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Zwischen Bravo-Postern, Chatroom und Playstation

Zur Rolle der Medien bei der Identitätsentwicklung von Jugendlichen

Prof. Dr. Daniel SüssHochschule für Angewandte Psychologie, Zürich

Referat an der Paulus Akademie, 14.4.2007

www.meinbild.ch

Gliederung des Referates

– Identitätsentwicklung und Medien

– Ausgewählte empirische Befunde

– Die Gamer Generation – Junge Menschen mit neuem Selbstkonzept?

– Mediensozialisation – Konstanten und Wandel

Identitätsentwicklung und Medien

Klassische Entwicklungsaufgaben: 12-18 Jahre (Havighurst 1952)

– Reifere Beziehungen zu den Gleichaltrigen aufbauen

– Erwerb einer sozialen Geschlechterrolle

– Seinen eigenen Körper akzeptieren

– Erreichen emotionaler Unabhängigkeit von den Eltern

– Erwerb ökonomischer Unabhängigkeit

– Ausbildung und Berufswahl

– Entfaltung sozialverantwortlichen Verhaltens

– Erwerb von Begriffen zur Ausübung der bürgerlichen Rechte und Pflichten

– Aneignung von Werten und eines ethischen Systems

Moderne Entwicklungsaufgaben im Jugendalter (Flammer & Alsaker 2002)

– Entwicklung der eigenen Persönlichkeit, Selbständigkeit und Selbstkontrolle

– Aufnahme und Aufbau intimer Beziehungen

– Aufbau einer Zukunftsperspektive

– Aufbau sozialer Kompetenzen

– Kritische Haltung gegenüber der Gesellschaft

– Verständnis für komplexe Zusammenhänge in Politik und Wirtschaft

– Erwerb von Medienkompetenz

Medienkompetenz als Entwicklungsaufgabe

Normative EALebensereignisse

Selbstgewählte EA

Medienkompetenz

Grundfragen der Mediensozialisationsforschung

– Wie lernen Menschen den Umgang mit Medien und welche Formen des Umgangs lassen sich unterscheiden? (Sozialisation zur Medienkommunikation)

– Wie verändern Medien die allgemeinen Sozialisationsprozesse und sind dies entwicklungsfördernde oder –gefährdende Veränderungen?

(Sozialisation durch Medienkommunikation)

Selbst-, Menschen- und Weltbild werden durch Medien mitgeprägt.

Entwicklungsaufgaben werden bewältigt.

Theoretische Ansätze in der Medienpädagogik

– Kulturpessimismus Medien als Risikofaktoren Wir amüsieren uns zu Tode; Kalte Herzen

Die Droge im Wohnzimmer; Vorsicht Bildschirm!Verschwinden der Kindheit und der WirklichkeitZerfall von Kommunikationskulturen

– Kritischer Optimismus Medien als RessourcenLebenswelten sind MedienweltenKulturtechniken und MedienkompetenzenKombination von Kritik- und GenussfähigkeitenNeue Kommunikationskulturen

Generationsgestalten und Mediensozialisation(Fend 1988, Thalmann-Hereth 2001, Süss 2004)

Geburt Leitmedium Generationsgestalt

Um 1925 Kino Suchende und fragende Generation

Um 1940 Radio Skeptische und unbefangene G.

Um 1955 Fernsehen Politische und narzisstische G.

Um 1965 TV / Video Polarisierte Generation:

alternativ und konsumistisch

Um 1975 Computer Sophisticated Generation:

theoretisierend und dialogisch

Um 1985 Internet, Net Generation / Gamer Generation

Multimedia, pragmatisch und mobil

Mobilkomm.

Ausgewählte empirische Befunde

Internet-Nutzung in der Schweiz (vgl. WEMF Report plus August 2006)

– 52% aller Frauen und 69% aller Männer surfen regelmässig im Netz (ENK).

– Ca. 20% der Schweizer Bevölkerung ab 14 Jahren nutzen das Internet gar nicht.

– Ca. 75% haben Internet im Haushalt (Zunahme 5% zum Vorjahr), 70-80% Zugang bei Arbeit.

– Tiefes HH-Einkommen (7% ENK), mittleres bis hohes HH-Einkommen /35-37% ENK).

– Nutzungsmotive (regelmässig): 82% E-Mails, 43% tagesaktuelle News, 19% Artikel aus Zeitungen / Zeitschriften, 9% Online-Spiele (etc.)

Medien im Kinderzimmer: Stadt Kriens, 200510-18jährige Kinder und Jugendliche (Süss & Marti Salzmann 2006)

Medien im Zimmer (in%) Mädchen

(N = 811)

Jungen

(N = 819)

Musikanlage 93 90

Freizeit-Bücher 94 87

Radio 90 87

Handy 76 69

Moderner Computer 38 47

MP3-Player

Fernseher

30

23

45

35

Internet

Video- / DVD-Player

26

19

31

31

Spielkonsole

DVD-Recorder

13

11

35

20

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gerä

te

Han

dy

Beurteilte Medien

positiv

eher positiv

neutral

eher negativ

negativ

BASIS: N=248 gültige Antworten von Eltern (Diethelm 2006)FRAGE: Wie schätzen Sie den Einfluss der folgenden Medien auf die Entwicklung Ihres Kindes ein?

Einschätzungen von neuen Medien durch Eltern (Diethelm 2006)

0%

10%

20%

30%

40%

50%

negativ neutral positiv

WWWA

ntw

orte

n in

Pro

zent

Kinder generell eigenes Kind

0%

10%

20%

30%

40%

50%

negativ neutral positiv

E-Mail

Ant

wor

ten

in P

roze

nt

0%

10%

20%

30%

40%

50%

negativ neutral positiv

Chat

Ant

wor

ten

in P

roze

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0%

10%

20%

30%

40%

50%

negativ neutral positiv

Onlinespie le

Ant

wor

ten

in P

roze

nt

Mitgliedschaft in Online-Game-Clans (in % Kriens, 2005)

Befragte Bin Mitglied Nicht Mitglied Kenne ich nicht

Alle 11 63 26

Mädchen 3 66 31

Knaben 18 60 22

10-jährige 11 36 53

11-jährige 10 36 53

12-jährige 12 49 40

13-jährige 10 64 27

14-jährige 11 67 22

15-jährige 11 75 14

16-jährige 13 77 9

17-jährige 8 79 13

18-jährige 9 86 4

Nutzungsmotive bei Online-Spielen

Studie mit 1366 Online-Spielern zwischen 14-28 Jahren in der Schweiz (Husar, 2005)

Spieletypen: Rollenspiele, Strategiespiele, Egoshooter

1. Machtmotiv (Kompetenz, Beherrschung)

2. Leistungsmotiv (Wettbewerb, E-Sport)

3. Anschlussmotiv (Gilden, Clans, virtuelle Gemeinschaft)

Vergleich mit Jantz & Martens (2005: 337f): 6 Motive bei jüngeren Jugendlichen: Wettbewerb, Kontrolle, Unterhaltung, Eskapismus, Zeitvertreib, Geselligkeit.

Die Gamer Generation – Junge Menschen mit neuem Selbstkonzept?

Die Gamer Generation

John C. Beck & Mitchell Wade (2004): Got Game. How the Gamer Generation is Reshaping Business Forever. Harvard Business School Press.

John C. Beck & Mitchell Wade (2006): The Kids are Alright. How the Gamer Generation is Changing the Workplace. Harvard Business School Press. (Paperback)

Befragung von 2500 erwachsenen US-Amerikaner/innen.

gamer.ubicom.com

1

2

3

4

5

Number of Births

(Millions)

Geburtenraten in den USA (Beck/Wade 2004:17)

1910 1930 1950 1970 1990 2010 2030

Babyboom Gamer Generation

Nicht mehr nur jung – Die Grey Gamers kommen! (Bodmer 2007)

Befunde aus den USA:

– Durchschnittsalter der Gamer: 33 Jahre.

– 36% unter 18 Jahre, 44% 18-49 Jahre, 20% 50+ Jahre

– Im Schnitt spielt eine erwachsene Frau 7.4 Stunden pro Woche, Männer verweilen sich 7.6 Stunden.

– 47 % der Vielspieler spielen zusammen mit Freunden.

Spielerfahrung

0

10

20

30

40

50

60

70

Nichtspieler Vielspieler

Gamer Generation

Babyboomer

– Spielerfahrung als Teenager: Vier Fünftel der jüngeren Generation verfügen über Spielerfahrung als Teenager, während bei den Babyboomern nur ein Drittel gespielt hat.(Beck/Wade 2004, zit. nach Bodmer 2007)

Erfolgsorientierung

0

10

20

30

40

50

60

Nichtspieler Moderat Regelmässig

GamerGeneration

Babyboomer

– Ich ziehe es vor, wenn mein Lohn und der Bonus auf einer eigentlichen Leistung basiert anstelle einer fixen Entlöhnung.(Beck/Wade, 2004, zit. nach

Bodmer 2007)

Stärken der Gamer Generation?(Beck/Wade 2004)

– Hohe Risikobereitschaft– Versuch-und-Irrtum-Strategie als naheliegender Weg– Durch Misserfolge nicht leicht zu entmutigen– Starke soziale Orientierung: vom Expertenwissen anderer

profitieren– Globale Orientierung– Hohe Flexibilität– Starker Teamgeist

Risiken?

– Geteilte Aufmerksamkeit: Halbverstehen

– Ungeduld, kurze Aufmerksamkeitsspanne (Zappen)

– Permanentes Verfügen und Verfügbar sein als Anspruch und Stressfaktor (Mobile Kommunikation)

– Grosse Zahl an Beziehungen, weniger Verbindlichkeit

(Online Community)

Patchwork-Identität mit instabilem Kern

Mediensozialisation – Konstanten und Wandel

Mediensozialisation - Die Konstanten

– Alter und Medien-Ensemble

– Geschlecht und Medienpräferenzen

– Soziales Milieu und Medien-Affinitäten

– Zuerst die Freunde, dann die Medien

– Image der Medien (Buch, TV, etc.)

– Ergänzung statt Verdrängung

Mediensozialisation - Der Wandel

– Fernsehen bleibt Leitmedium, erhält aber

Mitfavoriten (PC, Internet, Handy)

– Akzeleration des Medienhandelns

– Gleiche Klüfte auf neuem Niveau

– Primär Kumulation, teilweise Displacement

– Patchwork der Fan-Kulturen

– Weniger Fremd-, mehr Selbstsozialisation

Medienumgang als Sozialisationsprozess

Identität + Medien

Kritikfähigkeit Genussfähigkeit

Konsument Produzent

Identität als fester Kern mit flexiblen Aussenschalen

Fragen

– Wer bin ich?

– Zu wem gehöre ich?

– Woher komme ich?

– Wohin will ich?

– Welche Rollen nehme ich ein?

– Wie gestalte ich diese Rollen?

Indikatoren

– Medienpräferenzen

– Mediennutzungsstile

– Medien-Community

– Medien als Lebensstil-elemente

– Medienfiguren als Leitbilder

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Prof. Dr. Daniel Süss

HAP Hochschule für Angewandte Psychologie, Zürich

Bereich Kommunikations- und Medienpsychologie

dsuess@hapzh.ch

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