„kommune inklusiv“ – sozialräume beforschen und begleiten · denken. dies kann bspw....

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WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG Teilhabe 4/2018, Jg. 57 Hinführung Sozialräume durch finanzielle und orga- nisationale Unterstützung auf den Weg zu Inklusion bringen – das ist die Idee hinter dem Projekt „Kommune Inklu- siv“, das von Aktion Mensch e. V. initi- iert und gefördert wird, wie es die Pro- jektkoordinatorin Carolina ZIBELL in der Teilhabe 2/2018 bereits vorgestellt hat (ZIBELL 2018, 93 f.). Die Goethe- Universität Frankfurt begleitet dieses Projekt wissenschaftlich und untersucht, ob und inwiefern sich die jeweiligen Sozialräume hin zu mehr Teilhabemög- lichkeiten für Menschen, die bislang von Ausschluss bedroht oder betroffen sind, verändern. In der Begleitforschung sind Wissenschaft und Praxis wechsel- seitig miteinander verknüpft und grei- fen im Forschungs- und beständigen Rückmeldeprozess sinnhaft ineinander. In der wissenschaftlichen Forschung werden Barrieren multimethodal erfah- ren und zugänglich gemacht, sodass die Praxis ausgehend davon Möglichkeiten zur Überwindung dieser Barrieren fin- den kann – deren Wirksamkeit wieder- um zum Gegenstand der Wissenschaft wird. Aufgabe der Wissenschaft ist darü- ber hinaus, theoretische Verständnisse zu entwickeln und zu erweitern, bspw. bezüglich Barrierefreiheit und insbe- sondere ‚Inklusion‘, die immer mehr zur normativen Richtschnur für die (pädagogische) Praxis wird, jedoch im begriffstheoretischen Diskurs der Fach- disziplinen – und darüber hinaus – oft- mals unscharf bleibt (DANNENBECK 2012, 55; DORRANCE, DANNENBECK 2013, 9 f.; TRESCHER 2018; TRESCHER 2017b). Dieser Beitrag wird als Auftakt verstanden, in dem das Projekt bezie- hungsweise das Vorgehen der wissen- schaftlichen Begleitung dargelegt und Einblick in erste Ergebnisse der Sozial- raumanalysen gegeben wird. Ein beson- derer Fokus liegt hierbei auf Menschen mit ‚geistiger Behinderung‘, die nach wie vor in allen Bereichen des öffentli- chen und privaten Lebens auf Barrieren stoßen (u. a. TRESCHER 2017a). Dem sollen weitere und vertiefende Ergebnis- darstellungen sowie je themenspezifi- sche Diskussionen folgen. Was heißt eigentlich Inklusion? Um der Leerstelle um den Inklusions- begriff zu begegnen, soll das dem Bei- trag – und im Übrigen auch der Begleit- forschung – zugrundeliegende Verständ- nis von Inklusion kurz umrissen werden. Inklusion wird als die Praxis der Dekon- struktion von Diskursteilhabebarrieren verstanden und ist in diesem Sinne etwas, das Behinderungspraxen gegen- läufig ist (vgl. TRESCHER 2018, TRE- SCHER 2017b). Jene Behinderungspra- xen vollziehen sich immer dann, wenn Personen an Barrieren stoßen, die ihre Teilhabemöglichkeiten einschränken. Das bedeutet in der Konsequenz auch, dass ‚Behinderung‘ nicht als Subjekt- status gedacht wird, sondern als Praxis, die sich je situativ vollzieht. Inklusion ist dabei als Prozess zu verstehen, der erst in der diskursiven Auseinanderset- zung von Subjekten konstituiert wird. Inklusion vollzieht sich also dann, wenn Teilhabebarrieren aufgedeckt und infolge- dessen abgebaut werden können. Diese Dekonstruktion von Teilhabebarrieren erfolgt darüber, dass herkömmliche Pra- xen infrage gestellt werden und somit die Möglichkeit entsteht, diese neu zu denken. Dies kann bspw. Fürsorge- und Versorgungspraxen gegenüber Menschen betreffen, die ‚behindert‘ genannt wer- den, und die sich heute nach wie vor größtenteils in sogenannten „Instituti- onskarrieren“ (THEUNISSEN 2002, 167) abbilden lassen (vgl. TRESCHER 2017a, 234 ff.). Gängige Praxen infrage zu stellen kann für die beteiligten Per- sonen krisenhaft sein, da routinisierte Handlungsweisen und Einstellungen ge- gebenenfalls verändert werden müssen. Um dies ein Stück weit aufzufangen, bedarf es einer pädagogischen Beglei- tung, die es schafft, Ängsten, Vorbehal- ten und Bedenken zu begegnen und dif- ferenzierte Verstehenszugänge zu eröff- nen. Dabei ist es hilfreich, wenn Be- rührungspunkte zwischen Menschen mit und Menschen ohne ‚(geistige) Behin- derung‘ geschaffen werden. Eines wird hieran sehr deutlich, nämlich, dass es kaum möglich sein wird, Inklusion als eine Maßnahme ‚herzustellen‘, sondern dass Inklusion vielmehr als Prozess ver- standen werden muss, der sich in der Lebenspraxis vollzieht (vgl. TRESCHER 2015, 334; TRESCHER 2018; TRE- SCHER 2017b). Die wissenschaftliche Begleitung des Projekts „Kommune Inklusiv“ Die wissenschaftliche Begleitung des Projekts „Kommune Inklusiv“ unter- sucht auf drei Ebenen die Wirkung des Projekts auf die fünf Sozialräume, die von Aktion Mensch e. V. über den Zeit- raum von fünf Jahren gefördert werden – Erlangen, Rostock, Schneverdingen, Schwäbisch Gmünd und die Verbands- gemeinde Nieder-Olm. 1 156 Hendrik Trescher Teresa Hauck „Kommune Inklusiv“ – Sozialräume beforschen und begleiten | Teilhabe 4/2018, Jg. 57, S. 156 – 162 | KURZFASSUNG Fünf Sozialräume in Deutschland werden im Projekt „Kommune Inklusiv“ durch Aktion Mensch e. V. darin unterstützt, Barrieren abzubauen und Teilhabe- möglichkeiten für diejenigen zu eröffnen, die von Ausschluss bedroht oder betroffen sind. Die Goethe-Universität Frankfurt begleitet diesen Prozess wissenschaftlich. Dabei werden u. a. umfassende Sozialraumevaluationen vorgenommen, anhand derer gegen- wärtige Teilhabepraxen offengelegt und etwaige Veränderungen im Projektzeitraum nachgezeichnet werden sollen. Der Beitrag stellt Ergebnisse der ersten Sozialraumanalysen zur Diskussion. | ABSTRACT “Inclusive municipality“ – Research and accompanying in social spaces. In the project “Kommune Inklusiv”, the non-profit organization “Aktion Mensch e. V.” supports five social spaces in different German areas in removing barriers and in opening up possibilities of participation in society for those who are excluded or at risk of being excluded. Goethe University Frankfurt accompanies this process scientifically. Based on a comprehensive analysis of the different social spaces, current practices of participation and possible changes over the course of the project are presented. The paper puts the first results of the analysis of the social spaces up for discussion.

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Page 1: „Kommune Inklusiv“ – Sozialräume beforschen und begleiten · denken. Dies kann bspw. Fürsorge- und Versorgungspraxen gegenüber Menschen ... Handlungsweisen und Einstellungen

WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG Teilhabe 4/2018, Jg. 57

Hinführung

Sozialräume durch finanzielle und orga-nisationale Unterstützung auf den Wegzu Inklusion bringen – das ist die Ideehinter dem Projekt „Kommune Inklu-siv“, das von Aktion Mensch e. V. initi-iert und gefördert wird, wie es die Pro-jektkoordinatorin Carolina ZIBELL inder Teilhabe 2/2018 bereits vorgestellthat (ZIBELL 2018, 93 f.). Die Goethe-Universität Frankfurt begleitet diesesProjekt wissenschaftlich und untersucht,ob und inwiefern sich die jeweiligenSozialräume hin zu mehr Teilhabemög-lichkeiten für Menschen, die bislangvon Ausschluss bedroht oder betroffensind, verändern. In der Begleitforschungsind Wissenschaft und Praxis wechsel-seitig miteinander verknüpft und grei-fen im Forschungs- und beständigenRückmeldeprozess sinnhaft ineinander.In der wissenschaftlichen Forschungwerden Barrieren multimethodal erfah-ren und zugänglich gemacht, sodass diePraxis ausgehend davon Möglichkeitenzur Überwindung dieser Barrieren fin-den kann – deren Wirksamkeit wieder-um zum Gegenstand der Wissenschaftwird. Aufgabe der Wissenschaft ist darü-

ber hinaus, theoretische Verständnissezu entwickeln und zu erweitern, bspw.bezüglich Barrierefreiheit und insbe-sondere ‚Inklusion‘, die immer mehrzur normativen Richtschnur für die(pädagogische) Praxis wird, jedoch imbegriffstheoretischen Diskurs der Fach-disziplinen – und darüber hinaus – oft-mals unscharf bleibt (DANNENBECK2012, 55; DORRANCE, DANNENBECK2013, 9 f.; TRESCHER 2018; TRESCHER2017b). Dieser Beitrag wird als Auftaktverstanden, in dem das Projekt bezie-hungsweise das Vorgehen der wissen-schaftlichen Begleitung dargelegt undEinblick in erste Ergebnisse der Sozial-raumanalysen gegeben wird. Ein beson-derer Fokus liegt hierbei auf Menschenmit ‚geistiger Behinderung‘, die nachwie vor in allen Bereichen des öffentli-chen und privaten Lebens auf Barrierenstoßen (u. a. TRESCHER 2017a). Demsollen weitere und vertiefende Ergebnis-darstellungen sowie je themenspezifi-sche Diskussionen folgen.

Was heißt eigentlich Inklusion?

Um der Leerstelle um den Inklusions-begriff zu begegnen, soll das dem Bei-

trag – und im Übrigen auch der Begleit-forschung – zugrundeliegende Verständ-nis von Inklusion kurz umrissen werden.Inklusion wird als die Praxis der Dekon-struktion von Diskursteilhabebarrierenverstanden und ist in diesem Sinneetwas, das Behinderungspraxen gegen-läufig ist (vgl. TRESCHER 2018, TRE-SCHER 2017b). Jene Behinderungspra-xen vollziehen sich immer dann, wennPersonen an Barrieren stoßen, die ihreTeilhabemöglichkeiten einschränken.Das bedeutet in der Konsequenz auch,dass ‚Behinderung‘ nicht als Subjekt-status gedacht wird, sondern als Praxis,die sich je situativ vollzieht. Inklusionist dabei als Prozess zu verstehen, dererst in der diskursiven Auseinanderset-zung von Subjekten konstituiert wird.Inklusion vollzieht sich also dann, wennTeilhabebarrieren aufgedeckt und infolge-dessen abgebaut werden können. DieseDekonstruktion von Teilhabebarrierenerfolgt darüber, dass herkömmliche Pra-xen infrage gestellt werden und somitdie Möglichkeit entsteht, diese neu zudenken. Dies kann bspw. Fürsorge- undVersorgungspraxen gegenüber Menschenbetreffen, die ‚behindert‘ genannt wer-den, und die sich heute nach wie vorgrößtenteils in sogenannten „Instituti-onskarrieren“ (THEUNISSEN 2002,167) abbilden lassen (vgl. TRESCHER2017a, 234 ff.). Gängige Praxen infragezu stellen kann für die beteiligten Per-sonen krisenhaft sein, da routinisierteHandlungsweisen und Einstellungen ge-gebenenfalls verändert werden müssen.Um dies ein Stück weit aufzufangen,bedarf es einer pädagogischen Beglei-tung, die es schafft, Ängsten, Vorbehal-ten und Bedenken zu begegnen und dif-ferenzierte Verstehenszugänge zu eröff-nen. Dabei ist es hilfreich, wenn Be-rührungspunkte zwischen Menschen mitund Menschen ohne ‚(geistige) Behin-derung‘ geschaffen werden. Eines wirdhieran sehr deutlich, nämlich, dass eskaum möglich sein wird, Inklusion alseine Maßnahme ‚herzustellen‘, sonderndass Inklusion vielmehr als Prozess ver-standen werden muss, der sich in derLebenspraxis vollzieht (vgl. TRESCHER2015, 334; TRESCHER 2018; TRE-SCHER 2017b).

Die wissenschaftliche Begleitung desProjekts „Kommune Inklusiv“

Die wissenschaftliche Begleitung desProjekts „Kommune Inklusiv“ unter-sucht auf drei Ebenen die Wirkung desProjekts auf die fünf Sozialräume, dievon Aktion Mensch e. V. über den Zeit-raum von fünf Jahren gefördert werden –Erlangen, Rostock, Schneverdingen,Schwäbisch Gmünd und die Verbands-gemeinde Nieder-Olm.1

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Hendrik Trescher Teresa Hauck

„Kommune Inklusiv“ – Sozialräumebeforschen und begleiten

| Teilhabe 4/2018, Jg. 57, S. 156 – 162

| KURZFASSUNG Fünf Sozialräume in Deutschland werden im Projekt „KommuneInklusiv“ durch Aktion Mensch e. V. darin unterstützt, Barrieren abzubauen und Teilhabe-möglichkeiten für diejenigen zu eröffnen, die von Ausschluss bedroht oder betroffensind. Die Goethe-Universität Frankfurt begleitet diesen Prozess wissenschaftlich. Dabeiwerden u. a. umfassende Sozialraumevaluationen vorgenommen, anhand derer gegen-wärtige Teilhabepraxen offengelegt und etwaige Veränderungen im Projektzeitraumnachgezeichnet werden sollen. Der Beitrag stellt Ergebnisse der ersten Sozialraumanalysenzur Diskussion.

| ABSTRACT “Inclusive municipality“ – Research and accompanying in socialspaces. In the project “Kommune Inklusiv”, the non-profit organization “Aktion Mensch e. V.”supports five social spaces in different German areas in removing barriers and in openingup possibilities of participation in society for those who are excluded or at risk of beingexcluded. Goethe University Frankfurt accompanies this process scientifically. Based on acomprehensive analysis of the different social spaces, current practices of participationand possible changes over the course of the project are presented. The paper puts thefirst results of the analysis of the social spaces up for discussion.

Page 2: „Kommune Inklusiv“ – Sozialräume beforschen und begleiten · denken. Dies kann bspw. Fürsorge- und Versorgungspraxen gegenüber Menschen ... Handlungsweisen und Einstellungen

WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG„Kommune Inklusiv“ – Sozialräume beforschen und begleiten

Teilhabe 4/2018, Jg. 57

Auf Ebene 1 werden die Maßnah-men evaluiert, die die Akteur(inn)e(n)in den Sozialräumen (allen voran dieKoordinator(inn)en sowie alle Perso-nen, die sich im Projekt engagieren)planen, anstoßen und verwirklichen(finanziell und organisational unter-stützt durch Aktion Mensch e. V.). Bei-spiele für Maßnahmen sind u. a. eineSprechstunde mit Apotheker(inne)n, inder sich Menschen informieren können,die Unterstützungsbedarf im BereichLesen/Verstehen haben (bspw. Beipack-zettel erklären lassen), ein Schwimm-kurs für Frauen mit Fluchtmigrations-hintergrund, Alphabetisierungs- undRechenkurse für Menschen mit ‚geisti-

ger Behinderung‘ sowie Schulungen fürMitarbeiter(innen) der Behindertenhilfeoder auch für Ärzt(inn)e(n) und Apo-theker(innen), um diese für die Belangevon Menschen mit ‚geistiger Behinde-rung‘ zu sensibilisieren. Die Evaluationdieser Maßnahmen folgt der übergeord-neten Forschungsfrage: Wie nehmen dieTeilnehmenden die Maßnahmen wahr?Zur Operationalisierung dessen werdenan die Teilnehmenden nach Besuchoder Abschluss der Maßnahme Online-surveys versendet, in denen nach der jeindividuellen Bewertung der Maßnah-me, dem persönlichen Nutzen und Wei-terentwicklungspotenzialen gefragt wird.Ein Jahr nach der ersten Befragung fin-det eine Follow-Up-Erhebung statt, umso die nachhaltige Wirksamkeit derMaßnahme zu untersuchen. In Einzel-fällen werden die Surveys auch in aus-gedruckter Form zur Verfügung gestellt,beispielsweise wenn kein Internetan-schluss zur Verfügung steht, was nachwie vor auf viele Menschen mit ‚geistigerBehinderung‘ zutrifft (vgl. REICHSTEIN2016, 82; siehe dazu auch TRESCHER2017c, 133 ff.). Die Surveys sollen sobarrierearm wie möglich zugänglichsein, was kontinuierlich überprüft undmit Menschen mit unterschiedlichenUnterstützungsbedarfen angepasst wird(u. a. eine Übersetzung der Surveys inLeichte Sprache). Die Auswertung derSurveys wird anhand deskriptiv-statisti-scher und qualitativ-inhaltsanalytischerVerfahren erfolgen. Ebene 2 hat zumZiel, die Sozialräume vergleichend zu

untersuchen, um so über den Verlauf desProjekts etwaige Veränderungen nach-weisen zu können – bspw. bezüglich derEinstellungen gegenüber Menschen mit‚geistiger Behinderung‘. Geleitet wirddies von den übergeordneten Forschungs-fragen: Wie wirken die initiierten Pro-zesse und Praxen hinsichtlich einerEntwicklung hin zu einem inklusivenSozialraum? Wie verändert sich eineRegion über einen längeren Zeitraumhinweg mit und durch die Bereitstel-lung inklusiver und begleitender Ange-bote? Die Evaluation der Sozialräumeerfolgt anhand von zwei unterschiedli-chen Instrumenten, welche im folgendenKapitel ausführlicher dargelegt werden.

Auf Ebene 3 werden Fallstudien durch-geführt, die die subjektive Sicht der Per-sonen in den Mittelpunkt stellen, die inden Sozialräumen leben. Forschungs-praktisch werden dazu einzelne Perso-nen über den Projektzeitraum begleitetund zu zwei Erhebungszeitpunkten inproblemzentrierten Interviews zu ihrerLebenssituation befragt. Ziel dessen ist,zu rekonstruieren, ob und inwiefern dieMaßnahmen im Sozialraum auch beiEinzelpersonen ankommen und gege-benenfalls ihre Lebenssituation beein-flussen. Bei der Auswahl der Interview-personen soll auf das Merkmal dergrößtmöglichen Heterogenität geachtetwerden. Verbindendes Element ist dabei,dass die Interviewpersonen aktuell vonAusschluss bedroht oder betroffen sind.

Sozialräume evaluieren. Zum methodischen Vorgehen

Ein Schwerpunkt der Begleitforschungist die Evaluation der Sozialräume (Ebe-ne 2), welche zu Beginn des Projektsdas Feld eröffnen und den gegenwärti-gen Stand von Teilhabebarrieren und -möglichkeiten von Menschen mit unter-schiedlichen Unterstützungsbedarfenabbilden soll. Wie bereits beschrieben,wurden dafür zwei Instrumente entwi-ckelt:

(1) Mit Sozialraumanalysen werdendie Sozialräume an drei Messzeitpunk-ten (initial, in der Mitte und am Endedes Projekts) in den fünf Handlungsfel-

dern Arbeit, Bildung, Freizeit, Wohnenund Barrierefreiheit/Mobilität umfas-send untersucht, wobei letzteres alsQuerschnittsthema zu verstehen ist,das für alle Handlungsfelder relevantist. Methodisch wird dabei mit einemMixed-Methods-Instrument gearbeitet,das eigens für diesen Zweck konzipiertund getestet wurde. Im Vorhinein wur-den vier Expert(inn)eninterviews mitMenschen geführt, die je Unterstützungs-bedarf in den Bereichen Mobilität, Sehen,Hören oder Lesen/Verstehen haben. Zieldessen war, für mögliche Barrieren sen-sibilisiert zu werden, insbesondere jene,die den Forscher(inne)n bislang wenigeroffensichtlich waren. Ausgehend davonwurde sich dafür entschieden, die Hand-lungsfelder anhand von leitfadengestütz-ten Telefoninterviews (Freizeit), leitfaden-gestützten Vor-Ort-Erhebungen (Arbeit)und einem Onlinesurvey (Bildung) zuuntersuchen. Im Bereich Freizeit konn-ten dadurch 235 Interviews mit Primär-vertreter(inne)n erhoben werden, wo-bei die Untersuchung an dieser Stelledeutlich von den Erfahrungen aus einemvorangegangenen Projekt zum ThemaFreizeit und Inklusion profitierte (TRE-SCHER 2015). Im Handlungsfeld Arbeitgelangen 158 vollständige Befragungenund im Handlungsfeld Bildung wurdeder Survey 109 Mal ausgefüllt. Die An-zahl der Interviews bzw. Beantwortun-gen korreliert jeweils mit der Größe derSozialräume (Einwohner(innen)zahl)und kann als sehr gut verteilt erachtetwerden, weshalb deskriptive Statistikensowie Quervergleiche zwischen den Sozi-alräumen ein valides Ergebnis erwartenlassen. Hiervon muss das HandlungsfeldBildung ausgenommen werden, in demder dazugehörige Survey im SozialraumRostock in nicht repräsentativem Maßebeantwortet wurde, weshalb für Ros-tock im Bereich Bildung keine Aussagengetroffen werden können. Dem Hand-lungsfeld Wohnen wurde sich anhandethnografischer Sozialraumbegehungengenähert, in denen Barrieren lebensprak-tisch erfahren wurden. Das ethnografi-sche Vorgehen will sich je bestimmtenLebenspraxen annähern und sozusagendie Welt mit den Augen der darin leben-den Menschen sehen (HONER 2012,195). „Es geht darum, ‚die Fremde‘ auf-zusuchen“ (HONER 2012, 197) unddiese zu verstehen. Methodisch wurdesich dabei an SEIFERT (2010, 301 f.)und HONER (2012, 197) orientiert. DieAnknüpfungspunkte an das Handlungs-feld Barrierefreiheit/Mobilität sind beiden Sozialraumbegehungen besonderszahlreich – insbesondere bezüglich desöffentlichen Personennahverkehrs, wes-halb im Rahmen der Sozialraumbege-hungen grundsätzlich immer öffentlicheVerkehrsmittel genutzt und hinsichtlichihrer Barrierefreiheit untersucht wurden

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1 Leitung der Forschungsebenen 1 und 2: Prof. Dr. Hendrik Trescher; Leitung der Forschungsebene 3: Prof. Dr. Dieter Katzenbach, Dr. Nadine Schallenkammer

Behinderungspraxen vollziehen sich immer dann, wenn Personen an Barrieren stoßen, die ihre Teilhabemöglichkeiten einschränken.

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WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG Teilhabe 4/2018, Jg. 57„Kommune Inklusiv“ – Sozialräume beforschen und begleiten

(TRESCHER, HAUCK & BÖRNER2017). Zudem erwiesen sich bei denSozialraumbegehungen die Informatio-nen, die im Zuge der Expert(inn)enin-terviews generiert wurden, als gewinn-bringend.

Die Sozialraumanalysen, die punktu-ell erfolgen, werden durch zwei Online-surveys ergänzt, welche über den ge-samten Projektzeitraum offen sind, undderen Ergebnisse u. a. zu den Zeitpunk-ten der Sozialraumanalysen abgeschöpftwerden. Der Onlinesurvey „Einstel-lung(en) zu Inklusion“ richtet sich andie Gesamtbevölkerung Deutschlandsmit einem Schwerpunkt auf den fünfSozialräumen, in denen er besondersstark beworben wurde. Ziel des Surveysist, Einstellungen und Haltungen ge-genüber Inklusion im Allgemeinen undMenschen mit ‚geistiger Behinderung‘im Besonderen offenzulegen. Menschenmit ‚geistiger Behinderung‘ wurden hierexemplarisch ausgewählt, da diese nachwie vor oftmals starken Diskriminie-rungen ausgesetzt sind (vgl. u. a. TRE-SCHER 2017a). Folglich stehen hierdie Fragen im Vordergrund, wie mitMenschen mit ‚geistiger Behinderung‘umgegangen wird und inwiefern sie ge-genwärtig an routinemäßigen Lebens-praxen teilhaben. Über die Auswertung

des Surveys in bestimmten zeitlichenAbschnitten soll es möglich sein, poten-zielle Entwicklungen bzw. Veränderun-gen innerhalb der Sozialräume festzu-stellen und vielfältige (deutschlandweite)Vergleiche zu ermöglichen. Bislang wur-de der Survey 4884 Mal beantwortet.2

Der Onlinesurvey „Sozialraumbefra-gung“ richtet sich dagegen ausschließ-lich an die Menschen in den fünf Sozi-alräumen. Anhand der Befragung sol-len sozialraumspezifische Aussagen zuden Handlungsfeldern Arbeit, Bildung,Freizeit und Wohnen hinsichtlich der Dif-ferenzkategorien ‚Behinderung‘, ‚Flucht-migrationshintergrund‘ und ‚Demenz‘generiert werden, um so (a) den Standvon ‚Inklusion‘ in den Sozialräumenabbilden zu können und (b) Querver-gleiche diesbezüglich unter den einzel-nen Sozialräumen zu ermöglichen. Zu-sätzlich sind in diesem Survey Freitext-felder eingearbeitet, in denen u. a.Verbesserungsvorschläge für die Ver-antwortlichen in der Kommune einge-tragen werden können, die gebündeltan die Koordinator(inn)en vor Ort wei-tergegeben werden sollen. Dieser Sur-vey wurde bislang 346 Mal beantwortet.In der Tabelle 1 ist das Vorgehen derSozialraumevaluation veranschaulicht.

(2) Der zweite Schwerpunkt der Eva-luation der Sozialräume ist das soge-nannte Sozialraummonitoring. Ziel desSozialraummonitorings ist es, über dengesamten Projektzeitraum hinweg zuuntersuchen, inwiefern Personen, dievon Ausschluss bedroht oder betroffensind, in ihrem Alltag in den jeweiligenSozialräumen auf Teilhabebarrierenstoßen. Anhand der Erhebung und Abbil-dung individueller Merkmale der ein-zelnen Sozialräume werden sowohlQuervergleiche unter den fünf Sozial-räumen als auch Binnenvergleiche inner-halb jedes Sozialraums möglich. Da-durch können Veränderungen in Bezugauf Teilhabemöglichkeiten herausgear-beitet werden, um so eine Aussage darü-ber treffen zu können, inwiefern sichdie Sozialräume im Projektzeitraumentwickeln. Diesbezüglich wurden Meta-daten über jeden Sozialraum erhoben,um diese abstrakt beschreiben unduntereinander vergleichen zu können.Darüber hinaus wurde in jedem Sozial-raum recherchiert, inwiefern öffentlicheEinrichtungen des sozialen Lebens bar-rierefrei zugänglich sind (u. a. Museen,Ämter und Behörden, Theater, Kinos,Schwimmbäder usw.). Es wurde sowohlder Internetauftritt der Einrichtung ge-prüft, wobei sich primär an den Vorga-ben der BITV 2.0 (Barrierefreie-Infor-

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Handlungsfelder

Arbeit Bildung Freizeit Wohnen

Barrierefreiheit/Mobilität (Querschnittsthema)

Erhebung

Leitfadengestützte Interviews mit Arbeit-nehmer(inne)n vor Ort in den Sozialräumen

Leitfadengestützter Onlinesurvey, der sich an Primärvertreter(innen) von Schulen, Kinder-gärten und Weiter-/ Erwachsenenbildungs-organisationen richtet

Leitfadengestützte Telefoninterviews mit Primärvertreter(inne)n von Freizeitvereinen und -gruppen

Ethnografi sche Sozialraumbegehungen

Deutschlandweiter Onlinesurvey „Einstellung(en) zu Inklusion“

Onlinesurvey „Sozialraumbefragung“

Generierte Datengrundlage

158 Interviews mit Arbeitnehmer(inne)n

109 Beantwortungen des Surveys

235 Interviews mit Primärvertreter(inne)n

Ethnografi sche Protokolle für jeden Sozialraum

Deutschlandweiter Onlinesurvey „Einstellung(en) zu Inklusion“ bislang 4 884 Mal beantwortet

Onlinesurvey „Sozialraumbefragung“ bislang 346 Mal beantwortet

Auswertung Qualitativ-inhaltsanalytische bzw. deskriptiv-statistische Auswertungsverfahren Qualitative Verfahren

Tab. 1: Vorgehen der Sozialraumevaluation

2 Der Onlinesurvey „Einstellung(en) zu Inklusion“ ist nach wie vor offen und kann über den folgenden Link erreicht werden: www.surveymonkey.de/r/TMFCC8T. Unter allen Teilnehmenden, die ihre E-Mail-Adresse angeben, werden monatlich zehn Jahreslose der Aktion Mensch e. V. verlost.

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WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG„Kommune Inklusiv“ – Sozialräume beforschen und begleiten

Teilhabe 4/2018, Jg. 57

mationstechnik-Verordnung) orientiertwurde, als auch der Ort und die dortauszuübende Tätigkeit bzw. angebote-ne Veranstaltung. Letzteres erfolgte pertelefonischer und schriftlicher Kontakt-aufnahme zu Primärvertreter(inne)nder jeweiligen Einrichtungen. Die Unter-suchung der Internetseiten und Ein-richtungen hinsichtlich ihrer Barriere-freiheit erfolgte in den DimensionenMobilität, Sehen, Hören, Lesen/Verste-hen und Fremdsprache. Kern des So-zialraummonitorings sind monatlicheAnalysen je aktueller Veranstaltungenhinsichtlich ihrer barrierefreien Zugäng-lichkeit. Untersucht werden bspw. jah-reszeitenspezifische Märkte, Ausstellun-gen, Musikveranstaltungen, Sportveran-staltungen oder auch naturbezogeneTätigkeiten (Wanderungen usw.). Gelei-tet werden diese Untersuchungen vonden übergeordneten Forschungsfragennach Teilhabebarrieren und -möglich-keiten in den Sozialräumen. Im Folgen-den wird nun ausschnitthaft auf einenTeil der bisherigen Ergebnisse geblicktund an Fallbeispielen illustriert.

Ergebnisse der ethnografischen Sozialraumbegehungen

Die ethnografischen Sozialraumbege-hungen haben ergeben, dass in allenSozialräumen ein gewisses Bewusstseinfür Barrierefreiheit besteht und geradein den größeren Städten schon einigesin dieser Hinsicht unternommen wurde.Dennoch zeigt sich immer wieder anvielen Stellen, dass die Teilhabe vonMenschen mit unterschiedlichen Unter-stützungsbedarfen erschwert wird, sei esdurch räumliche Gestaltungen, Kom-munikationsbarrieren, fehlende Beschil-derungen/Übersetzungen usw. (vgl. TRE-SCHER, HAUCK 2017; TRESCHER,HAUCK & BÖRNER 2017). Als zen-trales Ergebnis kann die Problematikfestgehalten werden, dass ein primärtechnisches Verständnis von Barriere-freiheit, das zudem häufig auf Unter-stützungsbedarfe im Bereich Mobilitätbeschränkt ist, dazu führt, dass Teilhabe-barrieren bestehen bleiben und Men-schen mit entsprechenden Unterstüt-zungsbedarfen sich Raum primär als‚Raum der Anderen‘ aneignen können(vgl. TRESCHER, HAUCK 2017). Da-raus können Ausschlusspraxen resultie-ren, wie ein Blick in die Beobachtungenund Gespräche zeigt, die im Rahmen derSozialraumbegehungen geführt wurden.

In Bezug auf Unterstützungsbedarfeim Bereich Mobilität kann das Beispieleiner zentralen Bushaltestelle in einemder Sozialräume angeführt werden:

An der Bushaltestelle gibt es vier Halte-punkte auf jeweils sehr schmalen Inseln,bei denen teils nur auf einer Seite derBordstein abgesenkt ist. Auf jeder Inselist ein Unterstand, der Wartenden Sitz-gelegenheiten bietet. Die Inseln sindso schmal, dass mit Rollstuhl, Rolla-tor oder Kinderwagen nicht an diesemUnterstand vorbeigefahren werdenkann. Es ist unklar, wie Personen, dieeinen Rollstuhl oder Rollator nutzenoder mit Kinderwagen unterwegs sind,hier in den Bus einsteigen können –der zudem kein Niederflurbus ist.

In diesem Sozialraum wird also Men-schen mit Unterstützungsbedarfen imBereich Mobilität die Möglichkeit ent-zogen, eigenständig unterwegs zu sein,was die Aneignung von Raum als sub-jektiv bedeutsamer Handlungsraummerklich erschwert. Dies betrifft oft-mals auch die Möglichkeiten, einzukau-fen, wie in einem anderen Sozialraumbeobachtet wurde:

Eine Frau, die einen Rollstuhl nutzt,und ihre Begleiterin stehen vor einerBäckerei, deren Eingang ausschließ-lich über Stufen zu erreichen ist. DieBegleiterin bespricht mit der Frau, wassie gerne haben möchte und geht dannohne sie in die Bäckerei, um den Ein-kauf für sie zu erledigen. Die Frauselbst bleibt vor dem Geschäft stehenund wartet.

Dieses Beispiel, das exemplarisch füreine Vielzahl solcher Situationen steht,zeigt deutlich, inwiefern Stufen zur Bar-riere werden können. Die Beispiele sindim Bereich Mobilität besonders zahl-reich, da hier bereits die meisten Versu-che unternommen wurden, barriere-freie Zugänge zu ermöglichen, wenn-

gleich diese teils in ihrer Sinnhaftigkeitinfrage gestellt (bspw. sehr steile Ram-pen oder Rampen, die zu nach außenöffnenden Türen führen) und/oder nurüber Sonderwege erreicht werden kön-nen. Konkrete Beispiele in Bezug aufdie anderen Unterstützungsdimensio-nen – Sehen, Hören, Lesen/Verstehen,Fremdsprache – scheinen geringer, wasjedoch nicht in der besseren barriere-

freien Gestaltung begründet ist, son-dern ganz im Gegenteil eher darin, dassso gut wie überall dieselben Leerstellendokumentiert wurden. In allen Sozial-räumen kommt es immer wieder vor,dass teils zwar Leitstreifen für Men-schen mit Sehbeeinträchtigungen instal-liert wurden, diese jedoch nach kurzerZeit ‚ins Leere laufen‘ und damit ihrerOrientierung gebenden Funktion nurmangelhaft nachkommen. Besondersgroße Leerstellen wurden in Bezug aufOrientierungsmöglichkeiten für Men-schen, die Unterstützung in den Berei-chen Lesen und Verstehen bedürfen,und gehörlose Menschen ausgemacht.Beschilderungen in Leichter Sprache,mit Piktogrammen usw. wurden kaumvorgefunden. Gleiches gilt für Überset-zungen in Fremdsprachen (bspw. Eng-lisch). Besonders problematisch ist diesbei der Gestaltung von Fahrplänen, dieoftmals überaus komplex sind, sodasses (vor allem ortsfremden Personen)generell schwerfallen kann, diese zuverstehen. Im Bereich Hören entstehenBarrieren bspw. dadurch, dass öffentli-che Orte unübersichtlich gestaltet sind,sodass nicht überblickt werden kann,was sich an uneinsehbaren Stellen be-findet. Hörende Menschen orientierensich über ihr Gehör, gehörlose Men-schen dagegen „hören mit den Augen“(Experte/Expertin im Bereich Hören).Hilfreich wären laut dem Experten/derExpertin deshalb Hinweisschilder mitSymbolen, „denn bei ca. 80 % der Ge-hörlosen ist die Schriftsprachkompe-tenz verhältnismäßig eingeschränkt“(Experte/Expertin im Bereich Hören).Die große Problematik bei der Diskussi-on um Barrierefreiheit ist, dass gerade dieDimensionen Hören und Lesen/Ver-stehen kaum bedacht werden, wodurchMenschen mit entsprechenden Unter-stützungsbedarfen ausgeblendet werden.Sie werden dadurch im Sozialraum einStück weit unsichtbar.

Ergebnisse der Sozialraumanalysen

Erste Auswertungen der Sozialraum-analysen zeigen, dass die Sozialräumesich teils deutlich bezüglich der gegen-wärtigen Teilhabe von Menschen mit‚Behinderung‘ im Allgemeinen bzw.Menschen mit ‚geistiger Behinderung‘im Besonderen unterscheiden. Dies wirdim Folgenden für die Handlungsfelder

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Die Dimensionen Hören und Lesen/Verstehen werdenin Diskussionen über Barrierefreiheit kaum bedacht.

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WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG Teilhabe 4/2018, Jg. 57„Kommune Inklusiv“ – Sozialräume beforschen und begleiten

Arbeit, Bildung (Schule) und Freizeitan ausgewählten Ergebnissen und Fall-beispielen ausgeführt. Bei der Fragedanach, ob Menschen mit ‚(geistiger)Behinderung‘ gegenwärtig Teil der eige-nen Arbeits-, Bildungs- oder Freizeittä-tigkeit sind, wurde es den interviewtenPersonen überlassen, ob sie einen Kol-legen oder eine Kollegin, Schüler(innen)oder andere Teilnehmende als ‚(geistig)behindert‘ bezeichnen. Dass dadurchdie Zuschreibung ‚(geistig) behindert‘ jeunterschiedlich sein kann, wurde mitdieser Annäherung an die ‚Sprache desFeldes‘ in Kauf genommen. Zusätzlichzur gegenwärtigen (Nicht-)Teilnahmevon Menschen mit ‚(geistiger) Behinde-rung‘ wurde nach der (Nicht-)Teilnahmevon blinden und gehörlosen Menschensowie von Menschen mit Fluchtmigrati-onshintergrund und Menschen mit De-menz gefragt, wobei letztere im Hand-lungsfeld Arbeit ausgelassen wurden.

Arbeit

Im Handlungsfeld Arbeit wurde festge-stellt, dass in durchschnittlich 29 % derFälle die Befragten mit Menschen mit

‚Behinderung‘ auf dem ersten Arbeits-markt zusammenarbeiten. Von diesemDurchschnitt weichen die Sozialräumeteils weit ab, bspw. haben in Rostock(48,8 %) und Schwäbisch Gmünd (42,9 %) mehr Personen Kolleg(inn)enmit ‚Behinderung‘. Die Verbandsge-meinde Nieder-Olm (25 %) und Erlan-gen (22,6 %) liegen, ebenso wie Schne-verdingen (5,9 %), (deutlich) unter demDurchschnitt. Menschen mit ‚geistigerBehinderung‘ sind dagegen mit durch-schnittlich 6 % erheblich seltener Kol-leg(inn)en der befragten Personen, wobeisich auch hier die Sozialräume teilsstark unterscheiden. In Erlangen undSchneverdingen hat keine(r) der Be-fragten Kolleg(inn)en mit ‚geistiger Be-hinderung‘, in Schwäbisch Gmünd sindes dagegen sogar 16,7 % (siehe Tab. 2).

Interviewpersonen, die derzeit mitKolleg(inn)en mit ‚Behinderung‘ zusam-menarbeiten, berichten durchweg vonpositiven Erfahrungen: „Die Zusammen-arbeit ist nicht anders als mit anderenKollegen auch“. Andere sind dagegenetwas skeptischer und stellen fest: „DieArbeit ist mit [Vorname Kollege/Kolle-

gin] nicht immer einfach, aber möglich“.Es stellt sich die Frage, weshalb trotzdieser größtenteils positiven Erfahrungenbislang erst in durchschnittlich 29 %der Fälle Befragte mit Menschen mit‚Behinderung‘ zusammenarbeiten. Über-wiegend wird dies in einer vermeintli-chen Minderleistung von Menschen mit‚Behinderung‘ begründet, in der diesepauschal als ‚unfähig‘ kategorisiert wer-den, die jeweilige Tätigkeit auszuüben.Demgegenüber ist es teils so, dass bis-lang keine Bewerbungen von Menschenmit ‚Behinderung‘ eingegangen sind,weshalb keine entsprechend benanntePerson dort arbeitet. Daran ist ein ge-wisses Potenzial zu erkennen, mehrMenschen mit ‚Behinderung‘ Arbeitstä-tigkeiten auf dem ersten Arbeitsmarktzu ermöglichen. Handlungspraktischkönnen bspw. Menschen mit ‚Behinde-rung‘ (noch) ausdrücklicher in Stellen-ausschreibungen angesprochen werden.

Bildung

Im Schulbereich werden in durchschnitt-lich 68,6 % der untersuchten SchulenKinder und Jugendliche mit und ohne‚Behinderung‘ gemeinsam unterrichtet(von der hier dargestellten Auswertungausgenommen sind Förderschulen).Ähnlich wie im Bereich Arbeit unter-scheiden sich die Ergebnisse in denSozialräumen. Erlangen liegt mit 64,3%im Durchschnitt, wogegen SchwäbischGmünd mit 50 % und die Verbandsge-meinde Nieder-Olm mit 60 % leichtdarunterliegen. Die meiste gemeinsameBeschulung findet sich in Schneverdin-gen, wo alle untersuchten Schulen auchvon Schüler(inne)n mit ‚Behinderung‘besucht werden. Dies ist interessant, istdort doch im Bereich Arbeit der Anteilder Menschen mit ‚(geistiger) Behinde-rung‘ eher gering. Es bleibt abzuwarten,ob in Schneverdingen im Laufe dernächsten Jahre mehr Schüler(inne)n derSprung von der gemeinsamen Beschu-lung auf eine Tätigkeit auf dem erstenArbeitsmarkt gelingt. Von Rostock lie-gen, wie oben beschrieben, keine Datenvor. Der Anteil von Schüler(inne)n mit‚geistiger Behinderung‘ ist demgegen-über etwas niedriger und liegt im Durch-schnitt bei 53,8 %. Der geringste Anteilder untersuchten Schulen, in denenSchüler(innen) mit ‚geistiger Behinde-rung‘ inklusiv beschult werden, findetsich in Schwäbisch Gmünd (25 %). InSchneverdingen gehen dagegen in alleuntersuchten Schulen auch Schüler(in-nen) mit ‚geistiger Behinderung‘ (sieheTab. 3).

Die Primärvertreter(innen) nennenvor allem drei Gründe für eine Nicht-teilnahme von Schüler(inne)n mit ‚Be-hinderung‘. Teils sei die Schule baulich

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Kolleg(inn)en mit ‚Behinderung‘

Kolleg(inn)en mit ‚geistiger Behinderung‘

Erlangen 22,6 % 0 %

Rostock 48,8 % 4,9 %

Schneverdingen 5,9 % 0 %

Schwäbisch Gmünd 42,9 % 16,7 %

VG Nieder-Olm 25 % 8,3 %

29 % 6 %

Tab. 2: Anteil der Personen, die Kolleg(inn)en mit ‚(geistiger) Behinderung‘ haben

Gemeinsame Beschulung von Schüler(inne)n mit und

ohne ‚Behinderung‘

Gemeinsame Beschulung von Schüler(inne)n mit und ohne ‚geistige Behinderung‘

Erlangen 64,3 % 50 %

Schneverdingen 100 % 100 %

Schwäbisch Gmünd 50 % 25 %

VG Nieder-Olm 60 % 40 %

68,6 % 53,8 %

Für den Sozialraum Rostock liegen keine Daten vor, da dieser nicht an der Befragung teilgenommen hat.

Tab. 3: Anteil der Schulen, in die auch Schüler(innen) mit ‚(geistiger)Behinderung‘ gehen

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WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG„Kommune Inklusiv“ – Sozialräume beforschen und begleiten

Teilhabe 4/2018, Jg. 57

nicht derart ausgestattet, dass Schüler(in-nen) mit ‚Behinderung‘ uneingeschränktteilnehmen könnten. Andere berichten,es gebe bislang kein Interesse seitensder Eltern, Kinder und Jugendliche mit‚Behinderung‘ aufzunehmen. Dies be-deutet im Umkehrschluss, dass die be-fragten Primärvertreter(innen) inklusi-ve Impulse vonseiten der Elternschafterwarten und es eher nicht als ihre eige-ne Aufgabe sehen, erste Schritte zugehen. Darüber hinaus wird des Öfte-ren auf umliegende Schulen verwiesen,die Förderschwerpunkte haben unddeshalb für die Schüler(innen) mit ‚Be-hinderung‘ ‚zuständig‘ seien.

Freizeit

Im Handlungsfeld Freizeit sind Men-schen mit ‚Behinderung‘ in circa derHälfte aller untersuchten Freizeitange-bote vertreten (53,6 %). Unter diesemDurchschnitt liegen Erlangen (51,1 %)und Schneverdingen (47,5 %) gefolgt vonSchwäbisch Gmünd (44,1 %). Über demDurchschnitt liegen Rostock (61,4 %)und die Verbandsgemeinde Nieder-Olm(64 %). Auch im Handlungsfeld Freizeitnehmen deutlich weniger Menschen mit‚geistiger Behinderung‘ an den befrag-ten Angeboten teil – im Durchschnitt21,2 %. Dies verteilt sich ganz unter-schiedlich auf die Sozialräume mit denwenigsten Teilnehmenden in Erlangen(8,5 %) und den meisten in Rostock(38,6 %) (siehe Tab. 4).

Ähnlich wie im Bereich Arbeit sindauch im Freizeitbereich die Erfahrun-gen derjenigen, die Freizeitaktivitätengemeinsam mit Menschen mit ‚Behin-derung‘ ausüben, durchweg positiv. Den-noch gibt es auch hier einige Interview-personen, die sich dazu etwas zurück-haltender äußern und bspw. sagen, dieErfahrungen seien gut, allerdings nur„dank der großen Rücksicht der ande-ren Teilnehmer“. Es zeigt sich also auchhier, inwiefern Menschen mit ‚Behinde-rung‘ als andersartig konstruiert wer-den, woraus in Einzelfällen Ausschlussresultieren kann. Dies legen auch dieAntworten auf die Frage nahe, warumbislang keine Menschen mit ‚Behinde-rung‘ am jeweiligen Freizeitangebot teil-nehmen, denn hier überwiegen ebenfallsdefizitäre Pauschalisierungen, ausgehendvon denen Menschen mit ‚Behinderung‘als nicht dazu in der Lage konstruiertwerden, die jeweilige Tätigkeit auszu-üben. Eine Interviewperson sagt bspw.:„Der Sport ist schwer mit Behinderungauszuführen, man braucht ein gutesKörpergefühl“. Wieder andere Inter-viewpersonen zeigen sich prinzipielloffen für eine Teilnahme von Menschenmit ‚Behinderung‘, bislang sei allerdingsnoch kein entsprechendes Interesse ge-

äußert worden. Einen weiteren Grundfür die Nichtteilnahme von Menschenmit ‚Behinderung‘ sehen Interviewper-sonen in der Zuständigkeit der Behin-dertenhilfe, welche gesonderte Angebotefür ihre Klient(inn)en habe. Eine Inter-viewperson geht dementgegen davonaus, dass Menschen mit ‚Behinderung‘Berührungsängste haben: „Menschenmit Behinderungen glauben, dass sieohnehin nicht am gesellschaftlichenLeben teilhaben können und kommendeshalb nicht“.

Ausblick

Die Ergebnisse zeigen, dass Menschenmit ‚Behinderung‘ nach wie vor nur inbegrenztem Maße an routinemäßigenLebenspraxen teilhaben – dies gilt ins-besondere für das Erwachsenenleben.Menschen mit ‚geistiger Behinderung‘erfahren dabei vermehrt und in allenLebensbereichen (teils massiven) Aus-schluss. Wie aus anderen Studien be-kannt ist, werden diese Ausschlusspraxendurch eine gewisse lebensweltliche Tren-nung von Menschen mit und Menschenohne ‚geistige Behinderung‘ (re-)produ-ziert (vgl. TRESCHER 2017a, 244 ff.).Dies legen auch die bisherigen Ergeb-nisse des Surveys „Einstellung(en) zuInklusion“ nahe, der gegenwärtig aus-gewertet wird. In diesem Survey, dersich an die gesamte Bevölkerung Deutsch-lands richtet, zeigt sich, dass lediglich17 % der Befragten im Rahmen ihrerFreizeit Kontakt zu Menschen mit ‚geis-tiger Behinderung‘ haben – obwohl gera-de der Freizeitbereich aufgrund seinerpotenziell hierarchiearmen Ausgestal-tung Möglichkeiten der Begegnung bie-tet (vgl. TRESCHER 2015, 32 f.). Esstellt sich nun die Frage, inwiefernlebensweltliche Kontaktmöglichkeitenfür Menschen mit und Menschen ohne‚geistige Behinderung‘ geschaffen wer-

den können. Erste handlungspraktischeHinweise dafür will das Projekt „Kom-mune Inklusiv“ geben. Dem Grundver-ständnis des Projekts nach wird Inklu-sion als Prozess verstanden, der u. a.durch Maßnahmen in den Sozialräu-men angestoßen und vorangebracht wer-den soll. Ausgehend davon wird Inklu-sion nicht als (einfacher) nachweisba-rer Ursache-Wirkung-Zusammenhangverstanden und auch in der Beforschungsteht dies nicht im Vordergrund. Viel-mehr soll hier nachgezeichnet werden,inwiefern sich fünf heterogene Sozial-räume durch eine prozesshafte Beglei-tung und Unterstützung verändern –bestenfalls hin zu mehr Teilhabemög-lichkeiten. Eine wichtige Aufgabe istdabei, die Maßnahmen eingehend zuuntersuchen, sodass diese reflektiert undgegebenenfalls adaptiert werden können.Zentrale Fragen sind dabei: WelcheMaßnahmen werden positiv beurteiltund welche weniger? Was sind relevanteParameter? Welche Rollen spielen wel-che Akteur(inn)e(n) im Sozialraum?Wer kann in welcher Weise adressiertwerden? Wie können Maßnahmen fürbestimmte Gruppen von Ausschluss be-drohter Personen(-kreise) ausgestaltetwerden, um diesen mehr Teilhabemög-lichkeiten zu schaffen? Die weiterenErgebnisse werden erwartungsgemäßerste Antworten auf diese Fragen gebenund darüber hinaus offenlegen, was esbraucht, um Wissen und Erfahrung zumThema ‚Inklusion‘ zu generieren. DieseErgebnisse sollen zeitnah veröffentlichtwerden. Ebenfalls mit Spannung zuerwarten ist, inwiefern sich die Maß-nahmen auf die jeweiligen Adressat(in-n)en auswirken und welche Erfahrungensie mit und in diesen sammeln. Dabeispielen neben Fragen der technischenAusgestaltung insbesondere Aspekteder je subjektiven sozial-emotionalenBedeutsamkeit eine zentrale Rolle.

161

Kontakt zu Menschen mit ‚Behinderung‘

Kontakt zu Menschen mit ‚geistiger Behinderung‘

Erlangen 51,1 % 8,5 %

Rostock 61,4 % 38,6 %

Schneverdingen 47,5 % 17,5 %

Schwäbisch Gmünd 44,1 % 25,4 %

VG Nieder-Olm 64 % 16 %

53,6 % 21,2 %

Tab. 4: Anteil der Freizeitaktivitäten, an denen Menschen mit ‚(geistiger)Behinderung‘ teilnehmen

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WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG Teilhabe 4/2018, Jg. 57„Kommune Inklusiv“ – Sozialräume beforschen und begleiten

LITERATUR

DANNENBECK, Clemens (2012): Wiekritisch ist der pädagogische Inklusions-diskurs? In: Rathgeb, Kerstin (Hg.): Disability Studies. Wiesbaden: VS, 55–67.DORRANCE, Carmen; DANNENBECK,Clemens (2013): Doing Inclusion. In: dies. (Hg.): Doing Inclusion. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 9–12.HONER, Anne (2012): Lebensweltanalysein der Ethnographie. In: Flick, Uwe; vonKardorff, Ernst; Steinke, Ines (Hg.): Quali-tative Forschung. Reinbek bei Hamburg:Rowohlt, 194–204.REICHSTEIN, Martin (2016): Teilhabe an der digitalen Gesellschaft? In: Teilhabe 55 (2), 80–85.SEIFERT, Monika (2010): Kundenstudie.Berlin: Rhombos.THEUNISSEN, Georg (2002): Altenbildung und Behinderung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

TRESCHER, Hendrik (2015): Inklusion.Wiesbaden: VS.TRESCHER, Hendrik (2017a): Behinde-rung als Praxis. Bielefeld: transcript.TRESCHER, Hendrik (2017b): Inclusionas Critique. In: International Journal ofSocial Science Studies 5 (8), 33–43.TRESCHER, Hendrik (2017c): Wohnräumeals pädagogische Herausforderung. 2. Aufl. Wiesbaden: VS.TRESCHER, Hendrik (2018): Inklusionund Dekonstruktion. In: Zeitschrift fürInklusion 12 (2).www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/411/348(abgerufen am 28.06.2018).TRESCHER, Hendrik; HAUCK, Teresa(2017): Raum und Inklusion. In: Zeitschriftfür Inklusion 11 (4).www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/432/340(abgerufen am 28.06.2018).

TRESCHER, Hendrik; HAUCK, Teresa;BÖRNER, Michael (2017): Auf dem Wegzu Inklusion? In: Vierteljahresschrift fürHeilpädagogik und ihre Nachbargebiete86 (3), 250–252.ZIBELL, Carolina (2018): Aktion Mensch:Das Projekt „Kommune Inklusiv“. In: Teilhabe 57 (2), 93–94.

Die Autor(inn)en:

Prof. Dr. phil. habil. Hendrik Trescher

Professur für Erziehungswissenschaftenmit dem Schwerpunkt „Inklusion undExklusion“, Philipps-Universität Marburg

[email protected]

Teresa Hauck

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Philipps-Universität Marburg

[email protected]

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Der Rechtsdienst der Lebenshilfe wendet sich an Jurist(inn)en, Mitarbeiter(innen) inBehörden und Gerichten sowie in Organisationen und Einrichtungen der Behindertenhilfe und den Wohlfahrtsverbänden.

Er informiert viertel- jährlich über aktuelle Entwicklungen in der Sozialpolitik und über die behinderte Menschen betreffende Rechtsprechung.

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Recht

Bundesvereinigung Lebenshilfe (Hrsg.)

Aufsichtsp icht und

Haftung in der Arbeit mit

Menschen mit geistiger

Behinderung

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1 Bundestags-Drucksache 19/1836 vom 24.04.2018.

2 Bundestags-Drucksache 19/3058 vom 28.06.2018.

Vorerst keine Umbenennung des Schwer-

behindertenausweises in Teilhabeausweis

Viele Menschen mit Behinderung empfinden die

Bezeichnung Schwerbehindertenausweis als nicht

mehr zeitgemäß oder gar als diskriminierend.

Als Reaktion darauf können anerkannt schwer-

behinderte Menschen in einigen Bundesländern

eine zusätzliche Ausweishülle erhalten, die die

Aufschrift „Schwer-in-Ordnung-Ausweis“ trägt.

Sie verändert den eigentlichen Ausweis nicht.

Die FDP-Bundestagsfraktion hat in einem Antrag an

den Deutschen Bundestag die Umbenennung in Teil-

habeausweis gefordert. Eine Änderung der Bezeichnung

setze die veränderte Rechtslage sprachlich um und

trage dem Bedürfnis vieler Betroffener Rechnung.1

Trotz Sympathie für den Antrag

ablehnende Haltung

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat mehr-

heitlich gegen den Antrag gestimmt und dem

Bundestag empfohlen, den Antrag abzulehnen.2

Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD haben

sich grundsätzlich wohlwollend zum Antrag geäußert.

Vor gesetzgeberischen Schritten müsse jedoch

zunächst das Gespräch mit den behinderten

Menschen und ihren Verbänden geführt werden.

ISSN 0944-5579 Postvertriebsstück: D/13263 F

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Rechts- und Sozialpolitik

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