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ALICE

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alice

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Premiere 27.9.12 KleiNeS HaUSAufführungsdauer 2 Stunden, 40 Minuten, eine Pause

Aufführungsrechte Felix Bloch Erben GmbH & Co KG, BerlinInternationale Musikverlage Hans Sikorski / Edition Wilhelm Hansen Hamburg

Auf Wunsch der Urheber ist die Wiedergabe der Songtexte in keinerlei Form gestattet. Wir verweisen auf den Text auf S. 26.

Je meHr TüreN maN öffNeT, deSTo Tiefer geräT maN HiNeiN

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Alice UrSUla groSSeNbacHer Charles Dodgson roberT beSTaWeißes Kaninchen, Weißer Ritter roberT beSTaLilie JoaNNa KiTzl Rose HaNNeS fiScHer Zwei Gänseblümchen aNNa-magdaleNa beeTz JaN aNdreeSeNRaupe eva derleder Fisch, ein Lakai gUNNar ScHmidTFrosch, ein Lakai NaTaNaËl lieNHard Herzogin aNNa-magdaleNa beeTz Köchin JaN aNdreeSeN Grinsekatze HaNNeS fiScHer Hutmacher JoaNNa KiTzl Märzhase JaN aNdreeSeN Haselmaus aNNa-magdaleNa beeTzRehkitz NaTaNaËl lieNHard Schachkönig gUNNar ScHmidT Schachkönigin eva derleder Weißes Schaf gUNNar ScHmidT Humpty Dumpty HaNNeS fiScHer Tweedledum JaN aNdreeSeN Tweedledee JoaNNa KiTzlSchwarzer Ritter NaTaNaËl lieNHard Altar Boy (Solo) georg KraUSe Altar Boys láSzló braNKo breidiNg, lUKaS frieS, leoN HellSTerN, marviN HocK

Klavier, Harmonium, Celesta, Theremin clemeNS ryNKowSKiPercussion, Drumset, Schlagwerk, JaKob diNKelacKerWaldhorn, Trompete, Marimba, Vibra-Phon Bass, Gitarre, Klavier, Saz, Windmaschine floriaN ryNKowSKiPosaune, Sousaphon, Tuba JocHeN welScHBassklarinette, Saxophon, Piccolo, Querflöte SveN PUdilBratsche agaTa zieba

alice von Robert Wilson, Tom Waits, Kathleen Brennan & Paul Schmidtnach Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ Deutsch von Wolfgang Wiens

Musik und Gesangstexte von Tom Waits & Kathleen Brennan | Text von Paul Schmidt Regie, Design und Visual Concept der Originalproduktion von Robert Wilson

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Technische Direktion Harald faSSlriNNer, ralf HaSliNger Bühne HeNdriK brügge-maNN, edgar lUgmair Leiter der Beleuchtung STefaN woiNKe Leiter der Tonabtei-lung STefaN raebel Ton JaN fUcHS, STefaN raebel Leiter der Requisite wolfgaNg feger Requisite clemeNS widmaNN Werkstättenleiter gUido ScHNeiTz Malsaal-vorstand dieTer moSer Leiter der Theaterplastiker ladiSlaUS zabaN Schreinerei roUveN biTScH Schlosserei mario weimar Polster- und Dekoabteilung UTe wieN-berg Kostümdirektorin doriS HerSmaNN Gewandmeister/in Herren PeTra aNNeTTe ScHreiber, roberT HarTer Gewandmeisterinnen Damen TaTJaNa graf, KariN wörNer, aNNeTTe groPP Waffenmeister micHael PaoloNe Schuhmacherei THomaS maHler, barbara KiSTNer Modisterei diaNa ferrara, JeaNeTTe Hardy Chefmaskenbildner raimUNd oSTerTag Maske friederiKe reicHel, SoNJa roSS, melaNie laNgeNSTeiN, SaNdra oeSTerle Leiter der Statisterie rolf JeNeweiN

Mit freundlicher Unterstützung der

Ursula Grossenbacher

dicH gibT eS NUr iN SeiNem TraUm.

Regie daNiel PflUger Musikalische Leitung & Arrangements clemeNS ryNKowSKi Bühne flUriN borg madSeN Kostüme JaNiNe werTHmaNN Licht cHriSToPH PöScHKoDramaturgie NiNa STeiNHilber Regieassistenz eric NiKodym Bühnenbildassistenz Viktoria strikiČ Kostümassistenz STefaNie gaiSSerT Regiehospitanz aliNa STadler, robiN graber Bühnenbildhospitanz deNiSe HUber Soufflage dagmar weber Inspizienz NiKolaUS NaUy

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Charles Dodgson hat Kopfschmerzen. Die Stimmen in seinem Kopf bilden scheinbar sinnlose Wortketten. Dodgson träumt – und jedes Bild, jeder Gedanke gilt dem Mädchen Alice.

Alice posiert für die Kamera von Charles Dodgson. Im Blitzlicht verwandelt der Fotograf sich in ein weißes Kaninchen. Alice folgt dem Kaninchen und ist plötzlich unter der Erde. Das Kaninchen ist verschwunden. Eine Flasche fordert Alice auf, aus ihr zu trinken. Sie trinkt und landet in einem Labyrinth unterschiedlich großer Türen. Ist sie gewachsen? Oder geschrumpft? Oder hat sich nur ihre Um-gebung verändert?

Durch eine der Türen gerät Alice in den Garten der sprechenden Blumen. In heller Aufregung angesichts der ihnen unbe-kannten Pflanze fordern die Blumen Alice

auf, ihnen zu sagen, wer sie ist. Sie rea-lisiert, dass sie ihren Namen vergessen hat, kann sich aber gerade noch daran erinnern, dass sie ein Mädchen ist. Als die Blumen sie weiter bedrängen, droht Alice, sie zu pflücken. Die Blumen begin-nen zu weinen, als die Rose ihr Lied über den ewigen Kreislauf von Leben und Tod, Erblühen und Verwelken singt.Eine Raupe erscheint und verspeist die Blumen.

Auch die Raupe verlangt von Alice Auf-schluss über ihre Identität – und wieder muss Alice feststellen, dass sie verges-sen hat, wer sie ist. Sie sagt, dass sie klein sei und gerne wachsen würde. Die Raupe rät ihr, die Fassung zu bewahren und singt das Lied des Freakshow-Stars Tabletop Joe.

Kaum ist die Raupe verschwunden, be-gegnet Alice dem Fisch, der dem Frosch

zUm iNHalT

wer biN icH?

Robert Besta, Ursula Grossenbacher

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eine Einladung für die Herzogin von Ihrer Majestät, der Schachkönigin zum Krocket-spiel überbringen will. Und wieder ist da das weiße Kaninchen – und eine Tür, die Alices Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ob-wohl der Frosch sie warnt, dass dahinter alle verrückt sind, öffnet Alice die Tür.

Sie gelangt in eine Küche. Unter Be-obachtung der Grinsekatze gehen die Köchin und die Herzogin ihren immer-gleichen Tätigkeiten nach. Die Herzogin hält zudem ein schreiendes Bündel auf dem Schoß. Der Gedanke, bald selbst eine Mutter mit Baby zu sein, erschreckt Alice und sie will raus aus der Küche. Da landet das schreiende Bündel in ihrem Arm – und Alice versinkt mitsamt der Küche.

Außerhalb des Wunderlandes schreibt Charles Dodgson Briefe an die kleine Alice. Die erwachsene Alice erzählt ihrer Katze von den Nachmittagen bei dem Fotografen Charles Dodgson.

Zurück im Wunderland trifft Alice auf die Grinsekatze und fragt sie nach dem richtigen Weg. Die Katze erklärt ihr, dass am Ende jedes Weges jemand wartet, der verrückt ist. Alice landet in der verrück-ten Teegesellschaft mit dem Hutmacher, der Haselmaus und dem Märzhasen.

Je verzweifelter Alice einen Ausweg sucht, desto tiefer gerät sie hinein in das Wunderland. Im Wald ohne Namen trifft Alice zum ersten Mal ein Wesen, das wie sie selbst vergessen hat, wer oder was es ist. Doch nach einem kurzen Moment der Annäherung erkennen das Reh und das Mädchen einander als das, was sie sind. In den Augen des Rehs ist Alice als Mensch ein Monster – und es ergreift die Flucht. Alice bleibt allein zurück.

Von überall her tauchen plötzlich Wun-derland-Figuren auf, denen Alice im Verlauf der Geschichte bereits begegnet ist, und werden zu Schachfiguren.

Die Schachkönigin erscheint und will dem Mädchen den Prozess machen. Alice wird angeklagt, „pikante Briefe“ empfangen zu haben. Als das Urteil vollstreckt werden soll, erscheint im letzten Moment Charles Dodgson in Gestalt des weißen Ritters, um Alice zu retten.

In einem Vorspiel besingt ein gealter-ter Messdiener die Katastrophe seines von Missbrauch gezeichneten Lebens. Charles Dodgson tritt auf und vertreibt den Altar Boy.

Alice bittet ihn, das Rätsel um ihre Iden-tität zu lösen – doch statt einer Antwort konfrontiert er sie mit einem neuen Rätsel: Sie soll herausfinden, was Jabberwocky bedeutet. Dodgson verwandelt sich er-neut in das weiße Kaninchen, Alice setzt ihren Weg durch das Wunderland fort.

Sie begegnet einem Schaf, das etwas aus seiner eigenen Wolle strickt, aber auch nicht weiss, was mit Jabberwocky gemeint ist. Schließlich landet Alice vor einer Mauer, auf der ein riesiges Ei namens Humpty Dumpty sitzt, das ihr erklärt, Jabberwocky sei eine Mauer aus Wörtern. Das Ei rät ihr, herauszufinden, ob es auch ohne Wörter etwas bedeutet.

Während Alice weiter im Wunderland feststeckt und versucht, das Rätsel zu lösen, taucht Charles Dodgson erneut außerhalb auf. Er erzählt von seiner ersten Begegnung mit Alice, die dem großen Lärm in seinem Kopf ein Ende gemacht hat – und von seiner Sehnsucht,

Folgeseiten Joanna Kitzl, Hannes Fischer

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in diesem Moment die Zeit anzuhalten. Weiße Steine weisen ihm den Weg in den Wald. Aus Charles Dodgson wird wieder das weiße Kaninchen – und es prüft Alice mit „Doublets“, einem Spiel, bei dem das Mädchen durch schrittweisen Austausch einzelner Buchstaben von einem Wort zum andern kommen muss. Aus Hand wird Fuss und aus Wörtern werden Töne – bis plötzlich Tweedledum und Tweedledee auftauchen, Zwillinge, die gegeneinander kämpfen, um sich voneinander zu unter-scheiden, und die Alice auf das Gewitter hinweisen, das kurz darauf tatsächlich über sie hereinbricht.

Auf Blitz und Donner folgen der schwar-ze und der weiße Ritter, die um Alice kämpfen. Der schwarze Ritter schlägt den weißen Ritter und erklärt Alice, dass sie nur im Traum des weißen Ritters existie-

re. Er kündigt an, sie zur Schachkönigin zu bringen, wo man sie köpfen werde. Das Wunderland ist außer Kontrolle geraten. Alice ist der Schachkönigin und ihrem Hofstaat ausgeliefert, man will ihr erneut den Prozess machen. Die als Beweis für ihr Vergehen vorgelegten Briefe sind sämtlich mit ihrem Namen beschrieben. Alice wehrt sich gegen die Anschuldi-gungen – und wieder erscheint der weiße Ritter, um sie zu retten. Er bekennt sich des Verfassens der Briefe schuldig und soll nun seinerseits verurteilt werden. Bei dem Versuch, ihn zu köpfen, verwandelt der weiße Ritter sich über das weiße Kaninchen zurück in Charles Dodgson. Als Erfinder des Wunderlandes beansprucht er die Macht über die Figuren für sich – und lässt sie verschwinden. Alice glaubt, die Geschichte sei nun zu Ende …

Hier ScHeiNeN alle verrUcKT zU SeiN.

Nähere Informationen zu den Songs finden Sie auf Seite 26 in diesem Heft.

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„In Alice ist alles, was mich an der Kunst interessiert: Das Changieren von Fiktion und Realität, die Konstruktion von Parallelwelten, die Kartografie des Unterbewusstseins, surreale Kontexte und Maßstabsverschiebungen, aber auch schwarzer Humor und Bosheit“, beschreibt der bildende Künstler Stephan Huber seine Faszination für die Alice-Welt, die der Mathematiker, Fotograf, Schriftsteller und Diakon Charles Lut-widge Dodgson vor 150 Jahren, am 4. Juli 1862, auf einer Bootsfahrt für das kleine Mädchen Alice Liddell und ihre beiden Schwestern erfand.

1865 erschienen unter Charles Dodgsons Pseudonym Lewis Carroll Alices Abenteu-er im Wunderland erstmals in Buchform. Auf alice‘s adventures in wonderland/alice im wunderland folgte1872 mit Through the looking-glass, and what alice found There / alice hinter den Spiegeln der zweite Band.

Im Jahr seiner ersten Begegnung mit der damals knapp vierjährigen Alice Liddell schreibt Charles Dodgson am 9. Februar 1856 in sein Tagebuch:

„Wenn wir träumen und uns, wie das oft vorkommt, dieser Tatsache undeutlich bewusst werden und versuchen aufzuwa-chen, sagen und tun wir dann nicht Dinge, die im Wachzustand unsinnig erscheinen müssten? Könnten wir dann nicht manch-mal den Wahnsinn als eine Unfähigkeit bezeichnen, zwischen Wachen und Schlafen zu unterscheiden? Wir träumen oft ohne die leiseste Ahnung einer Un-wirklichkeit: ‚Der Schlaf hat seine eigene Welt‘, und oft erscheint diese so lebens-echt wie die andere.“

Mit dem Wunderland hat Lewis Carroll für seine Leser und kindlichen Zuhörer ein surreales Universum geschaffen, in dem die Gesetzmäßigkeiten der realen Welt außer Kraft gesetzt sind und das

alice überallzUm STücK

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nur in Träumen existiert. In einer losen Folge einzelner Episoden beschreibt er die Reise des Mädchens Alice durch fantastische, irritierende, belustigende und beängstigende Fantasiewelten. Es ist eine faszinierende, von Nonsens geprägte Umgebung, in der nichts so ist, wie es zunächst scheint. Alice verliert zuneh-mend die Orientierung, vergisst, wer oder was sie ist und wird auf der Suche nach sich selbst und einem Ausweg von den verrückten Bewohnern des Wunderlan-des mit immer neuen, unlösbaren Rätseln konfrontiert.

Bis heute ist alice im wunderland Ins-piration für Künstler unterschiedlicher Richtungen, Stile und Epochen. Das Sur-reale von Alices Abenteuern, das Irritie-rende der Beziehung zwischen Autor und kindlicher Muse, die schillernde Figuren-welt des Wunderlandes oder ganz einfach die in unterschiedliche Zusammenhänge gestellte Frage „Wer bin ich?“: Carrolls Alice-Welt öffnet Gedanken- und Assozi-ationsräume – und was für ihren Schöpfer ein exakten Regeln folgender Gegenent-wurf zur unbeherrschbaren Welt draußen war, bleibt für den Betrachter das ver-wirrende Labyrinth einer faszinierenden Parallelwelt, das es immer wieder neu zu erforschen gilt. Alice ist eine Ikone der Kunst geworden.

Das Musical alice nach einer Idee von Robert Wilson, mit Songs und Songtexten von Tom Waits und Kathleen Brennan sowie Dialogen von Paul Schmidt greift in nicht chronologischer Reihenfolge zahl-reiche Episoden aus den beiden Alice-Bü-chern auf und verschneidet die Abenteuer der weiblichen Heldin im Wunderland mit der Gedanken- und Gefühlswelt des Wun-derland-Schöpfers und seiner erwachsen

gewordenen ehemaligen „Kindfreundin“ und Muse Alice Liddell. Szenen, die die bis heute heftig diskutierte Beziehung zwischen Dodgson und der kleinen Alice Liddell in den Fokus rücken, rahmen und unterbrechen die Wunderland-Episoden. Immer wieder verwischen die Grenzen zwischen den Ebenen, zwischen Traum und Wirklichkeit, Wunderland und realer Welt, Vergangenheit und Gegenwart.

Hier wie dort steht der Identitätskonflikt der beiden Protagonisten im Zentrum. Die Auseinandersetzung mit ihrem ambi-valenten Verhältnis, das das Stück aus unterschiedlichen Perspektiven be-leuchtet, gibt der Frage des Missbrauchs Raum, entscheidet sich aber bewusst gegen eine eindeutige Interpretation. Vielmehr spiegelt alice das merkwürdi-ge miteinander Verwachsensein zweier Menschen. Und wenn das Stück die in der Vergangenheit liegende Faszination eines erwachsenen Mannes für ein kleines Mädchen mit der Gegenwart einer Frau konfrontiert, die einmal das Mädchen war, das durch sein Werk unsterblich wurde, erzählt alice auch die Geschichte einer unmöglichen Liebe. Miteinander verbunden werden die beiden Ebenen der Geschichte durch die abgründig-poetischen Songs von Tom Waits und Kathleen Brennan, die Carrolls Wunderland-Traumwelt in die der Außen-seiter, Freaks und Jahrmarktsattraktio-nen übersetzen und mit dem Identitäts-konflikt der beiden Hauptfiguren Alice und Dodgson verbinden.

Der Songwriter und seine Frau fügen dem Märchen von Alice im Wunderland und der autobiographischen Geschich-te von Dodgson und Alice eine weitere

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Dimension hinzu. Sie vermischen Alices Verschwinden in einer Traumwelt mit Ängsten und Fantasien der „realen Alice“, suchen die Wunderland-Regeln „Wir sind alle verrückt hier“ oder „Alles, was du dir vorstellen kannst, ist wahr“ in Bildern einer abseitigen und darum um so anziehenderen Wirklichkeit. Die merkwürdig-symbiotische Verbindung der Figuren übersetzen Waits und Brennan in konkrete Bilder, indem sie zum Beispiel für Dodgson und Alice ein Lied über die unmögliche Liebe zwischen Vogel und Fisch geschrieben haben, deren Ver-einigung eine dem Sehnsuchtskosmos des Wunderlandes vorbehaltene Utopie bleibt. Was in der wirklichen Welt nur im Kopf stattfindet, kann in den Wun-derland-Songs Wahrheit werden – aber auch außer Kontrolle geraten. Träume verselbständigen sich und die Berührung mit den unbegrenzten Möglichkeiten des Wunderlandes wird in der Realität eines späteren Lebens zu einer Fessel. Waits und Brennan spitzen es zu: Alice ist die Geschichte zweier Außenseiter. Die Erfahrung, mit der Dodgson Alice an sich bindet, ist die, die Welt mit ande-ren Augen zu sehen. Die Wahrnehmung verschiebt sich, Figuren und Gegenstän-de entwickeln ein Eigenleben, Worte verlieren ihre bekannte und erlernte Bedeutung. Funktioniert die gewohnte Zuordnung nicht mehr, tritt Alice ein in ein ganz neues Universum, in eine Welt der Nonsens-Rätsel und sprechenden Eier, eine surreale Welt, in der feste Bezugs-punkte und Erklärungssysteme nicht mehr existieren. Die existentielle Verun-sicherung, der Umsturz aller Gewisshei-ten in Bezug auf die Frage, wer wir sind und in welchem Verhältnis wir zur Welt und ihren Gegenständen stehen, schafft

den schwankenden Boden, auf dem Carrolls Nonsens-Wunderland entstehen kann, mitten im naturwissenschaftlichen 19. Jahrhundert. Und natürlich erhält Alice hier auf die Frage, wer sie ist, nie eine befriedigende Antwort. Je intensiver sie versucht, sich zu den Wunderlandfiguren ins Verhältnis zu setzen, sie zu verstehen oder sich ihnen verständlich zu machen, desto tiefer katapultiert sie sich hinein in ein verwirrendes Labyrinth komplexer Fragen – und desto klarer wird ihr, dass sie hier keine eindeutigen Antworten fin-den wird. Und gerade aufgrund der kon-sequenten Verweigerung einer Antwort sind es die unbeantworteten Fragen, die die Geschichte immer weiter antreiben.

Die Suche nach der Identität ist für Alice wie für Charles Dodgson, der mit Carroll und Dodgson, dem weißen Ritter und dem Kaninchen immer zwischen mehreren Entwürfen steht, auch eine Suche nach Zugehörigkeit. Über die reale Zerrissen-heit Charles Dodgsons schreibt der Lite-raturwissenschaftler Klaus Reichert: „Die Ängstlichkeit – und Starre –, mit der Dodgson darauf hielt, beide Personen ge-trennt zu halten, hat etwas Zwanghaftes: sie zeigt, dass er spürte, die eine könnte die andere liquidieren. Unter diesem Aspekt ist die Alice die Verteidigung Car-rolls gegen Dodgson. Alice ist Dodgson als Carroll, und die Monstren sind nicht einfach die Erwachsenen, denen Carroll sich, nicht nur wegen seines Stotterns und seiner Linkischkeit, nicht gewachsen fühlte und die er zu fürchten Grund hatte, weil die schlichte Tatsache, dass es ihn (Carroll) gab, sie schon in Frage stell-te, – sie sind zugleich Dodgson selber, dessen bürgerliche Existenz Konzentrat und Potenzierung von allem dem war, was erwachsen hieß. Alice im Kampf mit den

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in Ungeheuer verwandelten, verwünsch-ten Erwachsenen, ist Carroll im Kampf mit Dodgson.“

Alice ist ein Stück über Metamorphosen – von Lebewesen wie auch von schein-bar toten Dingen –, über die Logik des Unsinns, Sprache und das Spiel mit ihr, die verschwimmenden Grenzen zwischen Verstand und Wahnsinn, Realität und Fantasiewelt, Wachen und Träumen. „Wer hat‘s geträumt?“ heißt das letzte Kapitel in Alice hinter den Spiegeln. Auch diese Frage wird unbeantwortet bleiben.

Alice befindet sich auf dem Weg des Erwachsenwerdens. Und Dodgson weiß, dass sie als Erwachsene die Fähigkeit verlieren wird, die Fantasiewelt zu sehen, die er dem Kind Alice zeigen kann. Das Wunderland wird ihr in späteren Jahren verschlossen bleiben. Und doch, so liest das Stück die Geschichte zu Ende, hängt sie mit einem Teil ihrer Gedankenwelt da-rin fest. Womöglich steckt hinter der Fas-sade des „normalen Lebens“ einer älter

gewordenen Frau noch immer irgendwo das kleine Mädchen, das in einem Traum verschwunden ist. „I‘m still here“ – „Ich bin immer noch da“ singt die Titelheldin am Ende von Alice. Ob sie will oder nicht, etwas in ihr bleibt mit Dodgson verbun-den, etwas, das sich nicht trennen will.

In der Realität sind Charles Dodgson und Alice Liddell sich nach der sagenumwo-benen Bootsfahrt, die die Geburtsstunde der Wunderland-Alice war, und dem Erscheinen des ersten Alice-Buches nur noch sehr selten begegnet. Aber es ist ein undatierter Brief Dodgsons erhalten, in dem er schreibt: „Mein inneres Bild des Mädchens, das über so viele Jahre meine vollkommene Kinderfreundin war, ist immer noch lebendig.“ Es ist das Bild, das er auf seinen Fotografien konser-viert hat. Durch die Fotografie und seine Geschichten konnte Dodgson auf seine Art die Zeit anhalten und sich Alice als Kind bewahren. Für die erwachsene Alice Fluch und Segen – zwei Seiten ihrer ganz persönlichen Berühmtheit.

HaST dU daS raTSel geloST?

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„Ging am Nachmittag mit Southey hinüber zum Dekanat und versuchte, die Kathed-rale zu photographieren: beide Versuche misslangen. Die drei kleinen Mädchen [Lorina, Alice und Edith Liddell] waren fast die ganze Zeit über im Garten und wir wurden gute Freunde: Wir versuch-ten, sie im Vordergrund des Bildes zu gruppieren, aber sie waren ungeduldi-ge Statisten. Ich markiere diesen Tag mit einem weißen Stein“, vermerkt der Schriftsteller, Fotograf, Mathematiker und Dekan Charles Lutwige Dodgson am 25. April 1856 in seinem Tagebuch.

Der Mann „hinter“ Lewis Carroll, dem berühmten Autor der Wunderland-Ro-mane, wird am 27. Januar 1832 im alten Pfarrhaus von Daresbury im englischen Cheshire als ältester Sohn eines Geistli-chen geboren. Charles Dodgson wächst in einem liebevollen familiären Umfeld mit zehn Geschwistern auf, die ihn alle überleben werden. Die Erinnerung an

die eigene unbeschwerte Kindheit auf dem Land wird sich für den erwachsenen Charles Dodgson mit der Sehnsucht nach einem paradiesischen Zustand spieleri-scher Unschuld verbinden, einem Zu-stand, den er nur bei Kindern findet.

Seine späteren, intensiven Freund-schaften zu Kindern, vor allem kleinen Mädchen, beschäftigen die Forschung bis heute. Während die eine Seite klar pädophile Neigungen unterstellt, erkennt die andere zwar eine ungewöhnliche, auch verstörende Nähe zu den kindlichen Freundinnen, widerspricht aber vehement dem Vorwurf der Pädophilie. Weitgehend einig ist man sich darüber, dass diese Neigungen, sollten sie vorhanden gewe-sen sein, nicht ausgelebt wurden. Auch für den Umstand, dass Charles Dodgson seit seiner frühen Kindheit und bis in das Erwachsenenalter hinein stottert, finden sich in der Carroll-Forschung unterschiedlichste Theorien. Es scheint

der carroll-myTHoS

zUm HiNTergrUNd

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naheliegend, einen Zusammenhang her-zustellen zwischen Dodgsons Stottern, das er selbst als „seine Unsicherheit“ bezeichnet, und dem Umstand, dass er trotz seines Genies über wenig Selbst-wertgefühl verfügt. Heftig umstritten ist allerdings die Theorie, dass er in späteren Jahren nur in Gesellschaft Erwachsener stottert, während er in der Umgebung von Kindern einwandfrei sprechen kann.

Als der Vater im Norden von Yorkshire eine Pfarrstelle erhält, zieht Familie Dodgson Anfang der 40er Jahre in das dortige Pfarr-haus, „The Rectory“ genannt. Charles Dodgson, der zunächst zuhause unterrichtet wird, ist bereits als Kind sehr belesen und beginnt früh, für seine Geschwister eigene Gedichte und Geschich-ten zu verfassen und Spiele zu erfinden. Einige seiner Geschich-ten werden später wieder aufgegriffen und publiziert.

Er schreibt Theaterstücke für ein Marionettentheater, Tragödien und Opern, kommt auf eine angesehene Privatschule und beschäftigt sich zwi-schen seinem zwölften und siebzehnten Lebensjahr weiter intensiv mit Literatur, veröffentlicht eigene Schreibversuche und Zeichnungen in Schulmagazinen und Familienzeitschriften. 1850 schreibt er sich in Oxford an der Universität ein. Er belegt Mathematik, Theologie und klassi-sche Literatur, schließt das Grundstudium

mit Bestnote ab und wird für ein Stipendi-um vorgeschlagen. Gleich zu Beginn des Studiums stirbt seine Mutter im Alter von 47 Jahren, vermutlich an einer Hirnhaut-entzündung.

Auch wenn das Studieren ihm leicht fällt, geht Charles Dodgsons Ehrgeiz und die Vielfältigkeit seiner Interessen oft mit Konzentrationsschwierigkeiten einher. 1854 bereitet er sich auf die Priester-weihe vor. Sein mathematisches Genie

beschert ihm außerdem nach dem Abschluss des Studiums eine An- stellung als Tutor für Mathematik am Oxfor-der Christ Church-Col-lege. Doch die Dumm-heit, die er bei seinen Schülern diagnostiziert und ein gegenseitiges, persönliches Desinter-esse machen die Lehr-tätigkeit für Charles Dodgson zur Qual.

1856 taucht in einer Zei-tung in Zusammenhang mit einem abgedruck-ten Gedicht erstmals

Dodgsons Dichtername Lewis Carroll auf. Im selben Jahr kauft er sich eine Fotoka-mera. Das Medium Fotografie ist gerade erst knapp 25 Jahre alt, Amateurfotogra-fen steht das dafür notwendige Material noch keine zehn Jahre zur Verfügung. Für Charles Dodgson wird die Fotografie eine seiner größten Leidenschaften. Bald verfügt er über eine professionelle Ausrüstung und beginnt Freunde, Famili-en, Kinder und bekannte Persönlichkeiten zu porträtieren, künstlerisch beeinflusst von der präraffaelitischen Malerei. Eines

Alice Liddell als „Bettlermädchen“, 1858

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seiner Lieblingsmodelle und sein heute bekanntestes Motiv wird Alice Pleasance Liddell, das kleine Mädchen, das er am 25. April 1856 beim Versuch, die Kathe-drale des Dekanats von Christ Church zu fotografieren, beim Spielen mit ihren Schwestern im Garten entdeckt hatte. Sie ist die Tochter Henry George Liddells, des Dekans von Christ Church.

Eine Bootsfahrt mit den drei kleinen Liddell-Schwestern vor 150 Jahren, am 4. Juli 1862, markiert die Geburtsstunde von alice im wunderland. Alice Liddell ist es, die ihn bittet, die Geschichte, die er ihr und ihren Schwestern auf diesem Bootsaus-flug erzählt hat, aufzuschreiben. Die handschriftli-che Urfassung ist 1864 abgeschlos-sen, Alice erhält das mit zahlrei-chen eigenen Illustrationen und der Widmung „Ein Weihnachts-geschenk für ein liebes Kind in Erinne-rung an einen Sommertag“ versehene Manuskript im November 1864. Ein Jahr später erscheint eine erweiterte Fassung in gedruckter Buchform mit Illustrationen des bekannten Zeichner John Tenniel im Verlag Macmillan. Der junge Oscar Wilde, Virginia Woolf und Königin Victoria zählen zu den Lesern von alice im wunderland.

Zu diesem Zeitpunkt ist die Freundschaft zwischen Charles Dodgson und der Liddell-Familie bereits zerbrochen. Über die genauen Umstände wird bis heute reichlich spekuliert, zusätzlich angeheizt

wurde die Legendenbildung durch die Tat-sache, dass für den relevanten Zeitraum im Sommer 1863 keine Tagebucheinträge Dodgsons mehr existieren und seine Briefe an Alice Liddell aus dieser Zeit von ihrer Mutter vernichtet wurden. Dass der inzwischen 30-jährige Mann dem 11-jährigen Mädchen einen Heiratsantrag gemacht haben soll, ist nur eine Vermu-tung in einem Gespinst wilder Theorien zur Ursache des plötzlichen Bruchs.

Durch den Tod des Vaters 1868 wurde Charles zum Familienoberhaupt der Dodgsons, gleichzeitig stürzte der Verlust

ihn immer wieder in Depressionen. 1871 publiziert er als Lewis Carroll mit alice hinter den Spiegeln die Fortsetzung von alice im wunder-land, eine Zusam-menstellung loser Geschichten, Fabeln und Non-sense-Gedichte, erneut illustriert

von John Tenniel und inspiriert wiederum durch die Begegnung mit einem Mädchen namens Alice, Alice Raikes, die im Zuge eines Rätselspiels mit ihrem Spiegelbild die Frage nach den Gesetzmäßigkeiten auf der anderen Seite eines Spiegels aufgebracht hatte. Diese reale Episode findet sich in Alice hinter den Spiegeln ebenso wieder wie Carrolls berühmtes Nonsense-Gedicht Jabberwocky und das sprechende Ei Humpty Dumpty.

1876 erscheint die große Nonsense-Balla-de The Hunting of the Snark, in Deutsch-land in verschiedenen Übersetzungen

Edith, Lorina & Alice Liddell

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als Die Jagd nach dem Schnark, Schnatz oder auch Schlarg geläufig, ein fantasti-sches Gedicht über eine Expedition auf den Spuren eines seltsamen und extrem humorlosen Fabelwesens.

1880 heiratet Alice Pleasance Liddell im Alter von 28 Jahren Reginald Hargrea-ves, mit dem sie drei Söhne bekommt, von denen sie zwei im ersten Weltkrieg verlieren wird.

Nachdem Charles Dodgson jahrelang erfolgreich und leiden-schaftlich fotografiert hat, beendet er diese Tätigkeit zu Beginn der 1880er Jahre einiger-maßen plötzlich. Vor allem zahlreiche kleine Mädchen im Alter zwi-schen vier und sechs Jahren hat er schla-fend, träumend oder in unterschiedlichen theatralen Situationen, Rollen und Posen mit aussagekräftigen Re-quisiten und Kostümen im Zuge seiner foto-grafischen Laufbahn inszeniert und fotografiert. Auch nackte Kinder, vornehmlich Mädchen, inszeniert als Feen und Nymphen in paradiesischer Umgebung, waren ein beliebtes Motiv Dodgsons – für die Malerei und Fotogra-fie der viktorianischen Zeit zwar nicht unbedingt ein Tabubruch, dennoch Anlass verschiedener Theorien, die den Grund für das abrupte Aufgeben der Fotografie in zunehmenden Konflikten Dodgsons mit den Eltern seiner Fotomodelle sehen, in einem zunehmenden Misstrauen, mit dem die Eltern auf die bevorzugten Motive des

Fotografen in Kombination mit seiner über jedes gewöhnliche Maß hinausgehenden, obsessiven Faszination für die Unschuld, Schönheit und Lebensfreude kleiner Mäd-chen reagiert haben könnten.

1886 nimmt Charles Dodgson nach langer Zeit noch einmal Kontakt mit seiner inzwischen verheirateten ehemaligen Kinderfreundin auf und bittet sie um Erlaubnis, von dem Originalmanuskript alice Underground eine Faksimile-Ausga-be herstellen zu lassen. Drei Jahre später

erscheint der erste Band des Romans Syl-vie und bruno aus der Feder Lewis Carrolls – mit den Alice-Büchern verbindet diesen Roman das Thema der Identitätssuche.

Am 14. Januar 1898 stirbt Charles Lutwidge Dodgson, der bis zu seinem Lebensende unverheiratet bleibt, in Guilford, Surrey, auf dem nach dem Tod des Vaters ange-mieteten Familiensitz

„The Chestnuts“ an einer Lungenentzün-dung. Sein Grabstein mit der Aufschrift „Rev. Charles Lutwidge Dodgson (Lewis Carroll)“ trägt der zeitlebens existie-renden doppelten Persönlichkeit des ungewöhnlichen Künstlers Rechnung. Neben seinem literarischen Werk und zahlreichen Erfindungen, mathematischen Denkaufgaben, Wortspielen, Rätseln und Puzzles sind ca. 1000 seiner geschätzt 3000 Fotografien erhalten und Teil diverser Publikationen und Ausstellun-gen. Es sind – neben den Alice-Büchern,

Alice Liddell

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Dodgsons Tagebuchaufzeichnungen und den überlieferten Briefen – vor allem die Fotografien kleiner Mädchen, die dem Mythos um Charles Dodgson alias Lewis Carroll und seine kindlichen Freundinnen immer neue Nahrung geben und Anlass zu einer bis heute andauernden kritischen und kontroversen Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit Dodgson/Carroll und ihrem Werk geben.

Alice Pleasance Hargreaves Liddell nimmt 1932 im Alter von 80 Jahren an einer Feier zum 100. Geburtstag des Autors Lewis Carroll teil. Im Cornhill Magazine vom Juli 1932 schreibt sie: „Wir besuchten ihn oft in seiner Wohnung, begleitet von unserem Kindermädchen. Dort angekommen, setzten wir uns rechts und links auf das große Sofa, während er uns Geschichten erzählte, und sie gleichzeitig mit Bleistift- oder Tuschezeichnungen illustrierte. Wenn uns die Geschichten vollkommen zufriefen und glücklich gestimmt hatten, ließ er uns Modell stehen und belichtete die Platten, bevor die richtige Stimmung verflogen war ... Wenn wir nachmittags mit Mr. Dodgson zum Fluß gingen, was höchstens vier oder fünf Mal in jedem Sommertrimester geschah, brachte er immer einen großen Korb voller Kuchen mit, und einen Koch-kessel, in dem wir unter einem Heustock Tee kochten, wenn wir einen fanden. Bei seltenen Gelegenheiten verbrachten wir

den ganzen Tag mit ihm und hatten dann einen größeren Imbißkorb dabei - mit kaltem Huhn und Salat und allerlei guten Dingen. Einer unserer liebsten Ganztags-ausflüge bestand darin, nach Nuneham zu rudern und in den Wäldern zu picknicken, in einer der Hütten, die von Mr. Harcourt speziell für Picknicker errichtet worden waren ... Mr. Dodgson trug in Oxford immer die schwarze Kleidung der Geistli-chen, wenn er aber mit uns auf den Fluß ging, trug er meist eine weiße Flanellhose...

Er hielt sich immer sehr gerade, beinahe mehr als gerade, als ob er einen Stock verschluckt hätte. Fast die gesamte Ge-schichte von alice‘s adventures Under-ground wurde an so einem glutheißen Sommernachmittag erzählt ... Ich glaube, dass die Geschichten, die er uns an jenem Nachmittag erzählte, besser gewesen sein müssen als sonst, denn ich habe eine so deutliche Erinne-

rung an den Ausflug, auch begann ich am nächsten Tag ihn zu bedrängen, er solle die Geschichte für mich aufschreiben, etwas, das ich noch nie getan hatte.“

1934 stirbt die Frau, die eines der be-rühmtesten Kinderbücher für Erwachsene inspiriert hat. Ihr handschriftliches Origi-nalmanuskript des ersten Alice-Buches befindet sich heute im Besitz der briti-schen Nationalbibliothek.

Ursula Grossenbacher

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JabberwocKy

Verdaustig war‘s und glasse Wiebenrotterten gorkicht im Gemank;Gar elump war der Pluckerwank,Und die gabben Schweisel frieben.

»Hab acht vorm Zipferlak, mein Kind!Sein Maul ist beiß, sein Griff ist bohr!Vorm Fliegelflagel sieh dich vor,Dem mampfen Schnatterrind!«

Er zückt‘ sein scharfbefifftes Schwert,Den Feind zu futzen ohne Saum;Und lehnt‘ sich an den Dudelbaum,Und stand da lang in sich gekehrt.

In sich gekeimt, so stand er hier,Da kam verschnoff der ZipferlakMit Flammenlefze angewacktUnd gurgt in seiner Gier!

Mit eins! Mit zwei! und bis aufs Bein!Die biffe Klinge ritscheropf!Trennt er vom Hals den toten Kopf,Und wichernd springt er heim.

„Vom Zipferlak hast uns befreit?Komm an mein Herz, aromer Sohn!O blumer Tag! O schlusse Fron!“So kröpfte er vor Freud.

Verdaustig war‘s und glasse Wiebenrotterten gorkicht im Gemank;Gar elump war der Pluckerwank,Und die gabben Schweisel frieben.

Ins Deutsche übertragen von Christian Enzensberger

lewiS carroll

Gunnar Schmidt, Ursula Grossenbacher

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im THeaTer- wUNderlaNd

Episoden aus alice im wunderland und ali-ce hinter den Spiegeln, die legendenumwo-bene Geschichte des Wunderland-Schöp-fers und seiner „idealen Kinderfreundin“, die Songs mit ihrer schillernd-abgründigen Welt der Außenseiter und Freaks: Das Mu-sical alice von Robert Wilson, Tom Waits, Kathleen Brennan und Paul Schmidt bringt diese Elemente zu einem klang- und bild-gewaltigen Theaterabenteuer zusammen. Zwanzig Jahre nach der Uraufführung am Thalia Theater in Hamburg hat das Karls-ruher Theater die Rechte an Noten- und Textmaterial bekommen, um alice in einer Neuinszenierung auf die Bühne zu bringen. Regisseur Daniel Pfluger, Bühnenbildner Flurin Borg Madsen und Kostümbildnerin Janine Werthmann sind ein bewährtes Team, hinzu kam der Pianist, Komponist und Thereminist Clemens Rynkowski, der die Songs für die Karlsruher alice-Aufführung neu arrangierte – für das Karlsruher Ensem-ble, eine sechsköpfige Band und insgesamt zweiundzwanzig Instrumente.

Für das Regieteam begann die Auseinan-dersetzung mit der Frage, wie die ver-schiedenen Stückebenen auf der Bühne zusammenzuführen sind, mit konzeptionel-len Entscheidungen zu Struktur und Fas-sung, Besetzung und räumlicher Veror-tung. Der Wunsch, die Titelrolle mit Ursula Grossenbacher zu besetzen und ganz bewusst nicht mit einer jungen Schau-spielerin, ergab sich aus der Perspektive der erwachsenen Alice, mit der das Stück immer wieder spielt. Ausgangspunkt der Wunderland-Geschichten ist eine spätere Realität. Alice ist nicht mehr das Mäd-chen, das Dodgson, gespielt von Robert Besta, auf einer Fotografie konserviert hat. Doch sobald sie zurückkehrt in die Traumwelt der Vergangenheit, wird aus der erwachsenen Frau wieder das Mäd-chen, für das er das Wunderland erschaf-fen hat. Die Umgebung also bestimmt das Alter von Alice im Stück, entsprechend findet auf der Bühne keine äußerliche Veränderung der Alice-Figur statt.

zUr iNSzeNierUNg

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Bei der Konzeption und Stückentwicklung der Hamburger Uraufführung entschied Wilson sich für eine, auch bei seiner vo-rigen Arbeit The black rider verwendete Struktur, bei der die Szenenfolge durch „Knee“-, also „Gelenkszenen“ unterbro-chen wird. Nach Ende jeder Szene schließt sich der Vorhang, um dahinter den Umbau auf das nächste große Bild zu erlauben. Währenddessen findet vor dem Vorhang eine kurze „Zwischenszene“ statt. Für die Karlsruher Inszenierung löste Daniel Pfluger diese aus dem amerikanischen Vaudeville übernommene Technik weitge-hend auf. Um zu ermöglichen, dass Alice ihre Reise durch das Wunderland jenseits der Ebenenwechsel ohne Unterbrechungen – über das Ende von Einzelepisoden hinaus – fortsetzen kann, fand er mit Flurin Borg Madsen Bühnenlösungen, bei denen sich der Raum vor den Augen des Publikums für die jeweils nächste Wunderlandepisode verändert. Für diese fließenden Übergänge übernehmen Figuren die Umbauten, dazu kommen vier Altar Boys. Alice bleibt fast durchgehend auf der Bühne, während das Wunderland um sie herum immer wieder neue Gestalten annimmt. Pfluger nimmt in seiner Inszenierung die Spuren auf, die das Stück auf den verschiedenen Ebenen legt und führt sie zusammen zu einer theatralen Expedition an einen Ort der Obsessionen und Verstörung, aber auch der Schönheit und Leichtigkeit.

So wie Dingen und Lebewesen in der Fan-tasiewelt von Lewis Carroll ihre gewohn-ten Eigenschaften abhanden kommen, verändern auch die Bühnenbildelemente, mit denen Flurin Borg Madsen und Daniel Pfluger arbeiten ihre Bedeutung. Was eben ein Mond war, wird im nächsten Moment zum Mund der Grinsekatze, die Spiegel, die zerbrechen, wenn Alice von Charles Dodg-

son fotografiert wird und durch die sie ins Wunderland eintritt, werden zu Blitzen im Gewittersturm, der durch das Wunderland fegt. Die Betonwand des Karlsruher Thea-ters verschwindet hinter einem schwarzen Aushang – und Alice im Kaninchenbau. Im Zusammenspiel mit Bühnenmusik und Licht verwandelt sich der schwarze Bühnenraum in den Wald ohne Namen, in dessen grünem Nebel Alice verloren geht während die Musiker im Orchestergraben ihren Instru-menten die dazugehörigen Waldgeräusche entlocken. Im Traum ist die Welt auf den Kopf gestellt, der Mond scheint unter der Erde, Bett und Nachttisch hängen lose im Bühnenhimmel. Der Raum wird dominiert von schwarzen und weißen Elementen. Pfluger und Madsen greifen die Schach- und Kartenspielsysteme auf, die Carrolls/Dodgsons logischer Mathematikergeist den surrealen Ereignissen der Alice-Geschich-ten zugrunde gelegt hat und lassen aus ein-fachen schwarzen und weißen Quadraten im Verlauf einer Szene plötzlich ein großes Schachfeld entstehen, auf dem die Wun-derlandwesen zu Schachfiguren werden, oder kombinieren die Kostüme von Janine Werthmann mit bühnenbildnerischen Ver-satzstücken, wenn zum Beispiel unter dem Kleid der Schachkönigin ein Fahrgestell samt Guillotine zum Vorschein kommt.

Auch sonst beeinflussten räumliche Ent-scheidungen unmittelbar die Konzeption der Kostüme. Um einen Kontrast zu schaffen, setzt Janine Werthmann dem versatzstück-artigen Spielfeld der Bühne, auf dem mit möglichst unaufwendigen Mitteln schöne Bilder evoziert werden, bunte, fantasievolle und detailgenaue Kostüme entgegen. Ob es das Schaf ist, das seine eigene Wolle verstrickt, oder die aufwendigen, viktoria-nischen Kostüme der sprechenden Blumen, die Zwillingsmasken von Tweedledee und

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Tweedledum oder die kräftigen, neonfar-benen Glieder der Raupe – Werthmann und Pfluger entscheiden sich im Kostüm bewusst gegen eine durchgängige Ästhetik der Traumwelt und für ein fantasiereiches Spiel mit Farben und Formen, Stilrichtungen und Epochen. Während jede Wunderland-episode ihre eigene Ästhetik hat, stehen Alice und Charles Dodgson außerhalb dieses bunten Verwandlungsreigens. Nur mit Hilfe einer Kopfbedeckung wird Dodg-son zum weißen Kaninchen, das Alice ins Wunderland lockt – und wenn er ihr gegen die Schachkönigin und ihren Hofstaat als weißer Ritter zur Hilfe eilt, dient ihm eine Spielkarte als ritterliches Schild. Und für Alice hat Wertmann ein Kleid entworfen, das in Form und Farbe mit dem Bild des hellblauen Mädchenkleides aus zahlreichen Bearbeitungen der Alice-Geschichte in Film, bildender Kunst und Populärkultur spielt.

Verantwortlich für die musikalische Über-setzung der Alice-Welt auf die Bühne des KLEINEN HAUSES ist Clemens Rynkowski, der die Songs von Tom Waits und Kath-leen Brennan neu arrangiert hat und die Aufführung mit seinen fünf Band-Kollegen auf insgesamt 22 Instrumenten begleitet. Ein wiederkehrendes Motiv in den Songs ist der Dreivierteltakt, ihr erdiger Sound wird in den Arrangements unterstützt durch zahlreiche Bass-Instrumente wie E-Bass, Kontrabass, Bassklarinette, Posaune und Sousaphon, auch Harmonium und Tam Tam (eine Art Gong) sorgen für tiefe Töne, während einzig Celesta, Flöte, Piccoloflöte, sowie Flageolett-Töne einen Kontrast in den Höhen bilden. Zusammen mit der Band hat Rynkowski jenseits der Songs auch sämtliche Sounds und Slapstickgeräusche der Wunderwelt musikalisch entwickelt, vom Quietschen der Türen über das Ge-räusch des Schrumpfens, Vogelrufe und

Maschinenlärm bis zur Soundkulisse eines Gewitters, werden sie live mit den vorhan-denen Instrumenten kreiert.

Für den apokalyptischen Freakshow-Karne-val der Waits/Brennan-Songs hat die Ham-burger Produktion mit einigen Freaks unter den Instrumenten gearbeitet: Ursprüng-lich gab es in der Instrumentierung zum Beispiel eine Strohgeige, ein musikalisches Zwitterwesen, das – auf der einen Seite mit einem Trichter versehen – eine Art siame-sischen Klangkörper besitzt und in seiner besonderen Eigenschaft mit der Geschichte des Mannes in dem Alice-Song Poor ed-ward korrespondiert, der auf der Rückseite seines Kopfes ein zweites Gesicht hat. Die Bratsche, ein Instrument zwischen Geige und Cello, die den ihr eigenen matten Klang aus dem Umstand gewinnt, dass sie – um überhaupt gehalten werden zu können – zu kurz gebaut wurde, das Sousaphon und das Theremin sind Instrumente, die in Karlsruhe zum Einsatz kommen. Wecker und Don-nerblech verstärken die atmosphärisch-schräge Klangwelt.

Als erstes elektronisches und einziges berührungslos gespieltes Instrument der Welt, wurde das 1919 von dem Russen Lew Termen erfundene Theremin in der Vergangenheit vor allem in Zusammenhang mit neuer Musik, Science-Fiction-Filmen und experimenteller Popmusik eingesetzt. Gespielt wird es buchstäblich in der Luft – und schlägt so eine ganz eigene Brücke vom Orchestergraben ins Wunderland.

Robert Besta & Ensemble

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Der Kalifornier Tom Waits, Sänger, Kompon-ist, Autor und Schauspieler – u. a. in down by law und bram Stoker’s dracula –, ist ein Grenzgänger zwischen den Genres. In seiner Musik bringt er unterschiedliche Einflüsse und Stilrichtungen zusammen, Jazz und Blues, Folk, Vaudeville und Theatermusik, Rap, Industrial-, Alternative- und Indie-Rock.

Schon seine ersten Songtexte waren inspi-riert von Jack Kerouac, Allen Ginsberg und anderen Vertretern der Beat-Generation. Bewusst spielt Waits mit Brüchen und Irritationen, forciert durch seine charakte-ristische Stimme, die sich anhört, „als wäre sie in einem Fass Bourbon getränkt, einige Monate in die Räucherkammer gehängt, dann nach draußen gebracht und mehrmals mit dem Auto überfahren worden”, wie ein Musikkritiker kommentierte. Nach früheren Exzessen ließ Waits seit Beginn der 90er Jahre konsequent die Finger von Alkohol und Zigaretten – was aber der Unverwech-selbarkeit seiner Stimme keinen Abbruch tat.

Während seiner Arbeit am Soundtrack für den Film one from the Heart von Francis Ford Coppola lernte Waits dessen Skript-Assistentin Kathleen Brennan kennen, sie heirateten im August 1980 und sind seither auch künstlerisch ein Paar. Ende der 80er Jahre begann die Zusammenarbeit mit Re-gisseur und Bühnenkünstler Robert Wilson, mit dem er für das Hamburger Thalia Theater The black rider entwickelte. Mit alice folg-te Anfang der 90er Jahre die zweite Zusam-menarbeit mit Wilson für das Hamburger Theater und 2000 mit woyzeck ein weiteres gemeinsames Projekt, das in Kopenhagen uraufgeführt wurde. Den Vergleich mit Kurt Weill kommentierte Waits einmal mit den Worten: „Er nimmt eine schöne Melodie und erzählt dir furchtbare Dinge. Ich hoffe, dass mir das auch gelingt.” Wie auch bei alice, handeln die meisten Songs, deren Texte und Kompositionen Waits seit Mitte der 80er Jahre mit Kathleen Brennan als Co-Autorin entwickelt, von Außenseitern und Freaks, Gestrandeten, Träumern, Ver-

freaKS

die SoNgS voN Tom waiTS & KaTHleeN breNNaN

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rückten, Säufern und Huren. Es sind düstere Märchen für Erwachsene, ihre Helden meist tragische Verlierer, hoffnungslos Geschei-terte, aussichtslos Liebende. In alice treffen die eingängigen Melodien wehmütiger Bal-laden und Liebeslieder auf schräge Songs voller assoziativer Wortketten und surrealer Bildwelten.

Der erste Song mit dem Titel alice ist Car-rolls/Dodgsons Obsession für das Mädchen gewidmet. Dodgson träumt und beschwört Bilder einer eisigen Landschaft herauf. Der Mond, ein gefrorener Weiher, das Meer und die Tränen sind Motive, die in späteren Songs wiederkehren werden. Es existiert eine Welt unterhalb der gefrorenen Ober-fläche, in der Alice auf ihn wartet. Weil er nicht zu ihr gelangen kann, zieht er mit den Kufen seiner Schlittschuhe ihren Namen nach, bis das Eis nachgibt. Alice ist seine Sehnsucht und sein Abgrund – also stürzt er sich hinein und verschwindet in ihr. Heimli-che Küsse, Wahnsinn und Wonne: „There’s only Alice“ / „es gibt nur Alice.“

Mit dem zweiten Song wechselt die Pers-pektive. Alice ist „under ground”, befindet sich in einem merkwürdigen Übergangsreich zwischen Himmel und Hölle, Wachen und Träumen. No one knows, i’m gone / „Keiner weiß, dass ich weg bin“ ist Alices Song über ihr Verschwinden.

In No one puts flowers on the grave be-schreibt die Rose den ewigen Kreislauf von Leben und Sterben, Erblühen und Verwelken. Nach dem Tod einer Blume erblüht irgendwo prachtvoll eine andere – doch niemand legt je Blumen auf das Grab einer Blume.

Es folgt das Lied der Raupe, mit dem Waits und Brennan Alice in das Reich der Jahrmarktattraktionen, der Krüppel und

anatomischen Wunderwesen entführen. Tabletop Joe / „Tischplatten-Joe“ existierte tatsächlich, ein Mann ohne Unterleib, der seine unglückliche Kindheit hinter sich lässt und dank seiner Liebe zur Musik den Traum, berühmt zu werden, in der Welt der Jahr-märkte und Freakshows verwirklichen kann. In der „Coney Island Dreamland-Show“ hat er sein eigenes Orchester, genießt Reich-tum, Ansehen und Popularität – und straft all diejenigen Lügen, die stets nur den Krüppel sahen. Er zeigt es ihnen, gerade indem er bleibt, wie er war und nicht weiter wächst. Johnny Eck, das reale Vorbild für Tabletop Joe, wurde u. a. durch den Film freaks von 1932 bekannt.

Die verrückte Teegesellschaft konfrontiert Alice mit absurden Bildfolgen von Wahn-sinn und Verwesung, Würmern, Krüppeln und herum kullernden Augäpfeln. Die Zeit ist durchgedreht, nichts überdauert, alles verfällt. „Hell is such a lonely place – we’re all mad here.” Die Horrorszenarien und Alptraumfantasien der verrückten Teege-sellschaft kontrastieren Waits/Brennan mit dem Liebesduett fish and bird, gesungen von Alice und dem weißen Ritter. Die am Tresen einer Taverne von einem Matrosen erzählte Geschichte von dem kleinen Vogel, der sich in einen Wal verliebte, ist die Para-bel einer unmöglichen Liebe. Weil der eine nicht im Ozean, der andere nicht in der Luft leben kann, bleibt eine Vereinigung Utopie, dem Sehnsuchtskosmos einer Fantasiewelt vorbehalten, in der alle Gesetzmäßigkeiten aufgehoben sind. In der Realität wissen sie, dass sie sich trennen müssen – und bleiben doch untrennbar verbunden.

Nach der Pause steigt die Geschichte mit dem Sprechgesang des altar boy wieder ein – und der Tragödie des verpfuschten, von Unterdrückung und Missbrauch gezeichneten

die SoNgS voN Tom waiTS & KaTHleeN breNNaN

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Lebens eines depressiven Trinkers und ehemaligen Messdieners.

Nach einer kurzen Reprise des Liebesdu-ettes fish & bird holt das weiße Kaninchen Alice mit dem Song everything you can think of is true zurück ins Wunderland. „Alles, was du dir vorstellen kannst, ist wahr“, das Baby schläft in deinem Schuh und der Teller ist mit dem Löffel durchgebrannt – doch die Zeit rennt und absurde Fantasien mischen sich in schneller Assoziationskette mit neuen, düs-teren Bildern der eigenen Vergänglichkeit.

Durch das weiße Schaf wird Alice mit einem Dasein ohne Abenteuer und Freiheit konfron-tiert, in sich verstrickt und meinungslos, weil nach der Meinung schon lange niemand mehr gefragt hat. barcarole, das Duett zwischen Alice und dem alten Schaf, erzählt von der Einsamkeit einer verheirateten Frau, entwirft eine negative Vision des Erwach-senseins. Der Zirkus des Lebens ist weiter gezogen, die Frau ist ihres Daseins müde. Unfähig, sich zu befreien, verliert sie sich in den Bildern einer vergangenen Zeit: „I’m skating on the ice in a glass / In the hands of a man / That I kissed on a train ...”

Das Ei Humpty Dumpty fügt mit reeperbahn eine andere Vision hinzu. „The memories are short but the tales are long / Down there in the Reeperbahn” verkündet der Song und entwirft ein Kaleidoskop abschüssiger Lebenswege, die sich auf der Hamburger Reeperbahn kreuzen. Das Paradies ist verloren – „The apple is gone but there’s always the core / The seeds will sprout up right through the floor / Down there in the Reeperbahn.”

Die Ballade von Poor edward übersetzt das miteinander Verwachsensein der Haupt-

figuren in die Geschichte des Mannes mit den zwei Gesichtern: Das Gesicht eines Mädchens auf der Rückseite seines Kopfes entpuppt sich als sein teuflischer Zwilling, der ihn in den Wahnsinn treibt. Das Gesicht zu entfernen, würde ihn töten, also sind sie für immer aneinander gekettet. Und bleiben es noch über Edwards Selbstmord hinaus: „Some still believe he was freed from her / But I knew her to well / I say she drove him to suicide / And took Poor Edward to hell.” Wie schon bei Tabletop Joe liegt der Ballade von Poor edward eine reale Geschichte zugrunde. Im Stück folgt der Song auf eine Szene, in der der weiße Ritter dem schwarzen Ritter, seiner anderen, dunklen Seite im Kampf um Alice unterliegt.

Mit Hymn oder in the Hands of Time ist die Reise durch das Wunderland an einem Ende angekommen. „You murdered time and you must pay / For the things you’ve done” – das Vergehen, in den natürlichen Verlauf der Zeit eingegriffen zu haben, muss gesühnt werden. „Drown him in tears I say / And off with his bleeding head” heißt es im Song, ein Höllenszenario markiert den Moment der Abrechnung. „You’re now in the hands of time.”

Das Schlusslied gehört Alice. i’m still here ist ihre Geschichte und sie erzählt davon, wie sie erträumt und dann in dem Traum zurückgelassen wurde. „How long was I dreaming for / What was it you wanted me for.” Das Rätsel ist ungelöst. „You haven’t looked at me that way in years – But I’m still here.” Die Schlusszeile aus Alices Song ist zugleich der letzte Satz im Stück: „Ich bin immer noch hier.“

Eva Derleeder, Ursula Grossenbacher & Ensemble Folgeseiten Jan Andreesen, Ursula Grossenbacher, Anna-Magdalena Beetz, Joanna Kitzl

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32 Folgeseite Band & Altar Boys

clemeNS ryNKowSKi Musikalische Leitung & Arrangements

Clemens Rynkowski ist Pianist, Komponist und Thereminist. Seit seinem Studium an der Universität der Künste und an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin, komponiert und arrangiert er für Or-chester, Kammerensembles, Film und Thea-ter, u. a. für die Jenaer Philharmonie und das Orchestre Philharmonique du Luxem-bourg sowie das salonorchesterweimar. Er arbeitete mit den Regisseuren Michael von zur Mühlen am Deutschen Nationaltheater Weimar und Claus Peymann am Berliner Ensemble. Mit seinen Brüdern gründete er die Band Herr Rynkowski, spezialisiert auf Soul und Funk im Falsettgesang. Das Thereminspielen lernte Rynkowski u. a. bei Lydia Kavina, der Großnichte des There-min-Erfinders und ist seither solistisch und im Ensemble als Thereminist tätig, u. a. 2010 mit Sting. Er unterrichtet an der Mu-sik-Hochschule in Weimar und der Hoch-schule für Musik und Theater Rostock.

daNiel PflUger Regie

Daniel Pfluger studierte Regie an der Zür-cher Hochschule der Künste. Während des Studiums erarbeitete er u. a. Titus nach Shakespeare und Heiner Müller und Un-vollkommen, ein Bewegungstheater nach den Metamorphosen von Ovid, das beim Schauspielschultreffen 2008 in Rostock ausgezeichnet wurde und mit dem er das Körber Studio Junge Regie 2009 gewann. Als freischaffender Regisseur inszenierte er am Heidelberger Theater das transdiszi-plinäre Projekt godard driving, moby dick am Schauspielhaus Graz und für Winter in Schwetzingen die Vivaldi-Oper bajazet. Es folgten Arbeiten am Mannheimer Schnawwl und am Staatstheater Schwerin sowie das Projekt m & The acid monks in der Kaserne Basel. Ab Oktober 2012 nimmt er am Stipendiatenprogramm der Akademie Musiktheater Heute teil. Künftige Arbei-ten führen ihn u.a. an die Deutsche Oper Berlin. In Karlsruhe inszenierte er 2011/12 die Kinderoper dino und die arche.

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JaNiNe werTHmaNN Kostüme

Janine Werthmann ist seit 2006 freischaf-fende Kostümbildnerin für Schauspiel, Oper und Ballett u.a. am Nationaltheater Mannheim, Schauspiel Frankfurt, Stadt-theater Bremerhaven, Theater Heidelberg. Sie arbeitet mit Regisseuren wie Burkhard C. Kosminski, Daniel Pfluger, Michael Si-mon, Cilli Drexel, Tim Egloff, Egill Pálsson, Simon Solberg u. a. In der Spielzeit 11/12 entwarf sie zuletzt Bühne und Kostüme für die Schauspielproduktionen der goldene drache unter der Regie von Tim Egloff am Stadttheater Bremerhaven, die Kostüme für die deutsche Erstaufführung von der andere ort unter der Regie von Burkhard C. Kosminski am Nationaltheater Mann-heim sowie die Kostüme für die Produktion m & The acid monks in der Regie von Daniel Pfluger in der Kaserne Basel. In der Spielzeit 2011/12 war sie bereits für die fantasievollen Kostüme der Kinderoper dino und die arche verantwortlich.

flUriN borg madSeN Bühne

Flurin Borg Madsen, geboren 1981 in Stuttgart, begann nach Hospitanzen u. a. am Schauspielhaus Düsseldorf und am Nederlands Dans Theater in Den Haag 2002 sein Studium der Szenografie an der Hochschule für Gestaltung (HfG) Karlsruhe. Neben dem Studium arbeitete er als Kamera-Assistent und entwarf Bühnenbilder für Theater in Buenos Aires, Mannheim, Zürich, Solothurn und Heidel-berg sowie Videoprojektionen für Opern in Amsterdam, Düsseldorf und für Michael Simons Lohengrin-Inszenierung an der Nürnberger Staatsoper. 2006 bis 2007 war er Bühnenbildassistent am Nationalthe-ater Mannheim, 2008 folgte ein weiteres Szenografie-Studium an der Züricher Hochschule der Künste (ZHdK). Mit Daniel Pfluger verbindet ihn eine regelmäßige Zusammenarbeit. In Karlsruhe entwarf Flurin Madsen 2011/12 die Bühnenbilder für Herzog Theodor von gothland und die Kinderoper dino und die arche.

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35Folgeseiten Klaus Cofalka-Adami, Ursula Grossenbacher

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aNNa-magdaleNa beeTz Gänseblümchen, Haselmaus, HerzoginNach dem Schauspielstudium an der Hamburger Stage School of Music, Dance and Drama war Anna-Magdalena Beetz 2001-2005 festes Ensem-blemitglied in Heidelberg, 2007-2011 in Karlsruhe, wo sie u. a. in cabaret und big money spielte und mit ihrer Band annagramm auftrat. Als Gast ist sie weiter in dylan – The times they are a-changin‘ zu erleben.

eva derleder Raupe, Schachkönigin Eva Derleder war u. a. in Mannheim, Stuttgart und Baden-Baden en-gagiert und wurde mit onkel wanja von Harald Clemen und Quai west in der Regie von Jürgen Bosse am Mannheimer Nationaltheater zum Berliner Theatertreffen eingeladen. In Karlsruhe spielte sie zuletzt in auf Kolonos und ist weiterhin in Jakob der lügner zu sehen.

UrSUla groSSeNbacHer AliceUrsula Grossenbacher spielte u. a. am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, bevor sie ihr erstes Festengagement in Braunschweig antrat. 1995 ging sie fest ans Landestheater Tübingen, 2002 nach Karlsruhe, wo sie zuletzt u. a. in Herzog Theodor von gothland, big money, orpheus steigt herab spielte und weiterhin in Jakob der lügner.

JoaNNa KiTzl Lilie, Hutmacher, TweedledeeJoanna Kitzl spielte am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, wo sie mit Jürgen Gosch arbeitete, am Theater Neumarkt Zürich, am Heidelberger Theater und am Staatsschauspiel Hannover. In Karlsruhe spielte sie u. a. minna von barnhelm, die Lady in orpheus steigt herab und ist 2012/13 u. a. in verrücktes blut und dantons Tod zu sehen.

JaN aNdreeSeN Gänseblümchen, Märzhase, TweedledumJan Andreesen studierte an der Leipziger Hochschule und spielte im Studio des Dresdner Staatsschauspiels, bevor er fest ans Theater Bie-lefeld ging. 2010/11 gehörte er zum Heidelberger Ensemble. In Karlsruhe spielte er u. a. in Philotas+ und steht weiterhin in Supermen Ka und verrücktes blut, demnächst außerdem in dantons Tod auf der Bühne.

roberT beSTa Charles Dodgson, Weißer Ritter, Weißes KaninchenRobert Besta ist seit 2005/06 in Karlsruhe engagiert. 2007 erhielt er den jährlich an ein Nachwuchstalent des Theaters verliehenen „Goldenen Fächer“. Seit 2006 inszeniert der Leiter eines Jugendclubs regelmäßig und dreht Filme, u. a. abgesang, regelmäßig zu sehen im STUDIO. Zuletzt spielte er u. a. in big money und immer noch Sturm.

HaNNeS fiScHer Rose, Grinsekatze, Humpty DumptyDie Theater in Würzburg und Nürnberg, das Düsseldorfer Schauspiel-haus, Volkstheater Wien, Theater Baden-Baden, Schauspiel Essen und Staatstheater Kassel gehören zu den Stationen von Hannes Fischer. 2007-2012 war er fest in Karlsruhe engagiert. Hier spielte er zuletzt u. a. in die Hermannsschlacht, auf Kolonos, fiesco und Jakob der lügner.

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georg KraUSe Altar Boy soloGeorg Krause studierte Bildhauerei und Schauspiel in Stuttgart. Nach Engagements in Tübingen, Heilbronn und Münster kam er 2002/03 fest nach Karlsruhe, wo er den Mephisto in faust und den brandner Kaspar spielte. Zuletzt stand er u. a. in orpheus steigt herab und big money auf der Bühne und spielt auch 2012/13 die Titelrolle in Jakob der lügner.

NaTaNaËl lieNHard Frosch, Reh, Schwarzer RitterNach seiner Ausbildung an der Frankfurter Hochschule gehörte Nata-naël Lienhard ab Mai 2008 zum Ensemble des Heidelberger Theaters, wo er u. a. als Saint Just in dantons Tod zu erleben war. In Karlsruhe ist er auch 2012/13 mit Tschick in der INSEL sowie im STUDIO mit Supermen Ka und dem musikalischen Soloabend brel – on n‘oublie rien zu erleben.

gUNNar ScHmidT Fisch, Schaf, SchachkönigGunnar Schmidt absolvierte seine Schauspielausbildung in Hamburg. Nach Engagements in Wilhelmshaven, Münster und Tübingen kam er 2002 fest ins Karlsruher Ensemble. Hier war er 2011/12 u. a. in big money und Philotas+ zu sehen, 2012/13 spielt er in Jakob der lügner und hat im November 2012 mit dantons Tod Premiere.

wo dU biST, macHT KeiNeN SiNN, weNN dU NicHT weiSST, wie dU HeiSST. wie dU HeiSST, macHT KeiNeN SiNN, weNN dU NicHT weiSST, wo dU biST.

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agaTa zieba Bratsche Agata Zieba studierte Bratsche und Musiktheorie in Krakau. Es folgten Studien an der Musikhochschule Stuttgart bei Prof. Andra Darzins, ab 2011 mit Schwerpunkt Neue Musik. Aushilfstätigkeiten führen sie u.a. zum SWR SO Freiburg und zur Badischen Staatskapelle. Seit 2012 ist sie Solo-Bratschistin an der Oper Bialystok.

JaKob diNKelacKer Waldhorn, Trompete, Percussion, Schlagwerk. Jakob Dinkelacker studierte in Mannheim Jazz- und Popularmusik mit Schwerpunkt Schlagzeug. Er ist Mitglied verschiedener Jazz-Kollektive, Gründer des Projektes Return To Whatever und wirkte bei Theaterpro-duktionen in Tübingen, Heidelberg, Basel und Karlsruhe mit. Zudem begleitet er Tourneen u. a. von Fabian Simon und Adam Arcuragi.

SveN PUdil Bassklarinette, Saxophone, Piccolo, QuerflöteSven Pudil studierte Jazz- und Popularmusik an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Mannheim und ist europaweit für Big- und Brass Bands, Musicals, CD-Produktionen und Jazzfestivals tätig. Er tritt mit der Big Band Kicks `n Sticks in der Alten Feuerwache Mann-heim auf und ist Mitglied der Brassband Blassportgruppe Südwest.

floriaN ryNKowSKi ,Bass, Gitarre, Klavier, Saz, WindmaschineFlorian Rynkowski studierte E-Bass, Kontrabass und Komposition in Weimar, Helsinki, Accra (Ghana) und Köln. Der Musiker arbeitet mit verschiedenen Formationen im Bereich Jazz, Weltmusik, Minimal Mu-sic, Klassik und Soul zusammen. 2012 erschien seine Debütplatte flora et labora, die er gemeinsam mit fünf finnischen Musikern aufnahm.

JocHeN welScH Posaune, Sousaphon, TubaDer gebürtige Karlsruher Jochen Welsch ist freischaffender Kompo-nist, Arrangeur, Posaunist und Sousafonist. Wenn der Musiker nicht gerade unterwegs ist, lebt er in Mannheim, wo er an der Musikhoch-schule und an der Universität Ensemble-Leitung unterrichtet. Er ist Mitbegründer und Leiter zahlreicher Jazz-Orchester und Bigbands.

Ursula Grossenbacher, Natanaël Lienhard & Band

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bildNacHweiSe

UmScHlag & SzeNeNfoToS Felix Grünschloßs. 14 ff. Dreaming in Pictures, The Pho-tography of Lewis Carroll, San Francisco Museum of Modern Art, Yale University Press, New Haven and London 2002

imPreSSUm

HeraUSgeber BADISCHES STAATSTHEATERKARLSRUHE

geNeraliNTeNdaNT Peter Spuhler

verwalTUNgSdireKTor Michael Obermeier

ScHaUSPieldireKTor Jan Linders

redaKTioNNina Steinhilber

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geSTalTUNg Kristina Pernesch

drUcK medialogik GmbH, Karlsruhe

BADISCHES STAATSTHEATER KARLSRUHE 11/12 Programmheft Nr. 2www.staatstheater.karlsruhe.de

wie wäre eS miT eiNem ei?Ursula Grossenbacher, Robert Besta

TeXTNacHweiSe

Lewis Carroll, briefe an kleine mädchen, aus dem Englischen übersetzt und hrsg. von Klaus Reichert, Frankfurt 1976.

Klaus Reichert, Studien zum literarischen Unsinn – lewis carroll, München 1974.

Lewis Carroll, die alice-romane, alices abenteuer im wunderland, durch den Spiegel und was alice dort fand, aus dem Englischen übersetzt und hrsg. von Gün-ther Flemming, Stuttgart 2002, 2010.

Alice Liddell 1932 im Cornhill Magazine, zitiert nach alice, Programmheft Thalia Theater Hamburg, Spielzeit 1992/93.

alice im wunderland der Kunst, hrsg. von Hubertus Gaßner, Annabella Görgen und Christoph Benjamin Schulz, Hamburg 2012.

zauberhafte Klangmaschinen, Mainz 2008.

Nicht gekennzeichnete Texte sind Originalbeiträge für dieses Heft von Nina Steinhilber

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maNcHmal gibT eS eTwaS, aber maN mUSS die aUgeN ScHlieSSeN, Um eS zU SeHeN.