beziehungen zwischen kieferorthopädischen und orthopädischen befunden
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Manuelle Medizin und Kieferorthopädie
| Manuelle Medizin 6•2000346
Zusammenfassung
Ziel der Studie war die Untersuchung der Be-
ziehungen zwischen kieferorthopädischen
und orthopädischen Befunden. Es wurden
50 Patienten im Alter von 4–55 Jahren in
einer physiotherapeutischen Sprechstunde
untersucht; 23 Patienten waren männlich
und 27 weiblich. Orthopädische Untersu-
chungsdaten bezüglich Körperhaltung, funk-
tionellen Einschränkungen der Wirbelsäule
und Palpation der Kopf- und Halsmuskulatur
wurden standardisiert durch einen Untersu-
cher erfasst. Die orthopädischen Befunde
wurden mittels Fishers exaktem Test in Be-
zug zur kieferorthopädischen Klassifikation
der Patienten (Angle-Klasse I, II, III und
Asymmetrie) gesetzt.
Es ergaben sich statistisch signifikante
Korrelationen zwischen thorakaler Hyperky-
phosierung und Kopfvorhaltung (p=0,002),
thorakaler Hyperkyphosierung und Becken-
schiefstand (p=0,046) sowie Beckenschief-
stand und Skoliose der Wirbelsäule
(p=0,032). Bei Patienten mit Asymmetrien
im Zahn- und Kieferbereich war eine stati-
stisch signifikante Korrelation zu Becken-
schiefständen (p=0,015) und funktioneller
Beinlängendifferenz (p=0,009) zu finden.
Funktionelle Einschränkungen im Bereich
der Bewegungssegmente der Wirbelsäule
fanden sich sehr häufig im Halswirbelsäulen-
bereich. Dieser Wirbelsäulenabschnitt war
am häufigsten von Funktionseinschränkun-
gen betroffen. 54% der Patienten wiesen
druckdolente Muskeln im Kopf- und Halsbe-
reich auf. Der M. masseter war am häufigsten
druckschmerzhaft, gefolgt vom M. pterygoi-
deus medialis und der suprahyoidalen
Muskulatur.
Diese Ergebnisse zeigen, dass bei Pa-
tienten mit Angle-Klasse I, II und III keine ge-
Kieferorthopädie und allgemeine Or-thopädie zeigen für spezielle Problem-bereiche in Ätiologie, Diagnostik undTherapieverfahren enge interdisziplinä-re Kontakte. Die vorliegende Studie do-kumentiert auf diesem Gebiet einigeSchwerpunkte, welche sich aus einempraktischen Vorgehen unter Berücksich-tigung der ganzheitlichen Aspekte fürunsere Patienten ableiten und Ansätzefür weitere praxisrelevante Untersu-chungen eröffnen. Besonders bei Patien-ten mit Asymmetrien im stomatognatenBereich ist nach Literaturangaben [7, 10,12] mit Haltungsauffälligkeiten in ande-ren Bereichen des Körpers zu rechnen.Mögliche Korrelationen zwischen Kör-perhaltung einerseits sowie Zahn- undKieferstellung andererseits sollen in die-ser Studie untersucht und evaluiert wer-den.Als orthopädische Befunde werden
Untersuchungen zur Körperhaltung, derfunktionellen Überprüfung von Bewe-gungssegmenten der Wirbelsäule undder Palpation der Kopf- und Halsmus-kulatur im Vergleich zu standardisiertenkieferorthopädischen Befunden wie derAngle-Klasse I, II und III Dysgnathiensowie Asymmetrien im Zahn- und Kie-ferbereich.
Literaturübersicht
Zahlreiche Autoren haben sich mit denBeziehungen zwischen Gebiss und Wir-belsäule befasst: Schwarz [13] beschreibtbereits im Jahr 1926 einen Zusammen-hang zwischen Kieferlage und Kopfhal-tung. So komme es bei Dorsalflexion desKopfes zu einer Rückverlagerung desUnterkiefers.Der Kondylus ruhe bei die-ser Kopfhaltung im dorsalen Bereich derFossa des Kiefergelenkes. Bei einer Ven-tralflexion komme es dagegen zu einerVorverlagerung des Unterkiefers. Beidieser Kopfhaltung sei der Kondylus imventralen Bereich der Fossa zu finden.Nicht die Zahnstellung alleine ist für ihnentscheidend, sondern Kieferstellung,Kopfhaltung, Schlaflage und Atemfunk-tion bilden ein komplexes System beider multikausalen Ätiologie der Dysgna-thien.
Gresham u. Smithells [5] fordertenschon im Jahr 1954, man solle Dysgna-thien nicht als eigenständige Entitätenansehen, sondern auch die Haltung desPatienten bei der klinischen Untersu-chung mitberücksichtigen. Die Kopf-
Manuelle Medizin und KieferorthopädieManuelle Medizin2000 · 38:346–350 © Springer-Verlag 2000
C. Lippold1 · Ulrike Ehmer1 · L. van den Bos2
1 Poliklinik für Kieferorthopädie, Münster2 Praxis für Physiotherapie und Manuelle Therapie, Münster
Beziehungen zwischen kieferorthopädischen undorthopädischen Befunden
Dr. C. LippoldPoliklinik für Kieferorthopädie,
Waldeyerstraße 30, 48149 Münster
nerelle Notwendigkeit für eine interdiszipli-
näre physiotherapeutische und kieferortho-
pädische Behandlung besteht. Bei Patienten
mit Kieferasymmetrien ließen sich in dieser
Studie statistisch signifikante Korrelationen
zu den untersuchten physiotherapeutischen
Befunden nachweisen. Bei diesen Patienten
besteht eine generelle Notwendigkeit für
einen interdisziplinären Ansatz in Diagnostik
und Therapie.
Schlüsselwörter
Kieferorthopädie und Orthopädie ·
Kieferasymmetrie und Beckenschiefstand ·
Kieferasymmetrie und funktionelle
Beinlängendifferenz
Manuelle Medizin 6•2000 | 347
C. Lippold · U. Ehmer · L. van den Bos
Relationship between orthodontic and orthopedic findings
Abstract
The aim of this study was to examine the
relationship between craniofacial morpholo-
gy and physiotherapeutic data.Therefore
50 patients aged 4–55 years were examined
in a physiotherapeutic consultation; 23 were
males and 27 females. Physiotherapeutic
data concerning body posture, functional
disorder of the vertebral column and palpa-
tion of the head and neck muscles were ex-
amined.These results were related to cranio-
facial morphology (angle classes I, II, III and
craniofacial asymmetry) by means of Fisher’s
exact test.
Hyperkyphosis of the thoracic spine
was significantly related to anterior position
of the head (P=0.002) and to oblique pelvis
(P=0.046). Oblique pelvis correlated consid-
erably to scoliosis of the vertebral column
(P=0.032). Craniofacial asymmetry was sig-
nificant related to oblique pelvis (P=0.015)
and functional shortness of one leg
(P=0.009). Functional disorders of the cervi-
cal spine were often found.The cervical spine
was that part of the vertebral column with
the most functional impairment. Fifty-four
percent of the patients had muscular pain or
positive trigger points in the head and neck
muscles. Most of them had muscular pain in
the masseter, pterygoideus medialis and
suprahyoideal muscles.
These results show that our “standard
malocclusions”(Angle classes I, II and III) did
not show statistically significant correlations
to the examined physiotherapeutic data.
There is no general need for interdisciplinary
diagnosis and treatment. In severe cases the
orthodontist should decide about the indi-
vidual treatment need. Patients with cranio-
facial asymmetry showed statistically signifi-
cant correlations to some of the examined
physiotherapeutic data.These patients have
a general need for interdisciplinary diagnosis
and treatment.
Keywords
Orthodontics and orthopedics · Craniofacial
asymmetry and oblique pelvis · Craniofacial
asymmetry and functional leg shortness
und Hals- Region spiele eine wichtigeRolle bei der Aufrechterhaltung des Kör-pergleichgewichtes. Duyzings [2] er-kannte bereits 1955,dass ein Zusammen-hang zwischen Kieferlage, Os hyoideumund Inklination der Halswirbelsäule be-steht. Wachsmann [16] untersuchte imJahr 1960 Gebisse von skoliotischen Pa-tienten und solchen mit schlaffer Kör-perhaltung und verglich diese mit einerKontrollgruppe. Bei Patienten mit sko-liotischer Fehlkrümmung der Wirbel-säule konnte er keinen erhöhten Anteilvon Dysgnathien nachweisen.Auffallendwar hingegen der erhöhte Anteil von Ge-bissunregelmäßigkeiten bei Patientenmit schlaffer Körperhaltung.
Balters [1] verweist auf eine gemein-same Ursache für Zahn- Kieferfehlstel-lungen und Körperfehlhaltungen. Pra-ger [9] wies in einer Studie aus dem Jahr1980 einen signifikant höheren Anteilvon Zahnstellungs- und Kieferanomali-en bei Patienten mit Deformitäten derWirbelsäule nach. Besondere Beachtungfand der Kreuzbiss:„Aufgrund des signi-fikanten Unterschiedes in der Häufigkeitfestgestellter Kreuzbisse in beiden Pati-entenkollektiven ist der Schluss zu zie-hen, dass sich eine Störung der Körper-symmetrie durch eine Abweichung imWirbelsäulenverlauf auf den Kiefer-Ge-sichtsbereich besonders in Form eineseinseitigen Kreuzbisses übertragenkann.“ Auch Hirschfelder u. Hirschfel-der [6] sehen gewisse Beziehungen zwi-schen Gesichtsskoliosen und einer Sko-liose der Wirbelsäule.
Lukanowa-Skopakowa [7] fordertaufgrund der Ergebnisse einer Reihen-untersuchung aus dem Jahr 1987 die in-terdisziplinäre Zusammenarbeit vonOrthopäden und Kieferorthopäden beiProphylaxe und Therapie der Patientenmit Wirbelsäulenverkrümmungen undZahnstellungs- und Kieferdeformierun-gen. Eine enge interdisziplinäre Zusam-
menarbeit wird auch von Pecina et al. [8]gefordert.Aufgrund der Möglichkeit,be-stimmte Dysgnathien früher zu diagno-stizieren als eine skoliotische Verkrüm-mung der Wirbelsäule, seien die Kiefer-orthopäden aufgerufen eng mit Ortho-päden zusammenzuarbeiten.
Wichtige Untersuchungen zur Rela-tion von Schädelmorphologie und Kopf-haltung sowie zur Inklination der Hals-wirbelsäule wurden von Solow u. Tall-gren [14] durchgeführt.
Rocabado [11] beschreibt die ortho-statische Stabilität des Schädels auf derWirbelsäule als wichtigen Faktor für dieStellung des Unterkiefers. Er schlägt da-her ein spezielles Übungsprogramm fürdie Harmonisierung der Funktionen imKopf- und Halsbereich vor.
Schupp u. Zernial [12] weisen 1997auf Zusammenhänge zwischen Okklusi-on, Kieferlage, dem kraniosakralen Sy-stem,reaktiven Muskelketten sowie demneurophysiologischen System. Kieferor-thopädie sei immer auch als ganzheitli-che Therapieform anzusehen und könnenicht auf das stomathognate System be-grenzt werden.
Probanden und Methoden
Probanden
50 Patienten mit vollständigen kieferor-thopädischen und im Rahmen der phy-siotherapeutischen Sprechstunde in derPoliklinik für Kieferorthopädie erhobe-
Manuelle Medizin2000 · 38:346–350 © Springer-Verlag 2000
Abb. 1 � Angle-Klasse I, Neutralbiss: regelrech-te Kieferlage
Abb. 2 � Angle-Klasse II, Distalbiss: Kieferfehllage als Rücklage des Unterkiefersund/oder Vorlage des Oberkiefers
Manuelle Medizin und Kieferorthopädie
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nen orthopädischen Befunden konntenin die Untersuchung einbezogen wer-den; 23 Patienten waren männlich und27 weiblich. Das Durchschnittsalter derPatienten betrug 25,9 Jahre mit einerStandardabweichung von 11,3. Der älte-ste Patient war 55,3 Jahre und der jüngste4,4 Jahre alt.
Zum erweiterten Verständnis dervon uns verwendeten kieferorthopädi-schen Einteilung sei auf das Kapitel„Klassifikation der kieferorthopädischenBefunde“ von Ehmer [3] hingewiesen.Die Abb. 1, 2 und 3 dokumentieren in derÜbersicht die Klassifikation nach Angle,die mit folgendem Zitat dokumentiertwerden kann:„Komprimiert auf die ein-fachste Form einer eindimensionalenKlassifizierung nach morphologischenFehlern hat dieses Prinzip bereits Anglemit einer ausschließlich sagittalen Ok-klusionseinteilung verwirklicht.“
Die kieferorthopädische Einteilungdes in die Studie einbezogenen Patien-tengutes ist in Abb. 4 dargestellt.
Methoden
Die Untersuchung unseres Patientengu-tes erfolgte durch einen erfahrenen Phy-siotherapeuten. Zunächst wurde dieKörperhaltung der Probanden analy-siert. Danach erfolgte die Funktions-überprüfung der Bewegungssegmenteder Wirbelsäule und abschließend diePalpation der Muskulatur des Kopf- undHalsbereichs [4]. Die Untersuchungskri-terien sind der Tabelle 1 zu entnehmen.
Statistik
Für die deskriptive Statistik wurdenMittelwerte mit Standardabweichungenangegeben. Da es sich um relativschwach besetzte Vierfeldertafeln han-delte,erfolgte die Prüfung auf Abhängig-keit zweier nominaler Merkmale mittels
des exakten Tests nach Fisher [17]. Beieinem p-Wert kleiner als 0,05 wurde vonSignifikanz der Merkmale ausgegangen.
Ergebnisse und Diskussion
Untersuchung der Körperhaltung
Die Ergebnisse der Untersuchung derKörperhaltung zeigten bei 76% der un-tersuchten Probanden Haltungsauffäl-ligkeiten. Zur Übersicht und weiterenDifferenzierung dient die Darstellung inTabelle 2.
Bei vielen der Probanden wurdengleichzeitig mehrere Haltungsauffällig-keiten diagnostiziert. Hierbei war häu-fig eine Kombination von Skoliose, tho-rakaler Hyperkyphosierung, Becken-schiefstand und funktioneller Beinlän-gendifferenz zu finden.
Eine Skoliose der Wirbelsäule wur-de bei annähernd der Hälfte unsererProbanden diagnostiziert. Sie wurde ge-häuft bei Probanden mit Angle-Klasse IIund solchen mit Kieferasymmetrien ge-funden. Dieses gehäufte Auftreten vonSkoliosen bei bestimmten kieferortho-pädischen Gruppen wird auch von an-deren Autoren bestätigt. [8, 9, 10, 15] Esließ sich keine statistisch signifikanteKorrelation zwischen einer Skoliose undbestimmten Dysgnathiegruppen fest-stellen. Zwischen den Merkmalen Sko-liose und Beckenschiefstand fanden wireine statistisch signifikante Korrelation(p=0,032).
Eine thorakale Hyperkyphosierungder Wirbelsäule wurde bei etwa einemDrittel unserer Probanden festgestellt.Besonders häufig war diese in der Grup-pe der Kieferasymmetrien zu finden. Eskonnte kein Zusammenhang zwischenbestimmten Dysgnathiegruppen und ei-ner thorakalen Hyperkyphosierung fest-gestellt werden.
Die statistische Auswertung der un-tersuchten Merkmale untereinander er-gab eine statistisch signifikante Korre-lation zwischen thorakaler Hyperky-phosierung und Beckenschiefstand(p=0,046) sowie zwischen thorakalerHyperkyphosierung und Kopfvorhal-tung (p=0,002).
Mehr als ein Drittel der Probandenwies eine Kopfvorhaltung auf. Es wurdekeine Korrelation zwischen einer Kopf-vorhaltung und bestimmten Dysgna-thiegruppen ermittelt. Jedoch war auf-fallend, dass die Kopfvorhaltung häufigmit einer thorakalen Hyperkyphose auf-trat. Einige Autoren weisen in diesem
Abb. 3 � Angle-Klasse III, Mesialbiss: Kieferfehllage als Vorlage des Unterkiefersund/oder Rücklage des Oberkiefers
Abb. 4 � Einteilung der Patienten nach kieferorthopädischen Befunden
Tabelle 1Zusammenfassende Darstellung der Untersuchungsmethoden
Untersuchung der Körperhaltung: SkolioseThorakale HyperkyphosierungKopfvorhaltungBeckenschiefstandFunktionelle Beinlängendifferenz
Funktionsüberprüfung der Wirbelsegmente: FlexionseinschränkungExtensionseinschränkungLateroflexionseinschränkungRechtsrotationLinksrotation
Palpation der Kopf- und Halsmuskulatur: M. pterygoideus lateralis M. pterygoideus medialisM. masseterM. temporalisSuprahyoidale MuskulaturInfrahyoidale Muskulatur
Manuelle Medizin 6•2000 | 349
Zusammenhang auf die Beziehungenzwischen Balance des Kopfes und derübrigen Wirbelsäule hin. [11, 12, 15]
Nur bei ca. 20 Patienten konntenBeckenschiefstände und funktionelleBeinlängendifferenzen festgestellt wer-den. Es war auffällig, dass besondersProbanden mit KieferasymmetrienBeckenschiefstände aufwiesen. MittelsFishers exaktem Test konnte eine stati-stisch signifikante Korrelation zwischenden Merkmalen Asymmetrie undBeckenschiefstand festgestellt werden(p=0,015).
Der ansonsten recht geringe Anteilvon Probanden mit funktioneller Bein-längendifferenz war in der Gruppe derKieferasymmetrien besonders hoch. Eskonnte eine statistisch signifikante Kor-relation der beiden Merkmale festge-stellt werden (p=0,009).
Überprüfung der Bewegungs-segmente im Bereich der Wirbelsäule
Im Halswirbelsäulenbereich wurden bei88% unserer Probanden Funktionsein-schränkungen im Bereich der Bewe-gungsegmente von Wirbelkörpern fest-gestellt. Flexions- und Extensionsein-schränkungen wurden selten festgestellt(2% bzw. 4%). Lateroflexionseinschrän-kungen (42%) sowie rechts- (26%) oderlinksrotierte (40%) Bewegungssegmen-te wurden deutlich häufiger diagnosti-ziert. Im Bereich der Brustwirbelsäulewurden bei 80% der untersuchten Pro-banden funktionelle Einschränkungenim Bereich der Bewegungssegmente derWirbelkörper festgestellt. Es wurde kei-ne Flexionseinschränkung gefunden.Bei6% der Probanden lagen Extensionsein-schränkungen vor. Lateroflexionsein-
schränkungen waren sehr selten anzu-treffen (2%). Rechts- (50%) und linksro-tierte (40%) Wirbelkörper wurden weit-aus häufiger gefunden.
Bei 44% der Probanden wurdenFunktionseinschränkungen im Lenden-wirbelbereich gefunden.Es konnte keineFlexionseinschränkung und nur sehrwenige Extensions- (2%) und Latero-flexionseinschränkungen (2%) diagno-stiziert werden. Bei jeweils 20% der Pro-banden waren Bewegungssegmenterecht- oder linksrotiert. Dies sind deut-lich weniger als im Hals- und Brustwir-belsäulenbereich.
Eine statistisch signifikante Korre-lation zwischen Funktionseinschrän-kungen und bestimmten kieferorthopä-dischen Gruppen lag nicht vor.
Palpation der Muskulatur im Kopf- und Halsbereich
Bei 54% der untersuchten Patienten er-gaben sich druckdolente Muskeln. DerM. pterygoideus lateralis war bei 2 Pati-enten (4%) druckschmerzhaft. DerM. pterygoideus medialis wies bei 8 Pa-tienten (16%) Druckdolenz auf. DieDruckdolenz des M. pterygoideus me-dialis war immer mit einer Druckdolenzdes M. masseter kombiniert. 17 Patien-ten (34%) wiesen eine Druckdolenz desM. masseter auf. 4 Patienten mit Druck-dolenz des M. masseter wiesen gleich-zeitig einen druckdolenten M. tempora-lis auf. Die Gruppe der suprahyoidalenMuskeln schmerzte bei der Palpation bei11 Patienten. (22%) Bei 2 Patienten (4%)war die infrahyoidale Muskulaturdruckdolent. Es wurde keine statistischsignifikante Korrelation zwischen be-stimmten druckdolenten Muskeln und
kieferorthopädischen Gruppen festge-stellt.
Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse der Untersuchung derKörperhaltung unserer Probanden las-sen die folgenden Schlussfolgerungenzu:
◗ Patienten mit Dysgnathien der Ang-le-Klassen I, II und III zeigten keinestatistisch signifikanten Korrelatio-nen zu den untersuchten orthopädi-schen Befunden. Bei diesen Patien-ten besteht daher keine generelleNotwendigkeit für eine interdiszipli-näre physiotherapeutische und kie-ferorthopädische Behandlung. In be-sonderen Fällen sollte der Kieferor-thopäde über eine individuelle Be-handlungsnotwendigkeit entschei-den.
◗ Bei Patienten mit Kieferasymmetri-en ließen sich in dieser Studie stati-stisch signifikante Korrelationen zuden untersuchten orthopädischenBefunden nachweisen. Bei diesen Pa-tienten besteht eine generelle Indika-tion für einen interdisziplinären An-satz. Dieser könnte aus einer inter-disziplinären Diagnostik und einersequentiellen interdisziplinären The-rapie bestehen. Eine physiotherapeu-tische Begleitbehandlung könnte so-mit zur funktionellen Harmonisie-rung des Patienten beitragen.
Tabelle 2Ergebnisse der Untersuchung zur Körperhaltung
Inspektionsbefunde Gesamt männlich weiblich Angle-Klasse I Angle-Klasse II Angle-Klasse III Asymmetrienn=50 n=23 n=27 n=10 n=20 n=13 n=7
Unauffällig 12 24% 2 8,7% 12 44,4% 3 30% 4 20% 5 38,4% 0 0%Skoliose 22 44% 12 52,2% 10 37,0% 3 30% 10 50% 5 38,4% 4 57,1%Thorakale 19 38% 10 43,5% 7 25,9% 3 30% 5 25% 5 38,5% 4 57,1%HyperkyphosierungKopfvorhaltung 19 38% 13 56,5% 6 22,2% 5 50% 7 35% 4 30,8% 3 42,9%Beckenschiefstand 9 18% 3 13,0% 6 22,2% 2 20% 2 10% 1 7% 4 57,1%Funktionelle 8 16% 3 13,0% 5 18,5% 1 10% 2 10% 1 7% 4 57,1%Beinlängedifferenz
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| Manuelle Medizin 6•2000350
Buchbesprechung
Janet G. Travell, David G. SimonsHandbuch der Muskel-Triggerpunkte Untere Extremität
1. Aufl. München: Urban & Fischer, 2000.609 S., (ISBN 3-437-41401-1), Pp, DM 198,–
Myofasziale Triggerpunkte sind eine häufig über-sehene und missverstandene Quelle weitverbrei-teter Muskel-Skelett-Schmerzen.Sie sind bei derEntstehung und Behandlung akuter und rezidivie-render Schmerzsyndrome von großer Bedeutung.
Nachdem im Jahre 1998 der erste Band(Obere Extremität, Kopf und Thorax) in deutscherÜbersetzung erschien, liegt nun der lang erwarte-te 2. Band über die untere Extremität vor. Ebensowie der erste Band überzeugt dieser zweite Banddurch seinen didaktisch klar strukturierten Kapi-telaufbau. Es werden in verständlicher Weise dietheoretischen Grundlagen und die funktionelleAnatomie vermittelt. Aussagekräftige Illustratio-nen werden zweifellos auch diejenigen überzeu-gen, die das Buch nur flüchtig durchblättern. Diepraxisorientierte Beschreibung des diagnosti-schen und therapeutischen Vorgehens bei der Be-handlung myofaszialer Schmerzsyndrome ist gutnachvollziehbar und umsetzbar.
Myofasziale Triggerpunkte und ihre Bedeu-tung für Schmerzzustände werden heute nichtmehr kontrovers diskutiert. Sie sind mittlerweilefest etabliert in das Gedankengut der meistenmanualmedizinischen Schulen. Die praktischeUmsetzung von Untersuchung und Behandlungmyofaszialer Triggerpunkte ist jedoch noch keinfester Bestandteil der Ausbildung in ManuellerMedizin. Der vorliegende Band eröffnet neue Di-mensionen, er sensibilisiert den Kliniker zwischenmyofaszialen Schmerzsyndromen und artikulärenDysfunktionen einerseits und Fibromyalgie ande-rerseits Schnittstellen zu erkennen.
Im ersten Band wurden die entscheidendenGrundlagen der Myofaszialen Schmerzsyndrome(MPD - Myofascial Pain Dysfunction Syndromes)und die praktischen Verfahren dargelegt, die da-mals dem Stand der Wissenschaft entsprachen.Diese werden bereichert und ergänzt durch diezusätzlichen Erfahrungen der Autoren. Es wird imvorliegenden Band immer wieder auf verwandteDiagnose- und Behandlungsverfahren der Manu-ellen Medizin Bezug genommen. In den der The-rapie gewidmeten Abschnitten werden alternati-ve Behandlungsverfahren beschrieben, für diekein Kühlspray mehr erforderlich ist. Damit rea-gieren die Autoren auf das zunehmende Umwelt-risiko und die schädliche Wirkung von Fluoro-Me-than auf die Ozonschicht.
Ich empfehle dieses Buch allen Ärzten undPhysiotherapeuten die Patienten mit akuten undrezidivierenden Schmerzsyndromen behandeln.Es wird sich zu einem echten Klassiker im Bereichmanualmedizinischer Literatur entwickeln.
M. Dölken (Mannheim)
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