größte Gruppe stelltedie Transkriptionsfaktoren dar, gefolgt von Rezepto-ren, Komponenten des Zytoskeletts und Protoonkoge-

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Abbildung 1 Die Homologie der Genome des Menschen unddes Schimpansen beträgt mehr als 99 %. Obwohl beide Speziesgenetisch fast identisch sind, ist ihr Phänotyp und ihr Habitusdoch sehr verschieden. Die Ursachen für diese unterschiedlicheAusprägung sind bislang nicht eindeutig geklärt. Nach Meinungeiniger Wissenschaftler, wie zum Beispiel Prof. Svante Päabo, istdie unterschiedlich starke Genexpression ein Grund hierfür. Ausdiesem Grund untersucht der Leipziger Wissenschaftler auch dieGenexpression in den Gehirnen von Menschen und Affen. Nachseiner Meinung ist die stärkere Expressionsaktivität zahlreicherGene (im Mittel etwa dreimal mehr) auch möglicherweise für diegrößere Intelligenz des Menschen verantwortlich.

Abbildung 2 Obwohl die genetische Übereinstimmung zwischenMenschen noch kleiner ist als die zum Affen (sie ist größer als99,9 %), unterscheiden sich einzelne Menschen (im Bild Gina Lol-lobrigida und Rowan Atkinson) in ihrem Aussehen und ihrem Ver-halten sehr stark voneinander.

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nen. Weitere wichtigen Gruppen waren die Kinasen,Matrixproteine, Immunglobuline, Motor-Proteine undProteine, die eine Rolle spielen bei der interzellulärenAdhäsion [1, 2].

Vor dem Hintergrund der sehr hohen Homologiezwischen Menschen und anderen Spezies ist es von In-teresse, daß die Proteine, die evolutionär gesprochenbei den Menschen „neu“ auftreten, eine Rolle in derEntwicklung des zentralen Nervensystems, in derSteuerung der Organogenese und in den Gerinnungs-und Immunsystemen zu spielen scheinen [1, 2].

Natürlich werden die Daten, die hier angegebenwerden, mit großer Wahrscheinlichkeit im Laufe dernächsten Jahre revidiert werden. Insbesondere könnenwir eine Präzisierung der Genzahl erwarten. Nichtsde-stotrotz können wir davon ausgehen, daß die Kartie-rung des menschlichen Erbguts weitestgehend abge-schlossen ist und daß die Grunddaten somit als ver-bindlich angenommen werden können.

Aufbau und Funktionsprinzip von DNA-MikroarraysDas Funktionsprinzip eines DNA-Chips ähnelt her-kömmlichen Hybridisierungstechniken der Molekular-biologie wie den Northern- oder Southern-Blot-Analy-sen. Diese Verfahren nutzen die Eigenschaft von Nu-kleinsäuren aus, miteinander sequenzspezifisch zu hy-bridisieren. Unter Hybridisierung wird die nichtkova-lente Bindung zweier zueinander komplementärer Nu-kleinsäurestränge verstanden, die auf der Ausbildungvon Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den he-terozyklischen Basen der Nukleinsäuremoleküle be-ruht. Aufgrund der hohen Spezifität dieser Watson-Crick-Basenpaarung kommt es nur bei einer perfektenPaarung der Basen (Guanin mit Cytosin und Adeninmit Thymin oder Uracil) zu einer Bindung, die ausrei-chend stark ist, um stabil zu sein. Schon eine einzelneBasenmißpaarung der Nukleinsäuremoleküle beein-trächtigt unter geeigneten Bedingungen die Bindungs-affinität beträchtlich oder unterbindet diese vollstän-dig.

Auf einem DNA-Chip werden Nukleinsäuren be-kannter Sequenz, die als Sonden bezeichnet werden,auf einem geeigneten Substrat (Träger) in einem be-kannten Muster immobilisiert. Die zu untersuchendeNukleinsäure wird markiert und mit den Nukleinsäu-ren auf dem Chip hybridisiert. Eine Hybridisierung er-folgt aufgrund der spezifischen Watson-Crick-Basen-paarung nur zwischen exakt komplementären Nukle-insäuremolekülen. Darüber hinaus ist die Intensität desgemessenen Signals zur Menge an hybridisierter Probeproportional, so daß quantitative Aussagen über ein-zelne an die Nukleinsäuren des Chips hybridisiertenNukleinsäurespezies möglich sind.

Für die Herstellung von DNA-Mikroarrays könnenentweder Nylonmembranen oder auch Glas oder Sili-zium als Träger verwendet werden. Als Sonden wer-den Plasmide oder PCR-Produkte mit 500 bis 5.000Basen eingesetzt, die mit einer Dichte von 80 bis 100

Spots/cm2 auf Membranen mit Ausmaßen einiger Qua-dratzentimeter aufgetragen werden (sogenannte lowdensity chips). Eine Weiterentwicklung stellen jedochArrays höherer Spotdichten (high density chips) mitmehr als 10.000 Spots/cm2 dar. Diese werden allge-mein als DNA-Chips oder Genchips bezeichnet [6].

Anwendung von DNA-MikroarraysGrundsätzlich gibt es drei große Anwendungsbereichefür DNA-Mikroarrays:1. die Analyse der Genexpression,2. die Detektion von Polymorphismen mit sogenann-

ten SNP-Chips (wird „snip chips“ ausgesprochen)und

3. die Resequenzierung von Genen.

Analyse der GenexpressionOligonukleotid-ArraysDie amerikanische Firma Affymetrix hat sich auf dieHerstellung von DNA-Mikroarrays für die Untersu-chung der Genexpression spezialisiert. Solche Arrayswerden mittels der Technik der Photolithographie, diedirekt aus der Halbleiterindustrie stammt, hergestellt.Mittels dieser Technik kann eine extrem hohe Anzahlan Oligonukleotiden in situ auf der Trägeroberflächehergestellt werden. Der derzeit erhältliche Chipsatzenthält mehr als zwei Millionen Sonden (inklusiveKontrollsonden für z. B. zugesetzte Standards, die alsspikes bezeichnet werden, und für sogenannte mis-match-Sonden) in Anordnungen, die Features genanntwerden, auf insgesamt fünf einzelnen Chips. Somitwerden etwa 12.000 Gene und rund 50.000 expressedsequence tag clusters (EST-Cluster) durch den Chip-satz abgedeckt. ESTs sind Teilsequenzen, die auscDNA-Genbanken identifiziert wurden, die aber bisjetzt keiner eindeutigen Gensequenz zugeordnet wur-den.

Pro zellulärer RNA werden auf den Chips von Af-fymetrix bis zu 20 Oligonukleotide, die etwa 20 Basenlang sind, verstreut auf der Chip-Oberfläche aufge-bracht. Diese Oligonukleotide werden anhand ihrerchemischen Eigenschaften so ausgewählt, daß ihreHybridisierungseigenschaften aufeinander abgestimmtsind. Sie sind zu bis zu 20 verschiedenen Sequenzab-schnitten der RNA, vornehmlich aus dem nichtkodie-renden 3’-Bereich, exakt komplementär und werdendaher als perfect-match-Oligonukleotide bezeichnet(Abb. 3).

Das System der Firma Affymetrix hat den Vorteil,daß der Anteil an nicht spezifischen Hybridisierungenam Gesamtsignal ermittelt werden kann. Dazu wird fürjedes perfect-match-Oligonukleotid ein weiteres, soge-nanntes mismatch-Oligonukleotid auf den Chip aufge-bracht. Das mismatch-Oligonukleotid unterscheidetsich von dem perfect-match-Oligonukleotid dadurch,daß in der Mitte des Oligonukleotids eine einzelneBase ausgetauscht ist. Unter idealen Bedingungen fin-det zwischen der Probe und dem mismatch-Oligonu-kleotd keine Hybridisierung statt. Signale, die dennoch

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an Stellen mit mismatch-Oligonukleotiden auftreten,müssen daher von unspezifisch hybridisierten Nukle-insäuren hervorgerufen werden. Durch einen Vergleichder Signalintensitäten zwischen der perfect-match-und mismatch-Probe kann entschieden werden, ob dieHybridisierung an der perfect-match-Sequenz spezi-fisch ist oder nicht. Anhand dieses Vergleichs könnenmit einem geeigneten Algorithmus für die perfect-match-Oligonukleotide korrigierte Intensitäten berech-net werden, die dann mit den Intensitäten eines zwei-ten Chips, der mit einer weiteren Probe hybridisiertwurde, verglichen werden.

cDNA-ArraysAndere Unternehmen, zum Beispiel die amerikanischeFirma Incyte, haben sich auf die Herstellung von Ar-rays, die cDNAs als Sonden enthalten, spezialisiert.Diese Sonden werden in der Regel durch eine Poly-merase-Kettenreaktion (PCR) aus klonierten cDNA-Abschnitten hergestellt.

Um den Expressionszustand eines Gewebes odereiner Zellkultur zu messen wird die mRNA der Probezunächst zu cDNA mittels reverser Transkription um-geschrieben, die in der Regel den Expressionszustanddes zu untersuchenden zellulären Systems wiederspie-gelt. Die cDNA wird oftmals mit Fluoreszenz-Farb-stoffen während der reversen Transkription markiertund anschließend mit dem DNA-Array hybridisiert.

Die Mengen an hybridisierten Nukleinsäuren kön-nen anhand der Intensitäten der detektierten Signaleermittelt werden, da in bestimmten Grenzen eine li-neare Proportionalität zwischen Signalintensität undder Menge an gebundener Probe besteht.

Für die meisten Anwendungen ist jedoch die erhält-liche cDNA-Menge zu gering. Ursache hierfür ist zumeinen die niedrige Effizienz der reversen Transkripti-on. Zum anderen steht bei zahlreichen Versuchsansät-zen (Biopsien, Blutproben etc.) nur sehr wenig Aus-gangsmaterial zur Verfügung. Dies macht für viele An-wendungen eine Vermehrung (Amplifikation) dercDNA obligat.

Diese Vermehrung kann durch eine Amplifikationder cDNA mittels einer Polymerase-Kettenreaktion er-folgen, die mit wenigen Synthesezyklen durchgeführtwird. Auf diese Weise wird vermieden, daß unter-schiedliche Reaktionskinetiken und -verläufe der ver-schiedenen Nukleinsäuren während der Amplifikationdas Verhältnis einzelner Nukleinsäuren zueinanderverfälschen.

Ein anderes Verfahren, das ohne eine PCR-Amplifi-kation auskommt, ist die in vitro-Transkription dercDNA. Dazu wird während der Reversen Transkripti-on ein Promotor für eine RNA-Polymerase an dencDNA-Strang angefügt, der die Transkription dercDNA in cRNA (komplementäre RNA) ermöglicht.Diese cRNA, die mittels einer RNA-Polymerase linearamplifiziert wird, wird mit dem Array hybridisiert.

Bestimmung von ExpressionsunterschiedenZur Bestimmung der Expressionsunterschiede zwi-schen zwei Proben gibt es prinzipiell zwei Verfahren:Beim ersten Verfahren werden zwei identische Chipsverwendet, die jeweils mit den markierten Nukleinsäu-ren zweier verschiedener Proben hybridisiert werden.Die Signalintensitäten der einzelnen Gene werden mit-tels interner Standards oder statistischer Verfahren nor-

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Abbildung 3 Expressionsanalyse mitdem perfect-match/mismatch-Systemeines Oligonukleotid-Arrays. Aus einerRNA werden mehrere Bereiche ausge-wählt, die in Form von Oligonukleoti-den auf dem Chip erzeugt werden(perfect-match-Sonde). Zusätzlich wer-den mismatch-Oligonukleotide synthe-tisiert, die sich nur dahingehend vonden perfect-match-Oligonukleotidenunterscheiden, daß in der Mitte desOligonukleotids eine einzelne Baseausgetauscht wird. Durch den Ver-gleich der Signalintensitäten zwischenperfect-match- und mismatch-Probenkann entschieden werden, ob die Hy-bridisierung an die perfect-match-Se-quenz spezifisch ist oder nicht. Feld 1zeigt ein Beispiel, wo markierte RNAweder an die perfect-match- noch andie mismatch-Oligonukleotide hybridi-siert hat. Weil kein Unterschied in derIntensität zwischen perfect- und mis-match-Signal vorhanden ist, wird die-ses Feld nicht ausgewertet. Feld 3kann ebenfalls nicht ausgewertet wer-den, da sowohl die die perfect-match-wie auch die mismatch-Signale gleichstark sind. Diese heißt, das die Probeunspezifisch hybridisiert hat. Alle an-deren Felder werden ausgewertet, dahier spezifische Hybridisierungen vor-liegen.

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malisiert. Hierfür können zum einen Gene verwendetwerden, die in Zellen gleichen Typs ein identischesExpressionsniveau aufweisen. In der Praxis werdenhäufig die mRNAs der Gene für b-Actin, Ribosomeund Glycerinaldehyd-3-Phosphat-Dehydrogenase alsinterne Standards (sogenannte housekeeping-Gene)verwendet [5]. Zum anderen kann bei Arrays hoherDichte die Gesamtintensität aller Signale gemittelt undals Basis einer Normalisierung verwendet werden. Un-terschiede zwischen den normalisierten Signalinten-sitäten deuten auf Expressionsunterschiede hin(Abb. 4).

Bei den Oligonukleotidarrays sind die Hybridisie-rungseigenschaften der Sonden aufeinander besser ab-gestimmt als bei den cDNA-Arrays (siehe unten).Nach entsprechender Korrektur der Signale der mis-match-Oligonukleotide werden die gemittelten Signa-lintensitäten eines DNA-Arrays mit den Intensitäteneines zweiten Chips, der mit einer weiteren Probe hy-bridisiert wurde, verglichen. Da dieser Vergleich an-hand aller Oligonukleotidpaare erfolgt, hängt die Ent-scheidung, ob unterschiedliche Mengen einer RNA inden beiden Proben vorliegen, im Gegensatz zu anderen

DNA-Chips von der Auswertung aller Signale ab (Ab-bildungen 3 und 4).

Bei einem zweiten Verfahren, das mit nur einemChip für zwei zu untersuchende Proben auskommt,werden zwei verschiedene Markierungen (z. B. dieFluoreszenzfarbstoffe Cy3, 488 nm Anregung, undCy5, 594 nm Anregung) für die beiden Proben ver-wendet. Die 1:1 gemischten Proben werden dann aufeinem Chip hybridisiert. Gene, die im gleichen Maßerepräsentiert sind, weisen eine Mischfarbe der beidenMarkierungsfarben auf, während Gene, die unter-schiedlich exprimiert werden, die Farbe der entspre-chenden Markierung aufweisen (Abb. 5).

Die beschriebene Vorgehensweise wird in der Regelfür Arrays verwendet, die PCR-Produkte oder Plasmi-de als Sonden auf dem Träger verwenden. Der großeVorteil dieser Arrays besteht in ihrer einfachen Her-stellung. Nachteilig macht sich jedoch bemerkbar, daßein solches aus vielen großen Nukleinsäuren bestehen-des Gemisch sehr inhomogene Hybridisierungskineti-ken aufweist. Daher sind die Hybridisierungsbedin-gungen (Temperatur, pH, Salzkonzentrationen) für ein-zelne Moleküle oft nicht optimal. Dies hat zur Folge,daß häufig unspezifische oder unvollständige Hybridi-sierungen auftreten, die die Ergebnisse verfälschenkönnen. Ferner sind die Nukleinsäuren der Bibliothekungeordnet auf dem Substrat aufgebracht und daherfür die Nukleinsäuren der zu hybridisierenden Probeteilweise aus sterischen Gründen unzugänglich.

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Abbildung 4 Ausschnitt aus einem Fluoreszenzbild zweier Oli-gonukleotid-Chips, die mit cRNA-Proben hybridisiert wurden, dieaus der mRNA von zwei unterschiedlich kultivierten humanen Ma-krophagen-Populationen gewonnen wurden. Die markierten Berei-che zeigen Oligonukleotide (perfect match und mismatch), diemRNAs repräsentieren, die in den beiden Kulturen unterschiedlichstark (b, c, d) bzw. gleich stark (a) exprimiert werden.

Abbildung 5 Prinzip der Expressionsanalyse mit zwei Proben aufeinem Chip. Derartige Systeme arbeiten mit zwei verschiedenenFarbstoffen zur Markierung der Proben (z. B. mit den Fluores-zenzfarbstoffen Cy3 und Cy5). Dies ermöglicht eine simultane Hy-bridisierung der Proben auf einem Chip. Abgebildet ist ein Chipaus dem Labor von Dr. Patrick O. Brown, Universität Stanford, der6.116 Hefe-Gene und zahlreiche Kontrollen enthält. mRNAs, die ineiner der beiden Zellpopulation stärker exprimiert wurden als inder anderen, sind entweder grün oder rot dargestellt, während diegelbe Mischfarbe einiger Spots zustande kommt, wenn die Trans-kripte in beiden Zellpopulationen gleich stark exprimiert wurden.

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Detektion von Polymorphismen und Resequenzierungmittels GenchipsEine weitere interessante Anwendung der Oligonu-kleotid-Chips stellt die Resequenzierung mittels Hy-bridisierung dar. Dieses Verfahren ermöglicht dieIdentifizierung von Mutationen und Polymorphismeneinzelner Basen in bekannten Gensequenzen. Dazuwerden den Genabschnitten entsprechende Oligonu-kleotide auf dem DNA-Chip aufgetragen. Die Nukle-insäuren einer zu untersuchenden Probe werden ampli-fiziert und mit den Oligonukleotiden des Chips hybri-disiert. Anhand des resultierenden Hybridisierungsmu-sters kann die Sequenz des zu untersuchenden Frag-ments bestimmt werden, da die Sequenzen der kom-plementären Oligonukleotide auf dem Chip bekanntsind.

Das Sequenzieren mittels DNA-Chips ist jedochnicht unproblematisch, da die zu untersuchende mu-tierte Sequenz hinsichtlich der Hybridisierungsbedin-gungen nicht optimiert werden kann. Dies hat zurFolge, daß es zu Fehlern bei der Hybridisierung derProbe mit den Oligonukleotiden auf dem Chip kom-men kann. Gerade im diagnostischen Sektor ist jedocheine eindeutige Bestimmung aller Mutationen notwen-dig. Daher wurden Resequenzierungschips entwickelt,bei denen jedes Oligonukleotid an jeder Position in derSequenz variiert wird. So werden Oligonukleotide mitallen denkbaren einfachen Basenaustauschen aufgetra-gen. Diese dienen ähnlich wie die mismatch-Probender Expressionschips als Kontrolle für nicht spezifi-sche Hybridisierungen bzw. zur Detektion heterozygo-ter Proben. Nachteile dieser Sequenzierungsstrategiesind die derzeit noch relativ hohen Fehlerraten im Ver-gleich zu klassischen Sequenzierverfahren und die feh-lende Möglichkeit, multiple Mutationen oder komple-xe Sequenzabweichungen wie Insertionen oder Dele-tionen in einem Fragment identifizieren zu können.

Prinzipiell ist mit dem Sequenzieren durch Hybridi-sierung auch die komplette Sequenzierung unbekann-ter DNA-Sequenzen anhand ihres Hybridisierungsmu-sters möglich. Aufgrund der großen Zahl der dazubenötigten Oligonukleotide resultiert eine sehr schwie-rige Datenanalyse der großen Datenmengen, die im-mens aufwendig ist und sehr für Fehler anfällig seinkann. Daher ist ein einfaches Sequenzieren mit her-kömmlichen Methoden bislang effizienter. Dank dersich rasch entwickelnden Möglichkeiten der Bioinfor-matik könnte dieses Verfahren jedoch bald konkur-renzfähig zu konventionellen Verfahren werden. Daherarbeiten bereits heute Firmen an der Entwicklung vonDNA-Chips, die zur universellen Sequenzanalyse un-bekannter DNA-Proben geeignet sind.

Herstellungsmethoden von DNA-Mikro-arraysChip-basierte SystemeZur Herstellung von DNA-Chips stehen prinzipiellzwei Verfahren zur Verfügung, die sich in der Art derImmobilisierung der Nukleinsäuren bzw. in der Art der

Oligonukleotid-Herstellung auf der Substratoberflächeunterscheiden. Im ersten Verfahren werden Nukle-insäuren (PCR-Fragmente, Oligonukleotide etc.) exsitu hergestellt und erst dann auf einem Substrat mitunterschiedlichen Techniken aufgebracht. Bei demzweiten Verfahren werden Oligonukleotide in situ aufder Oberfläche des Substrats erzeugt. Zu den erstenMethoden gehören neben dem oben beschriebenemphotolithographischem Verfahren das contact tip depo-sition printing, das micro contact printing (µCP), diemicro fluidics networks (µFN) und das electro capture.Photolithographische Verfahren verwenden ausschließ-lich in situ auf einem Substrat erzeugte Oligonukleoti-de. Das piezoelectric printing und das micro wet prin-ting (µWP) sind prinzipiell geeignet, sowohl vorgefer-tigte Sonden auf einer Oberfläche aufzubringen, alsauch Oligonukleotide direkt auf einem Träger zu er-zeugen. Die Details dieser Methoden haben wir an an-derer Stelle ausführlich beschrieben [4].

SuspensionsarraysEine Sonderstellung unter den derzeit vorhandenenSystemen nehmen die sogenannten Suspensionsarraysein, die zum Beispiel von Karl Lackner et al. verwen-det [6] und von der Firma Luminex (Austin, Texas,USA) als FlowMetrix™-System entwickelt wurden.Dieses Verfahren verwendet eine Suspension mit Mi-kropartikeln mit Durchmessern von bis zu 5,5 µm, dieaus Polystyrol und Methacrylat bestehen und in ver-schiedenen Intensitäten mit Fluoreszenzfarbstoffenmarkiert sind. Durch die Verwendung von Mikroparti-keln unterschiedlicher Größen und Farben entstehendiskrete Partikelpopulationen, die in Durchflußzyto-metern identifiziert werden können. Die mögliche An-zahl diskreter Populationen ist von den verfügbarenFarbstoffen und Techniken zur Markierung der Beadssowie von der Zahl unterscheidbarer Farben im Durch-flußzytometer abhängig. Momentan sind mit zwei Far-ben 64 verschiedene Partikel herstellbar. Durch eineweitere Farbe kann die Zahl der verfügbaren Popula-tionen auf über 500 erhöht werden.

An die Carboxylgruppen des Methacrylats der mar-kierten Partikel können Oligonukleotide oder Antikör-per kovalent über Aminogruppen gebunden werden.Ferner können die Mikropartikel mit Streptavidin ge-koppelt werden. Die Bindung der Substanzen erfolgtüber eine Biotin-Markierung. Für Expressionsanalysenvon Nukleinsäuren werden Oligonukleotide (für Im-munoassays Antikörper) derart gekoppelt, daß jederPartikelpopulation ein spezifisches Oligonukleotid(bzw. ein definierter Antikörper) zugeordnet werdenkann. Die Oberfläche eines Partikels bietet ausrei-chend Platz für eine kovalente Bindung von etwa 1-2 × 106 Molekülen. Aufgrund der geringen Größeund Dichte verbleiben diese Partikel mehrere Stundenin Suspension.

Die Analyse von Nukleinsäuren ist mit diesem Ver-fahren auf zwei Arten möglich, die beide auf der Hy-bridisierung von Nukleinsäuren einer Probe in einerBead-Suspension basieren. Beim direkten Hybridisie-

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rungsassay erfolgt die Hybridisierung, wie bei denherkömmlichen DNA-Arrays, direkt zwischen einemmarkierten Amplikon einer Probe und den Oligonu-kleotiden der Partikel. Der kompetitive Hybridisie-rungsassay besteht aus zwei getrennten Maßansätzen.Zunächst werden die Beads mit einem fluoreszenz-markierten Reporter-Oligonukleotid hybridisiert. Die-se Bindung wird im Durchflußzytometer als durch-schnittliche Fluoreszenz detektiert. In einem zweitenAnsatz wird das Reporter-Oligonukleotid zunächst miteinem Kompetitor (der mit der Nukleinsäure in derProbe identisch ist) inkubiert. Dabei werden Reporter-moleküle an den Kompetitor gebunden, die dann nichtmehr zur Hybridisierung an die Mikrobeads zur Verfü-gung stehen. Es resultiert eine Abnahme der mittlerenFluoreszenz, die nur abhängig von der vorhandenenKompetitor-Menge ist.

Die Messung der Fluoreszenzintensität und dieanschließende Auswertung erfolgt in Durchflußzyto-metern mit mehreren Fluoreszenzkanälen. Daraus re-sultiert eine hohe Flexibilität in der Anwendbarkeit derSuspensionsarrays. Mit nur einem Meßgerät sindneben Expressions- und Mutationsanalysen auch nahe-zu alle gängigen Immunoassays möglich, da neben denOligonukleotiden auch Antigene, Antikörper, Rezepto-ren, Peptide und Enzymsubstrate an die Partikel ge-bunden werden können.

Bedeutung der DNA-Mikroarray-Techno-logie für die LaboratoriumsmedizinNach unserer Einschätzung wird die Mikroarray-Tech-nologie in nächster Zukunft Eingang in die routi-nemäßige Labormedizin finden. Wir gehen davon aus,daß innerhalb von zwei Jahren zahlreiche Mikroarray-basierte Systeme für die Detektion häufiger mutierterAllele auf dem Markt sein werden. Solche Mikroar-rays, die unter anderem auch von der Firma Ogham inMünster entwickelt werden, werden es erlauben, fürrelativ häufige genetisch bedingte Erkrankungen inmanchen Fällen eine aufwendige Gensequenzierungzu vermeiden. Zunächst werden einfachere Arrays mitniedriger bis mittlerer Spot-Dichte verfügbar sein. DieProbenvorbereitung wird mittels externer Multiplex-PCR erfolgen mit anschließender Hybridisierung undDetektion. Die Detektion in den ersten Systemen wirdwahrscheinlich mittels Fluoreszenz-Farbstoffen durch-geführt werden.

Weitere technologische Entwicklungen werden je-doch dieses Bild rasch ändern. Durch Fortschritte inder Mikrosystemtechnik wird es möglich sein, minia-turisierte PCR-Machinen zu konstruieren, die eine In-tegration der DNA-Vermehrung, der DNA-Markierungund der Array-Hybridisierung in einem einzigenModul erlauben – sogenannte „Lab-on-a-chip“-Syste-me. Erste Prototypen solcher Systeme sind bereits ver-fügbar. Solche Module, die als Einwegartikel verfüg-bar sein werden, werden einen hohen Grad an Auto-matisierung, eine erhebliche Kostensenkung und einenerhöhten Probendurchsatz erlauben. Mittelfristig wer-

den auch Fluoreszenzfarbstoffe durch andere, preis-wertere Detektionssysteme, zum Beispiel mittels Sil-berfärbung, abgelöst werden [7].

Mit einiger Verzögerung werden unserer Einschät-zung nach auch DNA-Arrays der zweiten Generationzur Messung der Genexpression Bedeutung in der La-boratoriumsmedizin erlangen. Derzeit läuft eine Viel-zahl von Studien weltweit, um das Expressionsmusterverschiedener Erkrankungen, insbesondere malignerEntartungen, mittels DNA-Mikroarrays mit hoherDichte zu charakterisieren. Somit werden Merkmaleder Genexpression, die mit Variablen wie Prognoseund Ansprechen auf Therapie sowie mit verschiedenenTumor-Subtypen und Tumorstadien korrelieren, identi-fiziert. Nach Erstellung eines sogenannten RNA-Fin-gerabdrucks, der oft weniger als einhundert cDNAsenthält, können einfachere DNA-Expressionschips derzweiten Generation in großer Stückzahl hergestellt undverwendet werden. Solche DNA-Arrays werden unteranderem Verwendung finden bei der Klassifizierungvon Tumoren, bei der Abschätzung der Prognose mali-gner und anderer Erkrankungen und bei der Auswahlder Therapie.

Ein weiteres Gebiet, welches derzeit große Beach-tung findet, ist die Verwendung von DNA-Arrays, diealle SNPs im Genom, die gesamte kodierende Regiondes Genoms oder sogar selbst das gesamte Genom ent-halten, um Korrelationen zwischen dem Vorhanden-sein von Polymorphismen und das Ansprechen aufMedikamenten festzustellen. Durch dieses Feld, dasals Pharmakogenomics bezeichnet wird, erhofft mansich eine weitgehende Personalisierung der pharma-zeutischen Therapie, die nicht nur die Ansprechbarkeitdes Patienten auf die Therapie, sondern auch dieWahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen berücksich-tigt. Unseres Erachtens wird es einige Jahre dauern,bis solche Ansätze Routineverwendung in der Labora-toriumsmedizin finden. Dennoch halten wir es nichtfür ausgeschlossen, daß in der Zukunft solche Systemedie heutige Medikamentenüberwachung und Toxikolo-gie ergänzen werden.

Voraussetzungen für den Einsatz vonDNA-Chips in der LaboratoriumsmedizinGrundsätzlich gibt es drei Punkte, deren Etablierungeine notwendige Vorraussetzung für den Einsatz vonDNA-Arrays, insbesondere von DNA-Chips für dieGenexpressionsanalyse, in der Laboratoriumsmedizinist:1. Standardisierung der Probenaufarbeitung. Für alle

Messungen mit DNA-Chips (dies gilt insbesonderefür Genexpressionsanalysen) ist eine sorgfältig stan-dardisierte Entnahme und Aufarbeitung der Probendie wichtigste Voraussetzung. Bereits kleinste Ab-weichungen von der Standardprozedur können dieExpression zahlreicher Gene beeinflussen und müs-sen daher vermieden werden, um eine korrekte Dia-gnose zu ermöglichen [8].

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2. Ermittlung von Referenzwert. Ähnlich wie dies inden letzten Jahrzehnten bereits für zahlreiche Blut-wertparameter geschehen ist, müssen auch für rele-vante Analysen der Genexpression und von Poly-morphismen Referenzwerte ermittelt werden, indemumfangreiche standardisierte Analysen in einem alsgesund definierten Teil der Bevölkerung durchge-führt werden. Durch entsprechend ausgelegte Studi-en müssen die Zusammenhänge zwischen differen-tieller Genexpression bzw. genomischen Polymor-phismen und einem Krankheitsbild oder eine Prä-disposition gezeigt werden.

3. Kalibrierung und Quantifizierung. Damit Analysenmit DNA-Chips sinnvoll in der Laboratoriumsmedi-zin eingesetzt werden können, ist die Entwicklungstandardisierter Kalibrierungsverfahren notwendig,die dann, zum Beispiel im Falle der Genexpressi-onsanalysen, eine Quantifizierung derselben ermög-lichen.

AusblickWir können davon ausgehen, daß wir erst am Anfangder Revolution, die durch die Entschlüsselung desmenschlichen Genoms ausgelöst wurde, stehen. In denkommenden Jahren wird die Analyse der Proteinex-pression, die Untersuchung von posttranslationalenModifikationen, sowie die Untersuchung von Interak-tionen zwischen Proteinen immer mehr in den Mittel-punkt rücken. Wie Eingangs erwähnt dürften nach denGenomics und Transkriptomics die Proteomics dienächste große Welle der diagnostischen Möglichkeitenin Gang setzen. Hier wird die Array-Technologie zwei-felsohne eine wichtige Rolle spielen, obwohl die Her-stellung von sogenannten „Protein-Chips“ eine techni-sche Herausforderung darstellt, die die Herstellungvon DNA-Arrays um mindestens eine Größenordnungübersteigt. Nichtsdestotrotz sind auch hier bereits ersteErgebnisse publiziert worden [9, 10]. Wahrscheinlich

werden durch die Kombination der Array-Technologiemit hochempfindlichen Detektions- und Meßverfahrenwie der matrix-assisted laser desorption/ionizationtime of flight (MALDI-TOF) ganz neue Möglichkeitender Diagnostik im medizinischen Labor eröffnet. ErsteAnsätze zur kombinierten Verwendung von Massen-spektrometrie und Array-Technlogie sind bereits in derDNA-Sequenzanalyse und in der Proteinanalytik zufinden. So verwendet beispielsweise die Firma Se-quenom (Hamburg) diese Technik, um eine Identifika-tion von single nucleotide polymorphisms und shorttandem repeats (SNP- und STR-Analysen) mit hoherGenauigkeit und Sensitivität zu ermöglichen.

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