die beziehungen zwischen schilddrüse und nervensystem

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28. MAI 1925 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 4. ] A H R G A N G . N r . 22 i 0 5 ~

wellll die pathologische Physiologie der Tollsi l len gleichzei t ig e ingehend gewi i rd ig t wird.

2. Die H y p e r t r o p h i c h a t e i n HXuf igke i t smax imum im 4. und IO. Lebens jahr . Spontane Riickbildl l l lg der Tonsi l len ist nach tier P u b e r t ~ t m i t gr6Bter Wahrsche~nl ichkei t zu er- war ren (PIRQUET, SCHONBIgRGER, BLOS).

3- E in Z u s a m m e n h a n g zwischen ?r und anderen inneren Leiden, wie Rheuma t i smus , Endocard i t i s , Nephr i t i s usw. bes teh t sicher oftmals, is t aber k a u m durch Un te r suchung der Tonsi l len alleill, sondern durch Beobach- tung des kl in ischen Verlaufs sicherzustet len, resp. wahrsehein- l ich zu machen .

4. Die Tonsi l lektomie, nach dem 5. Lebel ls jahr ausgeftihrt , se tz t zweifetlos in 9o% der F~lle die Ne igung zu Anginen er- hebl ieh herab. (Unter 68 Opera t ionel l l lur 7 Mil3erfolge.) Vor dem 5. Lebens jahr jedoch is t ein g/ inst iger Erfolg nur ill 6I % der F~lle zu verze ichnen gewesen (13 Mii3erfolge un te r 33 F~tllen).

L i t e r a t u r : W. C. ALVAREZ, Journ. of the Americ. med. assoc. 80, Nr. 21, S. 1513 . 1923. -- C. JosEPH BECK, Americ. med. assoc, zu St. Louis, 7- Juni 191o, ref. Zentralbl. L Laryngol. 3, 327 . -- RUTH BLOS, Der lymphatisehe Rachenring und dessert

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ORIGINALIEN. DIE B E Z I E H U N G E N Z W I S C H E N S C H I L D D R t J S E

U N D N E R V E N S Y S T E M .

Yon

Prof . A. OSWALD, Ztir ich.

Un te r den markan te s t en S y m p t o m e n des Hypothyreo id i s - mus sind zu nennen : Ver langsamtes Denkverm6gen , Apathie , Bradykard ie , Stuhl t r~ghei t , Verminderung der Schweil3- sekret ion und der Harnabscheidung. Anderersei ts findell wi t bei Hyper thyreo id i smus al lgemeine Nervosi t~t , Hast igkei t , psychomotor ische Unruhe, Aufgeregthei t , Schreckhaft igkei t , Insomnie, Tremor, Tachykardie , gesteigerte Darmper i s ta l t ik , SchweiBausbriiche, gesteiger te Diurese, vasomotor i sche St6- rungen und Herzklopfen. Schon diese einfache Gegentiber- s te l lung weis t auf Beziehungen zwisehen Nervensys t em und Schilddrtise hin.

Nun wissen wir, dab die den Hyper thy reo id i smus charak- ter is ierenden Symptome, vor a l lem Tachykard iG Herzklopfen, Aufgeregthei t , Insomnie, Tremor, bei dazu disponier ten Indi- v iduen auch durch Eingabe von Schi lddrf isenpraparaten aus- gel6st werden k6nnen. Sehr oft re ichen dazu sogar ganz ge- r inge Mengen aus. Den gleichen Ef f ek t kann bei Kropfigen die R6n tgenbes t r ah lung der vorderen Halsgegend haben. Das geschieht dadurch, dal3 sie eine Verkle inerung des Kropfes herbeift ihrt , ve rbunden mi t e inem ve rmehr t en l~ber t r i t t yon Schilddr~senkolloid in die Blu tbahn. Auch Jod ve rmag Xhn- lich zu wirken (Jodbasedow). Die unmi t t e lba re Wi rkung ist die gleiche: Verkleinern_ng der Schilddriise und H a n d in H a n d dami t t~lberflutung des a l lgemeinen Kreislaufes mi t Schild- drtisenselcret.

Es ist nun schon lXngst bekannt , dab nicht alle Menschen auf die Schi lddrf isenmedikat ion gleich s tark reagierell. Auch sind nieht alle Disponier ten zu jeder Zeit in gleichem AusmaB empfindlich. Es liegen pr~gnante Beispiele yon re la t iv groBer Unempf ind l i chke i t in der L i t e ra tu r vor, auf die ieh bei einer anderen Gelegenhei t hingewiesell habet) . Anderersei ts gibt es viele Menschell, die anf sehon re la t iv geringe Mengen Schi lddrt isensubstanz oder, in KropflXndern, auf kleinste Jod- mengen oder eine nur geringe Anzahl R6ntgenbes t rah lungen empfindl ich sind.

Un te r such t man, was die schilddriisen- resp. jodenlpf ind- lictlell Menschen yon den refraktXren unterscheidet , so ge- wahr t man, dab es nament l i ch eine ausgesprochene Labi l i t~ t des Nervensys tems, vorzfiglich des visceralen Abschl l i t ts desselben, ist, der die Empfindl ichel l charakter is ier t . E in Menseh mi t no rmal funkt io l l ie rendem (speziell vege ta t ivem)

Nervensys tem wird niemals Hyper thyreo t ike r , resp. es ent- s teht selbst auf ve rmehr t en 0-ber t r i t t yon Schi lddri isensekret in seine B lu tbahn das klinische Bild des Hyper thy reo id i smus llicht. D a m i t dieser zus tande kommt , is t s te ts eine Al te ra t ion des Nervenappara tes erforderlich. Sie stellt , wie ich schon frt~her dargelegt habe 3), die fiir den Ausbruch des Hyper - thyreoid ismus erforderl iche ex t ra thyreo ida le Kompol len te dar.

Die Notwendigke i t einer Sch~digung des Nervensys tems als Bedingung ftir das Zus t andekommen der Hype r thy reose erkl~Lrt uns die viel gr6Bere Toleranz der t<inder gegelliJber Schilddriisen- und Jodmedika t ion , da Sch~digungen im Be- reich des Nervensys tems im pr~pubera len Alter seltener sind.

Mit diesen kl inischen 13eobachtungen s tehen die Ergeb- nisse des Tierversuches in vo l lem I~inklang. Sic ges ta t ten uns sogar in selten befr iedigender Weise, die Beobaeh tungen am K r a n k e n b e t t zu erkl~ren.

Gehen wir v o m Blutkre is lauf aus, dessen Ver~.nderungen be im Hyper thyreo id i smus zu den ob jek t iv am gellauesten fes ts te l lbaren geh6ren. Im Tierversuch ist erwiesen, dab das Schilddrt isensekret die Ansprechbarke i t des die Herz t~ t igke i t regul ierenden Vagus und Accelerans und des den Blu td ruck beherrschenden Splanchnicus und Depressor erh6ht. Die b lu tdrucks te igernde \ 'Virkung des Adrenal ins wird un te r dem Eiuflul3 des Sclli lddrtisensekretes m/icht ig gef6rdert . Auch die Wirkul lg anderer den Kreis lauf beeinflussenden Pha rmaca wird, wie ich ill einer noch nicht ver6ffent l ichtel l Versuchsreihe beobachte t babe, gesteigert , z. B. die yon Pilocarpill , His ta- rain, Morphin. Die durch Pi locarpin bewirkte Ver langsamung des Pulses ist un te r dem Einftu/3 des Schilddrfisensekretes ausgesprochener und h~lt langer an. Die yon His t amin (/3-ImidazolylXthylamin) ausgel6ste Blu td rucksenkung ist s tarker und al lhaltel lder nach Verabre ichung yon Schild- dri isensubstanz, ebenso ist die durch Morphin bewirkte Un- regelmXl3igkeit des Pulses nach Schi lddri isendarreichung s tarker und anhal tender als vorher. Werden diese Substanzen in solchen Mengen verabreicht , dal3 sie noch keine Wirkung ausl6sen, so wird eine solche manifest , wenn nachtr~gl ich Schilddrt isensekret zugeftihrt wird.

AsI~XR und seine Mitarbei ter haben gezeigt, dab die acce- lerierende \ u des Adrenal ins auf die T~t igkei t des iso- lierten, f iberlebenden S/iugetierherzens durch Schilddriisen- substanz gesteigert wird. Nach Zufi igung yon Sehilddrtisen- ex t r ak t zur Spiilfliissigkeit ist die Beschleull igung gr6Ber.

Des wei teren wird, wie eigene, noch nicht ver6ffent l ichte Versuche am Kaninchen darge tan haben, die thermische \ u des Adrenal ins durch Schilddrfisensubstanz be- einfluBt.

zo54 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 4. J A I - I R G A N G . Nr. 2~ zS. 3iAI ~25

EPPINGER, FALTA und RUDINGER haben bei thyreoid- ektomierten Tieren nach Schilddrfisendarreichung Adrenalin- mydriasis erhalten. Beim nicht thyreoidektomierten Kanin- chen habe ich sie nicht erzeugen k6nnen.

Es ist nicht ausgeschlossen, dab auch andere, vom vis- ceralen Nervensystem versorgte Organe, wenn nicht alle unter dem EinfluB des Sehilddrfisenextraktes starker ansprechen. Wit k6nnen dies annehmen ffir die Muskelwand der Bronchien, des I)finndarms, die lVlm. arrectores pilorum u. a.

Es ist zu erwfihnen, dab alle diese Organe nnd Gewebe durch das Schilddrfisensekret nicht direkt erregt werden, wie z. 13. die sympathisch innervierten Gebilde dutch Adrenalin. Das Schilddriisenhormon ist kein direktes Erregungsmittel ffir sie, es erh6ht bloB ihre Ansprechbarkeit.

Nun gibt es eine t~eihe yon autonom innervierten Organen, die durch die Schilddrfisensubstanz scheinbar direkt err~gt werden. So haben AS~ER nnd seine Mitarbeiter dargetan, dab Schilddrfisenextrakt die Zahl der automatischen Ken- t rakt ionen des isolierten SLougetierdfinndarms, der Harn- blase utld des Uterus vermehrt. Diese Wirkung scheint sich yon der auf den Gef~Bapparat zu unterscheiden. Hier scheint das Ext rakt direkt erregend zu wirken. Der Untersehied ist jedoch nur scheinbar. In Wirklichkeit ist die Wirkung die gleiche. Der Unterschied besteht nu t darin, dab bei den er- w~hnten Organen die Erregung yon ihrem Inneren, yon ihrer Automatie ausgeht. Ein nicht im Znstande der Automatie be- findliches Organ wird nieht beeinfluBt. Auch hier wird also blog die Ansprechbarkeit erh6ht. In beiden F/illen spielt die Schilddrfisensubstanz die Rolle eines Sensibilisators.

Aus dem Gesagten ersehen wir, dab das Schilddrfisen- sekret die Ansprechbarkeit des antonom-visceralen Nerven- systems erh6ht, und zwar die beider Abschnitte dessetben, des sympathischen und des parasympathischen.

Da die Thyreoidalmedikation auch, wie ~i r gesehen haben beim Menschen in manchen F~llen Aufgeregtheit, Insomnie psychomotorische Unrnhe und, wie noch nachgeholt werden soll, eine Erh6hung der Spinalreflexe bewirkt, mfissen wir annehmen, daf3 das Schilddrfisensekre4 auch das cerebro- spinale Nervensystem ansprechbarer macht.

Daraus ergibt sich, dab es ganz allgemein die nerv6se An- sprechbarkeit erh6ht.

In seltenen F~llen hat man bei Tieren auf Zufuhr yon Sehilddrfisensubstanz eine Blutdruckerniedrigung beobachtet. Diese Wirkung riihrt j edoch nicht yon einer Wirkung des Schilddriisenhormons her. Es handelt sich hier um eine \u yon Cholin, welches in der Schilddrfise wie in allen parenchymat6sen Organen vorkommt. Das reine Schild- drfisenhormon (Thyreoglobulin) hat diese Wirkung nicht. In anderen, seltenen F~llen hat man beim Hund eine be- schleunigende \u auf die Herzt~tigkeit beobachtet [HEINATZ, LIVON, PATNA3)], w~thrend in der weitaus gr6Bten Mehrzahl der Versuche eine Ver~inderung der Herzschlag- folge, selbst nach protrahierter Einverleibung yon Schild- drfisensubstanz nicht hat festgestellt werden k6nnen [CuN- N1NGHAM, STOLAND, CARLSON, ROOKS, McKIE, MARINE4)]. Auch am isolierten, fiberlebenden, am Langendorffschen Apparat arbeitenden S~ugetierherzen konnte eine Anderung weder der Schlagkraft noch der Schlagzahl nachgewiesen werden [RICHARDSON, KAKEHIL)]. Dort, wo Ver~nderungen beobaehtet wurden, handelte es sich mn Tiere mit leicht an- sprechbarem vegetativen Nervensystem. 13ekanntlieh ist es KLosE und anderen 6) gelungen, dureh Zufuhr yon Schild- drfise - - IKLOSE hat dies ffir 13asedowstrumen, 13ARUCH sp~ter auch ffir andere Strumen nachgewiesen -- bei Tieren Tachykardie, Nervosit~t, Tremor, Schweil3bildung usw. aus- zul6sen. Wie aus den Protokollen yon KLOSE hervorgeht, waren die verwendeten Hnnde durch Inzucht stark degene- rierte, in ihrem Nervensystem gesch~tdigte Foxterriers. Hier haben wir also dieselben Verh~tltnisse Me bei zu H}-per- thyreoidismus disponierten Menschen. Die extrathyreoidale, nerv6se Komponente war gegeben. Auch hierdnrch ist die Bedeutung des Nervensystems ffir das Zustandekommen des Hyperthyreoidismus erwiesen. Auch hieraus ergeben sich also innige Beziehungen zwischen Schilddriise nnd Nervensystem.

"Wir ersehen aus dem Dargelegten, eine wie grof3e ~'ber- einstinmmng sich zwischen den 13eobachtungen am Menschen und am Tier ergibt.

Gehen wit nun auf ein anderes Gebiet, den Stoffwechsel, fiber. Es ist bekannt, dab das Schilddrfisensekret die allge- meinen Verbrennungen erh6ht. Diese Wirkung ist ffir das Tier und den Menschen sichergestellt. Ganz betrXchtlich macht sie sich bei Myx6dem (und beim strumektomierten Tier) geltend, wo die Verbrennnngen unternormal sind und sich infolgedessen leicht erh6hen lassen. Bekannt ist des ferneren die Steigerung des Basalstoffwechsels bei }3asedow. Durch die genaue Analyse des Gaswechsels und der Stick- stoffausscheidung ist festgestellt, dab an der Steigerung der Verbrennungsprozesse das Fe.tt, die Kohlenhydrate und wohl auch die Proteink6rper sich beteiligen. Die Neigung zu Glykosurie bei ]3asedow weist gleichfalls auf St6rungen im Kohlenhydratstoffwechsel hin. Die Toleranzgrenze ffir Trau- benzucker ist erniedrigt bei Hyperthyreoidismus nnd erh6ht bei Myx6dem. Adrenalinglykosurie wird leichter erhalten beim Hyperthyreotiker als beim Gesunden und ist beim Hypothyreotiker oft nicht auszul6sen.

Interessanterweise l~Bt sich die Stoffwechselsteigerung dureh Schilddrfisensubstanz nicht bei allen Individuen in gleichem Mal3e bewirken. Auch haben eirle ganze Reihe yon Autoren (SCHOLZ, RICHTER, PFIEFFER, ZINN) beim 5ienschen keine Steigernng der Stickstoffausscheidung nach Schild- driisenzuffihr erhalten. Es miissen also noch andere Faktoren mitwirken. Vg'elches sind diese? t-Iierfiber gibt uns die kli- nische Beobachtung AufschluB. Sie lehrt uns, dab die Ab- magerung, d. h. also der Verbrauch yon IK6rpersubstanz, bei Jodbasedow um so st~trker ist, je ausgepr~gter die fibrigen Symtome sind. An dem st~trkeren Verbrauch ist nicht etwa bloB die gr613ere motorische Unruhe schuld, sondern auch der Basalstoffwechsel ist erh6ht, die Verbrennungen sind also an und ffir sich gesteigert. Da nun die Intensit~t der nerv6sen Symptome in direktem Verh~ltnis zum Grade der Nerven- ansprechbarkeit steht, ist es wohl statthaft, anzunehmen, dab auch die Abmagerung in demselben Konnex steht.

Hieraus ist zu entnehmen, dab die ~Virkungsweise der Thyreoidea auf den Stoffwechsel in ihrem Wesen die gleiche ist wie die auf die fibrigen Organfunktionen. \u sich des ferneren ergibt, dab der allgemeine Stoffwechsel, die Gewebsoxydationen, unter der Herrschaft des Nervensystems steht.

Da nun die stoffwechselsteigernde ~Virkung des Sehild- drfisensekrets durch Vermittlung des Nervensystems erfolgt, so l~gt sich im weiteren annehmen, dab auch seine wachs- tumf6rdernden Eigenschaften, die bei Hypothyreoidismus so schlagend zum Ausdruck kommen, aut gleichem Wege sich geltend maehen. Daraus erg~be sich, dab das Wachstum eine Funkt ion des (vegetativen) Nervensystems wXre. In diesem Zusammenhang ist es interessant, darauf hinzuweisen, dab WALTER 9) durch anatomisch-histologische Untersuchungen an durch Sektion degenerierten Nervenst~immen zur Annahme geffihrt wurde, dab die Wachstumsst6rungen bei jungen athyreoten Tieren auf dem \Vege fiber die Nervenbahnen zustande kommen.

Es ist nicht ausgeschlossen, dab das von HOL~GRE~ 8) beobachtete gesteigerte L~ngenwachstum bei in der \u tumsperiode mit 13asedowsymptomen behafteten jungen Indi- viduen auf ~thnliche Momente zurfickzufiihren ist.

Aus all dem Gesagten ergibt sich eine einheittiche Auf- fassung der Thyreoidealtunktion. Wit haben gesehen, dab die Thyreoidea die Ansprechbarkeit des Nervensystem.s, speziell des autonom-visceralen, erh6ht. Nun haben AS~ER und seine Mitarbeiter im Tierversuch gezeigt, dab die Sekre- tionst~tigkeit der Thyreoidea, wie die der ektokrinen Driisen, unter dem Einflug des Nervensystems erfolgt. Die Thyreoidea hat Sekretionsnerven im gleichen Grade wie etwa die Spei- cheldrfisen und wie wohl auch alle anderen ektokrinen Drfisen und andere endokrine Drfisen. Sie erh~ilt ihre Sekretionsreize yore Nervensystem. Andererseits wirkt sie auf das Nerven- system ein und erh6ht dessen Ansprechbarkeit. Die Schild- drfise ist somit als ein Organ aufzufassen, das, dynamisch

28. MAI 1925 KLINISCHE W O C H E N S C H R I F T . 4. J A H R G A N G . N r . 22 lO55

gesprochen, iln Nervensys t em zwischen den reizgebenden Zen t ren und den Nervenend igungen resp. den Erfolgs- organen in terpol ier t is t zu dem Zwecke, den yon jenen aus- gehenden Impulsen mehr Nachach tung zu verschaffen. Sic en lpf~ngt voil den Zent ren Reize und erm6gl icht durch Ver- mi t t e lung ihres Sekretes den Zent ren den Ef fek t ihrer Reize zu erh6hen. Sie spiel t die Rotle eines Reizvers t~rkungsmit te ls , eines Mult@likators der Nervenreize . Hierdurch unterscheidet ale sich yon den anderen endokr inen Driisen, wie die Neben- nieren, Hypophyse , deren H o r m o n e direkte Reizmi t te ! sind. Dies erkl~trt uns, war l lm die Schilddrtise nicht yon so I lnmit te l- ha t e r Notwendigke i t Iiir das For tbes tehen des Lebens ist nnd w a r u m der Organismus, wenn auch gewissermal3en auf e iner niederen Akt ivi t / i t ss tufe , so doch l~ingere Zeit ohne sic leben kanll.

Die angeft ihr ten Da ten erm6gl ichen uns das Syndrom des Hype r - und Hypo thyreo id i smus zu erfassen. Sie ges ta t ten nns, die al lgemeine H y p e r a k t i v i t ~ t zu verstehen, welche ein charakter i s t i scher Zug des ]3asedow ist, die gesteigerte Herzt~t igkei t , die vasomotor i schen St6rungen, die St6rungen der Organe mi t g la t te r Muskulat i l r (gesteiger~e Darmper i - s t a l t ik usw.), die Ste igerung der Oxydat ionen, die psychische Erregthe i t , die Insomnie Ilsw. Sic erkl~ren uns die al lgemeine H y p o a k t i v i t ~ t bei Myx6dem, die Apathie , Bradykard ie , die Herabse tzung des Stoffweehsels usw. Sic erklfirell uns auch, w a r u m der gesunde Mensch nu t wenig oder sozusagen gar n ich t auf Schilddrfisenzufuhr reagier t und warum der nerven- geschw~ichte durch sic so sehr gesch~digt wird. Be im ersteren is t die Reizschwelle des Nerve i lappara tes hoch, beim le tz teren of t ~uf3erst niedrig.

~Vir sind v o m Jodbasedow ausgegangen. Die angeft ihr ten Ta t sachen k6nnen abet ebenso gut ftir die Erkl~rui lg des genuii len Basedow herangezogen werden. Aueh dor t f inder mai l immer nerv6se Antezedent ien , die speziell das viscerale Ne rvensys t em betreffen. Also auch dor t haben wir die gleichen ~Beziehungen zwischen Schilddriise und Nervensys tem.

\u haben bisher Ilur yon Schilddrtiseilsekret gesprochen, ohne dem H o r m o n einen N a m e n zu geben. Alle die erw~hnten ~Eigenschaften auf die Nervenzent re l l und die periphereil Nervenei lden, sowie auf den Stoffwechsel und das W a c h s t u m besi tz t der aus der Schilddriise gewinnbare jodhal t ige EiweiB- k6rper, das Thyreoglobul in .

Das Thyrox in bes i tz t nach den Untersuchui lgen PLUM- MERS und anderer amer ikanischer Autoren wohl die Stoff- wechselwirkung Ilnd, wie es scheint, die Wi rkung auf das Wachs tum, es besi tz t aber Ilicht, wie reich eiile bisher noch n ich t ver6ffent l ichte Untersuchungsre ihe am i<aninchen und H u n d lehrte, die auf die den Btutkreis lauf beherrschenden N e r v e n (Vagus, Splanchilicus). In diesem Zusammenhang ist es i i l teressant, dab HAMMETTD) das Thyrox in auch auf die T~t igkei t der die Darmper i s t a l t ik ausl6senden Appara te (Auerbachscheil Plexus) unwirksam fand. Es ist hieraus zu en tnehmen , dab das Thyrox in jedenfalls n icht alle physio- logischen Eigenschaft.ell der Schilddrt isensubstanz besitzt, dab es ihr also n icht ebenbi i r t ig ist, somit n icht das volle H o r m o n darstel l t . I m iibrigen ist zu erw/~hnen, dab es in der Schilddrtise nicht pr/~existiert, sondern nu t du tch t iefe che- mische Spal tung daraus gewonnen wird. Es is t ein ktinst- l iches Spa l tungsprodukt des Thyreoglobulins , Ilnd enth~l t Bach der Aussage yon KENDALL selbst Ilicht alles in der Schilddrfise enthal te i lde Jod, w~hrend das Thyreoglobul in d ie Gesamtmel lge des Jods nachgewiesenermagen einschlieBt.

i t e r a t u r : 1) A. OSWALD, Die Schilddrflse ill Physiologic ~and Pathologie, S. 41 . Leipzig 1916; und Schweiz. Arch. f. Neurol. u. Psychiatric 12, 282. 1923. -- 2)A. OSWALD, Dtsch. reed. Wochenschriit 1924, Nr. 38. -- ~) HEINATZ, Inaug.-Diss. {russisch) 1894; LIvoN, Cpt. rend. des s6ances de la soc. de biol. �9 898, S. 98 ; A. PASTA, Arch. di farmacol, sperim, e scienze aff. 6, lO2, 19o7 . _ a) Cvx~IX~IIA~, Journ. of exp. reed. 1898, S. 147; S~OLANB, Americ. journ, of physiol. 19o2, S. 37 ; CARLSON, ROOKS und Mc.KIE, Americ. journ, of physiol. 1912, S. 129; D. MARINE, ]ourn. of the Americ. med. assoc. 1912, S. 325 . -- ~) H. t3. RICHARDSON, Zeitschr. L Biol. 67, 57. 1916; S. Is Zeitschr. f. ]Biol. 67, lO4. 1916. -- �9 ) H. tKLOSE, Arch. f. kiln. Chirurg. 93, 649- 1911 und Bruns' BBeitr. ~. klin. Chirurg. 77, 6Ol. 1912; BBARUC~, Zentralbl. f. Chirurg. 1911,

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OBER HYPOGLYKAEMIE. X/on

l~ICHARD PRIESEL u n d RICHARD WAGNER, Assistenten an der Universit~its-Kinderklinik in Wien

(Vorstand: Prof. CL. PIRQUET).

Seit der Einf i ihrung der Insu l inbehandlung wurde did Kl in ik um ein Symptomenb i ld bereichert , welches frtiher nu t un te r ganz ex t r emen exper imente l len t3edingungen, bei schweren Vergif tungen oder Korre la t ionss t6rungen der inner- sekretor ischen Drfisen znr Beobach tung k a m : die Hypo- glykiimie. Klinische Beobach tungen tiber niedriges Nfichtern- b lu tzuckern iveau im Vertaufe yon Krankhe i t en waren auBer- ordent l ich selten. Be im Hvpothyreoidismus war der niedrige Nt ich te rnb lu tzuckerwer t schon seit lailger Zeit bekai ln t und es wurde dami t die hohe Zucker toleranz bei dieser I<rallkheit in Zusammenhang gebracht . Be im Morbus Addisoni sollen ebenfalls abnorm niedrige Blu tzuckerwer te die Regel sein uild werden als Ursache itir die bei dieser Krai lkhei t beobachte te Adynamie angenommen; exper imente l l ha t seinerzeit PORGES 1) die Ve ra rmung des Blutes an Zucker be im H u n d e dilrch Nebennie renexs t i rpa t ion hervorgerufen. Auch bes t immte Lebergif te sind imstande, Hypogiyk~mie zu veri lrsachen, wie z. B. das Hydraz in , welches nach den Unte r suchungen yon UNDERHILL ZU elekt iver Lebersch~tdiguilg fiihrt . DaB Leber- ausschal tung (Eckscher Fis te lhund) zu Hypoglyk~imien ffihrt, is t seit den Unte r suchungen yon FlSCHLER 2) genau be- kannt , welcher seinerzeit daftir den N a m e n ,,glvkopr.ive Intoxi- kation" gepr~tgt hat. Auch bestimlmte F o r m e n yon Hypo- p i tu i ta r i smus haben niedriges Blu tzuckern iveau im Gefolge, allerdings mi t Ver~inderungen des t31utvoIums im Sinne einer erh6hten t (onzent ra t ion , welch letzteres S y m p t o m zur Diffe- rentialdiagilose gegeniiber hepatogener und pankrea togener Hypoglyk~tmie hera'ngezogen werden kann. Erythrocy~cen - z~hlungen geben darfiber AufschluB.

Anf die Frage der renalen Glyko~'urie bei herabgese tz tem Blu tzuckern iveau (Typus Phtorrhidzinglykosurie) b rauch t in diesem Zusammenhang il icht n~her eingegangen zu werden. Auch init iale F~lle voil ech tem Diabetes melli t l ls k6nnen ails- nahmsweise sogar ein gegen die N o r m erniedrigtes Blutzucker- n iveau aufweisen.

Klinisch ist bis j e tz t kein Fal l yon endogener Hyper insu l in- ~mie bekannt . Expe r imen te l l ha t j i ingst M A N S F E L D 3) a n zwei H u n d e n dilrch Ui l te rb indung eines Teiles des Pankreas einen Zus tand hervorgerufen, den er als Hyper insul in~mie auffaBt, deren zwei H a u p t s y m p t o m e der abnorm tiefe B lu tzuckerwer t nach 48 Stundei l Nahrungskarenz und die erh6hte Kohlen- hydra t to le ranz nach peroraler Darre ichl lng yon Glucose sind. D a m i t is t der Weg fiir eiile Different ialdiagnose zwischen hepa- togener und pankrea togener Hypoglyk~mie gegeben. In Eng- land ha t sich CAMMIDGE 4) mi t dem Prob lem der Hypog lyk~mie eingehend beschMtigt und ein Krankhei t sb i ld yon Leberii lsuf- fizienz mi t Tox/imie und HypoglykXmie im Gefolge beschrie- ben: Milde F o r m e n von t lypoglykS.mie seien keine Seltenheit . Die Haup tk l agen solcher Pa t i en ten bes tehen in le ichter Er- mtidbarkei t , Mangel an Koi lzentra t ionsf~higkei t bei der Arbei t ; die S y m p t o m e sind am ausgesprochensten in der Frt ihe IIIld werden im Laufe des Tages immer geringer, besonders, wenn kleine, h~ufige Mahlzei ten genommen werden. In den schweren Fo rmen wurden auch Schwindel und Koordina t ions- s t6rungen beobachte t . CAMMIDG~ (1. C.) beschreibt die Kran- kengeschichte eines Pat ienten , dessert nf ichterner ]31utzucker- wer t 45 rag% betrug. Den ext remste i l Tal l yon hepatogener Hypog lyk~mie ha t einer yon uns beideil EWAGNER~)] beob- ach te t und wiederhol t dart iber ber ichtet . Hier bes tand ein m~ich- ~iger Lebe r tumor und eiile ganze Reihe yon anderen Stofi- wechselanomalien, a i l f die bier n icht n/~her e ingegangen wet - den kann. Der ]31utzuckerwert im nt ichternen Zustai ld nach I4s t i indiger Nahrungskarenz bet-rilg bei d i e s e m K i n d e 3o his

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