Anneke van GiersbergenInterview zum neuen Album "Drive"

Dass Anneke van Giersbergen schon lngst aus dem bergroen Schatten ihrer ehemaligen Hauptband THE GATHERING herausgetreten ist, haben ihre Soloalben bereits bewiesen. Mit ihrem aktuellen Album "Drive", zeigt die sympathische Hollnderin wieder einmal, welche musikalischen Talente in ihr schlummern. In Kln trafen wir die immer gut gelaunte Dame zu einem Gesprch.Anneke, dein neues Studioalbum wurde mit dem Titel "Drive" versehen. Das Werk ist ein richtig cooles Stck Alternative Rock mit einigen Pop-Attitden. Wrdest du uns bitte ein wenig ber das Songwriting und den Studioaufenthalt erzhlen?

Wir haben bereits nach meinem letzten Album "Everything Is Changing" begonnen, Songs fr das nchste Album zu schreiben. Es ist ja hufig so, dass, wenn du gerade dein Album fertig hast, dir schon Ideen fr die nchste Platte im Kopf herumschwirren. Fr "Drive" hatte ich mir vorgenommen, ein schnelles, euphorisches und energetisches Album zu machen. Du hast es ja gehrt, es ist in diesem Gemtszustand. Auerdem wollte ich eine hrtere Produktion, als es noch bei den anderen Scheiben der Fall war. Die Songs wiederum sollten schon catchy sein, dabei aber rockig und mit Emotionen. Ja, das waren die Dinge, die ich mir vorgenommen hatte. Und insgesamt bin ich sehr zufrieden mit dem Resultat. Es unterscheidet sich allerdings schon von meinen bisherigen Verffentlichungen. Viele Leute mchten ja auch verschiedene Sounds hren und genau das ist auch meine Einstellung. Wie gesagt, ich bin sehr zufrieden damit.

Ich muss sagen, dass bereits der Opener "We Live On" richtig nach vorne losgeht und dabei eine ziemlich positive Ausstrahlung mit sich bringt. Eigentlich ist die ganze Scheibe voller positiver Vibes. Kannst du das besttigen? Oder gibt es auch dunklere Stcke?

Hm, also "Mental Jungle" ist schon ein wenig dster, genauso wie "Treat Me Like A Lady"doch, auch diese Nummer ist heavy und dster. Wenn du dir das Album ein paar mal anhrst wirst du feststellen, dass es schon einige Schwankungen drauf sind. Es mssen Schwankungen drauf sein. Viele Leute fragen mich, ob ich jetzt Pop-Musik mache. Wenn es so wre, wrde ich ja im Radio laufen, das stimmt also einfach nicht. Fr einen Metalhead ist die Musik natrlich eher poppig, aber fr einen Radiohrer ist sie einfach zu sehr Alternative. Ich hnge immerzu zwischen den Sthlen (lacht), und das ist teilweise sehr unpraktisch. Egal, ich liebe was ich mache und solange ich diese positive Energie spre, werde ich auch weitermachen. Und dabei interessiert mich nicht, was die Leute ber mich denken.

Na ja, die Scheibe hat schon ein paar fette Gitarrenriffs. Und ich kann bei einigen Songs ohne Probleme die Rbe schtteln!

(lacht) Dann bin ich ja beruhigt. Das macht mich schon froh, dass du es so siehst. Besonders live kommen die neuen Songs richtig gut. Es ist eine Freude, sie zusammen mit meiner Band zu spielen.

Das Album ist ja jetzt schon ein paar Wochen auf dem Markt. Wie waren denn die Reaktionen seitens Fans und Presse bisher?

Wirklich gut! Und zwar von beiden Seiten. Kurios ist, dass "Drive" gerade in den sdlichen Gefilden sehr gut aufgenommen wird. Ich wei nicht genau, woran es liegt, aber vielleicht kommt die knackige Produktion bei den Leuten dort besser an. Die Fans mgen die Scheibe auch sehr gern und das macht mich einfach happy.

Wenn man deine Stimme im Verlauf von THE GATHERING bis zu "Drive" hrt, wird man feststellen, dass sie mit den Jahren kraftvoller und kraftvoller geworden ist. Hast du Unterricht genommen? Was ist dein Geheimnis?

(lacht) Danke fr das Kompliment. Es kann schon am Alter liegen. Der Krper verndert sich, die Stimme natrlich auch. Wenn ich mir zehn Jahre alte Aufnahmen anhre, dann entdecke ich immer eine gewisse Unschuld in meiner Stimme. Freilich versuche ich mich auch immer weiterzuentwickeln. Besser zu singen, bessere Songs zu schreiben, bessere Performance zu bieten. Jedes Jahr arbeite ich an mir und an meiner Musik. Einfluss auf den Krper und die Stimme hat man jedenfalls nicht so viel. Es passiert einfach, man muss es ber sich ergehen lassen. Vielleicht spiegelt sich auch die Erfahrung der Jahre in der Stimme wider, kann auch sein.

Wenn ich fr die Rock- und Metalfans fr Deutschland sprechen darf: Der Name Anneke van Giersbergen ist in vielen Kpfen noch immer als die Ex-Sngerin von THE GATHERING verankert. Ist das etwas, was dich wtend macht?

Nein!

Oder ist das einfach ein Teil deiner Geschichte?

Es ist ein groer Teil meiner Geschichte! Und ich bin stolz darauf, ein Teil von THE GATHERING gewesen zu sein. Bse bin ich deswegen nicht.

Warum wurden eigentlich deine ersten Alben nicht unter dem Namen Anneke van Giersbergen sonder unter AGUA DE ANNIQUE verffentlicht?

Nun: Ich wei es wirklich nicht (lacht). Als ich THE GATHERING verlies, startete ich mit berlegungen ber einen Bandnamen fr meine Solosachen. Ich dachte mir vielleicht, dass ein Bandname eine bessere Wirkung fr meine Songs erreichen knnte aber niemand hat den Namen AGUA DE ANNIQUE verstanden. In der Regel schreibst du Songs und nimmst Alben fr dein Soloprojekt unter deinem eigenen Namen auf. Aber bei AGUA DE ANNIQUE wusste niemand, dass ich dahinter stecke. Auerdem war der Name etwas kompliziert, viele Leute konnten ihn nicht aussprechen geschweige denn schreiben, besonders im Ausland. Also kam ich zu dem Schluss, diesen Namen abzulegen und unter meinem eigenen Namen Musik zu verffentlichen. Weit du, ich fand meinen Namen immer sehr langweilig mglicherweise, weil ich ihn schon so lange kenne (lacht). Vielleicht ist das aber gar nicht der Fall, vielleicht geht das nur mir so. Egal, als ich also anfing, die Musik unter meinem Namen zu schreiben und zu verffentlichen, ist irgendwie eine Last von mir gefallen. Es fhlte sich besser an, ehrlicher. Tja, und so ist die Geschichte. Meine Eltern mgen meinen Namen brigens sehr! (lacht)

Fr einen aufmerksamen Hrer wird schnell klar, dass deine Musik nicht kalkuliert ist. Sie kommt vom Herzen und ist mit Leib und Seele geschrieben, ohne dabei die Musik Richtung Charts oder Radio zu wrzen.

Vielen Dank!

In 2007, als du THE GATHERING verliest, war das offizielle Statement, dass du nicht mehr 150 Konzerte im Jahr spielen mchtest und mehr Zeit mit deinem Familienleben und deinem Sohn verbringen mchtest. Mittlerweile bist du aber auch ganz schn hufig unterwegs. Waren da vielleicht doch andere Grnde, THE GATHERING zu verlassen?

Also eigentlich bin ich nicht mehr in diesen Dimensionen auf Tour. Klar, ich spiele schon einige Gigs, keine Frage. Allerdings ist mein Mann Rob (Snijders, Schlagzeug) mit dabei und mein kleiner Sohn schlft gerade oben ber uns. Ein Grund war mit Sicherheit mein Wunsch, mich besser entfalten zu knnen. Ich wollte einfach meine eigene Musik schreiben, auf meinen eigenen Beinen stehen. Ich war fr 14 Jahre bei THE GATHERING und ich brauchte einfach eine Vernderung. Es ist schwer zu beschreiben, doch ich fhlte mich eingezwngt. Ich musste einfach mein Ding durchziehen, meine Flgel ausweiten. Bei THE GATHERING habe ich alles gelernt, was ich heute kann. Es war, wie ein gemachtes Nest zu verlassen, vllig behtet. Und heute? Heute muss ich mir nur noch ber meine Familie und meine Musik Gedanken machen. Es ist ein Stck Freiheit. Es ist nicht so, dass ich mde von THE GATHERING oder den Jungs war, nein, das nicht. Ich liebe die Kerle noch immer, aber ich musste einfach meinen Gefhlen folgen.

Dem muss man einfach Respekt zollen. Es ist bestimmt nicht einfach, die Familie mit auf Tour zu haben. Und jeder, der Nachwuchs zu Hause hat, wird dem zustimmen. Wie funktioniert das eigentlich, seitdem Finn (Annekes Sohn) die Schule besucht?

Nun, er kann natrlich nicht berall mit mir hingehen, das ist klar, er ist ja schulpflichtig. Wir machen ja gerade eine Tour ber drei Wochen und fahren mit einem Tourbus. Er hat dort drin sein eigenes Bett, wir sind die ganze Zeit zusammen und er kommt mit der ganzen Situation sehr gut klar. Wenn es mal spt wird, dann geht er ins Bett, seine Nanny ist immer mit dabei. Allerdings bekommt er immer gengend Hausaufgaben mit. Im Moment haben wir zwar zwei Wochen Ferien, die dritte Woche drfen wir ihn jedoch noch bei uns haben, wenn er in der Zwischenzeit den Schulstoff bearbeitet. Wenn er ins Internet kommt, dann spricht er immer ber Skype mit seinen Klassenkameraden das ist so was von groartig! Wenn er mit diesem Zustand ein Problem htte, wrden wir es nicht so machen. Aber er mag es wirklich, mit uns auf Tour zu sein. Wenn wir jedoch eine kleine Tour von neun Tagen machen, bei der wir viel fliegen mssen, dann bleibt er zu Hause, denn das wre einfach zu heftig fr ihn. Die Musik ist bei uns natrlich allgegenwrtig. Wenn wir zu Hause sind, schreiben wir an Songs oder planen die nchsten Touren, Aktionen usw. Jede Woche zu Hause ist dabei unterschiedlich und auch anstrengend. Aber ich denke, das ist das Problem jeder Mutter die arbeitet. Okay, wir haben zwischendurch vielleicht viele verrckte Tage, aber im Prinzip geht es doch vielen Eltern so.

Gab es denn damals fr dich keine Alternative in Sachen THE GATHERING? Dein Ausstieg kam fr deine Mitmusiker bestimmt total berraschend? Vielleicht htte man damals auch Finn mit auf Tour nehmen knnen. Oder vielleicht htte auch eine Auszeit fr deine Solosachen gereicht? Es gab ja leider noch nicht mal eine Abschiedstour.

Es gab einige Grnde fr meinen Weggang von THE GATHERING. Ich habe dir ja eben schon grundlegende Dinge genannt. Ich hatte auch direkt Angebote von verschiedenen Bands, direkt nach meinem Ausstieg. MOONSPELL hatten Interesse bekundet, auch Devin Townsend, mein Held, wollte eine Zusammenarbeit. Die ganzen Nebenprojekte oder Gastauftritte haben mir auch eine Art Sicherheit gegeben und mich weiter Erfahrung sammeln lassen.

THE GATHERING entwickeln sich mehr und mehr zu einer Wochenend- und Hobbyband. Man hat den Eindruck, dass es keine Fulltime-Band mehr ist und es zeigt, dass du nicht ersetzt werden konntest, weil deine Stimme einfach einzigartig ist. Haben dich deine ehemaligen Mitstreiter denn nie fr irgendwelche Specials gefragt? Z.B. fr die Zukunft das 20. jhrige Jubilum von "Mandylion" in 2015?

Nein, sie haben mich nie wegen so etwas kontaktiert. Nach meinem Ausstieg war klar, dass wir einfach separate Wege gehen mussten. Es ist wie in einer Ehe, jeder muss sich nach der Scheidung neu orientieren und wieder einen Partner finden. Seit kurzem haben wir wieder Kontakt, was mich

total freut, aber es hat so einige Zeit gedauert. Aber um noch mal auf deine Frage von eben zu kommen: Mein Ausstieg kam nicht sehr berraschend fr den Rest von THE GATHERING. Klar, in dem Moment, als ich ihn verkndete schon, aber wir hatten vier Monate Zeit, um die gebuchten Shows zu bestreiten. Eine Abschiedstournee war das allerdings nicht, denn meine ehemaligen Bandmates sind nicht die Art von Musikern, die solch eine Sache melken oder ausbeuten.

Man muss ja auch sagen, dass du mittlerweile um die ganze Welt reisen kannst. Sdamerika, eine Europatour, dann bist du mal eben als Straenmusikant in London unterwegs. Es ist doch Wahnsinn, dass du das einfach mal eben so machen kannst.

Ja, auf jeden Fall.

Und mit dem neuen Album wirst du einer Menge Leute in den Hintern treten.

(lacht) Vielen Dank!

Es ist mit Sicherheit das bisher beste deiner Solokarriere.

Um ehrlich zu sein: Das denke ich auch! (lacht) Es ist doch eigentlich ganz natrlich. Das neueste Album muss das beste sein. Man versucht doch immer, sein bisheriges Schaffen zu bertreffen. Das Album ist sehr persnlich, es geht u.a. um meine Eltern. Aufgenommen habe ich es mit Arno Krabman, der dem Album einen wirklich spitzen Sound verpasst hat. Ich hatte eine gewisse Vorstellung im Kopf, aber ich konnte es technisch natrlich nicht umsetzen. Dazu noch meine Band, die einfach unglaublich ist fr mich ist es die beste Band auf der ganzen Welt, du wirst es live ja spter erleben. Und das macht ein Album aus. Nicht irgendwelche Videos, sondern Musiker, die einfach zu dir passen. Die Harmonie muss stimmen. Um noch mal auf THE GATHERING und meinen Ausstieg zu kommen: Manche Leute beobachten meine Karriere um zu sehen, ob ich es schaffe oder nicht. Bleibe ich im Business oder nicht. Die sprechen dann ber mich z.B. so "Okay, sie hat lange gebraucht okay, es sind schon drei Alben" Und dann mit meinem fnften Album: "Okay, sie hat durchgehalten". Die Leute sind generell sehr, sehr kritisch. Und ich muss sehr hart dafr arbeiten, um mich zu behaupten. Ich muss gute Musik schreiben, um nicht im Schatten einer, bis heute, genialen Band wie THE GATHERING zu bleiben. Klar, viele Leute kannten meinen Namen, aber die Erwartungshaltung ist schon sehr gro. Bei meinem letzten Album "Everything Is Changing" hatte ich das Gefhl, dass die Leute das Vertrauen in mich wieder erlangt haben. Dann kommen Sprche wie "Ich bin immer Fan von dir geblieben". Und ich freue mich, wenn die Leute mir die Stange gehalten und mir vertraut haben.

Anneke van GiersbergenInterview zum neuen Album "Drive"