euripides (485/0-406) und die griechische tragödie · • 490 und 480/79: perserkriege • ab 479:...
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Christian Pietsch
Euripides (485/0-406) und die griechische TragödieVorlesung im WS 2007/8
Typus Farnese (4. Jh. v.Chr.) Typus Rieti (4. Jh. v.Chr.)
2
Programm der Vorlesung
1. Die antike Theater- und Aufführungspraxisa. Das Festb. Das Gebäude c. Die Aufführungsbedingungen
2. Die historische und geistesgeschichtliche Zeitsituation3. Rekonstruktion des griechischen Verständnisses von ‚Tragik’4. Die Tragödie als literarische Gattung
a. Stoffeb. Akteurec. Bauformend. Sprachee. Entwicklung von ihren Anfängen bis Sophokles
5. Euripidesa. Biographieb. Überlieferungc. Die Stücke
• Alkestis• Medea• Hippolytos• Orestes• Elektra• Herakles• Taurische Iphigenie• Bakchen
6. Nachwirkunga. In der Antikeb. Nach der Antike
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Einführende Literatur
Blume (1993) = H.-D. Blume, Einführung in das antike Theaterwesen, Darmstadt 31991
Latacz (1993) = J. Latacz, Einführung in die griechische Tragödie, Göttingen 1993
Lesky (1972) = A. Lesky, Die tragische Dichtung der Hellenen, Göttingen 31972
Matthiesen (2002) = K. Matthiesen, Die Tragödien des Euripides, München 2002
Matthiesen (2004) = K. Matthiesen, Euripides und sein Jahrhundert, München 2004
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Bauchamphora, Antikensammlung München, Lysippides-Maler,2. H. 5. Jh. v.Chr.
5
Aristot. Poet. 1, 1449 a10-15genome/nh d' ouÅn a)p' a)rxh=j au)tosxediastikh=j ® kaiìau)th\ kaiì h( kwm%di¿a, kaiì h( me\n a)po\ tw½n e)carxo/ntwn to\n diqu/rambon, h( de\ a)po\ tw½n ta\fallika\ aÁ eÃti kaiì nu=n e)n pollaiÍj tw½n po/lewndiame/nei nomizo/mena ® kata\ mikro\n hu)ch/qhproago/ntwn oÀson e)gi¿gneto fanero\n au)th=j: kaiìpolla\j metabola\j metabalou=sa h( trag%di¿a e)pau/sato, e)peiì eÃsxe th\n au(th=j fu/sin.
Die Tragödie entstand zu Beginn aus einem Stehgreifspiel, sie selbst und die Komödie, die eine (die Tragödie) von denen, die den Dithyrambos, die andere von denen, die die Phallosliederaufführten, wie sie auch jetzt noch in vielen Städten in Gebrauch sind. Sie nahm allmählich zu, wobei man das weiterentwickelte, was von ihr sichtbar wurde. Nachdem sie viele Wandlungen durchgemacht hatte, kam die Tragödie zur Ruhe, als sie die ihr eigentümliche Wesenart gefunden hatte.
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Aristoteles (Politica 1342 b1-7) eÃxei ga\r th\n au)th\n du/namin h( frugistiì tw½n a(rmoniw½n hÀnper au)lo\j e)n toiÍj o)rga/noij: aÃmfw ga\r o)rgiastika\kaiì paqhtika/: dhloiÍ d' h( poi¿hsij. pa=sa ga\r bakxei¿a kaiì pa=sa h( toiau/th ki¿nhsij ma/lista tw½n o)rga/nwne)stiìn e)n toiÍj au)loiÍj, tw½n d' a(rmoniw½n e)n toiÍj frugistiìme/lesi lamba/nei tau=ta to\ pre/pon, oiâon o( diqu/rambojo(mologoume/nwj eiånai dokeiÍ Fru/gion.
Die phrygische Tonart hat unter den Tonarten dasselbe Vermögen, das der Aulos unter den Instrumenten besitzt. Beide sind nämlich orgiastisch und erregen Affekte. Das macht die Dichtung deutlich. Denn jede dionysische Raserei und jede Bewegung dieser Art liegtunter den Instrumenten am meisten im Aulos, unter den Tonarten finden diese Dinge (das Orgiastische und Affekterregende) am meisten in den phrygischen Liedern ihren angemessenen Ausdruck, wie z.B. der Dithyrambos übereinstimmend etwas Phrygisches zu sein scheint.
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Modell der Akropolis mit Südhang
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Dionysos-Theater in Athenheutiger Zustand
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Rekonstruktion des Dionysos-Theaters(aus: Joseph Kürschner (Hg.), Pierers Konversationslexikon, Stuttgart 71891)
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Plan des Dionysos-Theaters(aus: W.W. Wurster: Die Architektur des griechischen Theaters, in: Antike Welt, 24/1993 (1), S. 20-42)
Gelb: Älteste Baureste: Der alte Dionysos-Tempel; älteste Begrenzungs- und Stützmauern der Orchestra
Blau: Reste aus dem späten 5. Jh.: Odeion des Perikles; Halle mit Stützmauer; Stützmauer des Theatron
Rot: Reste aus dem 4. Jh. v. Chr. (2. H.): Neuer Tempel des Dionysos; neue Bühne (mit Paraskenien); durch Lykurg erweitertes Theatron
1: Proskenion2: Paraskenion3: Orchestra4: Cavea5: Diazoma
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Griechische Theatermasken
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Gliederung von Kapitel 2
2. Die historische und geistesgeschichtliche Zeitsituation– 2.1 Innenpolitisch-institutionelle Situation– 2.2 Außenpolitische Situation (Peloponnesischer
Krieg)– 2.3 Philosophie
• 2.3.1 Vorsokratik• 2.3.1 Sophistik
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2.1 Innenpolitisch-institutionelle Situationin Athen
• 594/3: Verfassungsreform des Solon• 546/5 – 510: Herrschaft der Peisistratiden als
Tyrannen• 507: Verfassungsreform des Kleisthenes (
Isonomie)• 462: Entmachtung des Areopags ( radikale
Demokratie)
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2.2 Außenpolitische Situation
• 490 und 480/79: Perserkriege• ab 479: Delisch-attischer Seebund unter
Führung Athens, mit teilweise gewalttätiger Unterdrückung der übrigen Bundesmitglieder
• 431-404: Peloponnesischer Krieg; Kampf gegen Sparta um die Hegemonie in Griechenland; Niederlage Athens
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Epochen der griechischen Philosophie
Neuplatonisch-aristotelische Philosophie (Plotin, Proklos), PatristikSpätantike200600
Akademie Peripatos Stoa Epikur. Pyrrhon. Mittelplat. Ältere Zenon Epikur Eudoros(349/8-268/4) (335-264) (342/1-271/0) (1. Jh. v.C.)Mittlere Alkinoos(268/4-155) (2. Jh.n.C.)Jüngere Numenios(155-86) (2. Jh.n.C.)Antiochos(† 67 v. Chr.)Mittelplaton. Alexander(1.Jh.v.Chr.) (2. Jh.)
Alexandrin. Literatur, FachliteraturLiterar. KlassizismusZweite Sophistik
Hellenismus320 v. Chr.200 n. Chr.
Vorsokratik, Pythagoreer, Sophistik (Interesse am Menschen, Vermittlung gesellschaftlicher Erfolgstechniken)Sokrates (Interesse am Menschen, Ethik)
Platon, Aristoteles (Ideenlehre; Interesse an Ontologie/Metaphysik,Erkenntnistheorie, Ethik, Logik/Sprachphilos.)
Drama, RednerGeschichtsschreibung, Fachliteratur
Klassik480
320
Vorsokratiker (Ionier: Interesse an Weltentstehung, Kosmos, Physik, Eleaten); Pythagoreer
HesiodFrühgriech. Lyrik
Archaik700480
Homerische EpikGeometrische Zeit
900 v. Chr.700
Griech. PhilosophieGriechische LiteraturEpocheJahr
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Vorsokratik: Hauptrichtungen und -vertreter
• Jonische Naturphilosophie, 6. Jh. v.Chr. (kleinasiatische Küste, v.a. Milet: Thales, Anaximander, Anaximenes, Xenophanes)
• Pythagoreer (v.a. Süditalien, seit dem 6. Jh.)• Eleaten (Elea in Süditalien: Parmenides, Zenon; 6./5.
Jh.)• Empedokles (Akragas/Sizilien, 494-434)• Anaxagoras (Klazomenai/Kleinasien, zeitweise
Athen; 500/499-428/7)• Demokrit (Abdera/Thrakien, 5. Jh.)
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Aristoteles über die Grundintention der jonischenNaturphilosophie
(Metaph. A 3, 983 b6 ff)
Von denen, die zuerst Philosophie betrieben haben, glaubten die meisten, daß allein die in Materialgestalt vorliegenden Prinzipien die Prinzipien aller Dinge seien. Woraus alles Seiende ist und aus welchem Ersten es entsteht und wozu es schließlich vergeht, wobei das Wesen der Sache beständig bleibt und sich nur in seinen Zuständen ändert, das sei Element und Prinzip des Seienden.
Und daher glauben sie, weder werde noch vergehe etwas, da die so beschaffene (elementare) Natur sich immer bewahre. Es müsse nämlich eine oder mehrer als eine, woraus das übrige entstehe, während sie selbst (unverändert) erhalten bleibe. Die Menge und die Art eines solchen Prinzips nennen freilich nicht alle auf dieselbe Weise, sondern Thales, der Begründer dieser Art von Philosophie, sagt, es sei das Wasser ...
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Aristotelische Tragödiendefinition (Poet. 6, 1449b.24-28)
eÃstin ouÅn trag%di¿a mi¿mhsij pra/cewjspoudai¿aj kaiì telei¿aj me/geqoj e)xou/shj ... drw¯ntwn kaiì ou) di' a)paggeli¿aj, di' e)le/oukaiì fo/bou perai¿nousa th\n tw½n toiou/twnpaqhma/twn ka/qarsin.Die Tragödie ist Nachahmung einer ernsthaften und in sich geschlossenen Handlung von bestimmter Größe ... von Handelnden und nicht durch Bericht. Sie ruft Jammer/Mitleid und Schauder/Furcht hervor und bewirkt hierdurch eine Reinigung von derartigen Affekten/derartiger Affekte.
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Deutung der Aristotelischen Tragödiendefiniton
• Nachahmung einer Handlung (mi¿mhsij pra/cewj), d.h. sie wird nicht durch auktorialen Erzähler berichtet (ou) di' a)paggeli¿aj Epos), sondern die handelnden Personen treten selbst auf (drw¯ntwn).
• Die Handlung ist ‚ernst’, d.h. sie hat für die Betroffenen bedeutende, nachteilige Folgen.
• Das Wirkungsziel der Tragödie besteht– in Erregung von Jammer/Mitleid (e)/leoj) und Schauder/Furcht
(fo/boj) (vgl. auch 1453 b11-14: gerade darin besteht die der Tragödie eigentümliche Lust [h(donh/])
– e)/leoj und fo/boj bewirken Reinigung (ka/qarsij) von eben diesen Affekten/dieser Affekte
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Bedeutung von e)/leoj und fo/boj nach Aristot., Poet. 13, 1453 a5f
eÃleoj me\n periì to\n a)na/cion, fo/boj de\periì to\n oÀmoion.
Jammer/Mitleid bezieht sich auf den, der zu Unrecht im Unglück ist, Schauder/Furcht dagegen auf den, der (dem Betrachter) ähnlich ist.
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Verbesserte Übersetzung der Aristotelischen Tragödiendefinition (Poet. 6, 1449b.24-28)
eÃstin ouÅn trag%di¿a mi¿mhsij pra/cewjspoudai¿aj kaiì telei¿aj me/geqoj e)xou/shj ... drw¯ntwn kaiì ou) di' a)paggeli¿aj, di' e)le/oukaiì fo/bou perai¿nousa th\n tw½n toiou/twnpaqhma/twn ka/qarsin.Die Tragödie ist Nachahmung einer ernsthaften und in sich geschlossenen Handlung von bestimmter Größe ... von Handelnden und nicht durch Bericht. Sie ruft Mitleid und Furcht hervor und bewirkt hierdurch eine Reinigung derartiger Affekte.
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Me/rh tragw?di/ajnach Aristot. Poet. 6, 1450 a7-12
a)na/gkh ouÅn pa/shj th=j trag%di¿aj me/rh eiånai eÀc, kaq' oÁpoia/ tij e)stiìn h( trag%di¿a: tau=ta d' e)stiì mu=qoj kaiì hÃqhkaiì le/cij kaiì dia/noia kaiì oÃyij kaiì melopoii¿a. oiâj me\nga\r mimou=ntai, du/o me/rh e)sti¿n, w¨j de\ mimou=ntai, eÀn, aÁde\ mimou=ntai, tri¿a, kaiì para\ tau=ta ou)de/n.
Demzufolge enthält jede Tragödie notwendigerweise sechs Teile, die ihr zu einer bestimmten Beschaffenheit verhelfen. Diese Teile sind: Mythos, Charaktere, Sprache, Gedankenführung, Inszenierung und Melodik. Die Mittel, mit denen nachgeahmt wird, sind zwei (=le/cij/Sprache und melopoii¿a/Melodik), die Art, wie nachgeahmt wird, eine (= oÃyij/Inszenierung), die Gegenstände, die nachgeahmt werden, sind drei (= mu=qoj/Mythos, hÃqh/Charaktere und dia/noia/Gedankenführung). Und darüber hinaus gibt es nichts.
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Rngordnung der qualitativen Teile der Tragödie nach Aristot., Poet. 6
1. mu=qoj/Handlung2. hÃqh/Charaktere3. dia/noia/Gedankenführung4. le/cij/Sprache5. melopoii¿a/Melodik6. oÃyij/Inszenierung
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Gliederung der Poetik
1-5: Allgemeine Einleitung:– 1-3: Definition von Dichtung (poi/hsij) überhaupt; Kriterien zur
Einteilung von Gattungen– 4-5: Anthropologische Begründung der Entstehung von Dichtung;
teleologische Entwicklung der literarischen Gattungen6-22: Tragödie
– 6: Definition und Nennung der sechs qualitativen Teile der Tragödie• 7-14: 1. qualitativer Bestandteil: mu=qoj/Handlung
– 7-8: Ganzheit, Ausdehnung und Einheit der Handlung– 9: Wirklichkeitsbezug der Handlung– 10-11: Wendepunkte der Handlung
12: Quantitative Teile der Tragödie– 13-14: Personenbeschaffenheit und Handlungsverlauf– 18-18: Nachträge zum 1. qualitativen Bestandteil
• 15: 2. qualitativer Bestandteil: hÃqh/Charaktere• 19: 3. qualitativer Bestandteil: dia/noia/Gedankenführung• 19-22: 4. qualitativer Bestandteil: le/cij/Sprache
23-26: Epos
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Aristoteles, Poetik 1453a7-10
o( metacu\ aÃra tou/twn loipo/j. eÃsti de\ toiou=toj o( mh/te a)retv= diafe/rwn kaiì dikaiosu/nv mh/te dia\kaki¿an kaiì moxqhri¿an metaba/llwn ei¹j th\ndustuxi¿an a)lla\ di' a(marti¿an tina/.
So bleibt noch derjenige (als tragische Person) übrig, der zwischen den genannten Möglichkeiten steht. Dies ist bei jemandem der Fall, der sich nicht durch seine charakterliche Vollkommenheit und seine Gerechtigkeit auszeichnet noch aus Schlechtigkeit und Gemeinheiteinen Umschlag ins Unglück erlebt, sondern wegen eines Fehlers.
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Aristoteles, Poetik 15, 1454 b8-15
e)peiì de\ mi¿mhsi¿j e)stin h( trag%di¿a beltio/nwn hÄ h(meiÍj, deiÍ mimeiÍsqai tou\j a)gaqou\j ei¹konogra/fouj: kaiì ga\re)keiÍnoi a)podido/ntej th\n i¹di¿an morfh\n o(moi¿ouj poiou=ntejkalli¿ouj gra/fousin: ouÀtw kaiì to\n poihth\n mimou/menonkaiì o)rgi¿louj kaiì r(#qu/mouj kaiì taÅlla ta\ toiau=taeÃxontaj e)piì tw½n h)qw½n toiou/touj oÃntaj e)pieikeiÍj poieiÍnpara/deigma sklhro/thtoj oiâon to\n ¹Axille/a a)gaqo\n kaiìàOmhroj.
Da die Tragödie Nachahmung von Menschen ist, die besser sind als wir, muß man ebenso verfahren wie die guten Porträtmaler. Denn auch diese geben die individuellen Züge wieder und bilden sie ähnlich und zugleich schöner ab. So soll auch der Dichter, wenn er jähzornige, leichtsinnige und andere mit derartigen Charakterfehlern behaftete Menschen nachahmt, sie als die, die sie sind, und zugleich als rechtschaffen darstellen. So stellt Homer den Achill als Muster der Schroffheit und zugleich als tüchtig dar. (Übersetzung nach Fuhrmann)
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Quantitative Teile der Tragödie(Aristot. Poet. 12)
• Auftritte des Chores (xoriko/n):– Einzugslied/Parodos (pa/rodoj)
• Definition: „die erste geschlossene Äußerung des Chors“• Metrik: Sprechverse anapästischer Dimeter (v v ――)• Sprache: attisch
– Stasimon• Definition: „Chorlied ohne Anapäst und Trochäus“, also lyrisches Lied• Metrik: lyrische Versmaße, strophischer Bau• Sprache: dorisch
• Auftritte der Schauspieler:– Prolog (pro/logoj)
• Definition: „Derjenige ganze Teil der Tragödie, der vor dem Einzug des Chores steht“
• Metrik: Sprechverse Iambischer Trimeter (v ― v ―), seltener trochäischer Tetrameter (― v ― v)
• Sprache: attisch
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Quantitative Teile der Tragödie (Fortsetzung)
– Epeisodion (e)peiso/dion)• Definition: „derjenige ganze Teil der Tragödie, der zwischen ganzen
Chorliedern steht“• Metrik: Sprechverse Iambischer Trimeter (v ― v ―), seltener
trochäischer Tetrameter (― v ― v)• Sprache: attisch
– Soloarien (taÜ a)poÜ skhnh=j), einzeln (monwdiko/n) oder zu zweit fakultativ
• Metrik: lyrische Versmaße, strophischer Bau• Sprache: dorisch
• Gemeinsame Auftritte von Chor und Schauspieler(n):– Exodos (e)/codoj)
• Definition: „ganzer Teil der Tragödie, nach dem kein Chorlied mehr kommt“, lyrisches Auszugslied des Chores und lyrische oder gesprocheneVerse der Schauspieler; nicht zwingend Interaktion beider
• Metrik: lyrische Versmaße mit strophischem Bau, Sprechverse• Sprache: dorisch, attisch
– Wechselgesänge (lyrisch)• Klagelied (kommo/j): „gemeinsame Klage des Chores und von der Bühne
(= den Schauspielern)“ fakultativ• Sonstige Wechselgesänge (a)moibai=on) fakultativ
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Formaler Ablauf der Tragödie(„Standardtragödie“ [Latacz])
4. Epeisodion
4. Stasimon
(5. Epeisodion)
...
1. Stasimon
1. Epeisodion
(5. Stasimon)
Parodos
Länge zwischen 1000 und 1700 Versen ExodosPrologos
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Inhaltlicher Spannungsbogenkontinuierlich (a(plh=)
de/si
j lu/sij
unerwartet (peplegme/nh)
meta/basijin Form eines plötzlichen Wechsels durchperipe/teia und/oder a)nagnw/risij.
Zusammenfall beider kalli/sth tragw?di/a
meta/basij
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Vita Euripidis I.A (TGrF 5,1 T1)Eu)ripi¿dhj o( poihth\j ui¸o\j e)ge/neto Mnhsarxi¿dou kaph/lou kaiì Kleitou=j laxanopw¯lidoj, ¹AqhnaiÍoj. e)gennh/qh de\ e)n SalamiÍni e)piì Kalli¿ou aÃrxontoj (480/79) kata\ th\n ÖoÖe (75) o)lumpia/da oÀte e)nauma/xhsan toiÍj Pe/rsaij oi¸ àEllhnej. ãHskhse de\ kat' a)rxa\j me\npagkra/tion, hÄ pugmh\n, tou= patro\j au)tou= xrhsmo\n labo/ntoj oÀti stefanhfo/rouj a)gw½najnikh/sei, kai¿ fasin au)to\n ¹Aqh/nhsi nikh=sai: a)nagnou\j de\ e)piì trag%di¿an e)tra/ph kaiìpolla\ proseceu=re, prolo/gouj fusiologi¿aj r(htorei¿aj a)nagnwrismou\j, w¨j dh\ a)kousth\jgeno/menoj ¹Anacago/rou kaiì Prodi¿kou kaiì Prwtago/rou kai/touj e(tai=roj ...fasiì de\ au)to\n kaiì zwgra/fon gene/sqai ...gennhqh=nai de\ tv= au)tv= h(me/r# ... , e)n v e)ni¿kwn th\n periì SalamiÍna naumaxi¿an oi¸ àEllhnej, aÃrcasqai de\ a)gwni¿zesqai geno/menon e)tw½n ÖkÖ² (26). mete/sth de\ e)n Magnhsi¿# kaiìproceni¿# e)timh/qh kaiì a)telei¿#. e)keiÍqen de\ ei¹j Makedoni¿an para\ ¹Arxe/laon geno/menojdie/triye kaiì xarizo/menoj au)t%½ dra=ma o(mwnu/mwj eÃgraye kaiì ma/la eÃpratte par' au)t%½, oÀte kaiì e)piì tw½n dioikh/sewn e)ge/neto. e)le/geto de\ kaiì baqu\n pw¯gwna qre/yai kaiì e)piì th=joÃyewj fakou\j e)sxhke/nai. gunaiÍka de\ gh=mai prw¯thn Melitw¯, deute/ran de\ Xoiri¿lhn. kaiìui¸ou\j kate/lipe treiÍj ...hÃrcato de\ dida/skein e)piì Kalli¿ou aÃrxontoj o)lumpia/doj ÖpÖa (81) eÃtei Öa (455) ... ta\ pa/nta d' hÅn au)tou= dra/mata Ö³Öb (92), s%¯zetai de\ ÖoÖh (78): tou/twn noqeu/etai tri¿a ...e)teleu/thse de\, wÐj fhsi Filo/xoroj, u(pe\r ta\ Öo (70) eÃth gegonw¯j, w(j de\ ¹Eratosqe/nhj, ÖoÖe: (75) kaiì e)ta/fh e)n Makedoni¿#: kenota/fion de\ au)tou= [e)n] ¹Aqh/nhsin e)ge/neto kaiìe)pi¿gramma e)pege/grapto ...
mnh=ma me\n ¸Ella\j aÀpas' Eu)ripi¿dou, o)ste/a d' iãsxeigh= Makedw¯n, vÂper de/cato te/rma bi¿ou.
patriìj d' ¸Ella/doj ¸Ella/j, ¹Aqh=nai: pleiÍsta de\ Mou/sajte/ryaj e)k pollw½n kaiì to\n eÃpainon eÃxei.
fasiì de\ [kaiì] keraunwqh=nai a)mfo/tera mnhmeiÍa. le/gousi de\ kaiì Sofokle/a a)kou/santa oÀti e)teleu/thsen, au)to\n me\n i¸mati¿% fai%½ proelqeiÍn, to\n de\ xoro\n kaiì tou\j u(pokrita\j a)stefanw¯touj ei¹sagageiÍn e)n t%½ proagw½ni kaiì dakru=sai to\n dh=mon.
32
Äußerer Lebensverlauf
– 484/79 geboren; Vater Mnesarchos oder Mnesarchides, eher untere soziale Schicht oder Neureiche
– 455 erste Aufführung– 441 erster Sieg (erster von insgesamt nur vier
Siegen zu Lebenszeit)– 408/7 Übersiedelung an den Hof des
makedonischen Königs Archelos– 406 Tod in Pella, Ehrung durch Sophokles
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Überlieferung
1. Autorenexemplar, private Abschriften2. Später im Rahmen der Wiederaufführungen
Schauspielerexemplare Verwilderung der Texte
3. Athenisches Staatsexemplar unter Lykurg in 330-er Jahren philologische Betreuung und Reinigung der Texte
4. Alexandrinische Philologie ab ca. 300 v.Chr. (Aristophanes von Byzanz [3./2. Jh.v.Chr.], Didymos [1. Jh.v.Chr.])
34
Überlieferung (Fortsetzung)
5. Alexandrinische Philologiezwei Ausgaben
Schulausgabe (kommentiert) Gesamtausgabe (unkommentiert)
6. Mittelalterliche Codices= HauptüberlieferungZusammenführung der beiden
Ausgaben (Codex Laurentianus, 13. Jh.)
Papyri Testimonien
7. Gedruckte Ausgaben
35
Zwei Euripides Ausgaben der Alexandriner
• Hekabe, Orestes, Phönizierinnen, Medea, Hippolytos, Alkestis, Andromache, Rhesos, Troerinnen, Bakchen (erste drei Stücke ‚Byz. Trias intensive Benutzung im mittelalterlichen Schulunterricht und Kommentierung um 1300)
• Helena ( (Ele/nh), Elektra ( )Hle/ktra), Herakliden( (Hrakli/dai), Herakles ( (Hraklh=j), Hiketiden ((Iketi/dej); Ion ( )/Iwn), Iphigenie in Aulis ()Ifige/neia h( e)n Au)li/di), Iphigenie bei den Taurern( )Ifige/neia h( e)n Tau/roij), Kyklops (Ku/klwy)
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Papyrus Vindob. G 2315, saec. III/II a.Chr.n.Wien, Österreichische Nationalbibliothek
Ancient Greek Music, ed. M. L. West, Oxford 1992Documents of Ancient Greek Music, ed. E. Pöhlmann/M. L. West, Oxford 2001
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Liste aller Euripides-Stücke (nach Matthiesen 2002, 2004), gefunden bei Wikipedia, Art. ‚Euripides‘
ca. 424Andromache
verlorenAlope
verlorenAlkmene
2. Stück der Tetralogie, verloren438Alkmaion in Psophis
2. Stück der Tetralogie, verloren
nach 406
Alkmaion in Korinth
vertritt Satyrspiel in der Tetralogie 438438Alkestis
1. Stück der Tetralogie, verloren415Alexandros
von Aristophanes erwähnt, verloren
vor 423
Aiolos
verlorenAigeus
AnmerkungJahrName 1. Stück der Tetralogie, verloren412Andromeda
verlorenAntigone
verlorenca. 408Antiope
3. Stück der Tetralogienach 406Die Bakchen
Satyrspielca. 412-408
Der Kyklop
verloren--Danae
2. Stück der Tetralogie, verloren
410/409Chrysippos
Satyrspiel, verloren--Busiris
von Aristophanes erwähnt, verloren
vor 425Bellerophontes
Satyrspiel, verloren--Autolykos
verlorenAuge
Festspiel für König Archelaos, verlorenca. 407Archelaos
38
Liste aller Euripides-Stücke (Fortsetzung)
ca. 413Elektra
3. Stück der Tetralogie, verloren431Diktys
3. Stück der Tetralogie415Die Troerinnen
1. Stück, 3. Platz, verloren455Die Töchter Pelias'
Satyrspiel, schon in der Antike verloren431Die Schnitter
3. Stück der Tetralogie410/409Die Phönikerinnen
verloren--Die Leute von Skyros
1. Stück der Tetralogie, verloren438Die Kreterinnen
verloren--Die Kreter
verloren--Die kluge Melanippe
verloren--Die Temeniden
ca. 430Die Herakliden
ca. 421Die Hilfeflehenden(Hiketides)
verloren--Die eingekerkerte Melanippe
verloren--Ixion
1. Stück der Tetralogienach 406Iphigenie in Aulis
ca. 414-412
Iphigenie im Taurerlande
ca. 412-408
Ion
verloren--Ino
verlorenca. 408Hypsipyle
verloren, wahrscheinlich 3. Platzca. 434Hippolytos
1. Platz428Hippolytos
ca. 421-416
Herakles
412Helena
ca. 424Hekabe
Satyrspiel, verloren--Eurystheus
verlorenca. 423Erechtheus
39
Liste aller Euripides-Stücke (Fortsetzung)
verloren--Polydios
Satyrspiel, verloren--Pleisthenes
verloren--Phrixos
verloren--Phoinix (II)
verloren--Phoinix (I)
2. Stück der Tetralogie, verloren431Philoktetes
verloren--Phaethon
verloren--Peleus
2. Stück der Tetralogie, verloren415Palamedes
408Orestes
1. Stück der Tetralogie, verloren
410/409Oinomaos
verloren--Oineus
verloren--Oidipus
verloren--Meleagros
1. Stück der Tetralogie431Medea
verloren--Likymnios
verloren--Kresphontes
verloren--Kadmos
verloren--Thyestes
verloren--Theseus
verloren--Temenos
3. Stück der Tetralogie, verloren438Telephos
Satyrspiel, verloren--Syleus
verloren--Steneboia
Satyrspiel, verloren--Skiron
Satyrspiel, verloren415Sisyphos
verloren--Rhesos
verloren--Protesilaos
40
Eur., Melani/pph h( sofh (TGrF 5,1, Frg. 484 Kannicht)
kou)k e)mo\j o( mu=qoj, a)ll' e)mh=j mhtro\j pa/ra,w(j ou)rano/j te gaiÍa/ t' hÅn morfh\ mi¿a:e)peiì d' e)xwri¿sqhsan a)llh/lwn di¿xa,ti¿ktousi pa/nta ka)ne/dwkan ei¹j fa/oj,de/ndrh, peteina/, qh=raj ouÀj q' aÀlmh tre/feige/noj te qnhtw½n.
Es ist nicht meine Rede, sondern sie stammt von meiner Mutter,daß Himmel und Erde eine Gestalt waren,nachdem sie sich aber getrennt haben voneinander,gebären sie alles und geben es ans Licht:Bäume, Vögel, Tiere, die das Meer nährt,und das Geschlecht der sterblichen <Menschen>.
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Eur. Alc. 908fffi¿loi, gunaiko\j dai¿mon' eu)tuxe/sterontou)mou= nomi¿zw, kai¿per ou) dokou=nq' oÀmwj.th=j me\n ga\r ou)de\n aÃlgoj aÀyetai¿ pote,pollw½n de\ mo/xqwn eu)kleh\j e)pau/sato.e)gwÜ d', oÁn ou) xrh=n zh=n, pareiìj to\ mo/rsimonlupro\n dia/cw bi¿oton: aÃrti manqa/nw....e)reiÍ de/ m' oÀstij e)xqro\j wÔn kureiÍ ta/de:¹Idou= to\n ai¹sxrw½j zw½nq', oÁj ou)k eÃtlh qaneiÍn
a)ll' hÁn eÃghmen a)ntidou\j a)yuxi¿aipe/feugen àAidhn: kaÅit' a)nh\r eiånai dokeiÍ;stugeiÍ de\ tou\j teko/ntaj, au)to\j ou) qe/lwnqaneiÍn.
Freunde, ich halte das Schicksal meiner Frau für glücklicherAls meines, obwohl es nicht den Eindruck erweckt.Denn kein Schmerz wird sie je mehr berühren,ruhmvoll kam sie mit vielen Mühen zu Ende.Ich aber, der nicht leben dürfte, ließ das Schicksal ausUnd führe so ein betrübliches Leben. Jetzt wird mir das klar....Wer aber mein Feind ist, wird Folgendes sagen:Schau an, ihn, der in Schande lebt, der er sich nicht zu sterben traute,sondern an seiner statt die, die er geheiratet hatte, der Leblosigkeit auslieferte,er ist vor dem Hades davongelaufen und meint dann immer noch, ein Mann zu sein.Er haßt seine Eltern und wollte selbst nicht sterben.
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Schwarzes Meer mit Kolchis
Karte gefunden bei Wikipedia, s.v. ‚Schwarzes Meer‘
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Struktur der Medea
• Prolog (1-130)• Parodos (131-212)• 1. Epeisodion (214-409)• 1. Stasimon (410-445)• 2. Epeisodion (446-626)• 2. Stasimon (627-662)• 3. Epeisodion (663-823)• 3. Stasimon (824-865)• 4. Epeisodion (866-975)• 4. Stasimon (976-1001)• 5. Epeisodion (1002-1250)• 5. Stasimon (1251-1292)• Exodos (1293-1419)
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Eur. Med. 1078f
kaiì manqa/nw me\n oiâa dra=n me/llw kaka/,qumo\j de\ krei¿sswn tw½n e)mw½n bouleuma/twn.
Ich begreife sehr wohl, was ich zu tun im Begriff bin,doch ist mein Zorn Herr über mein planendes Denken.
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Literarische Bearbeitungen des Medea-Mythos• Euripides: Medeia (431 v. Chr.)• Ovid: Medea (um Christi Geburt; verloren) • Seneca: Medea (zwischen 40 und 65 n. Chr.)• Geoffrey Chaucer: The Legend of Good Women (um 1385) • Pierre Corneille: Medée (1635) • Franz Grillparzer: Medea, als dritter Teil der Trilogie Das goldene Vließ (1821) • Paul Heyse: Medea (Novelle, 1890) • Hans Henny Jahnn: Medea (1926, 2. Fassung 1959) • Jean Anouilh: Medée (1946) • Robinson Jeffers: Medea (1948) • Heiner Müller: Verkommenes Ufer. Medeamaterial. Landschaft mit Argonauten
(Medeaspiel; 1974) • Franca Rame und Dario Fo: Medea (1979) • Christa Wolf: Medea: Stimmen (1996) • Ljudmila Ulizkaja: Medea und ihre Kinder (1997)• Dea Loher: Manhattan Medea (1999) • Doris Gercke: Die Frau vom Meer (2000)• Nino Haratischwili: Mein und dein Herz. Medeia (2007)
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Verfilmungen des Medea-Stoffes
• Pier Paolo Pasolini (Italien): Medea (1969)• Lars von Trier (Dänemark): Medea (1988)• Theo van Gogh (Holland): Medea (2005), 6 Folgen
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Struktur der Bakchen• Prolog (1-63)• Parodos (64-169)• 1. Epeisodion (170-369)• 1. Stasimon (370-433)• 2. Epeisodion (434-518)• 2. Stasimon (519-575)• 3. Epeisodion (576-861)• 3. Stasimon (862-911)• 4. Epeisodion (912-976)• 4. Stasimon (977-1023)• 5. Epeisodion (1024-1152)• 5. Stasimon (1153-1167)• Exodos (1168-1392)
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Red-figure tondo of kylix:dancing Maenad with snake and thyrsus,
attributed to Epeleios, c. 510-500 BC
Gefunden bei: http://www.mlahanas.de/Greeks/Arts/MaenadSkopas.htm
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White-ground tondo of kylix:dancing Maenad with leopard and thyrsus, hair tied back with a
snake, attributed to Brygos, c. 490 BC
Gefunden bei: http://www.mlahanas.de/Greeks/Arts/MaenadSkopas.htm
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Stellen zur hamartia in den Bakchen• Bacch. 1120f:
oiãktire d' wÕ mh=te/r me mhde\ taiÍj e)maiÍja(marti¿aisi paiÍda so\n katakta/nhij.Hab, Mutter, Mitleid mit mir und töte nichtwegen seiner Fehler deinen eigenen Sohn.
• Bacch. 1296f:{Ag.} Dio/nusoj h(ma=j wÓles', aÃrti manqa/nw.{Ka.} uÀbrin <g'> u(brisqei¿j: qeo\n ga\r ou)x h(geiÍsqe/ nin.Agaue: Dionysos hat uns zugrundegerichtet, jetzt begreif ich es.Kadmos: Durch Hochmut mißhandelt, denn ihr habt ihn nicht für Gott gehalten.
• Bacch. 1301f:{Ag.} PenqeiÍ de\ ti¿ me/roj a)frosu/nhj prosh=k' e)mh=j;{Ka.} u(miÍn e)ge/neq' oÀmoioj, ou) se/bwn qeo/n.Agaue: Welchen Anteil an meiner Torheit hatte Pentheus?Kadmos: Er war dir ähnlich, verehrte er doch nicht den Gott.
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