anmerkungen zur rolle der versuchsperson in der experimentellen musikpsychologie

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Anmerkungen zur Rolle der Versuchsperson in der experimentellen Musikpsychologie Author(s): Ekkehard Jost Source: International Review of the Aesthetics and Sociology of Music, Vol. 25, No. 1/2 (Jun. - Dec., 1994), pp. 63-78 Published by: Croatian Musicological Society Stable URL: http://www.jstor.org/stable/836935 . Accessed: 11/06/2014 02:00 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Croatian Musicological Society is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to International Review of the Aesthetics and Sociology of Music. http://www.jstor.org This content downloaded from 62.122.77.52 on Wed, 11 Jun 2014 02:00:09 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

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Anmerkungen zur Rolle der Versuchsperson in der experimentellen MusikpsychologieAuthor(s): Ekkehard JostSource: International Review of the Aesthetics and Sociology of Music, Vol. 25, No. 1/2 (Jun.- Dec., 1994), pp. 63-78Published by: Croatian Musicological SocietyStable URL: http://www.jstor.org/stable/836935 .

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E. JOST, DIE EXPERIMENTELLE MUSIKPSYCHOLOGIE, IRAMDA 25/1,2 (1994) 63-78 63

ANMERKUNGEN ZUR ROLLE DER VERSUCHSPERSON IN DER EXPERIMENTELLEN MUSIKPSYCHOLOGIE

EKKEHARD JOST

Musikwissenschaftliches Institut der Universitiit Giefen, 6300 GIEflEN, Deutschland

UDC: 78.01

Original Scientific Paper Izvorni znanstveni 6lanak First published in: / Prvi put objavljeno u: International Review of the Aesthetics and Sociology of Music, Vol. IV, No. 2, 1973

Abstract - Resume'

Zu Anfang der 60er Jahre fand unter dem EinfluBl der amerikanischen behavioristischen Schule der Musikpsychologie eine Umorien- tierung innerhalb der deutschen systemati- schen Musikwissenschaft statt. Diese Rezeption und die Arbeiten der >Hamburger Schule der systematischen Musikwissenschaft<< brachten mit sich die Forschungsmethoden, die auf eine empirische Erfassung von musikalischen Ver- haltensmustern gerichtet waren.

Verhaltensmuster im Umgang mit Musik sind durch Sozialisationsprozesse und konkreten sozio-6konomischen und kulturellen Bedin- gungen geformt, unter denen die Befragten le- ben. Bei der experimentellen Erfassung dieser Verhaltensmuster alle Sozialdaten der Versuchs- personen sind zu erheben und in die Analyse einzubeziehen. Dadurch kann Musikpsycholo- gie nur dann effektiv sein, wenn sie sich als eine Sozialpsychologie der Musik versteht und nicht als Ableger einer allgemeinen Psychologie.

Zu Anfang der 60er Jahre fand unter dem Einfluti der amerikanischen be- havioristischen Schule der Musikpsychologie eine allmahliche Umorientierung auch innerhalb eines Teiles der deutschen systematischen Musikwissenschaft statt. Die Rezeption der Arbeiten von Autoren wie Hevner, Rigg, Gundlach und Hamptom einerseits und andererseits die initiierende Wirkung, die von den so- zialpsychologischen Arbeiten Hofstatters auf die mittlerweile sogenannte >>Ham- burger Schule der systematischen Musikwissenschaft<< ausging, brachten es mit sich, daLg man sich hier seit etwa 1963 in verstairktem MatBe Forschungsmethoden zuwandte, die auf eine empirische Erfassung von musikalischen Verhaltens- mustern gerichtet waren. Eine Abgrenzung gegeniiber den in Deutschland bisher dominierenden Str6mungen musikpsychologischer Forschung vollzog sich dabei in zweierlei Hinsicht: Zum einen ging man iiber die iiberwiegend phinomenolo-

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gische Arbeitsweise Albert Welleks hinaus, der Empirische Verfahren nur sehr begrenzt und ohne wahrscheinlichkeitstheoretische Erwagungen einsetzte, und erhob die intersubjektive Uberpruifbarkeit von Aussagen und ihre statistische Absicherung zum Prinzip. Gleichzeitig begann man in zunehmendem Matie von der Untersuchung elementarer Reize (bzw. der Reaktionen auf sie) abzusehen und fiihrte komplexere musikalische Strukturen als Untersuchungsmaterial ein. An die Stelle von aus ihrem musikalischen Kontext isolierten Klingen, Interval- len, Akkorden usw. als verhaltensausl6sende Reizkonfigurationen traten dabei aus der Literatur ausgewaihlte oder fiir ein bestimmtes Forschungsziel speziell komponierte Musikbeispiele. Diese Tendenz vom elementaren Klangreiz zur vollausgebildeten musikalischen Struktur entwickelte sich schrittweise und uneinheitlich. Waihrend noch die Arbeiten von Rahlfs,j Jost2 und de la Motte3 mit einem Material operierten, das von sich aus keinen sinnvollen musikalischen Zusammenhang implizierte, bezogen Reinecke,4 Kleinen5 und Behne6 Musik- beispiele in ihre Untersuchungen ein, die den H6rer und Beurteiler mit einem vergleichsweise realitatsnahen Material konfrontierten. Die Abkehr vom Psycho- physikalismus Stevens'scher Prigung begann sich damit ebenso zu vollziehen wie die von dem auf introspektive Wesensschau gerichteten Ansatz Ernst Kurths und der pseudoempirischen Methode Albert Welleks. Die Musikpsychologie hamburgischer Provenienz verstand und versteht sich als nomothetische Wissen- schaft, der es um die Aufstellung gesetzesf6rmiger Aussagen geht und um die Einbettung dieser Aussagen in theoretische Begriindungszusammenhinge. Dati diese Position angesichts der gesellschaftlichen und historischen Relativitat der untersuchten Zusammenhinge nicht unproblematisch ist, braucht hier nicht besonders hervorgehoben zu werden. Solange man sich jedoch dessen bewul3t ist, dati sich in den auf empirischem Wege gewonnenen Erkenntnissen nicht >Naturtatsachen< spiegeln, sondern historisch gewordene - und nicht selten inderungsbediirftige - interindividuelle Gleichf6rmigkeiten von begrenzter zeitlicher Reichweite, solange ist gegen eine Methode nur wenig einzuwenden, deren Ziel es ist, derartige Gleichf6rmigkeiten auf dem Wege kontrollierbarer Experimente und nicht nur blofies Spekulation in den Griff zu bekommen.

Die eigentliche Problematik der hier angedeuteten musikpsychologischen Konzeption weist denn auch in eine andere Richtung: Wiewohl die genannten Arbeiten aus dem Hamburger Musikwissenschaftlichen Institut zu einem nicht geringen Teil gerade durch die sozialpsychologisch ausgerichteten Untersuchun-

1 Volker RAHLFS, Psychometrische Untersuchungen zur Wahrnehmung musikalischer Kliinge, Ham- burg 1966.

2 Ekkehard JOST, Akustische und psychonietrische Untersuchungen an Klarinettenklidngen, K61n 1967. 3 Helga de la MOTTE-HABER, Ein Beitrag zur Klassifikation musikalischer Rhythmen, K61n 1968. 4 Hans-Peter REINECKE, Ober den Zusammenhang zwischen Stereotypen und Klangbeispielen verschiedener musikalischer Epochen, in Bericht fiber den internationalen musikwissenschaftlichen Kongrej3

Leipzig 1966, Leipzig 1970, S. 499-509. 5 Giinter KLEINEN, Experimentelle Studien zum musikalischen Ausdruck, Hamburg 1968. 6 Klaus Ernst BEHNE, Der EinfluJf des Tempos auf die Beurteilung von Musik, K61n 1972.

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gen Hofstatters inspiriert waren, so beinhalteten sie in der Regel jedoch allge- meinpsychologische Fragestellungen, bei denen es nicht um gruppenspezifische Reaktionen auf Musik ging, sondem - wenn auch unausgesprochen - um ein gleichsam allgemein-menschliches musikalisches Verhalten. In dieser Hinsicht wurzeln die Hamburger Arbeiten eindeutig in einer langen Tradition musikpsy- chologischer Forschung, auf die im folgenden kurz eingegangen werden soll.

Menschen, die in der musikpsychologischen Forschung als H6rer und Beur- teiler fungieren, pflegt man - wie in der allgemeinen Psychologie - als Versuchs- personen (Vpn.) zu bezeichnen. Die Einstellung der friihen Tonpsychologie ebenso wie die ihrer spateren Ausweitung, der Musikpsychologie, zur Rolle der Versuchsperson in der experimentellen Forschung ist insofem schwer dingfest zu machen, als sie nur selten expressis verbis formuliert wurde. In der Regel entspricht sie dem wissenschaftlichen Selbstverstandnis des jeweiligen Autors und ist aus seinem Standort innerhalb der wechselnden Str6mungen und Schulen allgemeinpsychologischer Forschung abzuleiten.

>>Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage fiir die Theorie der Musik<< von Hermann von Helmholtz ist, soweit sie psycholo- gische und nicht rein physikalische oder musiktheoretische Fragen anspricht, vor dem Hintergrund der sog. Elementenpsychologie zu sehen. Die wesentliche Methode des Erkenntnisgewinns bestand hier in der Introspektion, in der Beo- bachtung des eigenen psychischen Erlebens und der Analyse der Erlebnisinhalte auf ihre letzten, d.h. elementaren Bestandteile. Da mithin die Methode der In- trospektion sich keineswegs auf eine bloife Selbstbeobachtung beschrinkte, son- dem die Fihigkeit zur Analyse und zur Verknfipfung der Elemente des >>bewuLften Seelenlebens< einschloLf, erforderte sie Ubung. >>Versuchsperson? konnte nach dieser Konzeption also keineswegs jeder beliebige sein, sondern nur der auf spezifische Weise geschulte (das hieLf soviel wie: der in der Methode der Introspektion geiibte) Wissenschaftler. Holzkamp weist in diesem Zusam- menhang auf einen wenig beachtete Sachverhalt hin, der nicht nur fiir die all- gemeine, sondern ebenso fir die Musikpsychologie Giiltigkeit besitzt: >Da die individuelle Geschultheit und Beobachtungsgabe der Vpn. als wesentlicher Ausweis fiir die Brauchbarkeit der Forschungsergebnisse betrachtet wurde, er- schienen die Vpn. in den Untersuchungsberichten stets mit vollem Namen, wohl, weil der Leser aus dem Status der Vpn. innerhalb der Wissenschaftlerhierarchie und aus ihren sonstigen wissenschaftlichen Leistungen auf ihre Qualifikation bei der Anwendung der Introspektionsmethode schlie1fen sollte.<7 Noch in den Untersuchungen Husmanns8 und Reineckes9 zum Problem >>Konsonanz-Disso- nanz<, in denen neben der namentlichen Nennung der Vpn. auch deren musi- kalische Qualifikationen vermerkt und Protokolle individueller Auiferungen

7 Klaus HOLZKAMP, Kritische Psychologie, Frankfurt/Main 1972, S. 42.

8 Heinrich HUSMANN, Vom Wesen der Konsonanz, Heidelberg 1958. 9 Hans-Peter REINECKE, Experimentelle Beitrdge zur Psychologie des musikalischen Hdrens, Ham-

burg 1964.

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wiedergegeben werden, diirften entsprechende Erwdigungen eine Rolle gespielt haben.

Anders als bei Helmholtz, fiir den die Frage nach der Rolle der Vpn. in der experimental-psychologischen Forschung noch kaum zum Problem wurde, zeigt sich bei Carl Stumpf bereits ein zwiespiltiges Verhiltnis gegeniiber den von ihm zu seinen Experimenten herangezogenen H6rem, besonders was ihre musikali- sche Vorbildung betrifft. Waihrend einerseits das Problem der >Zuverlissigkeit der Sinnesurteile<, d.h. das Maft von Vertrauen, welches man auf die Aussage eines Urteilenden zu setzen berechtigt ist, die Befragung musikalisch ausgebilde- ter Vpn. nahelegt, erfordert andererseits gerade die empirische Untermauerung des Phinomens der Verschmelzung, einen der Angelpunkte der Stumpfschen Theorienbildung, die Stellungnahmen musikalisch unvorbelasteter Beurteiler, d.h. solcher, die nicht durch den gewohnheitsmiitigen, praktischen Umgang mit den Problemen von Konsonanz und Dissonanz voreingenommen sind. Anders gesagt: die Theorie von der Verschmelzung als einem >>allgemein-menschlichen<< natiirlichen Phainomen impliziert die Einbeziehung von Vpn., bei denen man eine zu diesem Phinomen gleichsam >natiirliche<, d.h. nicht durch Lemprozesse geform- te Einstellung voraussetzen kann. (Ob eine solche Isolierung von >Natur< einerseits und kulturellem Hintergrund andererseits iiberhaupt realisierbar ist, ist mehr als zweifelhaft, soll aber in diesem Zusammenhang nicht weiter diskutiert werden).

Wesentlich scheint, daft bereits hier bei Stumpf ein grundsitzliches Problem empirischer Forschung in der Musikwissenschaft - zumindest in Ansitzen - aus-

geprigt ist, die Frage naimlich, inwieweit objektrelevante Aussagen fiber eine Materie von Versuchspersonen zu erhalten sind, die mit dieser Materie nicht oder nur in einem geringen Mafte vertraut sind, und weiterhin, ob die Angaben von Versuchspersonen, die mit der Materie vertraut sind, nicht in einem so star- ken Mafte eben durch ihre Vertrautheit mit ihr determiniert sind, daft ihre Aus- sagen zwar den Objektbereich addquat erfassen, aber keineswegs fair eine gr6- Stere Population verallgemeinbar sind.

Abgesehen von den Stumpfschen Untersuchungen zur Verschmelzung wandte man sich innerhalb der deutschen Tonpsychologie, soweit sie elementare

Klangphinomene behandelt, spiter im allgemeinen an musikalisch geschulte Beobachter. In der Beschrinkung auf Musikwissenschaftler, Musiker, Musikleh- rer usw., d.h. auf Spezialisten, konnte man sich dabei in der Regel auf ganz pragmatische Uberlegungen stiitzen: Uber das >>Wesen der Konsonanz? etwas zu erfahren, war vielfach nur m6glich mit Hilfe von Versuchspersonen, fir die der Begriff der Konsonanz in ihrem Alltags- oder Berufsleben iiberhaupt eine Rolle spielte. Eine kleine Terz an einem Tongenerator einzustellen vermochte nur der, der wulte, was eine kleine Terz ist.10

10 Hieraus ist es zu erkliiren, da1B bei der Auswertung von Versuchsergebnissen die Angaben einiger Versuchspersonen bisweilen ausgesondert wurden, da sich diese >>fir die Versuche als ungeeignet erwiesen<<. (Vgl. Wilfried DAENICKE, Bewertung von Intervallbeobachtungen an Hand der Frequenzdistanz, in Jahrbuch des Staatlichen Institutsfiir Musikforschung 1968, Berlin 1969, S. 29-64).

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Der bereits bei Stumpf vorbereitete und sich vor allem in den Arbeiten Welleks manifestierende Umschwung musikpsychologischer Theorienbildung von der Elementen- zur Ganzheits- und Gestaltpsychologie tinderte im Prinzip nur wenig an der Einstellung der Musikpsychologie zur Rolle der Versuchsper- son. Insoweit grundlegende theoretische Systeme wie das der sog. ?Zweikom- ponententheorie der Tonh6he< nicht weiterhin auf der Basis der Introspektion erstellt wurden, fungierten auch hier in der Regel musikalisch und/oder psycho- logisch vorgebildete Beobachter als Versuchspersonen,11 wobei deren Anzahl im Hinblick auf eine statistische Absicherung der Ergebnisse im allgemeinen nicht als wesentlich erachtet wurde. Und wiewohl bei Untersuchungen, die von der Fragestellung her der differentiellen Psychologie nahestanden (musikalische ?Be- gabung?, >Typen< des musikalischen H6rens), auf die Einbeziehung gr6toerer Populationen Wert gelegt wurde, zahlte bei der Demonstration und Diskussion der Ergebnisse der prignante Einzelfall im allgemeinen mehr als die statistische Verteilung. Als paradigmatisch sei hier nur Welleks Darstellung von Gesetz- mii3igkeiten der Vererbbarkeit musikalischer Begabung anhand der Geschwister Gertrud und Walter M. aus Wien genannt.12

Das zur Erzielung objektrelevanter Ergebnisse als notwendig erachtete Expertentum der Versuchspersonen wurde am frfihesten und konsequentesten dort aufgegeben, wo es nicht mehr nur um die experimentelle Ermittlung ele- mentarer psychophysikalischer Gesetzmaitigkeiten ging, sondern um die Erfor- schung des musikalischen Ausdrucks, bzw. des emotionalen Gehaltes oder affektiven Charakters von Musik. Waihrend man sich in Deutschland experimen- teller Arbeiten in dieser Richtung zundchst weitgehend enthielt, sich auf die Methode der Introspektion verlieft und die Intuition des jeweiligen Autors als die letzte Instanz des Erkenntnisgewinns fungierte, begann man in den USA bereits in den 20er Jahren mit Versuchen, die Wirkung von Musik auf den H6rer auf die eine oder andere Weise meibar zu machen.13 Nachdem sich die vom strengen Behaviorismus initiierte Analyse des Erlebens komplexer musikalischer Strukturen mit Hilfe des Elektrokardiogramms, des psycho-galvanischen Re- flexes und dhnlicher Verfahren als wenig spezifisch und letztlich unbrauchbar erwiesen hatte, ging man in den USA sehr bald dazu fiber, verbale Afiiterungen von Musikh6rern systematisch zu erfassen und zu klassifizieren. Wie entspre- chende arbeiten von Hevner, Rigg, Gundlach usw. zeigen, wurde die Wirkung von Musik, so wie sie sich in den verbalen Reaktionen der H6rer manifestierte, als weitgehend stabil gegeniiber individuellen Differenzen angesehen, solange man sich innerhalb ein und desselben Kulturbereichs bewegte. Die bevorzugten Versuchspersonen der genannten Autoren, die sich in der Regel eher als Psycholo- gen denn als Musikwissenschaftler verstanden und ihre Ergebnisse in den ent-

11 Zu den Versuchspersonen Felix Kriigers geh6rten u.a. so prominente Wissenschaftler wie Erich von Hornbostel, Wolfgang K6hler und Otto Abraham.

12 Albert WELLEK, Musikpsychologie und Musikiisthetik, Frankfurt/Main 1963, S. 100. 13 Eine ausffihrliche Zusammenfassung entsprechender Untersuchungen gibt Robert W.

LUNDIN, An Objective Psychology of Music, 2. Aufl. New York 1967; hierin besonders: Kapitel 9, The affective response to music, S. 150-189.

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sprechenden Fachzeitschriften publizierten, waren im allgemeinen nicht Musiker, sondern Laien mit unterschiedlichen musikalischen Vorbildungen und Neigungen. In der Forschungspraxis hieft das >>Psychologiestudenten<<, denn diese waren nicht nur am leichtesten erreichbar, sondern dariiber hinaus kostenersparend. Wo Zweifel an der Allgemeingiiltigkeit von Ergebnissen bestanden, die anhand derartiger Stichproben gewonnen wurden, stellte man den musikalischen Laien (sprich: Psychologiestudenten) sog. >>musikalische Experten<< in Gestalt von Musikstudenten gegeniiber, so etwa in Gundlachs Untersuchung zum Aus- druckscharakter musikalischer Phrasen.14 Die gemeinhin sehr hohen positiven Korrelationen zwischen beiden Gruppen schienen jedoch im Nachhinein in der Regel die Beschrankung auf die Psychologiestudenten zu legitimieren. Eine in den Untersuchungen der amerikanischen Musikpsychologie immer wiederkehrende Aussage lautet sinngemit?: Es bestehen keine signifikanten Differenzen zwischen den Urteilen der Versuchspersonen; der musikalische Ausdruck ist damit als allgemeinverbindlich anzusehen.

Die eingangs erwihnten Arbeiten aus dem Hamburger Musikwissenschaft- lichen Institut, die - wie gesagt - zu einem nicht geringen Teil durch die Unter- suchungen von Hevner, Rigg, Gundlach usw. angeregt wurden, folgten im grotgen und ganzen, wenn auch unausgesprochen, dieser Formel von der Allgemein- verbindlichkeit musikalischen Ausdrucks, nur daft hier die Versuchspersonen nicht aus den Reihen der Psychologiestudenten kamen, sondem aus den eigenen. Der Grund fiir das letztere lag nicht immer in der Erkenntnis, daft Musikwis- senschaftler auf das dargebotene Material addquater als andere Vpn. reagierten, sondern datB sie fiir den jeweiligen Autor leichter erreichbar waren. Auf einen einfachen Nenner gebracht heiftt das: die Wahl einer spezifischen Gruppe von Vpn. aus einer m6glichen Population funktionierte weniger nach immanent wis- senschaftlichen Kriterien als nach solchen der Okonomie experimenteller Ar- beit. Und ihnlich wie in der amerikanischen Musikpsychologie der 30er Jahre wurde auch hier dieses Vorgehen durch die Ergebnisse eigener empirischer For- schung scheinbar legitimiert.

Eine dominierende Rolle in den Hamburger Untersuchungen spielte ein spezifisches Verfahren der Urteilsgewinnung, an dem im folgenden die hier zu Diskussion stehenden Probleme verdeutlicht werden sollen. Gemeint ist die 1952 von Osgood15 als semantisches Differential und 1955 von Hofstitter16 als Po- larittitsprofil zu Untersuchung von Eindrucksstrukturen oder Bedeutungsgehal- ten eines weitgehend beliebigen Reizmaterials eingefiihrte Methode. Diese >ver- langt von den Versuchspersonen die Einstufung eines Begriffes oder auch eines Gegenstandes der Anschauung (z.B. Bilder und Farben) auf einer Reihe von Po- larititen, die zu diesem Gegenstand meist in keinem sachlichen, wohl aber in

14 Ralph H. GUNDLACH, Factors Determining the Characterization of Musical Phrases, Amer. J. Psychol., 1935, Vol. 47, S. 624-643.

15 C.E. OSGOOD, The Nature and Measurement of Meaning, Psychol. Bull., 1952, Vol. 49, S. 197-237.

16 Peter R. HOFSTATTER, Ober Ahnlichkeit, Psyche, 1955, Vol. 9, S. 54-79.

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einem m6glichen assoziativen Bezug stehen. Der quantitative Vergleich von Pro- filen mit Hilfe der Korrelationsrechnung gestattet Angaben iiber die subjektive Ahnlichkeit zwischen Gegenstdinden<<.17

Die U1bemahme der Methode des Polarititsprofils in die Musikwissenschaft brachte einige Probleme mit sich, die sich vor allem aus der Verbalisierung mu- sikalischer Eindrucksqualitiiten ergaben. Am reibungslosesten vollzog sich die Anwendung des Verfahrens naturgemiif bei der Bedeutungsanalyse sog. musi- kalischer Stereotype, wie sie ausffihrlich von Reinecke18 durchgeffihrt wurde, jedoch auch in zahlreichen weiteren Arbeiten eine - wenn auch sekundaire - Rolle spielte. Doch auch in der Konfrontation der Beurteiler mit einem akusti- schen, d.h. nicht verbalen, Untersuchungsmaterial, seien es Musikbeispiele, in- strumentale Kiinge oder Rhythmen, erwies sich das semantische Differential als geeignet, Information fiber die Struktur und Metrik von Eindrucksspielriiumen zu liefern. Ein Randproblem, welches sich dabei ergab, betraf zundchst weniger die Ergebnisse dieser Untersuchungen als deren Interpretation. Formulierungen wie: >>Das Musikbeispiel A korreliert mit dem Musikbeispiel B soundso hoch? sind in den betreffenden Untersuchungen nicht selten. Man k6nnte sie als sprach- liche Nachlissigkeit auffassen, denn in Wirklichkeit wird natiirlich nicht eine Korrelation zwischen zwei Musikstficken konstatiert, sondem eine solche zwi- schen den Beurteilungen dieser Musikstiicke durch die Versuchspersonen. Ten- denziell jedoch weist ein derartiger sprachlicher Lapsus (besonders dann, wenn er zu einer Formulierungsgewohnheit wird) uiber sich hinaus. In der Absicht, zu Aussagen m6glichst grotger AllgemeingUiltigkeit zu gelangen, verwischen sich allzu leicht die Grenzen zwischen dem eigentlichen Objekt der Untersuchung, nimlich den Urteilen der Versuchspersonen fiber eine bestimmte Musik einerseits und andererseits der Musik selbst, an die diese Urteile gekniipft sind. Die Aufgrund einer Profiluntersuchung getroffene Feststellung, da1t ein bestimmtes Musikbeispiel >>geordnet? oder >>farbig< ist, ist letztlich nicht nur unerheblich ffir die Erkenntnis musikalischer Zusammenhiinge, sie ist - genau genommen - auch falsch. Richtig ist dait dieses Musikbeispiel von einer bestimmten Gruppe von Versuchspersonen mehr oder minder einheitlich als >>geordnet<< oder eingestuft worden ist. Das Objekt unserer Untersuchungen kann daher nicht der Stimulus selbst sein, nimlich das Musikbeispiel, sondem ausschlietBlich die Reaktion auf denselben durch die Versuchspersonen. Der von Seiten der historischen Musik- wissenschaft gem geiuiterte Einwand, dait man mit Hilfe des Polarititsprofils fiber Musik nichts erfahren konne, was man nicht ohnehin schon wisse, ist in gewisser Weise berechtigt, aber falsch formuliert. Man kann iiber die Musik, d.h. fiber ihre strukturelle Beschaffenheit mit Hilfe des Polarittitsprofils gar nichts erfahren, sondem nur fiber ihre Wirkung auf den H6rer. D.h., die von der Mu- sikpsychologie auf mehr oder weniger exakte Weise zu erstellenden Beziehungen sind genau genommen weder Beziehungen zwischen verschiedenen Musik-

17 Peter R. HOFSTATTER, Psychologie, in Fischer Lexikon, Frankfurt/Main 1957, S. 30. 18 Hans-Peter REINECKE, Ober Allgemeinvorstellungen von der Musik. Eine experimentelle

Untersuchung musikalischer Stereotype mit der Methode des Polarititsprofils, in Festschriftfiir Walter Wiora, Kassel 1967, S. 31-39.

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beispielen noch solche zwischen Musikbeispielen und Aussagen uiber diese, son- dern Beziehungen zwischen Aussagen uiber verschiedene Musikbeispiele. Die Folgen einer illegitimen Identifikation des Stimulus mit der Reaktion werden uibrigens besonders dann offensichtlich, wenn wir es mit der Beurteilung von sog. Stereotypen (d.h. Vorstellungsinhalten) zu tun haben, wenn z. B. als Beur- teilungsobjekt (Stimulus) der Begriff >>Atonale Musik< mit anderen Vorstellungs- inhalten korreliert wird und sich zum SchluSt die These herausschalt: >Atonale Musik< korreliert hoch mit >HaBo< oder >Angst<<. Hier kommt zu dem Kurz- schlu1B zwischen dem Stimulus (dem Begriff >>Atonale Musik<) und der Reak- tion (der Beurteilung des Begriffes) ein weiterer hinzu, nimlich der zwischen dem beurteilten Stimulus (dem Begriff) und dem, wofiir er steht (der Musik). DaBt die Beurteilung eines konkreten Beispiels atonaler Musik, sorgfiiltig aus- gewihlt, ebenso hoch mit der Beurteilung des Begriffs >Liebe? korrelieren k6nnte wie die Beurteilung des Begriffs >>Atonale Musik< (als Vorstellungsinhalt) mit der des Begriffs >Hat•<, muBt bei derartigen Untersuchungen zwangsliufig unter den Tisch fallen. Die Gefahr von uibergeneralisierenden Aussagen wie einer solchen, daBt Atonale Musik etwas mit >>Hati< und >Angst< zu tun habe, liegt auf der Hand. Sie besteht vor allem in Verdoppelung von Vorurteilen, die durch die ungeniigend durchdachte Interpretation empirisch gewonnener Ergebnisse eine fragwiirdige Bestitigung erhalten.

Die illegitime Identifikation des Beurteilungsmaterials mit der Beurteilung durch den H6rer stellt - wie gesagt - ein Randproblem dar, das bei der Inter- pretation der Daten einer Profiluntersuchung beachtet werden muBi, jedoch nicht zwangsliufig aus der Verwendung der Methode erwaichst. Ein zentrales Problem hingegen - und hier kommen wir auf unsere urspriingliche Fragestel- lung zuriick - scheint mir in der Rolle der Versuchsperson bei der Mehrzahl der bisher publizierten Profiluntersuchungen zu liegen. Diese gehen in der Regel - unbewuBt oder ausdrticklich - von der Primisse aus, daBi Polarittitsprofile vor allem zwischen den Beurteilungsgegenstainden (z. B. den Musikbeispielen) zu differenzieren htitten, nicht jedoch zwischen den Beurteilern. Diese Priimisse steht prinzipiell im Widerspruch zu der allgemein akzeptierten These, daBt der eigentliche Gegenstand der Musikpsychologie nicht die Musik selbst bzw. ihre verschiedenartigen Auspraigungen seien, sondern das >>Verhalten gegeniiber Mu- sik<.19 Der Widerspruch lost sich dann auf, wenn man voraussetzt, daBi jenes >Verhalten gegeniiber Musik< als uniform anzusehen sei, als stabil gegeniiber individuellen oder gruppenspezifischen Differenzen; daBi es also ein gleichsam >>allgemein-menschliches< Verhalten gegeniiber Musik glibe.

DaBl sowohl die Ergebnisse der amerikanischen Musikpsychologie der 30er Ja- hre als auch die der Untersuchungen aus dem Hamburger Institut die Vor- aussetzung einer Allgemeinverbindlichkeit musikalischen Verhaltens im Nachhinein zu stiitzen scheinen, beruht auf einigen Fehl- und Zirkelschliissen vorwiegend methodischer Art, die jedoch ihren Ursprung in einer pseudodemokratischen Ideolo- gie, nach der es >>eine Musik fiir uns alle<< gibe, nicht v6llig verdecken.

19 Helga de la MOTTE-HABER, Musikpsychologie, in C. DAHLHAUS (Hrsg.), Einfiihrung die systematische Musikwissenschaft, K61n 1971, S. 55.

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E. JOST, DIE EXPERIMENTELLE MUSIKPSYCHOLOGIE, IRAMDA 25/1,2 (1994) 63-78 71

1. Die Mehrzahl der hier angesprochenen Untersuchungen sind - mehr oder minder uneingestandenermaigen - Zielgruppenuntersuchungen, die ihre Er- gebnisse unberechtigterweise verallgemeinern. Die Norm-Vpn. der Musikpsy- chologie ist der Student, was impliziert, dait die Stichprobe der Vpn. a priori einem relativ homogenen sozialen Milieu entstammt. DagB die Gegeniiberstellung von sog. musikalischen Laien und Experten (d.h. in der Regel nicht mehr als >>Musikstudenten und Nicht-Musikstudenten<<) im allgemeinen keine wesent- liche Differenzierung der Urteilsstrukturen nach sich zieht,20 sondern die These von der Allgemeinverbindlichkeit musikalischen Ausdrucks erhartet, diirfte un- schwer aus dieser sozialen Uniformitat der Vpn.-Stichprobe erklirbar sein. Die Werke unserer abendlandischen Kunstmusik (und nur hier k6nnte sich das Ex- pertentum der Experten niederschlagen) sind - zumindest was ihren emotio- nalen Gehalt betrifft - mittlerweile so sehr zum Allgemeingut einer >gebildeten< Schicht geworden, daig der Vorsprung von vier Semestem Musikwissenschaft oder einigen Jahren Klavierunterricht, den die >Experten< vor den >Laien<< haben, hier kaum wirksam werden kann. Dies bedeutet nicht, daig musikalische Vor- bildung keinen EinfluBi auf die Beurteilung von Musik hat,21 sondern nur, da1i sich dieser innerhalb der sozial und altersmaiBig homogenen Standardzielgruppe der Musikpsychologie zwangsliufig aufhebt.

2. Die Homogenitit der Urteile dieser homogenen Zielgruppe wird durch bestimmte methodische Vorgehensweisen zusitzlich verstirkt. Als datenmditiger Reprisentant des als allgemein-menschlich postulierten Verhaltens gegeniiber Musik fungiert die Biindelung der einzelnen Vpn.-Urteile zum arithmetischen Mit- telwert. Abweichungen von diesem werden als Fehlervarianz interpretiert, als zuffillige individuelle Schwankungen, deren Ausmafg durch einen Streuungs- koeffizienten kontrolliert wird. Geht man von der oben bezeichneten Primisse aus, dagt Polarititsprofile vor allem zwischen den Beurteilungsgegenstainden zu differenzieren hitten, nicht jedoch zwischen den Beurteilem, deren Einzelurteile letztlich nur als ein Element in einer statistischen Verteilung verstanden werden und anonym bleiben, so wird die Gute eines Profils (d.h. einer Stichprobe von verwendeten Adjektivskalen aus einem Universum m6glicher Skalen) konse- quenterweise daran gemessen, wie eindeutig die Beurteilungsgegenstainde erfaft werden. Das heift im konkreten Fall: Adjektivskalen werden dann als >gut funk- tionierend<< angesehen, wenn die Urteilsstreuungen der Vpn. fuir das einzelne Objekt gering, die Streuungen der Objekte uiber die Skalen hingegen grogB sind. Bei der systematischen Zusammenstellung eines Polarititsprofils, z.B. bei der Reduzierung einer bereits erprobten umfangreichen Stichprobe von Skalen auf ein handlicheres (d.h. kiirzeres) Profil wird denn auch in der Regel so verfahren, dagt man Skalen nach drei Gesichtspunkten eliminiert: (1) Skalen, die sich als redundant erweisen, d.h. solche, die inhaltlich mit anderen so weitgehend kor-

20 Giinther KLEINEN, a.a. O., S. 40. 21 Vgl. z.B. Peter BROMSE u. Eberhard KOTTER, Zur Musikrezeption Jugendlicher. Eine psy-

chometrische Untersuchung, Mainz 1971; Ekkehard JOST, Der EinfluB des Vertrautheitsgrades auf die Beurteilung von Musik, in Jahrbuch des Staatlichen Instituts fir Musikforschung 1968, Berlin 1969, S. 65-86.

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respondieren, dafg von ihnen keine zusatzliche Information zu erwarten ist, (2) Skalen, die zwischen den Objekten nicht differenzieren und (3) Skalen, die starke Urteilsstreuungen verursachen, vor allem solche, die zweigipflige oder Gleichverteilungen liefern - mit empirischen Mittelwerten um den Skalenmit- telwert.22 Als Konsequenz hieraus ergibt sich, dagt die innerhalb einer an sich bereits homogenen Population von Vpn. potentiell noch vorhandenen Urteilsdif- ferenzen auf dem Wege einer Vorauswahl von sog. )gut funktionierenden<< Ad- jektivskalen ausgeschaltet werden. Es nimmt nicht wunder, dagi ein dermafen in seiner Differenzierfahigkeit ffir Vpn.-Urteile reduziertes Polaritatsprofil auch bei seiner Anwendung auf in sozialer Hinsicht heterogenere Urteiler-Stichproben relativ stabile Ergebnisse liefert.

3. In Anlehnung an die methodischen Oberlegungen Osgoods und Hofstat- ters hat sich die mit dem Polaritatsprofil operierende Musikpsychologie die An- sicht zu eigen gemacht, daft bei der Zusammenstellung einer Stichprobe von Adjektivskalen solchen Begriffspaaren der Vorzug zu geben sei, die konnotative Bedeutungsgehalte der Beurteilungsobjekte betreffen und diesen nur metapho- risch zugeordnet werden k6nnen, nicht aber solchen, die zu den Objekten in einem direkten, sachlichen Zusammenhang stehen, sie denotativ, lexikalisch beschreiben. Nach Mikula und Schulter23 k6nnte man sich ein Kontinuum der Reizspezifitat vorstellen, an dessen einem Ende rein denotative, reizspezifische Eigenschaften liegen, an anderen Ende solche, die mit den Reizen in keiner Weise mehr adaquat oder aussagekraftig verknuipft werden k6nnen. Zwischen diesen beiden Polen wire der Bereich jener Eigenschaften anzunehmen, die als Po- laritaten geeignet sind, konnotative Bedeutungsgehalte von Reizen zu erfassen. Die Bevorzugung metaphorisch beschreibender Polaritaten hingt zusammen mit dem Problem der semantischen Stabilitit von Adjektivskalen im Hinblick auf ihre Anwendung fhir verschiedenartige Beurteilungsgegenstinde. Osgood, Suci und Tannenbaum wiesen darauf hin, dat ein Satz von Eigenschaftspaaren seine Faktorenstruktur aindert, wenn man von der Beschreibung einer Art von Beur- teilungsgegenstinden zur Beschreibung einer anderen Art iibergeht,24 etwa von der Beurteilung von Personen auf die Beurteilung von aromatischen Essenzen oder - um auf unser Thema zurUickzukommen - von der Beurteilung von All- gemeinbegriffen auf die von Musikbeispielen. Die semantische Stabilitit eines Satzes von Adjektivskalen ist ffir metaphorisch beschreibende Polarititen in der Regel h6her als fLir sachlich beschreibende. Dariber hinaus zeigte sich im Bereich der Musikpsychologie, dagt auch die interindividuelle Stabilitit eines Profils von der Verwendung vorwiegend metaphorischer Eigenschaftspaare profitiert, direkt beschreibende oder wertende Adjektive hingegen nicht selten zu ausgeprigten Urteilsschwankungen fiihren. Was steht dahinter? Metaphorisch beschreibende

22 Vgl. hierzu Giinther KLEINEN, a.a. O., S. 29. 23 Gerold MIKULAu. Giinther SCHULTER, Polarittitenauswahl, verbale Begabung und Einstufung

im Polarittitsprofil, Zeitschrift fiir experintentelle und angewandte Psychologie, 1970, Vol. 17, S. 371. 24 C. E. OSGOOD, G. J. SUCI u. P. H. TANNENBAUM, The Measurement of Meaning, Urba-

na 1957.

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Adjektivskalen wie >weich-hart<, eckigrund<, aggressiv-friedlich<<, >>warm-kiihl<< usw. erfassen im allgemeinen sehr elementare emotionale Komponenten von Mu- sik. Sie enthalten nur selten Werturteile und sind damit weitgehend unabhingig von der Einstellung eines Beurteilers gegeniiber bestimmten Musikgattungen, von seinen musikalischen Vorurteilen und Neigungen. Ihre stark ausgeprigte interindividuelle Konstanz legt nahe, dafg hier wirklich allgemein-menschliche Eindrucksmuster gemessen werden, die allerdings nicht nur in sozialer Hinsicht nicht differenzieren (zwischen den Vpn.), sondern die auch keinerlei Schlfisse auf die immanent musikalischen (strukturellen) Kriterien der beurteilten Musik erlauben: Die hohen positiven Korrelationen zwischen den Beurteilungen eines

Dixielandstficks, Bachs Italienschem Konzert und Straugt' Till Eulenspiegel bei Kleinen25 zeigen z.B., daft hier die Dominanz des emotionalen Faktors >Vitalitit? die strukturellen Unterschiede zwischen diesen zweifellos stark divergierenden Musikbeispielen v6llig fiberdeckt. Wesentlicher aber in diesem Zusammenhang als die spezifisch musikalische Irrelevanz derartiger metaphorischer Eigenschafts- paare ist die Tatsache, daBf auch sie die als Priimisse vorausgesetzte Forderung der Urteilskonstanz im Nachhinein stiitzen. D.h. die Bevorzugung von Adjektivska- len, deren Bezug zur beurteilten Musik nur metaphorisch ist, hat - ebenso wie die Ausschaltung >>nichtfunktionierender<, d.h. starke Urteilsstreuungen liefemder Skalen - zur Folge, dafg die potentiell in einer Beurteilergruppe vorhandenen Einstellungsdifferenzen verdeckt werden. Die Punkte 2 und 3 zusammenfassend

liitt sich feststellen, dafg bei der Mehrzahl der bisher publizierten Profilunter- suchungen in der Musikpsychologie ein gedanklicher ZirkelschluBI insofem vor- liegt, als aufgrund der Forderung nach >>eindeutigen<<, d.h. interindividuell konstanten Ergebnissen das MefBinstrument so konstruiert wird, dafB es entspre- chende Ergebnisse liefert, wobei man dann aus diesen Ergebnissen wiederum auf die intersubjektive Stabilitit musikalischen Verhaltens zuriickschlieMt. Da das Ganze zudem - wie in Punkt 1 ausgeffihrt - in der Regel auf der Analyse einer Zielgruppe (Studenten) basiert, sind die im eigentlichen Sinne sozialpsycholo- gischen Erkenntnisse, die sich aus diesen Untersuchungen ergeben, minimal.

Es geht hier wohlgemerkt nicht darum, im Nachhinein die Methode des Polarititsprofils als ein fdir die Musikpsychologie ungeeignetes Instrument zu denunzieren und zu fiberwinden, sondern darum, es auf seine Anwendbarkeit auf den eigentlichen Gegenstand der Musikpsychologie hin zu fiberpruifen und gegebenfalls zu modifizieren. Dieser Gegenstand kann - wie oben ausfiihrt - nicht die Musik sein, sondern einzig und allein menschliches Verhalten gegen- iiber .Musik und - weiterhin - dieses nicht im Sinne eines allgemein-menschli- chen, universalen Verhaltens, sondern aufgespalten in seine zahlreichen ver- schiedenartigen Ausprigungen, deren soziale und historische Bedingtheiten als Kausalfaktoren in die Analyse einzugehen haben. Unter der Voraussetzung, daBt es den Musikh6rer schlechthin nicht gibt, sind methodische Verfahrensweisen zu entwickeln, die das Polarititsprofil als ein MelBinstrument qualifizieren, das

25 Giinther KLEINEN, a.a. O.

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der Mannigfaltigkeit von H6rgewohnheiten, Einstellungen und Werturteilen ge- recht wird.

Die zum AbschluIg dargestellten Oberlegungen methodischer Art sind als Alternativen zur bisher dominierenden Forschungspraxis zu verstehen. Es sollen Anregungen sein, die weder einen Anspruch auf Vollstandigkeit beinhalten, noch bereits empirisch so weit erprobt sind, daBf sie unmittelbar in Handlungsan- weisungen fiir den Forschungsprozefi umgesetzt werden k6nnten.

1. Abzugehen ist zunachst von einseitigen Zielgruppenuntersuchungen, die den Musikstudenten zur Norm-Versuchsperson erheben und damit letztlich zum Reprasentanten der Gattung Mensch stilisieren. Selbst dann, wenn ausdrticklich hervorgehoben wird, fir welche soziale Gruppe die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung Giiltigkeit beanspruchen k6nnen, ist der wissenschaftliche und praktische Wert einer derartigen, lediglich auf die Deskription einer homogenen und aus dem gesamtgesellschaftlichen Kontext gel6sten Population abzielenden Forschung in Frage zu stellen. In der Regel interessiert uns nicht die Beschaf- fenheit eines isolierten Phanomens (das H6rverhalten einer Gruppe), sondem dessen Relation zu anderen. >Tatsichlich geniigt blof~e Deskription weder dem Anspruch einer auf Erkliirung abzielenden Wissenschaft noch dem Anspruch kritischer Theorie.<<26

2. Bei der Konstruktion eines Polaritaitsprofils, d.h. bei der systematischen Auswahl der zu verwendenden Adjektivskalen, hat man davon auszugehen, da1g Skalen, die starke Urteilsstreuungen hervorrufen, keineswegs automatisch >>schlechte< Skalen sind. Im Gegenteil: die fiir eine sozialpsychologische Frage- stellung relevanten Skalen sind in der Regel gerade diejenigen, die zwischen den Versuchspersonen differenzieren. Im Anschlufg an Micko lief~e sich sagen:

>>Die Beurteilungsmerkmale, aus denen das semantische Differential ge- bildet wird, sollen eine repriisentative Stichprobe jener Beurteilungsmerkmale darstellen, die die Befragten selbst gewohnlich zur Beschreibung der unter- suchten Beurteilungsgegenstinde verwenden; sie sollen auf~erdem nach dem Grad ihrer Bedeutsamkeit gewichtet sein... Ein Merkmal ist um so bedeutsamer, je mehr Befragte es normalerweise zur Kennzeichnung der zu untersuchenden Beurteilungsgegenstainde heranziehen und je 6fter einzelnen Befragte es verwen- den.<<27

In diesem Sinne empfiehlt sich eine verstirkte Einbeziehung sowohl direkt beschreibender als auch wertender Merkmalsskalen. Divergierende Einstellun- gen manifestieren sich im allgemeinen nicht in Metaphern, sondern in Wertur- teilen und konkreten Stellungnahmen zur strukturellen Beschaffenheit der Musik.

26 Renate MAYNTZ, Kurt HOLM u. Peter HUBNER, Einfiihrung in die Methoden der empirischen Soziologie,

2. Aufl., Opladen 1971, S. 29. Hans Christoph MICKO, Die Bestimmung der subjektiven Ahnlichkeit mit dem semantischen

Differential, Zeitschrift fiir experimentelle und angewandte Psychologie, 1962, Vol. 9, S. 242-280.

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E. JOST, DIE EXPERIMENTELLE MUSIKPSYCHOLOGIE, IRAMDA 25/1,2 (1994) 63-78 75

In jedem Einzelfall, d.h. fiir jede Skala, ware dabei zu fiberpriifen, inwieweit die sich ergebenden interindividuellen und Gruppendifferenzen systematischer Natur sind, d.h. inwieweit die Differenzen auf einer Skala mit denen auf einer anderen, inhaltsihnlichen in Richtung und Intensitit identisch sind.

3. Aufzugeben ist der Mittelwert als Reprisentant eines fiktiven Durch-

schnittsh6rers. In einer Verteilung von Urteilen fiber eine Skala sind die Extrem- positionen zumindest ebenso interessant wie der am hiiufigsten angekreuzte Wert (Modus).

Eine Mittelwertsbildung von Versuchspersonenurteilen, wie sie in der ge- genwirtigen Forschungsproze1S nach der Datenerhebung die erste Stufe im For- schungsproze1S bildet, kann allenfalls dann vorgenommen werden, wenn sich, ausgehend von der Analyse der individuellen Urteile, homogene Gruppierungen ergeben, die nunmehr eine Biindelung zu Mittelwertprofilen anhand des em- pirischen Materials und nicht aufgrund einer Vorentscheidung rechtfertigen. Als Sortierverfahren bietet sich hier in erster Linie die Clusteranalyse an.28

4. Es hat sich gezeigt, dafg der zum Vergleich von Profilbeurteilungen un- terschiedlicher Musikbeispiele im allgemeinen verwendete Produkt-Moment- Korrelationskoeffizient zum Vergleich divergierender Versuchspersonenurteile wenig geeignet ist, dafg er die bestehenden Differenzen eher verdeckt als ver- deutlicht.

Die zur Benutzung von Rechnenmaschinen in der Regel verwendete Formel fiir den r-Koeffizienten gibt auf den ersten Blick nicht zu erkennen, was dieser eigentlicht mir3t, nimlich die aggregierten Abweichungen der einzelnen Ein- stufungen vom empirischen Profilmittelwert.

>Urformel<<:

n

(xi - Mx) (yi - My) i=1 r=

n- sx Sy

Hierbei bedeuten:

(xi - Mx) Abweichungen jedes x-Wertes von seinem Mittelwert (entsprechendes gilt fiir y)

n = Anzahl der Skalen sx und sy: Standardabweichung der x- bzw. y-Werte.

28 Vgl. z.B. G. N. LANCE u. W. T. WILLIAMS, A General Theory of Classificatory Sorting Strategies, I. Hierarchical Systems, Computer Journal , 1966, Vol. 9, S. 373-380; II. Clustering systems, Computer Journal, 1967, Vol. 10, S. 271-277.

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Daraus folgt, daB vor allem die Verlaufsform der verglichenen Profile in Relation zum Profilmittelwert in den Koeffizienten eingeht, in geringem MatBe dagegen die absolute Profilh6he: streng parallel verlaufende Profile korrelieren unabhangig von ihrem Abstand zueinander mit r = + 1.0, weisen sich also als scheinber identisch aus, obwohl durchaus signifikante Unterschiede zwischen ihnen bestehen k6nnen. (Zudem sind durch einfache Umpolungen von Skalen Korrelationskoeffizienten praktisch beliebig manipulierbar).

Da man beim Vergleich divergierender Vpn.-Urteile davon ausgehen kann, da1B die Unterschiede vielfach eher gradueller als prinzipieller Natur sein werden, empfiehlt es sich, ein AhnlichkeitsmaLB heranzuziehen, welches vor allem die absoluten Differenzen zwischen den Urteilsprofilen beriicksichtigt. Hierzu bieten sich verschiedene DistanzmaBe an. Besonders hingewiesen sei in diesem Zusam- menhang auf den von Piaggio29 vorgeschlagenen d-Wert, der aus dem sog. City- Block-Modell Attneaves30 abgeleitet ist, diesem gegeniiber jedoch den Vorteil eines natiirlichen Ursprungs besitzt, wobei die Bedeutung von d = 0 die der identischen Einstufung ist.

SXAi -

XBi

dAB = '

i=1

In dieser Formel bedeuten: L die Anzahl der Positionen auf dem Profil, I die Skalenzahl und XAi, XBi die Positionsnummem (bei willkiirlich gewahltem Nullpunkt). Die Gr6oBe d variiert theoretisch im Intervall 0 < dAB < 1 und ist damit (im Unterschied auch zu Osgoods euklidischem DistanzmaB) unabhangig von der Anzahl sowohl der verwendeten Skalen als auch der Skalenpositionen.

5. Verhaltensmuster im Umgang mit Musik entwickeln sich nicht im luftleeren Raum, sondern sind sowohl durch Sozialisationsprozesse wahrend der Jugend als auch durch die konkreten sozio-6konomischen und kulturellen Bedingungen geformt, unter denen die Befragten leben. Unter dieser Vorausset- zung sind bei der experimentellen Erfassung dieser Verhaltensmuster prinzipiell alle bedeutsamen Sozialdaten der Versuchspersonen zu erheben und in die Ana- lyse einzubeziehen. Die Feststellung lediglich der individuellen musikalischen Praferenzen oder des Bekanntheitsgrades der verwendeten Musikbeispiele fiihrt im Grunde zu nichts, da sie nicht die Ursachen aufzudecken vermag, aus denen eben jene spezifischen Praferenzen erwachsen und somit den status quo nur beschreiben, nicht aber erklirbar und damit kritisierbar machen kann. Die grund- legende Fragestellung einer sich als kritisch verstehenden, nicht nur deskriptiven,

29 Lorenzo PIAGGIO, Eine Studie fiber die Anwendung der Methode der Adjektivskalen in der Pers6nlichkeitsforschung, Zeitschrift fiir experimentelle und angewandte Psychologie, 1969, Vol. 16, S. 367-401.

30 Fred ATTNEAVE, Dimensions of similarity, Amer. J. Psychol., 1950, Vol. 63, S. 516-556.

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E. JOST, DIE EXPERIMENTELLE MUSIKPSYCHOLOGIE, IRAMDA 25/1,2 (1994) 63-78 77

sondem Altemativen aufzeigenden musikpsychologischen Forschung kann nicht sein: >Wie h6ren wir Musik?<<, sondem muf3 lauten: >>Warum h6ren verschiedene Menschen Musik so, wie sie sie h6ren, und nicht anders?<

Musikpsychologie als Medium eines Erkenntnisgewinns, der fLir praktische (z. B. musikpAdagogische) Umsetzungen nutzbar zu machen ist, kann nur dann effektiv sein, wenn sie sich als eine Sozialpsychologie der Musik versteht und nicht als Ableger einer allgemeinen Psychologie, deren Geltungsbereich letztlich auf die Strecke zwischen Hechelscher Querwindung und Trommelfell beschkrdnkt ist.

Summary

NOTES ON THE ROLE OF RESPONDENTS IN THE EXPERIMENTAL PSYCHOLOGY OF MUSIC

The article analyzes some methodical presuppositions which lie under the surface of psycho- logical research work in the field of music and re-examines their unreflecting ideological implications. The role of the respondent in musical psychology is vital in this respect and is examined in detail. Over the last one hundred years, this role has undergone some basic changes: while the precondition for the use of the method of introspection in the analysis of >elements of conscious mental life<< in the so-called psychology of elements was the availability of specially selected and trained respon- dents, Carl Stumpf's investigations of >>melting< showed quite clearly that the respondents' relative musical competence must be taken into account as an independent variable.

In recent musical psychology, influenced by American behaviorism, the role of the respondent is reduced to that of a single element in statistical distribution. The representative data of musical behaviour, which is postulated as a general human trait, is a set of individual respondents' judgements expressed as a mean arithmetical value. Deviations from the mean value are interpreted as chance individual vacillations whose range is expressed by means of the coefficient of dispersion but is left unanalyzed.

The criticism of this approach is directed first of all at the concealed pseudo-democratic as- sumption that there is such a thing as >>music for all<<.

The example of the >semantic differential<<, a procedure whose use has been growing in musical psychology in recent years, is given at the end to supply one of several methodological alternatives which enable the researcher to include the respondents' socio-cultural backgrounds more meaning- fully in his research.

Safetak

NAPOMENE O ULOZI ISPITANIKA U EKSPERIMENTALNOJ PSIHOLOGIJI GLAZBE

Cilj je Elanka analizirati neke metodolo'ke pretpostavke skrivene pod povr'inom psiholo'kog istra'ivanja u glazbi i preispitati ih s obzirom na njihove neizra'ene ideolo'ke implikacije. Pri tome je u prvom planu uloga ispitanika u glazbenoj psihologiji. U proteklih sto godina ova je uloga doiivjela neke osnovne promjene: dok su u takozvanoj psihologiji elemenata preduvjet za metodu introspekcije u analizi >>elemenata svjesnog dusevnog iivota< bili promatra6i s posebnom prednao- brazbom, u istra'ivanjima Carla Stumpfa, koji govori o >rastapanju<, vee je bilo jasno da relativna glazbena sposobnost ispitanika mora biti uzeta u obzir kao neovisna varijabla.

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78 E. JOST, DIE EXPERIMENTELLE MUSIKPSYCHOLOGIE, IRAMDA 25/1,2 (1994) 63-78

U novoj se glazbenoj psihologiji, pod utjecajem amerikkog behaviorizma, uloga ispitanika svodi na ulogu jednog elementa u statistitkoj distribuciji. Kao reprezentativni podatak glazbenog ponavanja, koje se postulira kao opeeljudsko, uzima se skup pojedinih sudova ispitanika izrazen kao aritmetitka srednja vrijednost. Otkloni, odnosno razlike od ove srednje vrijednosti interpretiraju se kao slutajna individualna kolebanja 6iji se razmjer izrazava pomodu koeficijenta rasapa, all se pobliie ne analizira.

Kritika ovoga pristupa usmjerena je u prvom redu na prikrivenu namjeru da se progura pseudo- demokratski stav prema kojemu postoji >jedna glazba za nas sve<<.

Na primjeru >semantitkog diferencijala<<, postupka kojim se psihologija glazbe zadnjih godina cesto sluzi, daje se na kraju nekoliko metodoloikih altemativa koje omogueavaju jade ukljudivanje socio-kultume pozadine ispitanika u istraiivanje.

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