essay zum friedensgericht
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Justice de PaixEsch - sur-AlzetteJim Clemes Atelier d’Architecture et de Design
10
Just
ice
de P
aix
Justice de PaixEsch-sur-AlzetteJim Clemes Atelier d’Architecture et de Design
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Ein Friedensgericht setzt Zeichen
Gerichtsgebäude sind für die meisten von uns Orte, die wir nicht gerne betreten. Der
Anlass ist kein angenehmer, und den Personen, denen wir dort begegnen, würden wir
lieber aus dem Weg gehen. Und dann die Gebäude selbst: Meist vor vielen Jahrzehnten
gebaut, haben sich der Kummer, die Angst, die Wut, die Resignation zu einer drückenden
Atmosphäre verdichtet, die in den Räumen nistet und sich wie ein Schleier auf die
abgelebten Wände, Decken und Säulen gelegt hat. Wir sollen uns in einem Gericht ja
demütig und unterlegen fühlen, meinten die Baumeister früherer Epochen, weswegen
sie Portale, Eingangshallen und Treppenhäuser besonders prunkvoll anlegten. Der Titel
„Justizpalast“ kündet davon, ein Wort, das schaudern lässt. Aber die Pracht endet vielerorts
an den Türen zu den Gerichtssälen, erst recht den Verhandlungszimmern. Dahinter:
erschütternde Banalität. Hier soll Recht gesprochen, Würde vermittelt, Gerechtigkeit
empfunden werden? Hier soll entstehen, was unsere demokratische Gesellschaft im
Innersten zusammenhält – Rechtsfrieden? Na ja, wenn alle Beteiligten einen guten Tag
haben.
Der amerikanische Architekt Lawrence Wheeler schrieb einst: „Es gibt ganz
offensichtlich gesunde und ungesunde Gebäude in medizinischer, psychologischer und
soziologischer Hinsicht. Unsere Anpassungsfähigkeit ist wahrscheinlich der Grund für
die Tatsache, dass schlechte Architektur in so großem Umfange toleriert wird. Dies heißt
jedoch nicht, dass die Anpassung nicht auf Kosten der Menschen ginge. Unser Preis dafür,
dass wir die negativen Aspekte ausblenden, besteht in einem größeren Aufwand an
Energie oder in geringerer Effektivität.“ Oder in heftiger eskalierenden Streitigkeiten und
schlechteren Urteilen?
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Ein Friedensgericht setzt Zeichen
Gerichtsgebäude sind für die meisten von uns Orte, die wir nicht gerne betreten. Der
Anlass ist kein angenehmer, und den Personen, denen wir dort begegnen, würden wir
lieber aus dem Weg gehen. Und dann die Gebäude selbst: Meist vor vielen Jahrzehnten
gebaut, haben sich der Kummer, die Angst, die Wut, die Resignation zu einer drückenden
Atmosphäre verdichtet, die in den Räumen nistet und sich wie ein Schleier auf die
abgelebten Wände, Decken und Säulen gelegt hat. Wir sollen uns in einem Gericht ja
demütig und unterlegen fühlen, meinten die Baumeister früherer Epochen, weswegen
sie Portale, Eingangshallen und Treppenhäuser besonders prunkvoll anlegten. Der Titel
„Justizpalast“ kündet davon, ein Wort, das schaudern lässt. Aber die Pracht endet vielerorts
an den Türen zu den Gerichtssälen, erst recht den Verhandlungszimmern. Dahinter:
erschütternde Banalität. Hier soll Recht gesprochen, Würde vermittelt, Gerechtigkeit
empfunden werden? Hier soll entstehen, was unsere demokratische Gesellschaft im
Innersten zusammenhält – Rechtsfrieden? Na ja, wenn alle Beteiligten einen guten Tag
haben.
Der amerikanische Architekt Lawrence Wheeler schrieb einst: „Es gibt ganz
offensichtlich gesunde und ungesunde Gebäude in medizinischer, psychologischer und
soziologischer Hinsicht. Unsere Anpassungsfähigkeit ist wahrscheinlich der Grund für
die Tatsache, dass schlechte Architektur in so großem Umfange toleriert wird. Dies heißt
jedoch nicht, dass die Anpassung nicht auf Kosten der Menschen ginge. Unser Preis dafür,
dass wir die negativen Aspekte ausblenden, besteht in einem größeren Aufwand an
Energie oder in geringerer Effektivität.“ Oder in heftiger eskalierenden Streitigkeiten und
schlechteren Urteilen?
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Der Einfluss von Gebäuden auf den Menschen ist komplex. Es ist mit Studien belegt,
dass gute Krankenhausarchitektur die Genesung der Patienten wirkungsvoll unterstützen
kann. Eine Untersuchung, wie gut geplante Gerichte zur Gerechtigkeit beitragen, steht
noch aus. Aber eine Garantie für ihre segensreiche Wirkung gibt es nicht. „Die Architektur
irritiert auch deshalb“, schreibt der Philosoph Alain de Botton, „weil kein Verlass auf ihre
Fähigkeit ist, jenes Glück heraufzubeschwören, mit dem sie ihren Anspruch auf unser
Interesse rechtfertigt. Auch die edelste Architektur vermag gelegentlich weniger für uns zu
tun als eine Siesta oder ein Aspirin.“
Was rechtfertigt also meine Überzeugung, das Friedensgericht von Esch-sur-Alzette
werde tatsächlich Gerechtigkeit befördern und dem Rechtsfrieden auf den Weg helfen?
Es ist die Haltung seines Architekten Jim Clemes: „Für mich ist Freiheit die zentrale Idee
dieses Gebäudes. Ich will mich in einem Gericht nicht wie ein Gefangener fühlen.“ An dieses
Credo knüpfen sich wie auf einer Perlenkette die Form, der Grundriss, die Ausstattung,
schlüssig bis ins Detail. So erlaubt das Gebäude von allen Seiten Einblicke, ja, zieht sie
abends geradezu auf sich, auch dank eines wunderbaren Lichtkonzepts. Allerdings nicht
auf jene banale Weise, die seit etwa zehn Jahren grassiert: mit Glasflächen allüberall, so als
produzierten wir den Strom für gewaltige Klimaanlagen längst kostenlos und CO2-neutral.
Hier sind die Glasflächen groß genug, um Transparenz und Bürgernähe zu dokumentieren,
aber eben doch so dimensioniert und platziert, einen unkontrollierten Wärmeeintrag zu
verhindern. Das Energiekonzept: zukunftssicher.
Offenheit, Durchblicke: Überall im Gebäude gibt es Sichtbezüge zur umgebenden
Stadt (in einem Raum, wo Anwälte sich mit Mandanten beraten und Zeugen befragt
werden können, mit einer hübschen Pointe: „Dirty Dancing“ verheißt die Leuchtreklame
einer Bar an der direkt gegenüberliegenden Hauswand). Auch im Innern prägen
großzügige Öffnungen zu den Fluren der Verwaltungsbereiche, die Einblicke gewähren.
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Der Einfluss von Gebäuden auf den Menschen ist komplex. Es ist mit Studien belegt,
dass gute Krankenhausarchitektur die Genesung der Patienten wirkungsvoll unterstützen
kann. Eine Untersuchung, wie gut geplante Gerichte zur Gerechtigkeit beitragen, steht
noch aus. Aber eine Garantie für ihre segensreiche Wirkung gibt es nicht. „Die Architektur
irritiert auch deshalb“, schreibt der Philosoph Alain de Botton, „weil kein Verlass auf ihre
Fähigkeit ist, jenes Glück heraufzubeschwören, mit dem sie ihren Anspruch auf unser
Interesse rechtfertigt. Auch die edelste Architektur vermag gelegentlich weniger für uns zu
tun als eine Siesta oder ein Aspirin.“
Was rechtfertigt also meine Überzeugung, das Friedensgericht von Esch-sur-Alzette
werde tatsächlich Gerechtigkeit befördern und dem Rechtsfrieden auf den Weg helfen?
Es ist die Haltung seines Architekten Jim Clemes: „Für mich ist Freiheit die zentrale Idee
dieses Gebäudes. Ich will mich in einem Gericht nicht wie ein Gefangener fühlen.“ An dieses
Credo knüpfen sich wie auf einer Perlenkette die Form, der Grundriss, die Ausstattung,
schlüssig bis ins Detail. So erlaubt das Gebäude von allen Seiten Einblicke, ja, zieht sie
abends geradezu auf sich, auch dank eines wunderbaren Lichtkonzepts. Allerdings nicht
auf jene banale Weise, die seit etwa zehn Jahren grassiert: mit Glasflächen allüberall, so als
produzierten wir den Strom für gewaltige Klimaanlagen längst kostenlos und CO2-neutral.
Hier sind die Glasflächen groß genug, um Transparenz und Bürgernähe zu dokumentieren,
aber eben doch so dimensioniert und platziert, einen unkontrollierten Wärmeeintrag zu
verhindern. Das Energiekonzept: zukunftssicher.
Offenheit, Durchblicke: Überall im Gebäude gibt es Sichtbezüge zur umgebenden
Stadt (in einem Raum, wo Anwälte sich mit Mandanten beraten und Zeugen befragt
werden können, mit einer hübschen Pointe: „Dirty Dancing“ verheißt die Leuchtreklame
einer Bar an der direkt gegenüberliegenden Hauswand). Auch im Innern prägen
großzügige Öffnungen zu den Fluren der Verwaltungsbereiche, die Einblicke gewähren.
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Die Farbflächen der Flure schimmern durch die Fenster hindurch. Je nach Sonnenstand
und Witterung trifft Licht durch die Dachlichtbänder auf die inneren Fassaden. Die Wände
in dem 15 Meter hohen Innenhof sind mit denselben Platten aus Textilbeton verkleidet wie
die Außenfassade. Das Atrium ist gleichsam ein öffentlicher Platz. Freiheit – so kann sie
aussehen.
Gerichtsgebäude, sagt der Soziologe Werner Gephart, seien „versteinerte Rechtskultur“.
Ihre Architektur werde zum Träger gewandelter Bedeutungen im Selbstverständnis der
Justiz. Wenn also früher reich verzierte Giebel und flankierende Türme zur Repräsentation
und Darstellung staatlicher Macht dienten, kündet das Friedensgericht von Esch von einem
wahrhaft demokratischen Verständnis der Gerichtsbarkeit. Aber es wird interessant sein
zu beobachten, wie häufig das 3.0x2.6 Meter große Fenster des kleinen Gerichtssaals, das
sich zum Atrium öffnet, von der eigens dafür vorgesehenen Schiebewand verschlossen
und wieder geöffnet wird. Wie viel Einblicke verträgt ein Richter, eine Verhandlung? Wie viel
Intimität braucht sie?
Interessante Spannungsfelder tun sich auf zwischen Gegensatzpaaren wie Freiheit und
Sicherheit, Transparenz und Diskretion, Erhabenheit und Gleichberechtigung, Respekt und
Nähe, Inszenierung und Funktionalität. Die Zeichen müssen präzise gesetzt werden; die
Botschaften, die ein für das Gemeinwesen so wichtiges Gebäude wie ein Friedensgericht
aussendet, dürfen nicht missverständlich sein. In einer demokratischen Bürgergesellschaft
erklimmt man also keine wuchtige Treppe mehr, die sich zum Portal hin verengt; Vorplatz,
Eingang und Atrium sind auf einer Ebene (was den schönen Nebeneffekt hat, dass keine
Rampe für Rollstuhlfahrer die Klarheit stört). In den Gerichtssälen thronen die Richter nicht
über den Parteien und Zuschauern, sondern sitzen nur um eine Stufe erhöht. Diese eine
Stufe aber ist wichtig. Nur der Respekt vor ihrem Rang verleiht jene Autorität, die für ihre
Funktion unerlässlich ist.
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Die Farbflächen der Flure schimmern durch die Fenster hindurch. Je nach Sonnenstand
und Witterung trifft Licht durch die Dachlichtbänder auf die inneren Fassaden. Die Wände
in dem 15 Meter hohen Innenhof sind mit denselben Platten aus Textilbeton verkleidet wie
die Außenfassade. Das Atrium ist gleichsam ein öffentlicher Platz. Freiheit – so kann sie
aussehen.
Gerichtsgebäude, sagt der Soziologe Werner Gephart, seien „versteinerte Rechtskultur“.
Ihre Architektur werde zum Träger gewandelter Bedeutungen im Selbstverständnis der
Justiz. Wenn also früher reich verzierte Giebel und flankierende Türme zur Repräsentation
und Darstellung staatlicher Macht dienten, kündet das Friedensgericht von Esch von einem
wahrhaft demokratischen Verständnis der Gerichtsbarkeit. Aber es wird interessant sein
zu beobachten, wie häufig das 3.0x2.6 Meter große Fenster des kleinen Gerichtssaals, das
sich zum Atrium öffnet, von der eigens dafür vorgesehenen Schiebewand verschlossen
und wieder geöffnet wird. Wie viel Einblicke verträgt ein Richter, eine Verhandlung? Wie viel
Intimität braucht sie?
Interessante Spannungsfelder tun sich auf zwischen Gegensatzpaaren wie Freiheit und
Sicherheit, Transparenz und Diskretion, Erhabenheit und Gleichberechtigung, Respekt und
Nähe, Inszenierung und Funktionalität. Die Zeichen müssen präzise gesetzt werden; die
Botschaften, die ein für das Gemeinwesen so wichtiges Gebäude wie ein Friedensgericht
aussendet, dürfen nicht missverständlich sein. In einer demokratischen Bürgergesellschaft
erklimmt man also keine wuchtige Treppe mehr, die sich zum Portal hin verengt; Vorplatz,
Eingang und Atrium sind auf einer Ebene (was den schönen Nebeneffekt hat, dass keine
Rampe für Rollstuhlfahrer die Klarheit stört). In den Gerichtssälen thronen die Richter nicht
über den Parteien und Zuschauern, sondern sitzen nur um eine Stufe erhöht. Diese eine
Stufe aber ist wichtig. Nur der Respekt vor ihrem Rang verleiht jene Autorität, die für ihre
Funktion unerlässlich ist.
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Wie müssen Räume beschaffen sein, deren vornehmste Aufgabe es ist, Ausgleich und
Schlichtung – Frieden! – zu ermöglichen? Neurobiologen können nachweisen, wie die
Innenarchitektur, vor allem die Farbgebung, unser vegetatives Nervensystem beeinflusst.
In einem kräftig rot gestrichenen Raum schlägt unser Herz im Durchschnitt zehn Schläge
schneller pro Minute als in einem zartblauen. In einem Raum mit geringem Reizniveau
sind die Alphawellen in unserem Gehirn, die Entspannung zeigen, deutlich zahlreicher
als in einem, der ein buntes Durcheinander von Farben, Formen und Materialien
aufweist. Und so wünschen wir uns Richter und streitende Parteien, die zueinanderfinden
sollen: möglichst entspannt und mit niedrigem Puls. Der Grat zwischen monochrom
und banal, zwischen reizarm und schäbig ist freilich schmal. Aber hier profitiert das
Friedensgericht davon, dass im Team von Jim Clemes nicht nur Architekten, sondern auch
Innenarchitekten arbeiten. Purismus ist etwas für Fachleute.
Wie wunderbar sensibel und vielfältig sie mit Beton umgegangen sind, dem wichtigsten
Baustoff und Gestaltungselement. Fast wie eine Seidentapete spannt sich der Sichtbeton
über die Wände der Gerichtssäle, säumt aufs Feinste geschliffen die Richtertische, schafft
als heller Terrazzoboden eine sanfte Atmosphäre. Den Kontrast dazu bilden Paneele,
Stehpulte und Stühle aus Mooreiche, streng, aber nicht düster. Und die Stühle der Richter:
bezogen mit kirschrotem Leder. Niemand soll rätseln müssen, wem die Aufmerksamkeit
gebührt. Die schlichte Gestaltung, die wenigen Stilmittel, die Sorgfalt der Verarbeitung
schaffen eine fast meditative Ruhe. Schönheit. Sie ist Ausdruck der Wertschätzung für die
Menschen, die hier arbeiten, für die Bürger, die hier streiten (aber sich hoffentlich einigen),
für das Rechtswesen, das sie repräsentieren.
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Wie müssen Räume beschaffen sein, deren vornehmste Aufgabe es ist, Ausgleich und
Schlichtung – Frieden! – zu ermöglichen? Neurobiologen können nachweisen, wie die
Innenarchitektur, vor allem die Farbgebung, unser vegetatives Nervensystem beeinflusst.
In einem kräftig rot gestrichenen Raum schlägt unser Herz im Durchschnitt zehn Schläge
schneller pro Minute als in einem zartblauen. In einem Raum mit geringem Reizniveau
sind die Alphawellen in unserem Gehirn, die Entspannung zeigen, deutlich zahlreicher
als in einem, der ein buntes Durcheinander von Farben, Formen und Materialien
aufweist. Und so wünschen wir uns Richter und streitende Parteien, die zueinanderfinden
sollen: möglichst entspannt und mit niedrigem Puls. Der Grat zwischen monochrom
und banal, zwischen reizarm und schäbig ist freilich schmal. Aber hier profitiert das
Friedensgericht davon, dass im Team von Jim Clemes nicht nur Architekten, sondern auch
Innenarchitekten arbeiten. Purismus ist etwas für Fachleute.
Wie wunderbar sensibel und vielfältig sie mit Beton umgegangen sind, dem wichtigsten
Baustoff und Gestaltungselement. Fast wie eine Seidentapete spannt sich der Sichtbeton
über die Wände der Gerichtssäle, säumt aufs Feinste geschliffen die Richtertische, schafft
als heller Terrazzoboden eine sanfte Atmosphäre. Den Kontrast dazu bilden Paneele,
Stehpulte und Stühle aus Mooreiche, streng, aber nicht düster. Und die Stühle der Richter:
bezogen mit kirschrotem Leder. Niemand soll rätseln müssen, wem die Aufmerksamkeit
gebührt. Die schlichte Gestaltung, die wenigen Stilmittel, die Sorgfalt der Verarbeitung
schaffen eine fast meditative Ruhe. Schönheit. Sie ist Ausdruck der Wertschätzung für die
Menschen, die hier arbeiten, für die Bürger, die hier streiten (aber sich hoffentlich einigen),
für das Rechtswesen, das sie repräsentieren.
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Nach Vittorio Lampugnani sei ein gebautes Werk ein Kunstwerk, das über seinen reinen
Nutzen hinausweist: „Es interpretiert die geistige Position eines Individuums innerhalb einer
Gesellschaft, spiegelt die Widersprüche seiner Zeit wider und hat eine kommunikative,
ästhetische Aufgabe.“ Das Friedensgericht von Esch erfüllt diese Forderung in idealtypischer
Weise. Seiner Aufgabe als Mittel der Kommunikation nimmt es sich auf verschiedenen
Ebenen an. Auf der semiotischen, auf der die Architektur Zeichen setzt, die viele von uns
womöglich eher empfinden als intellektuell verarbeiten. Und auf der semantischen, indem
die Begriffe, die als einziger Schmuck die Fassade zieren, die Werte zitieren, die wir mit der
Gerichtsbarkeit verbinden: Ehrlichkeit, Wahrheit, Loyalität, Vertrauen, Frieden, Bewusstsein,
Redlichkeit, Respekt, Menschlichkeit. Die Dramaturgie der Grafiker hat dafür gesorgt, dass
einen der Begriff „Protection“ anschaut, wenn man unter dem weit auskragenden Vordach
des Gerichts steht, das auf diesen fünf wunderbar schlanken Säulen ruht. Ein guter Platz,
sich hier vor einem Gewitter oder Platzregen in Sicherheit zu bringen. Zyniker mögen das
Spiel mit Begriffen naiv finden, vielleicht sogar rührend. Aber es ist etwas anderes: das tief
empfundene Vertrauen darauf, dass es so etwas wie Gerechtigkeit und Frieden tatsächlich
geben kann und dass sich dafür jeder Einsatz lohnt. Es ist wahrer Idealismus. Und einer
der Gründe, weswegen man einen Idealisten, einen Menschenfreund mit dem Bau eines
Gerichts beauftragen muss. Einen Zyniker – niemals!
Sven Rohde
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Nach Vittorio Lampugnani sei ein gebautes Werk ein Kunstwerk, das über seinen reinen
Nutzen hinausweist: „Es interpretiert die geistige Position eines Individuums innerhalb einer
Gesellschaft, spiegelt die Widersprüche seiner Zeit wider und hat eine kommunikative,
ästhetische Aufgabe.“ Das Friedensgericht von Esch erfüllt diese Forderung in idealtypischer
Weise. Seiner Aufgabe als Mittel der Kommunikation nimmt es sich auf verschiedenen
Ebenen an. Auf der semiotischen, auf der die Architektur Zeichen setzt, die viele von uns
womöglich eher empfinden als intellektuell verarbeiten. Und auf der semantischen, indem
die Begriffe, die als einziger Schmuck die Fassade zieren, die Werte zitieren, die wir mit der
Gerichtsbarkeit verbinden: Ehrlichkeit, Wahrheit, Loyalität, Vertrauen, Frieden, Bewusstsein,
Redlichkeit, Respekt, Menschlichkeit. Die Dramaturgie der Grafiker hat dafür gesorgt, dass
einen der Begriff „Protection“ anschaut, wenn man unter dem weit auskragenden Vordach
des Gerichts steht, das auf diesen fünf wunderbar schlanken Säulen ruht. Ein guter Platz,
sich hier vor einem Gewitter oder Platzregen in Sicherheit zu bringen. Zyniker mögen das
Spiel mit Begriffen naiv finden, vielleicht sogar rührend. Aber es ist etwas anderes: das tief
empfundene Vertrauen darauf, dass es so etwas wie Gerechtigkeit und Frieden tatsächlich
geben kann und dass sich dafür jeder Einsatz lohnt. Es ist wahrer Idealismus. Und einer
der Gründe, weswegen man einen Idealisten, einen Menschenfreund mit dem Bau eines
Gerichts beauftragen muss. Einen Zyniker – niemals!
Sven Rohde
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