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Kaluza, G. (2002). Förderung individueller Belastungsverarbeitung: Was leisten Stressbewältigungsprogramme? In B. Röhrle (Hrsg.), Prävention und Gesundheitsförderung, Band II (S.195 218). Tübingen: DGVT.
Förderung individueller Belastungsverarbeitung:
Was leisten Stressbewältigungsprogramme?
Gert Kaluza
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Zusammenfassung
Der Beitrag befasst sich mit der Ergebnisevaluation von primärpräventiven Interventionen zur
Förderung individueller Belastungsverarbeitung (Stressbewältigungstraining, SBT). Eine Meta
Analyse von 36 einschlägigen Studien (n = 2133) konnte die kurzfristige Effektivität eines SBT
besonders hinsichtlich einer Abnahme negativer Befindensaspekte (Ängstlichkeit,
Deprimiertheit) bestätigen. Forschungsdefizite bestehen bei der Evaluation mittel und
längerfristiger Interventionseffekte sowie bei den erhobenen Erfolgskriterien, die die primäre
Zielvariable der Intervention, nämlich die Belastungsverarbeitung, kaum berücksichtigen. Die
Ergebnisse zweier eigener kontrollierter Evaluationsstudien zeigten, dass die Teilnahme an
einem SBT erstens zu starken, auch mittelfristig stabilen Veränderungen des selbstberichteten
Bewältigungsverhaltens und des Wohlbefindens und zweitens zu differentiellen, qualitativen
Veränderungen von Bewältigungsprofilen im Sinne einer inhaltlichen Erweiterung eines initial
einseitig ausgerichteten Bewältigungsrepertoires führt. Abschließend werden einige
Perspektiven für zukünftige Evaluationsstudien in diesem Bereich aufgezeigt.
Schlüsselwörter: Bewältigung, Stressbewältigungstraining, Evaluation, primäre Prävention
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Abstract
The present article evaluates the effects of interventions to improve individual coping with
stress in primary prevention (stress management training, SMT). A metaanalysis of 36 studies
(n = 2133) confirmed shortterm effects of SMT in terms of a reduction of negative mood
states (anxiety, depression). The analysis revealed shortcomings with regard to midterm and
longterm effects as well as with regard to the measurement of outcome criteria. These are
often restricted to the assessment of negative mood states while in particular coping behaviours
which are considered the main targets of stress management interventions are widely
neglected. Two of our controlled evaluation studies showed, that SMT participation led to
strong, midterm effects on wellbeing as well as on selfreported coping behaviours.
Moreover, participation in SMT led to improved coping by differentially balancing onesided
initial copingprofiles. Perspectives for future evaluation research in this field are outlined.
Key words: coping, stress management training, evaluation, primary prevention
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Einleitung: Individuelle Belastungsverarbeitung und Gesundheit
Ökologische, ökonomische und soziokulturelle Lebenswelten formen für das Individuum je
spezifische Konfigurationen materieller wie psychosozialer Anforderungen und Ressourcen.
Individuen bewerten diese vor dem Hintergrund biographisch erworbener, individueller
Vulnerabilitätsdispositionen und Protektivfaktoren im Hinblick auf Abweichungen von
subjektiv bedeutsamen SollWerten sowie hinsichtlich der Verfügbarkeit eigener
Regulationsmöglichkeiten. Liegt ein perzipiertes Ungleichgewicht zwischen situativen
Anforderungen, externen Ressourcen und eigenen Reaktionskapazitäten vor, so aktiviert die
Person die ihr zur Verfügung stehenden Bewältigungsstrategien, um die Herausforderung zu
meistern, der antizipierten Bedrohung zu entgehen oder den eingetretenen Schaden/Verlust zu
überwinden. Forciertes Engagement während direkter Auseinandersetzung mit neuartigen
Anforderungen, subjektive Unsicherheit über den Ausgang eigener Bewältigungsbemühungen
und die trotz aller Anstrengungen erlebte Erfahrung der NichtKontrollierbarkeit modulieren
Intensität und Qualität begleitender vegetativer und neuroendokriner Stressreaktionen. Diese
stellen besonders dann, wenn sie über längere Zeit aufrechterhalten werden (müssen), eine
Gesundheitsgefährdung dar und erhöhen das Risiko für viele der heute sozialmedizinisch
besonders relevanten kardiovaskulären, immunologischen und funktionellen Erkrankungen.
Abbildung 1 bitte etwa hier einfügen
Kurz zusammengefasst ist damit ein allgemeines AnforderungsRessourcenModell der
Gesundheit (s. Abbildung 1) beschrieben, welches den theoretischen Rahmen für
Interventionen zur Prävention stressbedingter Gesundheitsrisiken bildet. Dieses allgemeine
Modell erlaubt eine Integration der wesentlichen Perspektiven und Ergebnisse der modernen
biopsychologischen (z.B. Hüther, 1997, Kirschbaum & Hellhammer, 1999),
sozialepidemiologischen (Theorell & Karasek, 1990, Siegrist, 1996) und psychologischen
(Lazarus & Launier, 1981, Kaluza & Vögele, 1999) Stressforschung sowie der von
Antonovsky (1988) inaugurierten salutogenetisch orientierten Perspektive.
Ferner lassen sich aus dem Modell unschwer die relevanten Ansatzpunkte für gezielte
strukturelle und individuelle Interventionen zur Prävention stressbedingter Gesundheitsrisiken
ableiten. Für individuumsorientierte Interventionen liegen die zentralen Ansatzpunkte bei den
individuellen Bewertungsprozessen sowie bei den Kompetenzen zur instrumentellen
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Anforderungsbewältigung und zur palliativen Emotionsregulation. Die inhaltliche Konzeption
von individuumsorientierten Interventionsmaßnahmen setzt die Identifizierung solcher
instrumenteller und/oder palliativer Formen der Bewältigung voraus, die zur Erhaltung und
Förderung der Gesundheit in effektiver Weise beitragen.
Inzwischen liegen zahlreiche Studien vor, die unter Verzicht auf evaluative apriori
Festschreibungen die differentielle Wirksamkeit einzelner Bewältigungsformen auf
empirischem Wege zu bestimmen suchen. In der gegenwärtigen Forschungspraxis dominieren
korrelative Querschnittstudien und, weniger häufig, prospektive Longitudinalstudien, in denen
die Ausprägung einzelner Bewältigungsformen zu zumeist recht globalen
Selbstbeurteilungskriterien (Symptomlisten, Befindlichkeitsskalen) in Beziehung gesetzt
werden (Übersichten in Kaluza, 1996a; Laux & Weber, 1990; Weber, 1992). Als effektive
Wege der Bewältigung erwiesen sich in der Regel aktives Problemlösen, kognitive
Umstrukturierung, das Bemühen um und die Inanspruchnahme von sozialer Unterstützung
sowie ein "nichtantagonistischer" Umgang mit negativen Emotionen. Gemeint sind damit
solche emotionalen Regulationsstrategien, die beispielsweise Ärgergefühle nicht konservieren,
indem man gegen sie „ankämpft“, sondern die im Gegenteil dazu beitragen, dass diese ein Ende
finden, sei es durch konstruktive Umbewertungen oder durch ein klärungsorientiertes
Gespräch.
Die Abhängigkeit der erzielten Befunde vom jeweils untersuchten situativen Kontext und auch
von Personmerkmalen wie beispielsweise dem Geschlecht, der Kulturzugehörigkeit und
dispositionellen Bewältigungspräferenzen schränkt die Generalisierbarkeit dieser Ergebnisse
allerdings ein. Es bleibt offen, welche dieser Strategien in welchen Situationen von welchen
Personen am wirkungsvollsten eingesetzt werden. Für defensive Formen der
Belastungsbewältigung ergeben sich differentielle Wirksamkeitsurteile je nach Art der zu
bewältigenden Anforderung, dem Zeitpunkt der Bewältigung und Merkmalen der betroffenen
Person. Die bisher vorliegenden Forschungsergebnisse zur differentiellen Effektivität einzelner
Bewältigungsformen lassen somit eines ganz deutlich werden: Eine allgemein effektive
Standardstrategie zur Belastungsbewältigung lässt sich nicht identifizieren. Zu heterogen sind
die in Frage stehenden Anforderungsbedingungen und zu unterschiedlich auch die betroffenen
Personen mit ihren je individuellen Zielen, Werten und Normen und damit verbundenen
Bewältigungspräferenzen. Vielmehr lässt sich effektive Bewältigung charakterisieren durch ein
möglichst breites Repertoire unterschiedlichster, verfügbarer Strategien, durch eine
ausgewogene Balance zwischen instrumentellen und palliativen CopingStrategien sowie durch
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Flexibilität des Bewältigungshandelns. Flexibilität beinhaltet dabei die Orientierung des
aktuellen Bewältigungshandelns sowohl an objektiven Situationsmerkmalen bzw. deren
möglichst realistischer Wahrnehmung insbesondere mit Bezug auf die vorhandenen
Kontrollchancen als auch an der momentanen subjektiven Bedürfnis und Interessenlage. In
jedem Falle setzt ein solches flexibles Bewältigungsverhalten die prinzipielle Verfügbarkeit
einer möglichst breiten Palette unterschiedlichster, instrumenteller wie palliativer, aktionaler
wie intrapsychischer, fokussierender wie defokussierender Formen der Bewältigung voraus.
Die Erweiterung des individuellen Bewältigungsrepertoires und die Förderung von Flexibilität
der Belastungsverarbeitung können vor diesem Hintergrund als übergreifendes Ziel
primärpräventiver Interventionen zur Verbesserung der individuellen Belastungsverarbeitung
definiert werden. Die Evaluation der individuellen Bewältigungskompetenz sollte sich daher
nicht allein auf das absolute Ausprägungsniveau einzelner Bewältigungsformen stützen,
sondern darüber hinaus das Profil der dem Betreffenden insgesamt zur Verfügung stehenden
Bewältigungsstrategien betrachten.
In den nachfolgenden Abschnitten dieses Beitrages werden wir uns der Frage zuwenden,
inwieweit Stressbewältigungsprogramme einen Beitrag dazu leisten können, die genannten
Ziele zu erreichen. Hierzu werden wir zunächst die Ergebnisse einer MetaAnalyse von Studien
zur Evaluation von primärpräventiven Stressbewältigungstrainings zusammenfassend
darstellen. Anschließend stellen wir die Ergebnisse zweier eigener Studien vor, die sich
schwerpunkthaft mit trainingsinduzierten Veränderungen von Bewältigungsvariablen befasst
haben.
MetaAnalyse zur Effektivität von primärpräventiven Stressbewältigungstrainings
In die MetaAnalyse gingen 36 Evaluationsstudien von Stressbewältigungstrainings in der
primären Prävention mit einem Gesamtstichprobenumfang von 2133 Personen ein (Kaluza,
1997). Der Anteil der Männer in den Stichproben der einzelnen Studien variiert von 0 bis
100% und beträgt im Mittel 36%. Das mittlere Alter in der Gesamtstichprobe liegt bei 36
Jahren (SD = 12.4). Bevorzugte Zielgruppen sind Studenten unterschiedlicher Fachrichtungen
(8 Studien), Lehrer (4), Krankenschwestern bzw. Krankenpflegeschülerinnen (3), andere
erwerbstätige Personen aus Angestelltenberufen (6), Personen mit pflegebedürftigen
Familienangehörigen (3), berufstätige Mütter (2) sowie Frauen aus unteren sozioökonomischen
Schichten (3).
7
Die durchschnittliche Gesamttrainingszeit beträgt 13 Stunden, bei einem Range von sechs bis
30 Stunden. Bei der Hälfte der Studien beläuft sich die Trainingszeit auf nicht mehr als 10
Stunden. Das Training erstreckte sich über einen Zeitraum von einem Tag bis zu 28 Wochen,
bei einem Durchschnitt von 7 Wochen. Hinsichtlich der Trainingsinhalte lässt sich aus den
Interventionsbeschreibungen in den Originalberichten zusammenfassend folgendes Bild
erkennen: In nahezu allen Studien (31) beginnt die Intervention explizit mit einer Edukations
bzw. Informationsphase, in der den Teilnehmern ein stresstheoretisches Rahmenkonzept
vermittelt wird, wobei Umfang und Tiefe der vermittelten Informationen nicht nur in
Abhängigkeit von der Gesamtlänge der Intervention variieren. 23 Studien behandeln als
weiteren Interventionsbaustein ein Entspannnungstraining, zumeist in Form der Progressiven
Muskelrelaxation bzw. einer Abwandlung derselben. Auch hinsichtlich des
Entspannungstrainings existieren große Unterschiede zwischen den Studien hinsichtlich dessen
Umfang und Intensität sowie insbesondere auch bezüglich des Anwendungstransfers der
Entspannungsreaktion. Die Identifizierung und Modifikation stressinduzierender Kognitionen
wird in 28 Studien thematisiert, wobei in den meisten Fällen eine Anlehnung an das Stress
Inoculationstraining von Meichenbaum (z.B. Meichenbaum, 1991) oder an das „ABC“Schema
der rationalemotiven Therapie von Ellis (z.B. Ellis, 1977) vorgenommen wird. In der Hälfte
der Studien wird die Intervention als eine Kombination aus diesen drei Bausteinen (Information
+ Entspannung + kognitive Umstrukturierung) realisiert. Bei den anderen Studien werden ein
oder zwei dieser Bausteine mit weiteren Inhalten kombiniert, nämlich
Zeitmanagementtechniken (6 Studien), Kommunikation und Assertivität (5), soziale
Unterstützung (7), Wert und Zielklärung (5), Problemlösetechniken (5) sowie allgemeines
Gesundheitsverhalten (2). Die Behandlung dieser Themen in den Trainingsgruppen variiert
angesichts der unterschiedlichen Interventionsdauer von der bloßen Information über
praktische Übungen während der Kurssitzungen bis hin zur gezielten Anleitung zur
Anwendung im Alltag.
Tabelle 1 etwa hier einfügen –
Die kurzfristige Wirksamkeit der Interventionen konnte im Hinblick auf verschiedene
Ergebniskategorien belegt werden. Dabei bewegt sich die Größe der beobachteten Effekte
entsprechend der von Cohen (1988) geprägten Konventionen überwiegend im Bereich kleiner
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(d = .20) bis mittelstarker (d = .50) Effekte (s. Tabelle 1). Die Resultate entsprechen damit
weitgehend der von Bamberg und Busch (1996) in einer MetaAnalyse betrieblicher
Stressbewältigungsprogramme ermittelten Größenordnung. Die relativ stärksten Effekte treten
hinsichtlich einer Verbesserung des psychischen und physischen Befindens sowie bezüglich
einer Reduktion des TypA/Ärger/FeindseligkeitKomplexes auf. Nur geringfügige Effekte sind
im Hinblick auf subjektive Belastungswahrnehmungen und somatische Parameter zu
verzeichnen. Die längerfristige Wirksamkeit wird in den Studien in der Regel durch eine
FollowupUntersuchung nur der Interventionsgruppe, nicht aber einer Kontrollgruppe
ermittelt. Die Effektstärken zeigen signifikante Trainingseffekte für einen Zeitraum von einem
bis zu sechs Monaten nach Abschluss der Intervention an. Auch hier bestehen die stärksten
Effekte bei den Befindensvariablen und die geringsten Effekte hinsichtlich subjektiver
Belastungswahrnehmung und körperlicher Parameter. Lediglich für die Befindenskriterien
konnten Effektstärken über einen mehr als sechsmonatigen Beobachtungszeitraum berechnet
werden. Dabei zeigt sich ein Anstieg der mittleren Effektstärke von .54 (für einen Zeitraum < 6
Monaten) auf .82, was als Hinweis darauf verstanden werden kann, dass sich die
Trainingseffekte mit der Zeit nicht nur nicht verflüchtigen, sondern sogar verstärken.
Allerdings muss insgesamt betont werden, dass die Ergebnisse über längerfristige
Interventionseffekte wegen des Fehlens von Kontrollgruppendaten in ihrer Aussagekraft
erheblich begrenzt sind. Die bei einigen Ergebniskategorien durch den Homogenitätstest
angezeigte Heterogenität der Studieneffektstärken ließ sich jeweils durch Ausschluss einzelner
„Ausreißer“ Studien mit besonders geringen bzw. besonders großen Effektstärken eliminieren.
Bei den nicht erfolgreichen Interventionen handelt es sich um eher kurze „seminaristische“
Interventionen mit dem Schwerpunkt auf der Vermittlung von Informationen. Die besonders
erfolgreichen Programme sind demgegenüber deutlich länger und zeichnen sich besonders
durch eine Betonung des Anwendungstransfers neu erlernter Bewältigungsstrategien in den
jeweiligen Alltag der Teilnehmer aus. Um eine Abhängigkeit der Trainingseffekte von der
Trainingsintensität zu prüfen, wurden Schätzungen der Populationseffektstärken bezüglich der
Befindenskriterien getrennt für Evaluationsstudien von kurzen (bis max. 10 Stunden) und
langen (mehr als 10 Stunden) Trainingsprogrammen berechnet. Für die kurzen Interventionen
ergab sich ein d+ von .27, für die langen von .51. Damit wird die zeitliche Dauer des Trainings
als ein Indikator der Trainingsintensität als ein wirksamer Moderator der Trainingseffektivität
zumindest hinsichtlich des psychophysischen Befindens bestätigt.
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Die MetaAnalyse macht auf drei gravierende ForschungsDefizite in diesem Felde
aufmerksam: Zum einen besteht, wie bereits erwähnt, ein Mangel an kontrollierten Daten zur
Bestimmung der längerfristigen Wirksamkeit der evaluierten Programme. Für die Beurteilung
des präventiven Nutzens der Maßnahmen ist der wissenschaftliche Nachweis, dass positive
Wirkungen über den Zeitraum der Intervention hinaus zumindest stabil bleiben, aber letztlich
von ausschlaggebender Bedeutung. Zum zweiten besteht ein einseitiges Schwergewicht auf der
Erfassung von unterschiedlichen Aspekten negativer Befindlichkeit (Ängstlichkeit,
Deprimiertheit, Erschöpfung, Beschwerden) als Erfolgskriterium. Erfolg wird damit auf eine
Abnahme negativer Befindenszustände reduziert, positive Indikatoren von psychischem und
physischem Wohlbefinden werden nicht erfasst. Drittens werden die eigentliche Zielvariablen
eines Stressbewältigungstrainings, nämlich die zur Belastungsverarbeitung eingesetzten
Bewältigungsstrategien, bei der Erfolgsbestimmung vernachlässigt. Abgesehen von dem
spezifischen TypAVerhaltensmuster wird eine differenzierte Erfassung von unterschiedlichen
Formen der Bewältigung kaum vorgenommen. Ein Bezug auf die vorliegenden empirischen
Befunde zur differentiellen Effektivität einzelner Bewältigungsformen fehlt ebenso wie eine
detaillierte Betrachtung differentieller Veränderungen unterschiedlicher Bewältigungsformen
und deren Zusammenhänge mit Veränderungen hinsichtlich des psychophysischen Befindens
als subjektivem Gesundheitsindikator. Während eine Reduktion negativen Befindens als ein
eher unspezifischer Effekt verschiedenartigster Interventionen zu beobachten ist, könnte die
Erfassung von Bewältigungsstrategien zu einer Demonstration der spezifischen Effekte eines
primärpräventiv ausgerichteten Stressbewältigungstrainings beitragen. Ziel der eigenen,
nachfolgend beschriebenen Studien war es daher, längerfristige Veränderungen insbesondere
von Bewältigungsstrategien nach Teilnahme an einem Stressbewältigungsprogramm zu
evaluieren.
Studie 1: Wie stabil sind Veränderungen des Befindens und der Bewältigung nach
einem Stressbewältigungstraining?
In einer prospektiven, randomisierten Wartekontrollgruppenstudie mit 52 Personen
(Frauenanteil: 70%, Alter: 37 (± 7.5), die an dem Programm „Gelassen und sicher im Stress“
(Kaluza, 1996b) teilnahmen, und 47 Kontrollpersonen (Frauenanteil: 76%, Alter: 37 (± 7.5),
wurden Erhebungen vor Beginn, unmittelbar nach sowie sechs Monate nach Ende der
Intervention durchgeführt.
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Bei dem Programm handelt es sich um ein Gruppentraining mit einem Umfang von 12
wöchentlich stattfindenden Sitzungen von jeweils 90minütiger Dauer. Auf der theoretischen
Grundlage eines transaktionalen Stressverständnisses (Lazarus & Launier, 1981) werden
folgende Ziele verfolgt:
(1) Veränderung stressinduzierender Bewertungen von situativen Anforderungen und eigenen
Bewältigungsmöglichkeiten: Die Teilnehmenden sollen Bedeutung und Folgen dieser
Bewertungsprozesse erkennen und soweit zu verändern lernen, dass eine
belastungsreduzierende Neubewertung von Anforderungen und eigenen Kompetenzen
möglich wird. Je nach Art der individuellen Belastungssituation und ihrer Bewertung geht
es inhaltlich dabei um den Abbau von z.B. Kognitionen der Hilflosigkeit und
Hoffnungslosigkeit, unrealistischen Einschätzungen situativer Anforderungen oder
Bedrohungsbewertungen ebenso wie um die Entwicklung von
Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, optimistischen Kontrollerwartungen, relativierenden
oder sinnstiftenden Kognitionen (Kaluza, 1999b).
(2) Erweiterung des Repertoires problemorientierter wie reaktionsorientierter
Bewältigungsstrategien: Da es nicht möglich ist, generelle, d.h. situations und
personübergreifende Aussagen über die Effektivität einer bestimmten
Bewältigungsstrategie zu machen (zusfd. Kaluza, 1996a) geht es nicht darum, die
Teilnehmenden in einer bestimmten Standardstrategie der Belastungsbewältigung zu
trainieren. Das Ziel besteht vielmehr darin, auf der Basis einer möglichst breiten Palette
verfügbarer instrumenteller, kognitiver und palliativregenerativer Bewältigungsstrategien
Flexibilität im Umgang mit Belastungen zu erreichen. Welche konkreten Strategien im Kurs
behandelt werden, ob z.B. Verhaltensübungen zur sozialen Kompetenz im Vordergrund
stehen, eher kognitive Formen der Bewältigung gewählt oder vor allem Möglichkeiten der
Regeneration erarbeitet werden, hängt ab von der Art der individuellen
Belastungssituationen sowie von den bereits vorhandenen Bewältigungskompetenzen der
jeweiligen Teilnehmenden.
Das Programm besteht aus drei Bausteinen: einem Training in Progressiver Muskelrelaxation
(z.B. Hamm, 1993), einem strukturierten Problemlösetraining (z.B. Grawe, Dziewas & Wedel,
1980, Kämmerer, 1983) sowie einem Genußtrainig (vgl. Lutz & Koppenhöfer, 1983; Lutz,
1993), das systematische Anleitungen zu einem regelmäßigen Belastungsausgleich i.S.
palliativer und regenerativer Belastungsbewältigung enthält. Entsprechend seiner Zielsetzung
11
zeichnet sich das Programm durch eine starke Orientierung an den je individuellen
Stressbelastungen der Teilnehmer und dementsprechend ein hohes Maß an Flexibilität in der
praktischen Kursgestaltung sowie eine deutliche Betonung der praktischen Umsetzung neuer
Bewältigungsstrategien in den Alltag der Teilnehmer aus.
Zur Erfolgsbestimmung wurden der Gießener Beschwerdebogen (GBB; Brähler & Scheer,
1983) zur Erfassung der körperlichen Befindlichkeit, die Eigenschaftswörterliste (EWL; Janke
& Debus, 1978) zur Erfassung des emotionalen Befindens mit einem positiven und einem
negativen Befindensfaktor sowie der Stressverarbeitungsfragebogen (SVF, Janke, Erdmann &
Kallus, 1985) zur differenzierten Erfassung von Bewältigungsstrategien mit fünf Faktoren
(„Emotionale Betroffenheit und Aufgeben“, „Aktive Kontrollversuche“, „Distanzieren und
Relativieren“, „Kompensation“ und „Suche nach sozialer Unterstützung“) eingesetzt (bzgl.
Details s. Kaluza, 1998 und 1999a).
In Tabelle 2 sind die Ergebnisse in Form von prozentualen Erfolgsraten, berechnet nach dem
„binomial effect size display“ (BESD) von Rosenthal und Rubin (1982), zusammenfassend
dargestellt. Das BESD errechnet aus einer gegebenen Effektstärke den prozentualen Anteil von
Personen der Treatmentgruppe und der Kontrollgruppe, die oberhalb einer gemeinsamen
Erfolgsgrenze liegen, welche im Falle einer stetigen Variablen als Median der
Gesamtstichprobe definiert ist. Man erhält somit prozentuale Erfolgsraten für Treatment und
Kontrollgruppe; die Differenz zwischen beiden gibt ein anschaulicheres Maß für die Größe des
Interventionseffekts als der hierzu üblicherweise mittels Effektstärkeindizes berechnete
prozentuale Anteil der durch den jeweiligen Effekt aufgeklärten Varianz .Ein im Sinne Cohens
kleiner Effekt von d = .20 (bzw. r = .10) beispielsweise entspricht einer Erfolgsrate von 55% in
der Interventionsgruppe und von 45% in der Kontrollgruppe und damit einer Differenz von
10% zugunsten der Intervention. Das BESD wird dabei jeweils nur für die abhängigen
Variablen angegeben, für die ein statistisch signifikanter Effekt gesichert werden konnte.
Tabelle 2 etwa hier einfügen –
Die Resultate sprechen deutlich für die längerfristige Wirksamkeit des SBT sowohl im Hinblick
auf die Bewältigungsvariablen als auch hinsichtlich des Befindens. Sechs Monate nach
Abschluss der Intervention weisen die Trainingsteilnehmer im Vergleich zu den
Kontrollpersonen stärker ausgeprägte aktive Kontrollversuche, relativierende und
12
distanzierende kognitive Bewältigungsformen sowie ein stärkeres Ausmaß an
kompensatorischen Bewältigungsmöglichkeiten auf. Gleichzeitig sind resignativvermeidende
Tendenzen im Umgang mit Belastungssituationen bei den Trainingsteilnehmern deutlich
geringer ausgeprägt als bei den Kontrollpersonen. Zieht man die unmittelbar nach
Trainingsende erzielten Effekte auf die Bewältigungsvariablen zum Vergleich heran, so wird
deutlich, dass über den sechsmonatigen Nachbeobachtungszeitraum nicht nur eine
Stabilisierung, sondern eine Intensivierung und inhaltliche Verbreiterung der Trainingseffekte
eingetreten ist. Hier werden somit deutlich der Befähigungscharakter und die darauf
gegründete präventive Wirkung der Intervention empirisch belegt.
Längerfristige Interventionseffekte zeigen sich auch hinsichtlich der Befindenskriterien. Zum
Followup weisen die Trainingsteilnehmer ein geringeres Maß an negativen
Befindensmerkmalen wie auch ein höheres Maß an positiven Befindensaspekten im Vergleich
mit den Kontrollpersonen auf. Einzig hinsichtlich des Beschwerdedruckes ist ein längerfristiger
Trainingseffekt nicht nachzuweisen. Hier zeigt sich deskriptiv ein deutlicher Rückgang der
Werte in beiden Studiengruppen während der Interventions bzw. Wartezeit, der sich in der
TG während des Nachbeobachtungszeitraumes noch leicht verstärkt, während in der KG ein
geringer Wiederanstieg zu beobachten ist. Eine zweite FollowupErhebung könnte hier
Aufschluss darüber geben, ob sich diese gegenläufigen Trends in den beiden Studiengruppen
fortsetzen. Verglichen mit dem unmittelbar nach Trainingsende festgestellten Effekten ergibt
sich für den negativen Befindensfaktor ein deutlicher Anstieg der Erfolgsraten nach sechs
Monaten, beim positiven Befindensfaktor dagegen tritt eine Verringerung des unmittelbar nach
Trainingsabschluss erzielten Effektes ein. Die am Trainingsende beobachtete stark
wohlbefindenssteigernde Wirkung des Trainings konnte über die sechs Monate der
Nachbeobachtung nicht in vollem Umfang erhalten werden. Ein halbes Jahr nach Abschluss des
Trainings sind die Differenzen in den Erfolgsraten von TG und KG hinsichtlich der
Bewältigungsvariablen sämtlich größer als 50%. Der höchste Wert wird mit 68% hinsichtlich
„Aktive Kontrollversuche” erreicht. Die Wahrscheinlichkeit für einen aktivproblemorientierten
Umgang mit Belastungen beträgt für einen Trainingsteilnehmer 84% und liegt damit um mehr
als das Fünffache höher als die einer Kontrollperson (16%). Hinsichtlich des Befindens fallen
die längerfristigen Erfolgsraten etwas geringer aus, sind aber mit Unterschieden zwischen TG
und KG von 48% ( „Negatives Befinden”) bzw. 38% („Positives Befinden”) immer noch
beachtlich, berücksichtigt man die Vielzahl von Faktoren, die auf das Befinden Einfluss
nehmen.
13
Tabelle 3 etwa hier einfügen –
Überraschenderweise fanden sich in dieser Studie nur geringfügige und vereinzelte bivariate
Zusammenhänge zwischen Veränderungen der Bewältigungsstrategien einerseits und
Veränderungen hinsichtlich des psychischen und physischen (Wohl)Befindens andererseits.
Wie Tabelle 3 zeigt, bestehen signifikante Korrelationen einzig zwischen Veränderungen beim
CopingFaktor „Emotionale Betroffenheit und Resignation“ und Befindensänderungen. Eine
Reduktion resignativvermeidender Bewältigungstendenzen ist danach mit einer Reduktion
negativen Befindens und weniger deutlich mit einer Steigerung positiver Befindensaspekte
vergesellschaftet. Allerdings dürften diese Zusammenhänge zumindest zum Teil auf
Konstruktüberlappungen und Unschärfen bei der Operationalisierung zurückzuführen sein. So
beinhalten einige der diesen CopingFaktor bildenden Items wie z.B. „...bin ich deprimiert“
oder „... erscheint mir alles so hoffnungslos“ eher Befindens denn Bewältigungsaspekte. Ein
Anstieg bei den anderen aktiven, kognitiven und kompensatorischen Bewältigungsformen geht
nicht systematisch mit einer Befindensverbesserung einher. Vor dem Hintergrund eines
transaktionalen Stressmodelles, wonach das vom Individuum eingesetzte
Bewältigungsverhalten einen bedeutsamen Mediator des Zusammenhanges von Anforderungen
und nachfolgenden psychophysischen Stressreaktionen darstellt, wären hier stärkere
systematische Zusammenhänge zu erwarten gewesen. Wie lässt sich dieses erwartungswidrige
Resultat erklären? Denkbar ist, dass Veränderungen hinsichtlich einzelner CopingStrategien
einen individuell unterschiedlich starken Zusammenhang mit dem Befinden aufweisen, und
zwar in Abhängigkeit von dem initialen Bewältigungsprofil des jeweiligen Teilnehmers. Geht
man davon aus, dass Flexibilität auf der Basis eines möglichst breiten Repertoires verfügbarer
Bewältigungsstrategien das wesentliche Kennzeichen erfolgreicher Belastungsverarbeitung ist,
so ist denkbar, dass ein Zugewinn an z.B. kognitiven Bewältigungsmöglichkeiten nur bei
solchen Personen mit einer Befindensverbesserung einhergeht, die bei Trainingsbeginn kaum
auf diese Bewältigungsform zurückgreifen, die also durch das Training tatsächlich eine
inhaltliche Erweiterung ihres Bewältigungsrepertoires erfahren, gewissermaßen dazugelernt
haben. Demgegenüber wären bei solchen Personen, die bereits zu Beginn hohe Werte bei der
kognitiven Bewältigung aufweisen und während des Trainings diese Werte noch steigern, die
somit lediglich „mehr desselben“ erfahren, eine Verbesserung des psychophysischen Befindens
14
nicht zu erwarten. Diese Überlegung wäre in analoger Weise auch auf andere Formen der
Bewältigung zu übertragen. Damit erscheinen auch die dargestellten mittleren Veränderungen
bei den Bewältigungsvariablen in einem neuen, kritischeren Licht. Möglicherweise bedeuten
zumindest für einen Teil der Trainingsteilnehmer Zugewinne hinsichtlich einzelner
Bewältigungsstrategien weniger eine Erweiterung als vielmehr eine kontraproduktive
Verfestigung von initial einseitig ausgerichteten Bewältigungspräferenzen. Wir haben versucht,
in einer nachfolgenden Studie dieser Vermutung nachzugehen. Untersucht werden sollten
differentielle Veränderungen von Bewältigungsstrategien sowie differentielle Zusammenhänge
zwischen trainingsinduzierten Coping und Befindensveränderungen in Abhängigkeit von
clusteranalytisch definierten initialen Bewältigungsprofilen.
Studie 2: Mehr desselben oder Neues gelernt? –Veränderungen von
Bewältigungsprofilen nach einem Stressbewältigungstraining
Es handelte sich um eine im Rahmen einer innerbetrieblichen Gesundheitsförderungsaktion
durchgeführte, quasiexperimentelle, prospektive Kontrollgruppenstudie mit 82
Trainingsteilnehmern (Frauenanteil: 41%, Alter: 37 (± 9), Bildung ≥ Abitur: 56%) und 55
hinsichtlich Geschlecht und Alter gematchten Kontrollpersonen (Frauenanteil: 45%, Alter: 37
(± 11), Bildung ≥ Abitur: 47%). In der Trainingsgruppe wurde das
Stressbewältigungsprogramm „Keine Zeit für Stress“ (Kaluza, Basler & Büchler, 1993)
durchgeführt. Es handelt sich hierbei um ein strukturiertes Gruppenprogramm mit einem
Umfang von 12 wöchentlich stattfindenden Sitzungen von jeweils eineinhalbstündiger Dauer.
Neben Informationen zum Thema „Stress und Stressbewältigung“ sind die wesentlichen
Programmbausteine ein Training in Progressiver Muskelentspannung, Anleitungen zum
Belastungsausgleich durch angenehme Aktivitäten, kognitive Umstrukturierung und positive
Selbstinstruktionen, Hinweise zum Zeitmanagement und Rollenspiele zum assertiven Verhalten
in belastenden Situationen. Im Kursleitermanual werden für jede einzelne Sitzung genaue
thematische und didaktische Vorgaben gemacht. Da in dem betrieblichen Kontext, in dem das
Programm durchgeführt wurde, mit Einschränkungen hinsichtlich der persönlichen
Äußerungsbereitschaft der Teilnehmer gerechnet werden musste, wurde dieses strukturierte
themenorientierte Vorgehen gegenüber einem eher offenen teilnehmerorientierten Vorgehen,
wie es beispielsweise in dem Programm „Gelassen und sicher im Stress“ (Kaluza, 1996b)
praktiziert wird, präferiert.
15
Allen Studienteilnehmern wurden vor Beginn (T1) und nach drei Monaten (T2), d.h. nach
Ende des Trainingsprogrammes in der TG, eine Kurzform des Stressverarbeitungsfragebogen
(SVF); Kallus & Kazenwadel, 1993) mit 6 Subskalen („Aktive Bewältigung“, „Soziale
Unterstützung“, „Ablenkung“, „Bagatellisierung“, „Resignation“ und „Pharmakakonsum“), die
deutschsprachige Version des Profile of Mood States (POMS; Bullinger, Heinisch, Ludwig &
Geier, 1990) mit 4 Skalen („Missmut“, „Müdigkeit“, „Niedergeschlagenheit“ und „Tatkraft“)
sowie die Skala „Beanspruchung“ des Freiburger Persönlichkeitsinventars (FPIR; Fahrenberg,
Hampel & Selg, 1989) zur Bearbeitung vorgelegt (bzgl. Details s. Kaluza, 1999c, Kaluza,
2000).
Zur Identifikation von initialen Bewältigungsmustern wurde eine hierarchische Clusteranalyse
nach dem WardAlgorithmus über die sechs vor Trainingsbeginn erhobenen
Bewältigungsvariablen berechnet. Die gefundene Clusterlösung wurde anschließend zwecks
Optimierung einem iterativpartionierenden Verfahren nach dem „k−means“Algorithmus
unterzogen (vgl. Moosbrugger & Frank, 1993). Es resultierte eine Löung mit drei Clustern, die
entsprechend der differentiellen Ausprägung der sechs Bewältigungsskalen inhaltlich wie folgt
charakterisiert werden können (vgl. Abbildung 2):
Cluster 1 umfaßt 53 Personen und ist gekennzeichnet durch die bezogen auf die
Gesamtstichprobe höchsten Werte sowohl auf den Skalen „Suche nach sozialer
Unterstützung” und „Aktive Bewältigung” als auch bei den Skalen „Ablenkung” und
„Bagatellisierung” (gemeinsam mit Cluster 3), bei gleichzeitig den geringsten Werten
hinsichtlich „Resignation” und „Pharmakaeinnahme”. Die Personen dieses Clusters weisen
somit ein hohes Ausmaß von sowohl instrumentellen als auch palliativen
Bewältigungsmöglichkeiten auf. Wir bezeichnen das durch dieses Cluster repräsentierte
Bewältigungsprofil kurz als „aktivflexibles Coping”.
Cluster 2 besteht aus 40 Personen, die durch die relativ geringsten Werte hinsichtlich
„Ablenkung” und „Bagatellisierung” imponieren. Gleichzeitig weist das Bewältigungsprofil der
Personen dieses Clusters relativ hohe Werte bei den instrumentelle Bewältigung erfassenden
Skalen „Aktive Bewältigung” und „Suche nach sozialer Unterstützung” sowie relativ geringe
Werte bei „Pharmakakonsum” und „Resignation” auf. Aufgrund der einseitigen Ausrichtung
auf eine problemorientierte Bewältigung lässt sich das Bewältigungsprofil dieses Clusters kurz
als „rigidinstrumentelles Coping” charakterisieren.
16
Cluster 3 mit 44 Personen repräsentiert ein Bewältigungsprofil, das gewissermaßen das
Gegenstück zu dem des Clusters 1 bildet. Es weist die – im Vergleich mit den beiden anderen
Clustern höchsten Werte bei den Skalen „Resignation”, „Pharmakakonsum” und
„Bagatellisierung” sowie die niedrigsten Werte bei den beiden instrumentellen
Bewältigungsskalen auf. Wir bezeichnen das spezifische Bewältigungsprofil dieses dritten
Clusters kurz als „resigniertvermeidendes“ Coping”.
Abbildung 2 bitte hier einfügen
Die Clusterzugehörigkeit ist unabhängig von sowohl basalen soziodemograpahischen
Merkmale als auch von der Häufigkeit und Art wahrgenommener Belastungen. Die durch die
drei Cluster repräsentierten Bewältigungsprofile reflektieren somit nicht lediglich Geschlechts,
Alters oder Bildungsunterschiede bzw. quantitativ oder qualitativ unterschiedliche
Belastungserfahrungen der den jeweiligen Clustern zugeordneten Personengruppen (bzgl.
Details s. Kaluza, 2001).
Die Resultate am Trainingsende ergaben deutliche Hinweise auf sowohl generelle als auch
differentielle Effekte der Trainingsteilnahme auf das selbstberichtete Bewältigungsverhalten.
Als genereller Effekt zeigte sich in allen drei Clustern eine signifikante Reduktion resignativ
vermeidender Bewältigungstendenzen bei den Trainingsteilnehmern jeweils im Vergleich zu
Kontrollpersonen desselben Clusters. Bei den Personen des ersten Clusters, deren
Bewältigungsprofil bereits vor Trainingsbeginn eine ausgewogene Balance zwischen
instrumentellen und palliativen Bewältigungsformen aufwies, blieb dies der einzige bedeutsame
Trainingseffekt. Differentielle Effekte zeigten sich in den beiden übrigen Clustern im Vergleich
mit den Kontrollpersonen des jeweiligen Clusters. Bei den Personen des zweiten Clusters, die
vor Trainingsbeginn ein einseitig instrumentell ausgerichtetes Bewältigungsprofil aufwiesen,
stiegen zum einen die Werte für die instrumentelle Bewältigung erfassenden Bewältigungs
Skalen „Soziale Unterstützung” und „Aktive Bewältigung” weiter an und erreichten am
Trainingsende das Niveau des Clusters 1. Zum anderen war auch ein Anstieg bei den Skalen
„Ablenkung” und „Bagatellisierung”, die palliative Bewältigungsformen erfassen, zu
verzeichnen. Auch bezüglich dieser beiden Skalen wurde bei Trainingsabschluß annähernd das
Niveau des Clusters 1 erreicht. Erwartungsgemäß zeigte sich im Cluster 2 der stärkste Effekt
bei der Skala „Ablenkung”. Demgegenüber traten bei den Personen des dritten Clusters, das
17
durch ein resignativvermeidendes initiales Bewältigungsprofil definiert ist, erwartungskonform
die stärksten Interventionseffekte bei der Skala „Soziale Unterstützung” auf. Auch bezüglich
der zweiten instrumentell orientierten Bewältigungsskala „Aktive Bewältigung” besteht ein
mittelstarker Effekt. Im Ergebnis führen die gefundenen differentiellen Veränderungen dazu,
dass sich bei Trainingsabschluß die initial deutlich unterschiedlichen Bewältigungsprofile der
drei Cluster in Richtung auf das ausgewogene aktivflexible Profil des ersten Clusters
angleichen, während bei den Kontrollpersonen die Clusterunterschiede im wesentlichen
bestehen bleiben (s. Abbildung 3). Die trainingsinduzierten Veränderungen der
Bewältigungsstrategien bestehen somit nicht allein in einem „Mehr desselben“, sondern stellen
eine Erweiterung und einen Ausgleich initial einseitig ausgerichteter Bewältigungsprofile dar.
Abbildung 3 etwa hier einfügen –
Neben der Feststellung differentieller Trainingseffekte konnten auch die Erwartungen bezüglich
differentieller Zusammenhänge zwischen Veränderungen von Bewältigungs und
Befindensvariablen weitgehend bestätigt werden (s. Tabelle 5). Während im Cluster 1 keine
signifikanten Korrelationen auftraten, sind Befindensverbesserungen im „rigid instrumentellen”
Cluster 2 insbesondere mit einer Zunahme palliativer und im „resigniert vermeidenden”
Cluster 3 insbesondere mit einer Zunahme aktivproblemorientierter Bewältigungsformen
vergesellschaftet. Auch die Stärke dieser Zusammenhänge ist, bedenkt man die Vielzahl
unterschiedlicher Faktoren, die auf das subjektive Befinden Einfluss nehmen, mit Koeffizienten
zwischen .47 und .34 durchaus beeindruckend. Die Befunde sprechen insgesamt für unsere
Annahme, dass eine positive Beeinflussung des psychophysischen Befindens besonders mit
einer solchen Veränderung des Bewältigungsverhaltens einhergeht, die eine inhaltliche
Erweiterung eines bis dahin einseitigen Repertoires an Bewältigungskompetenzen darstellt und
damit die Voraussetzungen für einen flexiblen, situationsangepassten Umgang mit alltäglichen
Belastungssituationen verbessert.
Fazit
Die dargestellten Ergebnisse der beiden eigenen Evaluationsstudien lassen sich wie folgt
resümieren:
18
(1) Die Teilnahme an einem Stressbewältigungstraining führt zu starken, auch mittelfristig
stabilen Veränderungen des selbstberichteten Bewältigungsverhaltens und des Befindens.
(2) Die Teilnahme an einem Stressbewältigungstraining führt zu differentiellen Veränderungen
von Bewältigungsprofilen im Sinne einer inhaltlichen Erweiterung des initialen
Bewältigungsrepertoires.
(3) Befindensverbesserungen sind insbesondere mit solchen CopingVeränderungen
vergesellschaftet, die eine Erweiterung eines initial einseitig ausgerichteten
Bewältigungsprofiles darstellen.
Perspektiven
Abschließend sollen einige Perspektiven aufgezeigt werden, die sowohl die Methodik der
Evaluation als auch die Interventionsmethodik betreffen.
Bei der Evaluation der Effekte von primärpräventiven Stressbewältigungstrainings ist eine
Ergänzung der eingesetzten Erhebungsmethoden und auch des Inhaltsbereiches der erfassten
Erfolgskriterien wünschenswert. Drei Aspekte sollen hier besonders hervorgehoben werden:
Erstens: Der Vorhersagewert von durch Fragebogen erfassten Merkmalen für das Verhalten in
konkreten Situationen ist generell beschränkt. Auch für den von uns zur Erfassung der
Bewältigungsstrategien eingesetzten Stressverarbeitungsfragebogen (Janke et al., 1985) wird
von den Testautoren eine Vorhersagevalidität für aktuelles Bewältigungsverhalten in konkreten
Belastungssituationen trotz des Vorliegens einiger positiver Validitätskoeffizienten eher
vorsichtig eingeschätzt. Die Effekte der Teilnahme an einem Stressbewältigungstraining sollten
allerdings nicht auf eine Veränderung generalisierter habitueller Bewältigungstendenzen, wie
sie mittels des Fragebogens abgebildet werden, beschränkt bleiben, sondern sich letztlich in
einem veränderten konkreten Bewältigungsverhalten in Belastungssituationen zeigen. Letzteres
könnte durch den Einsatz von standardisierten Verfahren der Verhaltensbeobachtung in realen
oder induzierten Belastungssituationen vor und nach einer Trainingsteilnahme erfasst werden,
zumindest soweit es das offene Bewältigungsverhalten betrifft. Forman (1982) sowie Sharp
und Forman (1985) sind diesen Weg gegangen, indem sie das Verhalten von Lehrern, die an
einem Stressbewältigungstraining teilnahmen, in realen Unterrichtssituationen beobachteten.
Ein analoges Vorgehen wäre auch im Hinblick auf andere wiederkehrende, potentiell
belastende Situationen denkbar. Die Erfassung aktueller, verdeckter Bewältigungsreaktionen
19
könnte zudem durch einen situationsnahen Einsatz entsprechender Kurzskalen in Form von
„Bewältigungsprotokollen“ erfolgen.
Zweitens ist über die subjektive Ebene hinaus eine Berücksichtigung auch objektiver
physiologischer Parameter zu wünschen. Wie aus der Metaanalyse hervorgeht, ist in der
Vergangenheit in einigen wenigen Studien der Versuch unternommen worden, Effekte eines
Stressbewältigungstrainings auch hinsichtlich körperlicher, insbesondere kardiovaskulärer und
immunologischer Variablen zu bestimmen. Die diesbezüglichen Effektstärken fallen allerdings
wenig überzeugend aus. In den Studien wurden zumeist einmalige Messungen von Blutdruck,
Herzfrequenz oder Cortisolwerten vor und nach dem Training durchgeführt und auf
Unterschiede hinsichtlich des allgemeinen Niveaus geprüft. Eine generelle Reduktion dieser
Werte ist allerdings nur in den Fällen zu erwarten, in denen die Ausgangswerte oberhalb des
jeweiligen Normbereiches liegen. Gerade bei Teilnehmern eines primärpräventiven
Programmes dürfte diese Voraussetzung nicht selten nicht gegeben sein. Trainingseffekte
sollten sich hier weniger in einer generellen NiveauSenkung von kardiovaskulären oder
immunologischen Variablen, sondern vielmehr in einer Abnahme der belastungsinduzierten
Reaktivität dieser Variablen zeigen. Zu deren Erfassung ist eine alltagsnahe, wiederholte und
ereigniskorrelierte Registrierung der physiologischen Parameter erforderlich („event
sampling“). Ein solches Vorgehen ist zwar wesentlich aufwändiger, aber auch
erfolgversprechender als die bisher benutzten EinPunktMessungen.
In einer Pilotstudie haben BüchnerTotzke, Groth und FehmWolfsdorf (1996) bei Personen,
die an unserem Stressbewältigungsprogramm „Gelassen und sicher im Stress“ teilnahmen, die
im Tagesverlauf ausgeschüttete Cortisolmenge erfaßt. Hierzu wurde an acht Messzeitpunkten
pro Tag eine Messung des Speichelcortisol durchgeführt. Im PräPostVergleich ergaben sich
signifikante Reduktionen der circadianen Cortisolausschüttung vorwiegend in der ersten
Tageshälfte, die die Autoren durch eine Abnahme antizipierter und erlebter Belastungen im
beruflichen und familiären Umfeld erklären. Analoge Studien mit weiteren physiologischen
Stressreaktionsparametern wären wünschenswert und sind aufgrund der Verfügbarkeit von
praktikablen, portablen Geräten zur Registrierung und Verarbeitung von Biosignalen auch
technisch realisierbar. Durch die Erhebung der genannten behaviouralen und physiologischen
Daten in nachfolgenden Evaluationsstudien könnten interessante Erkenntnisse darüber
gewonnen werden, wie weitreichend und wie „durchschlagend“ die in den vorliegenden
Studien festgestellten Veränderungen des selbstberichteten Bewältigungsverhaltens tatsächlich
sind.
20
Drittens wird über den Nachweis der Effektivität von Präventionsmaßnahmen hinsichtlich
definierter inhaltlicher Erfolgskriterien hinaus verstärkt auch der Nachweis ihrer Effizienz im
Sinne einer KostenNutzenAnalyse gefordert (z.B. Kirschner et al., 1994; Walter & Schwartz,
1997). Der ökonomische Nutzen präventiver Maßnahmen soll sich dabei beispielsweise an
einer Reduktion von Fehlzeiten, einer verringerten Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen
oder Einsparungen bei Arznei und Heilmitteln erweisen. Dem Nachweis solcher
„Einspareffekte“ stehen allerdings enorme methodische Probleme entgegen. Insbesondere für
primärpräventive Maßnahmen, deren Zielgruppe ja gesunde Personen sind, ist eine Reduktion
krankheitsbedingter Kosten, wenn überhaupt, nur langfristig zu erwarten. Zu deren
Feststellung wären nicht nur sehr lange Untersuchungszeiträume und große
Ausgangskollektive, sondern auch eine Erfassung der Vielzahl von zwischenzeitlich wirksamen
individuellen wie sozialen Faktoren erforderlich, die auf den Gesundheitszustand und die
Inanspruchnahme medizinischer Leistungen Einfluss nehmen. Für den Bereich der
Sekundärprävention haben Schwartz et al. (1999) Reduktionspotentiale für Krankheitslasten
und Gesundheitsausgaben durch verhaltensbezogene Risikomodifikation berechnet. Derartige
Schätzungen basieren auf epidemiologischen Daten zur Prävalenz des jeweiligen Risikofaktors,
auf Informationen zum relativen Erkrankungsrisiko von Personen mit Risikofaktor im
Vergleich zu Personen ohne Risikofaktor, welche aus bevölkerungsbezogenen Kohorten und
FallKontrollStudien stammen, sowie auf in entsprechenden Evaluationsstudien aufgezeigten
Effekten bestimmter Interventionsmaßnahmen auf den jeweiligen Risikofaktor.
Unberücksichtigt bleiben dabei eventuelle Auswirkungen auf die Lebenserwartungen und ggf.
steigende Gesundheitsausgaben für andere Erkrankungen (konkurrierende Morbidität). Zudem
wird vereinfachend angenommen, dass die Akzeptanz der angebotenen Maßnahme in der
Gruppe der „Interventionsbedürftigen“ optimal ist (Schwartz et al. 1999). Auf dieser Basis
kommen die Autoren u.a. zu dem Ergebnis, dass allein durch sekundärpräventive,
verhaltensbezogene Maßnahmen zur Stressbewältigung die Mortalitätsraten an Apoplex um
33% und die MyokardMortalität um 22% realistisch reduziert werden könnten. Damit wären
Einsparungen an Gesundheitsausgaben von 2.237 Millionen DM bzw. 922 Millionen DM
verbunden. Erfreulicherweise gibt es in Deutschland mit dem Gesundheitsreformgesetz 2000
und der am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Neufassung des § 20 Sozialgesetzbuch V (SGB
V) wieder einen gesetzlichen Rahmen, der es zumindest ansatzweise ermöglicht, diese
Potentiale zur Reduktion von Krankheitslasten und Gesundheitsausgaben zu nutzen.
21
Im Hinblick auf die Interventionsmethodik ist eine konzeptionelle Weiterentwicklung der
vorliegenden Programme zur Stressbewältigung in drei Richtungen wünschenswert.
Erstens sollten die hinsichtlich der Art der zu bewältigenden Belastungen unspezifischen
Trainingsprogramme ergänzt werden um Angebote, die die Unterstützung bei der Bewältigung
spezifischer beruflicher oder familiärer Belastungen, kritischer Lebensereignisse oder –phasen
zum Ziel haben. Zu denken ist hier beispielsweise an gezielte Interventionsprogramme für
Angehörige von pflegebedürftigen Personen, für spezielle Berufsgruppen mit charakteristischen
Anforderungsprofilen, zur Bewältigung von Trennungs und Scheidungserfahrungen, zur
Vorbereitung auf den Ruhestand etc.. Ansätze, z.T. auch bereits elaborierte und evaluierte
Interventionsprogramme liegen beispielsweise vor für Pflegekräfte von AlzheimerPatienten
(Dellasega, 1990), für berufstätige Mütter (Kline & Snow, 1994), für Sicherheitsfachkräfte in
Industrieunternehmen (Kushnir & Malkinson, 1993), für arbeitslose Führungskräfte (Saam,
Wodtke & Hains, 1995), für Lehrer (Sharp & Forman, 1985), für Eltern von Kindern mit
schweren körperlichen Behinderungen (Singer, Irvin & Hawkins, 1988), für Frauen mit
pflegebedürftigen Männern (Toseland, Labrecque, Goebel & Whitney, 1992) sowie für Paare
(Bodenmann, 2001, Bodenmann, Perrez, Cina & Widmer, 2001).
Zweitens sollte auch an die Entwicklung von Interventionsmaßnahmen gedacht werden, die
geeignet sind auch solche Personengruppen zu erreichen, die durch ein geringes
Problembewusstsein und eine fehlende Motivation zur Veränderung ihres Verhaltens im
Umgang mit Belastungen charakterisiert sind. Die Teilnahme an den herkömmlichen
Präventionsangeboten im Bereich der Stressbewältigung setzt demgegenüber, zumindest
soweit sie freiwillig erfolgt, bereits ein Mindestmaß an Problemeinsicht und
Veränderungsbereitschaft voraus. Prochaska und DiCelemente (1984) haben in ihrem sog.
transtheoretischen Modell ein Stufenkonzept der Verhaltensänderung („stages of change“)
formuliert, in welchem der Prozeß der Verhaltensänderung als ein Durchlaufen von fünf
distinkten motivationalen Stufen beschrieben wird: PreContemplation (Absichtslosigkeit),
Contemplation (Absichtsbildung), Preparation (Vorbereitung), Action (Handlung) und
Maintenance (Aufrechterhaltung) (für eine ausführliche Darstellung siehe z.B. Keller, Kaluza &
Basler, 2001). Dieses Konzept sich als Grundlage für die Entwicklung von spezifischen
Interventionen für Personen auf unterschiedlichen insbesondere frühen motivationalen Stufen
der Verhaltensänderung in verschiedenen Handlungsfeldern der individuellen
Verhaltensprävention wie z.B. der Raucherentwöhnung, der Reduktion von Alkohol und
Drogenmißbrauch, des Kondomgebrauches im Kontext von HIVPrävention, der
22
Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen, der Aufnahme körperlicher Aktivität und dem
Schutz vor UVStrahlung (zusfd. Keller, 1999) bewährt. Eine Adaptation auf den Bereich der
Stressbewältigung ist bisher erst ansatzweise versucht worden (Padlina, Gehring & Somaini,
1999).
Drittens und nicht zuletzt ist eine verstärkte Integration von individuumsorientierten
Stressbewältigungstrainings mit strukturellen Interventionsmaßnahmen im Sinne des Setting
Ansatzes der Gesundheitsförderung der WHO anzustreben. So fordern auch die
Spitzenverbände der Krankenkassen in ihren Richtlinien zur Umsetzung des neuformulierten §
20 SGB V beispielsweise für den Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung eine
Kombination von individuellen und strukturellen Massnahmen. Übertragen auf den Bereich der
Stressbewältigung bedeutet dies, dass die Förderung von instrumentellen Kompetenzen zur
Anforderungsbewältigung wie beispielsweise dem persönlichen Zeitmanagement und der
persönlichen Arbeitsorganisation auf Seiten des einzelnen Mitarbeiters ergänzt wird durch eine
Optimierung von Arbeitsabläufen und eine Bereitstellung eines ausreichenden Zeit und
Personalbudgets für die Arbeitsaufgaben seitens des Unternehmens. Der Reflektion und
Veränderung stressverschärfender Einstellungen auf Seiten der Mitarbeiter im Sinne der
kognitiven Stressbewältigung entspricht auf Seiten des Unternehmens die Reflektion und
Veränderung solcher offener und heimlicher innerbetrieblicher Normen und
Gratifikationssysteme, durch die eine gesundheitsabträgliche Belastungsbewältigung
beispielsweise in Form eines undosierten Leistungsverhaltens belohnt wird. Der Pflege des
Privatlebens und dem Bemühen um einen regelmäßigen Belastungsausgleich im Sinne der
palliativen Stressbewältigung seitens des einzelnen Mitarbeiters schließlich entspricht auf
Unternehmensseite eine flexible und kreative Gestaltung von Arbeitsbedingungen und –zeiten,
die genügend Freiraum für die Pflege außerberuflicher familiärer und sozialer Kontakte und
Aktivitäten lässt.
Für die Realisierung der aufgezeigten Perspektiven für Forschung und Intervention herrscht
derzeit in Deutschland nur wenig Rückenwind. Während in den „life sciences“ die
molekularbiologische und genetische Forschung unter vollen Segeln fährt, erleben sozial und
verhaltenswissenschaftliche Ansätze eine anhaltende Flaute. In den USA beginnt sich der Wind
etwas zu drehen. Unter Federführung der American Psychological Association haben ca 60
wissenschaftliche Gesellschaften das angebrochene neue Jahrzehnt als „decade of behavior“
proklamiert (nähere Informationen unter http://www.decadeofbehavior.org/). Segler wissen
23
darüber hinaus, dass man mit geschickten Manövern erfolgreich ein Ziel erreichen kann, auch
wenn der Wind von vorne kommt.
24
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29
Angaben zum Autor
Gert Kaluza PhilippsUniversität Marburg, Fachbereich Humanmedizin, Institut für Medizinische Psychologie, Bunsenstrasse 3, 35033 Marburg kaluza@mailer.unimarburg.de
Jahrgang 1955. Privatdozent Dr. rer.biol.hum. . Studium der Psychologie und Pädagogik in Gießen und Marburg. Diplom 1981. Promotion 1989 an der Medizinischen Hochschule Hannover. Habilitation 1997 an der Universität Marburg. Gegenwärtig Oberassistent im Institut für Medizinische Psychologie der Universität Marburg
Arbeitsschwerpunkte: Belastungsverarbeitung und Gesundheit, Psychologie chronischer Schmerzen, Entwicklung und Evaluation von Gesundheitsförderungsprogrammen
Ausgewählte Publikationen:
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30
Tabelle 1.
MetaAnalyse von 36 Evaluationsstudien von Stressbewältigungsprogrammen in der primären Prävention Mittlere Effektstärken d+ und Anzahl von Studien k in ( ) pro Ergebnis x Zeit Kategorie mit Studienanzahl k > 2
Zeitkategorie
< 1 Monat ≥ 1 < 6 Monate.
≥ 6 Monate
ES post ES diff ES within ES within Ergebniskategorie d+ (k) d+ (k) d+ (k) d+ (k)
1: Befinden .38 (15) .53 (10) .45 (9) .82 (5)
2: Kognitionen .35 (6) .48 (5)
3: TypA / Ärger .71 (4) .80 (5)
4: Bewältigung .36 (4) .41 (3)
5: Belastung .02 (3) .28 (4) .27 (3)
6: somatische Parameter .24 (8) .33 (3)
Anmerkungen. ESpost = Effektstärke auf Basis der PosttestWerte bei Studien mit Randomisierung und Pretest Äquivalenz; ESdiff = Effektstärke auf Basis der (PräPost)Differenzen bei Studien ohne Randomisierung und/oder PretestÄquivalenz; ESwithin = Effektstärke auf Basis der (PräF.up)Differenz bei Studien mit F.upErhebungen ohne KG
31
Tabelle 2.
Prozentuale Erfolgsraten bei Teilnehmern des Stressbewältigungstrainings (SBT) und Kontrollpersonen (KG) am Trainingsende und beim 6MonatsFollowup „binomial effect size display“ 1,2
Trainingsende Followup (6 Monate)
SBT (n=52)
KG (n=47)
DIFF SBT (n=47)
KG (n=33)
DIFF
EWL Negatives Befinden 74 26 48
Positives Befinden 74 26 48 69 31 38
GBB Beschwerdedruck
SVF Resignation 76 24 52
Aktive Kontrolle 67 33 34 84 16 68
Distanzieren/Relativiere 80 20 60 82 18 64
Kompensation 78 22 56
Soziale Unterstützung
1 nach Rosenthal und Rubin (1982). Erläuterungen s. Text. 2 nur berechnet für signifikante Effekte
32
Tabelle 3
Zusammenhänge zwischen Veränderungen der CopingVariablen mit Veränderungen des Befindens ProduktMomentKorrelationskoeffizienten der (Prä [T1] – Post [T2]) und (Prä [T1] F.up [T3])Differenzscores bei n = 52 Teilnehmern an einem Stressbewältigungstraining
Negatives Befinden (EWL)
Positives Befinden (EWL)
Beschwerdedruck (GBB)
(T1T2) (T1T3) (T1T2) (T1T3) (T1T2) (T1T3)
Emot. Betroffenheit/Resignation .42* .36* .36* .38* .39* .45*
Aktive Kontrollversuche .06 .03 .02 .23 .18 .05
Distanzieren/Relativieren .13 .03 .13 .02 .09 .08
Kompensation .01 .10 .00 .13 .04 .05
Soziale Unterstützung .12 .07 .12 .34* .08 .21
*p < .01
33
Tabelle 4.
Differentielle prozentuale Erfolgsraten für Teilnehmer eines Stressbewältigungstrainings (Trainingsgruppe, TG) und Kontrollpersonen ohne Training (Kontrollgruppe, KG) in drei Bewältigungsclustern „Binomial effect size display”
1
Cluster 1 „aktivflexibel”
Cluster 2 „rigid
instrumentell”
Cluster 3 „resigniert vermeidend”
TG KG Diff. TG KG Diff. TG KG Diff.
Aktive Bewältigung 75 25 50 70 30 40
Soziale Unterstützung 76 24 52 83 17 66
Ablenkung 81 19 62
Bagatellisierung 74 26 48
Resignation 75 25 50 78 22 56 72 28 44
Pharmakaeinnahme 67 33 34 73 27 46 82 18 64
1 nur berechnet für signifikante Effekte
Tabelle 5. Differentielle Zusammenhänge zwischen Veränderungen des Befindens (Gesamtindex) und der Beanspruchung mit Veränderungen hinsichtlich der 6 Bewältigungsvariablen ProduktMomentKorrelationskoeffizienten der (PräPost)Differenzen getrennt für die 3 Cluster
Cluster 1 “aktivflexibel”
(n = 53)
Cluster 2 " rigidinstrumentell”
(n = 39)
Cluster 3 „resigniertvermeidend“
(n = 44)
Befinden 1 Beanspruchung 2 Befinden 1 Beanspruchung 2 Befinden 1 Beanspruchung 2
1 Aktive Bewältigung .11 .03 .15 .18 .39 b .25
2 Soziale Unterstützung .00 .10 .24 .03 .47 c .34 a
3 Ablenkung .08 .02 .37 a .43 b .14 .15
4 Bagatellisierung .23 .07 .01 .11 .17 .23
5 Resignation .18 .03 .41 b .44 b .46 b .12
6 Pharmakaeinnahme .24 .07 .01 .18 .28 .04
1 Profile of Mood States (Gesamtscore) 2 Skala 7 des Freiburger PersönlichkeitsInventars (FPI) a p < .05; b p <.01; c p < .001
2
Verzeichnis der Abbildungen und Legenden
Abbildung 1: Allgemeines AnforderungsRessourcenModell der Gesundheit
Abbildung 2: Differentielle Bewältigungsprofile bei n = 137 Interessenten an einem innerbetrieblichen Stressbewältigungstraining Ergebnisse einer hierarchischen Clusteranalyse mit anschließender iterativer Partionierung nach dem „k−means“Algorithmus
Abbildung 3: Differentielle Bewältigungsprofile bei Wiederholungsmessung nach 3 Monaten bei n = 55 Kontrollpersonen ohne Intervention (a) und n = 82 Teilnehmern eines innerbetrieblichen Stressbewältigungstrainings (b)
3
Ressourcen
Stressreaktion vegetativ neuroendokr in kognitivemot. behavioural
Krankheit Gesundheit
Anforderungen
Bewer tung Bewältigung
Ökologischer,ökonomischer, sozialer, kultureller Kontext
Indiv. Vulnerabilität Protektivfaktoren
5
Cluster 1 "aktivflexibel" (n = 53) 2 "rigidinstrumentell" (n = 40) 3 "resigniertdistanziert"(n = 44)
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