hier hilft nur eine medikamentenpause

Post on 16-Mar-2017

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AKTUELLE MEDIZIN_KONGRESSBERICHTE

Schmerzmittel-induzierter Kopfschmerz

Hier hilft nur eine Medikamentenpause

Es ist ein paradoxes und dabei häu� ges Phänomen: Schmerzmittel können bei chronischem Gebrauch ihrerseits Kopfschmerzen auslösen. Nur durch einen Entzug kann die gewünschte analgetische Wirksamkeit wiederherge-stellt werden.

−Bei Patienten mit einer chronischen primären Kopfschmerzerkrankung be-steht die Gefahr, dass bei zu häu� gem Gebrauch von Schmerzmitteln ein Schmerzmittel-induzierter Kopfschmerz au� ritt. „Man erkennt diese Entwick-lung daran, dass die Kopfschmerzatta-cken plötzlich immer länger anhalten und eine Dosissteigerung erforderlich ist, um den Schmerz zu lindern“, er klärte Priv.-Doz. Dr. Stephanie Förderreuther, München. Auch treten die Kopfschmer-

zen dann immer häu� ger auf. Der Pati-ent hat das Gefühl, nie mehr einen „kla-ren Kopf“ zu haben.

Besonders gefährdet, einen Schmerz-mittel-induzierten Kopfschmerz zu ent-wickeln, sind Patienten, die an mehr als 15 Tagen im Monat ein einfaches Schmerzmittel wie ASS, Ibuprofen, Pa-racetamol oder an mehr als zehn Tagen ein Triptan, ein Opiat oder ein Kombi-nationspräparat einnehmen.

Neurobiologische und psychologische FaktorenWie Schmerzmittel- bzw. Migränemedi-kamente zu einer Chroni� zierung vor-bestehender Kopfschmerzen führen, da-rüber ist bisher wenig bekannt. „Es scheinen neurobiologische Prozesse der Schmerzverarbeitung, aber auch psy-chologische Faktoren eine Rolle zu spie-len“, so Förderreuther. Gerade die gute Wirkung der Triptane führe möglicher-weise zu einem beschleunigten Lernpro-zess des Gehirns, der eine immer häu� -gere Einnahme zur Folge hat. Nach neu-eren Untersuchungen führen Triptane in der Tat früher und bereits in geringe-ren Dosierungen zu einem Schmerzmit-tel-induzierten Kopfschmerz als andere Substanzen. „Der Übergebrauchskopf-schmerz ist aber keine Sucht oder Ab-hängigkeit wie bei Drogen“, stellte Förderreuther klar.

Bei einem Schmerzmittel-induzier-ten Kopfschmerz verändert sich das kli-nische Bild des ursprünglichen Migrä-ne-Kopfschmerzes. Der Kopfschmerz manifestiert sich dann häu� g beidseitig, ist weniger stark und auch Begleitsymp-tome wie Übelkeit, Erbrechen bzw. Licht- und Geräuschemp� ndlichkeit sind we-niger ausgeprägt. „Der Kopfschmerz

wird häu� g wie eine Mischung aus Mi-gräne und Spannungskopfschmerz oder wie ein chronischer Spannungskopf-schmerz empfunden“, erklärte Förder-reuther.

Besserung nach AbsetzenVerschiedene Untersuchungen konnten zeigen, dass durch ein vorübergehendes Absetzen der Akutmedikation eine deutliche Besserung der Kopfschmer-zen erreicht werden kann. Auch Migrä-ne-prophylaktisch wirksame Substan-zen wie Topiramat oder Botulinum-toxin entfalten beim Analgetika-indu-zierten Kopfschmerz, der sich auf dem Boden einer Migräne entwickelt hat, eine günstige Wirkung. Unverzichtbar ist eine Entzugsbehandlung, die von ei-ner prophylaktischen � erapie begleitet werden sollte. In der Medikamenten-pause können Absetz- oder Entzugs-symptome au� reten, d. h. der Kopf-schmerz wird für einige Tage he� iger, und auch die vegetativen Begleitsymp-tome nehmen zu. „Diese Symptome klingen innerhalb einiger Tage ab, und danach verspürt der Patient eine deut-liche Besserung“, so Förderreuther.

Hohe RückfallrateEin Medikamentenentzug kann ambu-lant oder in einer Tagesklinik durchge-führt werden. Die Rückfallquote ist re-lativ hoch: Innerhalb eines Jahres erlei-det jeder dritte Patient einen Rückfall. Deshalb sollten alle betro� ene Patienten nach einem initial erfolgreichen Entzug einer weiteren gezielten Kopfschmerzbe-handlung zugeführt werden. „Bei 80% aller Patienten, die es scha� en, die stän-dige Einnahme von Schmerzmitteln zu beenden, bessert sich der Kopfschmerz ganz erheblich“, berichtete Förder-reuther. Dr. med. Peter Stiefelhagen ■

■ Quelle: Deutscher Schmerzkongress 2013in Hamburg

„Nie mehr einen klaren Kopf“ – sind die Kopfschmerzmittel Schuld?

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28 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (11)

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