probleme der italienischen etymologie
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PROBLEME DER ITALIENISCHEN ETYMOLOGIE3. Mai 20091
WIEDERHOLUNG UND FESTIGUNG WICHTIGER DATEN UND FAKTENWas muss ich wissen?2
WAS MUSS ICH WISSEN?
Grundwissen(1) Der Etymologie-Begriff
(2) Die Etymologie von „Etymologie“
(3) Ziele, Aufgaben und Methoden der wissenschaftlichen Etymologie
(4) Etappen der Wissenschaftsgeschichtea) Antike, Mittelalter
b) Renaissance bis frühes 19. Jahrhundert
c) Frühes 19. Jahrhundert bis heute
3
DER ETYMOLOGIE-BEGRIFF(1) Der Etymologie-Begriff
(2) Die Etymologie von „Etymologie“
(3) Ziele, Aufgaben und Methoden der wissenschaftlichen Etymologie
4
WIEDERHOLUNG: DER ETYMOLOGIEBEGRIFF Die Etymologie (gr. ἔτυμος étymos ‚wahrhaftig‘, ‚wirklich‘,
‚echt‘ und -logie) wird als Wissenschaftszweig der historischen Linguistik zugeordnet.
5
WIEDERHOLUNG: ZIELE, AUFGABEN UND METHODEN DER WISSENSCHAFTLICHEN ETYMOLOGIE
Untersuchung des Wortschatzes einer Sprache Der Wortschatz einer Sprache setzt sich aus drei Teilen zusammen
(1) Erbwörter (= Fortsetzung des Lateinischen im Rahmen eines mündlichen Kontinuums)
(2) Innersprachliche Derivate (Ableitungen und Zusammensetzungen)
(3) Lehnwörter (Sprachkontakt, z.B. Einfluss des Ostgotischen, des Langobardischen auf das Vulgärlateinische, Einfluss des Altfranzösischen, Okzitanischen, Einfluss des Arabischen, Spanischen, Englischen etc., aber auch Einfluss der lateinischen Schriftsprache)
6
WIEDERHOLUNG: ZIELE, AUFGABEN UND METHODEN DER WISSENSCHAFTLICHEN ETYMOLOGIE
Aufgabe: Bestimmung der drei Elemente einer gegebenen Sprache durch(1) Vergleich der Erbwörter mit den Wörtern verwandter Sprachen
und Dialekte (methodische Grundlage: historische Phonetik)
(2) Zurückverfolgung der formalen und inhaltlichen Entwicklung bis in die Ausgangssprache (methodische Grundlage: Quellenstudium, Untersuchung des sozio-kulturellen Kontextes)
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WIEDERHOLUNG: ZIELE, AUFGABEN UND METHODEN DER WISSENSCHAFTLICHEN ETYMOLOGIE
Identifizierung von Ableitungen hinsichtlich (1) ihrer Bestandteile
(2) Ihres Wortstammes
(3) und der Formantien (Suffixe, Präfixe etc.)
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WIEDERHOLUNG: ZIELE, AUFGABEN UND METHODEN DER WISSENSCHAFTLICHEN ETYMOLOGIE
Erkennung und Beurteilung von Lehnwörtern nach(1) Phonetischen (historische Phonetik, Lautgesetzte etc.)
(2) und chronologischen Gesichtspunkten (Datierung, Suche nach Erstbelegen)
9
WIEDERHOLUNG: ZIELE, AUFGABEN UND METHODEN DER WISSENSCHAFTLICHEN ETYMOLOGIE
Für die Beurteilung soziokultureller Hintergründe, welche die Entlehnung ermöglichten, ist es wichtig, das Alter von Lehnwörtern zu bestimmen.
Hinweise ergeben die Erstbelege oder auch phonetische Merkmale des Lehnwortes
10
FALLSTUDIEN ZUR ETYMOLOGISCHEN ANALYSE
11
DIE BEDEUTUNGEN VON LAT. MANUS (f.)
Grundbedeutung
> it. manus (f.)
12
ERB- ODER LEHNWORT?
< lat. DORSUM < lat. DORSUM
It. DOSSO It. DORSO
13
ERB- UND LEHNWÖRTER DŎRSUM (> vlat. *DOSSU) > frz. dos, it. dosso
„Rücken der Lasttiere“ „Rücken des Menschen“ (selten) Bergrücken“
Vgl. it. dosso „Erhebung“, „unübersichtliche Kuppe“ (im Straßenverkehr)
Vgl. it. dorso (Buchwort) „Rückenschwimmen“
14
ERB- UND LEHNWÖRTER La faccia sua era faccia
d'uom giusto,tanto benigna avea di fuor la pelle,e d'un serpente tutto l'altro fusto;
due branche avea pilose insin l'ascelle;lo dosso e 'l petto e ambedue le costedipinti avea di nodi e di rotelle. (Dante, Inf., I - xvii)
Die Beschreibung Geryons in der Divina Commedia.
15
ERB- UND LEHNWÖRTER
[dŏrsŭm]
[s]
lautliches Kontinuum
regressiveAssimilation
dosso
DORSUMKurzes o
wird offenes o
Latein Italienisch
16
ERB- UND LEHNWÖRTER
dorsumdorso
Fachausdruck des Schwimmsports
Lehnwort aus der lat. Schriftsprache (auch Buchwort)
oberflächlicheAngleichungan die it. Morphologie
keine Assimilation
kurzes lat. ŏ wird als geschlossenes o artikuliert
[dorso]Entlehnung
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ERB- UND LEHNWÖRTER
- dosso stradale artificiale- dosso rallentatore- metaph. poliziotto sdraiato
„Bremsschwelle“
- crawl sul dorso „Rückenschwimmen“
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ERB- UND LEHNWÖRTER Erhalt von dosso im idiomatischen Bereich
togliersi / levarsi qualcosa di dosso „etwas loswerden“ mettersi in dosso (indosso) un abito „ein Kleid anziehen“ avere addosso „anhaben“ mettersi qualcosa addosso „sich etwas anziehen“ sparare addosso a qualcuno „auf j-n schießen“ farsi addosso „sich in die Hose machen“ (…)
Ableitungen addossare „rücken“ (adossare le sedie al muro „die Stühle an
die Wand rücken“); „aufbürden“ (colpa, lavoro) indossare „anziehen“, „tragen“ (Kleidung)
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ERB- UND LEHNWÖRTER
DOSSO und DORSO sind Dubletten (it. doppioni, allotropi)
DORSUM lautliches Kontinuum dosso
= Erbwort
DORSUM
dorso
= Lehnwort (gelehrtes Wort, lat. Buchwort)
20
ERB- ODER LEHNWORT?
it. schiena
21
ERB- UND LEHNWÖRTER germ. skina / skena (vgl. dt.
Schiene) „schmales Stück Knochen“ (vgl. auch Schienbein)
„Rückrad“
„Rücken“
it. schiena
sp. esquina „Ecke“
wohl über die Bedeutung „hervorstehender Knochen“
22
ETYMOLOGISCHE ZUSAMMENHÄNGE
Lat. BŬCCA It. bocca
BŬCCA
?
bocca
23
ETYMOLOGISCHE ZUSAMMENHÄNGE
lat. BŬCCA
it. b
occa
Lautliches Kontunummit semantischem Wandel
24
ETYMOLOGISCHE ANALYSE
lat. BŬCCA
lat. ŎSit. bocca
wir
d au
fgeg
eben
25
ETYMOLOGISCHE ZUSAMMENHÄNGE
Lat. AURIS It. orecchio
26
ETYMOLOGISCHE ZUSAMMENHÄNGE Phonetische Entwicklung
Monophthongierung: AU > OSynkope: -ICULA- > -ICLA-Apokope: -IC(U)LAM > IC(U)LAPalatalisierung: [kl] > [kj]
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ERMITTLUNG DES ETYMONS
AURICULUM
AURIS
Derivation - Diminutivum
„Ohr“
„Öhrchen“
orecchio
Lautliches KontinuumMonoph-thongierung
SynkopeProkope
28
ETYMOLOGISCHE ANALYSE
OCULUM „Auge“ > OCLU(M) (> it. occhio) > *OGLU
Phonetische Entwicklung Synkope: OCULUM > OCLU(M) (vgl. „oculus non oclus“ ,
Appendix Probi) Apokope: –UM > -U Palatalisierung: [kl] > [kj]
29
DIE ETYM
OLO
GIE: KU
NST O
DER
WISSEN
SCHAFT?
Leo Spitzer [1925]: „Finde Etymologien, suche sie nicht! […].
Und wie das Kunstwerk, so trägt jede etymologische Arbeit ihre Eigengesetzlichkeit in sich – es gibt kein Schema, das sich in allen Fällen treffsicher anwenden läßt. Aus dem Grundsatz ‚jedes Wort hat seine eigene Geschichte‘ folgt der andere: ‚jede wortgeschichtliche Untersuchung ist auf eigene Art zu führen‘. Die etymologische Untersuchung muß sich elastisch ihrem Gegenstand anpassen. Jeder Rigorismus ist von Übel.“
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WIEDERHOLUNG: ZIELE, AUFGABEN UND METHODEN DER WISSENSCHAFTLICHEN ETYMOLOGIE
Arbeitsweisen der Etymologie Umfangreiche Materialsammlung, die im Idealfall alle erreichbaren
Belege umfasst.(1) Alle historisch fassbaren Dokumente der Schriftsprachen und der Dialekte
(2) Nur auf einer breiten Materialbasis ist in Zeit und Raum die Vitalität eines Wortes feststellbar
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WIEDERHOLUNG: ZIELE, AUFGABEN UND METHODEN DER WISSENSCHAFTLICHEN ETYMOLOGIE
Arbeitsweisen der Etymologie Genaue Kenntnis der lautlichen Entwicklungen in den
Schriftsprachen wie auch in den Dialekten, die ermöglicht, Wortstamm und Wortbildungselemente zu erkennen und zu
interpretieren und Erbwörter von Lehnwörtern zu trennen
32
WIEDERHOLUNG: ZIELE, AUFGABEN UND METHODEN DER WISSENSCHAFTLICHEN ETYMOLOGIE
Sachkenntnisse und Vorstellungskraft, die erlauben, von der Wortdefinition aus die Verbindung mit der außersprachlichen Realität herzustellen. Dabei sind vor allem bei Bezeichnungen von Geräten, Techniken,
Tieren und Pflanzen auch gewisse Fachkenntnisse erforderlich, auch um eventuell vorkommende Metaphern oder Übertragungen interpretieren zu können.
33
DIE LÖSUNG ETYMOLOGISCHER PROBLEME DURCH SPRACH-, FACH- UND SACHKENNTNISSE
lat. MĀLUS
lat. MELA
?
34
BEISPIEL: DIE ETYMOLOGISCHE HERKUNFT DER BEZEICHNUNGEN FÜR OBST UND GEMÜSE
klat. MĀLUS
gr. (dorisch) μαλον gr. (attisch) μηλον
vlat. *MĒLU(M)Pl. *MĒLA
it. (la) mela (Pl. le mele)
gr. Dialekte
lexikalische Entlehnung
Plural entwickelt sich zum Singular
klat. POMUMPl. POMA
„Obstfrucht“
frz. pomme
„Apfel“
Bedeutungseinengungit. pomo „Apfelfrucht“
35
DIE ETYMOLOGISCHE HERKUNFT DER BEZEICHNUNGEN FÜR OBST UND GEMÜSE Die Bezeichnung des Apfels in einigen italienischen Dialekten
bergamasco: póm bresciano: póm lombardo occ.: pòmm mantovano: pom parmigiano: pom reggiano: pòm siciliano: puma triestino: pomo
zeneize: meia romagnolo: mèila sardo: mela bolognese: maila
calabrese: puma / mela / pumu
MĒLA
POMUM / POMA
POMUM / POMA /MĒLA
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BEISPIEL: DIE ETYMOLOGISCHE HERKUNFT DER BEZEICHNUNGEN FÜR OBST UND GEMÜSE
frz. pomme [1088]
klat. Sg. PŌMUMklat. Pl. PŌMA
it. pomo sp. pomo [ca. 1440][1306]
afrz. pume, pome
it. pomodoro [1802]
pomi d‘oro [1597]pomidoro [1804]
Komposition
frz. pomme de terre [Mitte 17. Jh.]
it. pomello
frz. pommeu
Derivation
Bezeichnung neuer Sachen
vgl. frz. pommedorée (17. u. 18. Jh.)
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BEISPIEL: DIE ETYMOLOGISCHE HERKUNFT DER BEZEICHNUNGEN FÜR OBST UND GEMÜSE
lat. CAULIS gr. καυλός
vlat. CAULU(M)
Metaplasmus
„Stengel“, „Strunk“
frz. chou [12. Jh.]
it. cavolo [13. Jh.]
sp. col [1219]
ahdt. kol, koli, cholo
mhdt. kol
dt. Kohl
verwandt mit dt. hohl
lexikalische Entlehnung
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DIE ETYMOLOGISCHE HERKUNFT DER BEZEICHNUNGEN FÜR OBST UND GEMÜSE
frz. chou-fleur [1611]it. cavolo-fioredial. caolifior(cavolfiore)[vor 1597]
sp. coliflor [1765-83]
vlat. *CAULU(M) lat. FLORE(M)+
Lehnübersetzung
Hinweis: Der Blumenkohl stammt aus Kleinasienund wurde zunächst in Italien angebaut, ab dem 18. Jh. in ganz Europa 39
DIE ETYMOLOGISCHE HERKUNFT DER BEZEICHNUNGEN FÜR OBST UND GEMÜSE
vorröm. ?
sp. calabaza
lat. CITRUS
gr. κεδρος „Wacholder“
Über das Etruskische
„Zitrone“,„Zitronenbaum“„Ceder“
it. citriuolo it. cetriolo
vlat. *CITRIOLU(M)
Derivation
frz. citrouille [1549]
„Kürbis“
lexikalische Entlehnung
afrz. citrole [1256]
Suffixwechsel Farbe
sp-lat. *CUCUTIA
it. zucca
klat. CUCURBITA dt. Kürbis
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BEISPIEL: DIE ETYMOLOGISCHE HERKUNFT DER BEZEICHNUNGEN FÜR OBST UND GEMÜSE
ar. laimun
sp. limónit. limonefrz. limon
pers. limu
frz. lime sp. lima
lexikalische Entlehnung
Hinweis: Der Name Zitrone gehörte urspünlich zur Zedrat-Zitrone und wurde im deutschsprachigen Raum fälschlicherweise auf die Limone Citrus limon übertragen.
frz. citron
lat. CITRUS
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DIE ETYMOLOGISCHE HERKUNFT DER BEZEICHNUNGEN FÜR OBST UND GEMÜSE
pers. narang
ar. nāránŷa
sp. naranja [Ende 14. Jh.] it. arancia
Ältere Bezeichnungen:it. melarancia < mela + arancia
afrz. pume orenge, pomme d‘orenge
frz. orange
Lehnübersetzung
42
WIEDERHOLUNG: ZIELE, AUFGABEN UND METHODEN DER WISSENSCHAFTLICHEN ETYMOLOGIE
Oft hilft erst eine vertiefte Kenntnis der untersuchten Sprache oder des betroffenen Dialekts, ein Wort in seinen soziokulturellen Kontext einzuordnen und soziolinguistische Komponenten oder konnotative Elemente zu erfassen.
43
WIEDERHOLUNG: ZIELE, AUFGABEN UND METHODEN DER WISSENSCHAFTLICHEN ETYMOLOGIE
Ohne Findigkeit und Phantasie können keine Etymologien entdeckt werden. Viele etymologische Wörterbücher des 19. und 20. Jahrhunderts
sind individuelle Einzelleistungen
44
ETAPPEN DER WISSENSCHAFTSGESCHICHTEa) Antike, Mittelalter
b) Renaissance bis frühes 19. Jahrhundert
c) Frühes 19. Jahrhundert bis heute
45
ISIDO
R VON
SEVILLA
De etymologiarum libri XX
Caput XXIX. DE ETYMOLOGIA.
Etymologia est origo vocabulorum, cum vis verbi vel nominis per interpretationem colligitur. […]
Sunt autem etymologiae nominum aut ex causa datae, ut «reges» a [regendo et] recte agendo, aut ex origine, ut «homo,» quia sit ex humo, aut ex contrariis ut a lavando «lutum,» dum lutum non sit mundum, et «lucus,» quia umbra opacus parum luceat. […]
… «homo,» quia sit ex humo …
Religiöse Interpretation aufgrund formaler
Ähnlichkeit46
DIE ANFÄNGE DER ITALIENISCHEN ETYMOLOGIE
47
DIE AN
FÄNG
E DER ITAL. ETYM
OLO
GIE
Die etymologische Lexikographie im 17. Jahrhundert Ottavio Ferrari, Origines Linguae Italicae
(1676)Das erste umfangreiche italienische
Herkunftswörterbuch, die Origini della lingua italiana des Franzosen Gilles Ménage (it. Egidio Menagio), der bereits 1650 seine Origines de la langue françoise veröffentlicht hatte, wurde von 1666 bis 1669 zunächst in Paris, dann 1685 erneut in Genf publiziert.
48
DIE AN
FÄNG
E DER ITAL. ETYM
OLO
GIE
Die Etymologie von it. macchia “kleiner (mediterr.) Buschwald” nach Gilles Ménage dumus dumum duma dumachus dumaculum dumacula macula macchia
Beispiele für unwissenschaftliches
Arbeiten
macchia
lat. DUMUS „Gestrüpp“
49
LUDOVICO MURATORI
In der Dissertazione XXXIII (Dell’origine o sia dell’etimologia delle voci italiane) [1751] setzt sich Ludovico Muratori äußerst kritisch mit dem anfangs bewunderten Ménage auseinander:
50
VON DER UNWISSENSCHAFTLICHEN ETYMOLOGIE ZUR WISSENSCHAFTLICHENDie Betrachtung lautlicher Entwicklungen - Lautgesetze51
FRIEDRICH CHRISTIAN DIEZ Friedrich Diez (1794-1876) gilt bekanntermaßen
als Begründer der Romanischen Sprachwissenschaft. Er verfasste unter dem Einfluss von Jacob Grimms
Deutscher Grammatik zwischen 1836 und 1843 die Grammatik der romanischen Sprachen.
Auf der Grundlage des romanischen Sprachvergleichs verfasste er 1853 das Etymologische Wörterbuch der romanischen Sprachen, in dem er die etymologische Forschung auf eine wissenschaftliche Basis stellte.
52
AUFGABE UND VORGEHENSWEISE DER ETYMOLOGIE NACH DER AUFFASSUNG VON DIEZ
Aufgabe der Etymologie Ein gegebenes Wort auf seinen Ursprung zurückführen
Methoden Kritische M.
Beachtung der Lautgesetze Nur wenige Ausnahmen sind gestattet
Unkritische M. Deutungen aufgrund von formaler Ähnlichkeit Erzwingung von Zusammenhängen bei geringer Ähnlichkeit oder
beim Fehlen von Ähnlichkeit
53
DIE ETYMOLOGISCHE FORSCHUNG IM WISSENSCHAFTSGESCHICHTLICHEN KONTEXTDie Junggrammatiker und die „Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze“
54
DIE JUNGGRAMMATIKER UND DIE AUSNAHMSLOSIGKEIT DER LAUTGESETZE
Die Junggrammatiker (it. neogrammatici) Junggrammatiker nennt man die
Sprachwissenschaftler der Leipziger Schule, die sich Ende der 70er Jahre des 19. Jhs. in Leipzig gebildet hatte.
Ihre wichtigsten deutschen Vertreter von Beginn an waren Berthold Delbrück (1842-1922) Hermann Paul (1846-1921) Hermann Osthoff (1847–1909) Karl Brugmann (1849-1918)
55
DIE JUNGGRAMMATIKER UND DIE AUSNAHMSLOSIGKEIT DER LAUTGESETZE
Wo das Prinzip der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze (l‘ineccettibilità delle leggi fonetiche) nicht angewendet werden kann, wird das Wirken der Analogie als Erklärung angenommen:
So werden Ausnahmen immer als Anpassung an bereits bestehende verwandte Formen betrachtet.
56
DIE JUNGGRAMMATIKER UND DIE AUSNAHMSLOSIGKEIT DER LAUTGESETZE
Herrmann Osthoff und Karl Brugmann formulierten diese These 1878 in dem Vorwort zu ihrem Werk Morphologische Untersuchungen auf dem Gebiete der indogermanischen Sprachen (Bd. 1, 1878, S. XIII) wie folgt:
Aller Lautwandel, soweit er mechanisch vor sich geht, vollzieht sich nach ausnahmslosen Gesetzen, d.h. die Richtung der Lautbewegung ist bei allen Angehörigen einer Sprachgenossenschaft, außer dem Fall, daß Dialektspaltung eintritt, stets dieselbe, und alle Wörter, in denen der der Lautbewegung unterworfene Laut unter gleichen Verhältnissen erscheint, werden ohne Ausnahme von der Veränderung ergriffen.
57
DIE JUNGGRAMMATIKER UND DIE AUSNAHMSLOSIGKEIT DER LAUTGESETZE
Die Hypothese von der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze gab damals Anlass zu einer Kontroverse, u.a. mit dem Romanisten Hugo Schuchardt. Die Ausnahmslosigkeit hat sich als "Gesetz" als
falsch erwiesen. Sie berücksichtigte nicht den gesellschaftlichen Charakter der Sprache und damit die kulturellen Aspekte der Sprachveränderungen.
Wohl aber ist der Begriff Lautgesetz bei der Rekonstruktion und dem Studium des Sprachwandels eine sinnvolle Arbeitshypothese, denn Lautwandel erfolgt zwar nicht nach ausnahmslosen Gesetzen, aber ebenso wenig willkürlich und regellos.
58
DIE JUNGGRAMMATIKER UND DIE AUSNAHMSLOSIGKEIT DER LAUTGESETZE
Jede Ausnahme von einem Lautgesetz gilt es zu erklären. Dieses Problem war auch den Junggrammatikern zum Teil
klar und führte gerade zu einer verstärkten Beschäftigung mit Sprachentwicklung und Dialektologie.
„Über die Lautgesetze. Gegen die Junggrammatiker“, in: Hugo-Schuchardt-Brevier, ein Vademekum der allgemeinen Sprachwissenschaft., herausgegeben von Leo Spitzer. Halle (Saale) 1922.
59
VOKALISMUS
ī ĭ ē ĕ ā ă ŏ ō ŭ ū
i e a o u
Vom lateinischen Vokalismus zum italienischen
(in betonter Silbe)
60
PHONETISCHER WANDEL
Phonetische Prozesse lassen sich in vier Haupttypen untergliedern: a) die Veränderung von Segmenten in ihren Merkmalen b) die Tilgung von Segmenten c) die Hinzufügung von Segmenten sowie d) die Umstellung von Segmenten.
61
PHONETISCHER WANDEL
Die Veränderung von Segmenten
Affrizierung (it. affricazione): die Bildung von Affrikaten aus Nichtaffrikaten ([j] > [d]), z.B. lat. IAM > it. già.
Assibilierung (it. assibilazione): die Erzeugung von Zischlauten ([t] > [ts]), z.B. lat. PLATEAM > it. piazza.
Assimilierung (it. assimilazione): die Anpassung eines Lautes an einen anderen, z.B. lat. FACTUM > it. fatto.
62
PHONETISCHER WANDEL
Die Veränderung von Segmenten
Betazismus (it. betacismo): der Zusammenfall von [v] und [b] zu [b], z.B. lat. SERVARE > it. serbare (im Italienischen ein eher sporadisches Phänomen).
Degeminierung (it. degeminazione): die Reduzierung von Doppelkonsonanten, z.B. lat. COMMUNEM > it. comune.
Diphthongierung (it. dittongamento): die Aufspaltung eines Einzelvokals in zwei Vokale, z.B. in lat. PEDEM > it. piede oder lat. FOCUM > it. fuoco.
63
PHONETISCHER WANDEL Die Veränderung von Segmenten
Desonorisierung (it. dezonorizzazione): die Umwandlung eines stimmhaften Lautes in einen stimmlosen, z.B. im Lomb. bei der Auslautverhärtung: lat. NOVUM > *nov > mail. noeuf.
Dissimilierung (it. dissimilazione): die Differenzierung identischer oder ähnlicher Laute, z.B. lat. VENENUM > it. veleno, di raro > di rado
Geminierung (it. geminazione): die Bildung von Doppelkonsonanten aus Einzelkonsonanten, z.B. lat. FEMINAM > it. femmina. 64
PHONETISCHER WANDEL
Die Veränderung von Segmenten
Monophthongierung (it. monottongamento): die Reduzierung von Diphthongen ([au] > []), z.B. lat. AURU(M) > it. oro.
Nasalierung (it. nasalizzazione): die Bildung von nasalen Lauten aus nichtnasalen ([l] > [n]), z.B. lat. MULGERE > it. mungere.
65
PHONETISCHER WANDEL Die Veränderung von Segmenten
Palatalisierung (it. palatlizzazione): die Entstehung von palatalen Lauten aus nichtpalatalen, z.B. lat. ['kentum] > it. ['tento]; lat. ['gentem] > it. ['dente].
Sonorisierung (it. sonorizzazione): die Umwandlung von stimmlosen Lauten in stimmhafte, z.B. lat. PACARE > it. pagare, lat. ACUM > it. ago.
Spirantisierung (it. spirantizzazione): die Umwandlung von Verschlusslauten in Reibelaute ([b] > [v]), z.B. lat. HABERE > it. avere. 66
PHONETISCHER WANDEL
Die Veränderung von Segmenten
Triphthongierung: die Entstehung von drei vokalischen Elementen aus einem Vokal ([o] > [wi]), z.B. lat. BOVES > it. buoi.
Velarisierung (it. velarizzazione): die Erzeugung von velaren Konsonanten oder Vokalen aus nicht velaren ([e] > [o]), z.B: lat. DEBERE > it. dovere.
67
PHONETISCHER WANDEL
Die Tilgung von Segmenten
Aphärese (it. aferesi): die Tilgung eines Lautes oder einer Lautgruppe am
Wortanfang, z.B. lat. ECCLESIAM > it. chiesa.Apokope (it. apocope):
die Tilgung eines Lautes am Wortende, z.B. lat. FELICITATEM > alttosk. felicitade > it. felicità.
Synkope (it. sincope): die Ausfall von Lauten im Wortinneren, z.B. lat.
FRIGIDU(M) > *FRIGDU.68
PHONETISCHER WANDEL Die Hinzufügung von Segmenten
Anaptyxe (it. anaptissi oder epentesi vocalica): der Einschub eines Vokals in eine Konsonantengruppe
(z.B. frz. flèche > siz. filiccia).Epenthese (it. epentesi):
der Einschub eines Konsonanten zwischen zwei Vokale, z.B. RUINAM > it. rovina.
Epithese (it. epitesi): die Anhängung eines Vokals an das Wortende, z.B. lat. SUM
> it. sono.Pro(s)these (it. prostesi):
die Voranstellung eines etymologisch nicht begründbaren Vokals, z.B. per scherzo > tosk. per ischerzo.
69
PHONETISCHER WANDEL
Die Umstellung von Segmenten
Metathese (it. metatesi): die Lautumstellung ([-er] > [-re]), z.B. lat. SEMPER > it.
sempre; lat. CASTRATUM > siz. crastatu.
70
HISTORISCHE PHONETISCHE PROZESSE
Monophthongierung lat. TAURU(M) > sp./it. toro lat. AURU(M) > frz. or, sp./it. oro
Diphthongierung lat. PĔDE(M) > frz. pied, sp. pie, it. piede Lat. PŎRTA(M) > sp. puerta
71
HISTORISCHE PHONETISCHE PROZESSE
Anaphonie (= Erhöhung eines Vokals in palataler oder velarer Umgebung) lat. FAMILIAM > it. famiglia lat. LINGUAM > it. lingua (vs. sp. lengua)
72
HISTORISCHE PHONETISCHE PROZESSE
Assimilation (= Anpassung eines Lautes an einen anderen) lat. FRIGIDUM > vlat. *FRIGDUM > it. freddo lat. QUANDO > siz. quannu
Dissimilation (Gegenteil von Assimilation) lat. VENENUM > it. veleno, okz. veren
73
HISTORISCHE PHONETISCHE PROZESSE
Palatalisierung (= Erzeugung von palatalen Lauten aus nicht nicht-palatalen) lat. [k] > [] (lat. CENTUM > it. cento; CAPUT >
afrz. chief [jf]) lat. FILIU(M) > it. figlio lat. [g] > [] (lat. GENTEM > it. gente) lat. [dj] > [] (lat. DIURNUM > it. giorno) lat. [j] > [] (lat. IAM > it. già)
74
HISTORISCHE PHONETISCHE PROZESSE ALS AUSLÖSER DES LEXIKALISCHEN WANDELS
Homophonie: lat. -LL- > gask. -t-
GALLU(M) CATTU(M)
gask. gat gask. gat
Missverständnis
Substituierung durcheinen Ersatzausdruck
faisan vicaire 75
ANSÄTZE ETYMOLOGISCHER LEXIKOGRAFIE IM 19. JAHRHUNDERTIl “Tommaseo-Bellini”76
HISTO
RISCHE W
ÖRTERBÜ
CHER M
IT ETYMO
LOG
ISCHEN
IN
FORM
ATION
EN
Das wichtigste italienische Wörterbuch des 19. Jahrhunderts
(1861-1879)
77
HISTORISCHE WÖRTERBÜCHER – 19. JH.
78
ETYMOLOGISCHE WÖRTERBÜCHER DES ITALIENISCHEN DES 20. UND 21. JHS.1950-201079
ETYMOLOGISCHE WÖRTERBÜCHER DES 20. JHS. Ottorino Pianigiani, Dizionario etimologico della
lingua italiana (1907)
80
OTTO
RINO
PIANIG
IANI, D
IZION
ARIO ETIM
OLO
GICO
DELLA LIN
GU
A ITALIAN
A (1907)
81
ETYMOLOGISCHE WÖRTERBÜCHER DES ITALIENISCHEN NACH 1950 C. Battisti - G. Alessio, Dizionario Etimologico Italiano,
Firenze 1950-1957. A. Prati, Vocabolario etimologico italiano, Milano 1951. D. Olivieri, Dizionario etimologico italiano, concordato coi
dialetti, le lingue straniere e la topo-onomastica, Milano 11961, 21965.
B. Migliorini – A. Duro, Prontuario etimologico italiano, Torino 1964.
G. Devoto, Avviamento alla etimologia italiana - Dizionario Etimologico, Firenze 11966, 21968.
___________________________________________________________________ S. Battaglia, Grande Dizionario della Lingua Italiana, Torino
1961-2002. [Historisches Wb. mit etymologischen Informationen]
82
ETYMO
LOG
EN D
ER ITALIENISCH
EN
SPRACHE
Carlo Battisti (1882 – 1977)
C. Battisti - G. Alessio, Dizionario Etimologico Italiano, Firenze 1950-1957.
83
KURZE BESCHREIBUNG EINIGER WÖRTERBÜCHER DEI = C. Battisti - G. Alessio, Dizionario Etimologico
Italiano, Firenze 1950-1957. Angestrebte Vollständigkeit Bezugnahme auf das Mittellateinische Berücksichtigung dialektaler Elemente Hoher Anteil an wissenschaftlichen Fachausdrücken (dieser
Umstand wurde häufig kritisiert)
84
ETYMO
LOG
EN D
ER ITALIENISCH
EN
SPRACHE
Angelico Prati (1883- 1960)
Vocabolario etimologico italiano, Milano 1951.
85
ETYMOLOGEN DER ITALIENISCHEN SPRACHE Giacomo Devoto (1897
– 1974)
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VERGLEICH: DEI, PRATI, OLIVIERI AM BEISPIEL VON APE
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VERGLEICH: DEI, PRATI, OLIVIERI AM BEISPIEL VON APE
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DIE ETYMOLOGISCHE LEXIKOGRAFIE DES SPÄTEN 20. SOWIE DES FRÜHEN 21. JAHRHUNDERTS
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DIE ETYMOLOGISCHE LEXIKOGRAFIE DES ITALIENISCHEN IM 20. UND 21. JH.
Dizionario etimologico della lingua italiana (11979-1988, 21999)
L' etimologico minore. Dizionario etimologico della lingua italiana (2004)
Dizionario etimologico dei dialetti italiani (2005)
Manlio Cortelazzo (*1926) Paolo Zolli (1941-1989)
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DELI = DIZIONARIO ETIMOLOGICO DELLA LINGUA ITALIANA
Manlio Cortelazzo91
WELCHE INFORMATIONEN LIEFERT EIN MODERNES ETYMOLOGISCHES WÖRTERBUCH? – DARGESTELLT AM BEISPIEL DES DELI
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AUSSCH
NITT AU
S DEM
DELI ( 11979)
Lemma
Wortklasse
Genus
Wortdefinition
Erstbeleg im Mittellateinischen
mit Datierung
It. Erstbelege
In Bezug auf die
verschiedenen
Bedeutungen mit
Datierung
Ablei
tung
en
mit
Datie
rung
Bes
chre
ibun
g de
r H
erku
nft
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DIE ETYMOLOGISCHE LEXIKOGRAFIE DES ITALIENISCHEN IM 20. UND 21. JH.
Max Pfister (*1932), LEI (Lessico etimologico italiano) 1968: Beginn der Materialsammlung Vorgesehen waren vier Teile:
I. Lateinische Etyma; Etyma, die auf Substratsprachen zurückgehen (altgr., vorröm., osk. etc.);
II. Etyma, die auf Superstrate zurückgehen (germanische Elemente), Entlehnungen aus anderen Sprachen (Englisch, Okzitanisch, Französisch, Spanisch, orientalische Sprachen etc.)
III. Ungesicherte Materialien. IV. Indices.
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DIE STRUKTUR DES LEI
Das LEI orientiert sich am FEW (Französisches Etymologisches Wörterbuch) Teil I: Materialsammlung – jede aufgeführte Form muss
überprüfbar sein; Quellen werden mit Seitenangabe zitiert; Erbwörter.
Teil II: Formen mit gelehrter Entwicklung; Teil III: Entlehnungen (Gräzismen, Latinismen, sonstiges)
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ETYMOLOGISCHE PUBLIKATIONEN DER VERGANGENEN JAHRE
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