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Arbeit als sicherer (H)Ort in der Krise? Arbeitsorganisation und Arbeitsschutz in der
Covid-19-Pandemie
Digitales Kolloquium "Soziologische Perspektiven
auf die Corona-Krise", 14.04.2021
Dr. Anita Tisch
Hintergrund
Erwerbsarbeit hat – sofern gut gestaltet – einen positiven
Einfluss auf das Wohlbefinden und die Gesundheit
(vgl. z.B. Warr 1987; Paul & Batnic 2010)
Soziale Ungleichheiten bezüglich arbeitsbedingter,
gesundheitlicher Risiken
(vgl. z.B. Marmot et al. 1991; Ravesteijn et al. 2018)
(Aktuelle, krisenbedingte) Unsicherheiten können Risiken
für Wohlbefinden und Gesundheit erhöhen
(vgl. z.B. Köper & Gerstenberg 2016; Kratzer & Dunkel 2011)
14.04.2021 Arbeit als sicherer (H)Ort in der Krise2
Hintergrund und Annahmen
Erwerbsarbeit stiftet – gerade in Krisenzeiten – (zeitliche)
Struktur, sozialen Rückhalt, individuellen und kollektiven
Sinn, Chance zur Kontrolle der eigenen Lebensumstände
(vgl. Jahoda 1983)
Betriebliche Eingebundenheit erhöht die Chance auf soziale
Zugehörigkeit und psychosoziale Unterstützung; Fehlende
persönliche Interaktion reduziert den Zusammenhalt
(vgl. z.B. Badura 2008; Diewald & Nebe 2020; Kleemann 2005)
Covid-19: Erhöhte gesundheitliche Risiken durch
persönliche Interaktion in der Erwerbsarbeit14.04.2021 Arbeit als sicherer (H)Ort in der Krise3
Fragestellung
Welche – neuen und alten – Ungleichheiten im Bezug auf
Arbeit und Gesundheitsschutz lassen sich in der Covid-19
Pandemie beobachten?
zur Diskussion: Mit welchen möglichen langfristigen
Auswirkungen sind diese verbunden?
14.04.2021 Arbeit als sicherer (H)Ort in der Krise4
Rahmenbedingungen
2020 Jan Mär Apr Aug 2021 Jan März April
14.04.2021 Arbeit als sicherer (H)Ort in der Krise5
Erster Fall
von SARS-
Cov-2 in
Deutsch-
land
Einstufung
der WHO
als
Pandemie
Arbeits-
schutz-
standards
SARS-
Cov-2-
Arbeits-
schutzregel
SARS-
CoV-2-
Arbeits-
schutz-
verordnung
Verläng-
erung der
SARS-
CoV-2-
Arbeits-
schutz-
verordnung
Pflicht
Testange-
bot
Rahmenbedingungen: STOP-Prinzip
Fürsorgepflicht des/r Arbeitgebers/in
Rangfolge von Schutzmaßnahmen im Arbeitsschutz:
Organisatorische Maßnahmen
Substitution (Vermeidung/ Beseitigung der Gefahrenquelle)
Technische Maßnahmen (räumliche Trennung)
Organisatorische Maßnahmen (räumlich-zeitliche Trennung)
Personenbezogene Maßnahmen
Persönliche Maßnahmen (z.B. Schutzkleidung, Unterweisung)
14.04.2021 Arbeit als sicherer (H)Ort in der Krise6
Datengrundlagen
„Betriebe in der Covid-19 Pandemie“ (BeCovid):
1.556 - 1.791 befragte Betriebe
Datenerhebung August/ September 2020 und Oktober 2020
In Kooperation mit IAB
Inhalt: u.a. Vorhandensein und Art Schutzmaßnahmen, Beteiligung
verschiedener Personengruppen an der Maßnahmenentwicklung, Homeoffice
SOEP-CoV:
2654 bzw. 940 erwerbstätige Personen
Datenerhebung April-Juni 2020 und Januar 2021
Auswertungsprojekt mit DIW
Inhalt: Vorhandensein verschiedener Schutzmaßnahmen, Bewertung
14.04.2021 Arbeit als sicherer (H)Ort in der Krise7
Ergebnisse Betriebsdaten
14.04.2021 Arbeit als sicherer (H)Ort in der Krise8
Betriebliche Ungleichheiten
Unzureichende
organisatorische wie
personenbezogene
Maßnahmen
Ausreichende
organisatorische
ODER
personenbezogene
Maßnahmen
Ausreichende
organisatorische UND
personenbezogene
Maßnahmen
organisatorische UND
personenbezogene
Maßnahmen UND
Berücksichtigung
psychischer
Belastungen
18 % 41 % 27 % 15 %
Kleinstbetriebe 22 % 43 % 25 % 9 %
Kleinbetriebe 9 % 38 % 28 % 24 %
Mittlere Betriebe 5 % 27 % 42 % 26 %
Großbetriebe - 10 % 48 % 41 %
14.04.2021 Arbeit als sicherer (H)Ort in der Krise9
Quelle: BeCovid (2. Welle), eigene Berechnungen von Beck, Kersten, Michels, Robelski, Sommer, Tisch
Betriebliche Ungleichheiten
14.04.2021 Arbeit als sicherer (H)Ort in der Krise10
9
10
7
14
8
67
72
64
55
34
18
11
26
24
54
5
6
3
6
5
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Gesamt
bis 10
10 bis 49
50 bis 249
250 und mehr
… im geringeren Umfang ermöglichen… im selben Umfang ermöglichen… im größeren Umfang ermöglichenweiß nicht
Homeoffice
im Vergleich zur Zeit
vor der Krise...
Betriebsgröße
(Anzahl Beschäftigte)
Gesamt
Anteilswerte, nur für Betriebe, in denen Homeoffice grundsätzlich
möglich ist, hochgerechnet auf Basis von n = 1.053 Betrieben
Quelle: BeCovid (4. Welle), eigene Berechnungen von Backhaus, Tisch, Kagerl, Pohlan: https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Bericht-
kompakt/Homeoffice-Corona.pdf?__blob=publicationFile&v=6
Ergebnisse Individualdaten
14.04.2021 Arbeit als sicherer (H)Ort in der Krise11
Soziale Ungleichheiten: Bildung
14.04.2021 Arbeit als sicherer (H)Ort in der Krise12
Quelle: SOEP-CoV Jan 2021, eigene Berechnungen von Meyer, Robelski, Sommer, Tisch
Deutlichere Unterschiede bei organisatorischen Maßnahmen
51%44%
27%
7%1%
54%48%
30%26%
11%
64%
52%
43%
70%
19%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Umg Aufgaben Umg Team Freistellung Homeoffice Flex-AZ
ASM 5 ASM 6 ASM 7 Pcovjobho Pcovjob8
Bildung niedrig (1a-c) Bildung mittel (2a-c) Bildung hoch (3a/b)
Soziale Ungleichheiten: Bildung
14.04.2021 Arbeit als sicherer (H)Ort in der Krise13
Quelle: SOEP-CoV Jan 2021, eigene Berechnungen von Meyer, Robelski, Sommer, Tisch
88%
95% 95%
70%
92% 89%95%
64%
94%87%
95%
65%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Abstand MNB Desinfektion Hygiene
ASM 1 ASM 2 ASM 3 ASM 4
Bildung niedrig (1a-c) Bildung mittel (2a-c) Bildung hoch (3a/b)
Keine nennenswerten Unterschiede bei personenbezogenen Maßnahmen
65%
54%
54%
37%
32%
57%
48%
33%
36%
12%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Umgestaltung Aufgaben
Umgestaltung Teams
Freistellung Schutzbedürfitger
Homeoffice
Flexible Arbeitszeiten
Welle 1: Apr-Jul 2020 Welle 2: Jan-Feb 2021 * p<0.05
Organisatorische ASM
*
*
*
Schutzmaßnahmen im Zeitverlauf
14.04.2021 Arbeit als sicherer (H)Ort in der Krise14
Quelle: SOEP-CoV, eigene Berechnungen von Meyer, Robelski, Sommer, Tisch
93%
81%
90%
59%
91%
90%
95%
66%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Abstand
Mund-Nase-Schutz
Desinfektionsmittel
Andere Hygienemittel
Personenbezogene ASM
*
*
*
*
Hinweis auf Individualisierung
von Risiken?
Fazit und Thesen
14.04.2021 Arbeit als sicherer (H)Ort in der Krise15
Arbeit als sicherer (H)Ort in der Krise?
Bekannte Ungleichheiten bezüglich gesundheitlicher Risiken am
Arbeitsplatz zeigen sich auch in der Krise (z.B. im Hinblick auf
betriebliche Faktoren und sozio-ökonomischen Status).
Individualisierung von Risiken kann zu Unsicherheit und in der Folge
zu psychischen Belastungen führen.
Dies gilt insbesondere für Beschäftigte mit wenig Handlungsspielraum
bezgl. Arbeitszeit und -ort.
Um Arbeit sicher zu gestalten müssen individuelle Unsicherheiten und
damit verbundene psychosoziale Belastungen noch stärker
berücksichtigt werden.
Vielen Dank!
Ergebnisse aus Projekten in Kooperation mit:
Nils Backhaus, Sophie-Charlotte Meyer, Swantje Robelski, Sabine Sommer (BAuA)
Lutz Bellmann, Christian Kagerl, Laura Pohlan, Jens Stegmeier (IAB)
Markus Grabka, Thomas Rieger, Carsten Schröder (DIW)
Kontakt: tisch.anita@baua.bund.de
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