adios, amigo! · auf der uhr des mercedes vito tourer 116 cdi. ungeplante stopps in der werkstatt...

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F rühling ade, scheiden tut weh – im Sommer ging der für den Dauertestwagen vereinbar- te Testzeitraum nach zwei Jahren zu Ende. 73.737 Kilometer standen zu diesem Zeitpunkt auf der Uhr des Mercedes Vito Tourer 116 CDI. Ungeplante Stopps in der Werkstatt blieben seit dem letzten Aufenthalt zum Tausch von Brems- belägen und Bremsscheiben aus (siehe lastauto omnibus 5/2019). Somit lässt sich dem Dauer- tester attestieren, dass er ein zuverlässiges Fahr- zeug ist, das seinen Besitzer kaum mit ungeplan- ten Kosten und Standzeiten plagt. Und weil vor der Rückgabe an den Herstel- ler selbstverständlich eine Grundreinigung des Fahrzeugs anstand, das zwar überwiegend als Personentransporter zum Einsatz kam, aber hin und wieder auch mehr oder weniger schwere, teilweise auch schmutzige Ladung befördern musste, lässt sich zum Abschluss auch noch sa- gen, dass sich alle Materialien des Innenraums gut reinigen lassen. So gut wie neu steht der Vito Tourer der Redaktion am Ende des Testzeit- raums da. Die zwei Jahre im Einsatz für lastauto omnibus haben kaum Spuren am Kombi hinter- lassen. Etwas Abrieb an Ladeboden und Kunst- stoffverkleidung durch das Ladegut ließ sich je- doch nicht vermeiden. Das Passagierabteil blieb von solchen Makeln verschont. Einzig die Gummilippen der Befesti- gungsschienen für die Sitze leierten mit der Zeit aus. Sie ließen sich in diesem Zustand nicht mehr bündig in die Schienen zurückdrücken, sondern schlugen Wellen. Fürs Auge ist das kein schö- ner Anblick, aber der Funktion der Schienen tut das keinen Abbruch. Auch die Sitzbezüge ha- ben sich als pflegeleicht erwiesen. Nur wenige Flecken ließen sich nicht herausputzen. Bei ei- ner professionellen Fahrzeugaufbereitung soll- ten aber auch sie verschwinden. Das Augenmerk des gewerblichen Nutzers dürfte aber nicht auf solchen Petitessen liegen. Im Fokus stehen hier vielmehr die wesentlichen Funktionalitäten des Fahrzeugs. Schon zu Be- ginn des Tests präsentierte sich das Infotain- mentsystem Becker Map Pilot – Audio 15 des Vito Tourer zwar als ausreichend funktional, aber nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Während der schöngeistige Bruder, die V-Klasse, schon TEXT: THOMAS ROSENBERGER | FOTOS: THOMAS KÜPPERS ADIOS, AMIGO! Dauertest: Nach zwei Jahren und rund 74.000 Kilometer Laufleistung heißt es für die Redaktion Abschied nehmen vom Mercedes Vito Tourer. Wir sprachen mit Vito-Entwicklungs- leiter Andreas Hasselwander über Stärken und Schwächen des Kombis. Messwerte Min./max. Dieselverbrauch 7,2/11,1 l/100 km Durchschnittlicher Diesel- verbrauch (vor/nach Update) 9,0/9,0 l/100 km Adblue-Verbrauch (vor/nach Software-Update) 0,15–0,16 l/100 km 0,14–0,16 l/100 km lastauto omnibus 11/2019 [ 50 ] FAHRZEUGE | Mercedes Vito 116 CDI

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Frühling ade, scheiden tut weh – im Sommer ging der für den Dauertestwagen vereinbar-te Testzeitraum nach zwei Jahren zu Ende.

73.737 Kilometer standen zu diesem Zeitpunkt auf der Uhr des Mercedes Vito Tourer 116 CDI. Ungeplante Stopps in der Werkstatt blieben seit dem letzten Aufenthalt zum Tausch von Brems-belägen und Bremsscheiben aus (siehe lastauto omnibus 5/2019). Somit lässt sich dem Dauer-tester attestieren, dass er ein zuverlässiges Fahr-zeug ist, das seinen Besitzer kaum mit ungeplan-ten Kosten und Standzeiten plagt.

Und weil vor der Rückgabe an den Herstel-ler selbstverständlich eine Grundreinigung des Fahrzeugs anstand, das zwar überwiegend als Personentransporter zum Einsatz kam, aber hin und wieder auch mehr oder weniger schwere, teilweise auch schmutzige Ladung befördern

musste, lässt sich zum Abschluss auch noch sa-gen, dass sich alle Materialien des Innenraums gut reinigen lassen. So gut wie neu steht der Vito Tourer der Redaktion am Ende des Testzeit-raums da. Die zwei Jahre im Einsatz für lastauto omnibus haben kaum Spuren am Kombi hinter-lassen. Etwas Abrieb an Ladeboden und Kunst-stoffverkleidung durch das Ladegut ließ sich je-doch nicht vermeiden.

Das Passagierabteil blieb von solchen Makeln verschont. Einzig die Gummilippen der Befesti-gungsschienen für die Sitze leierten mit der Zeit aus. Sie ließen sich in diesem Zustand nicht mehr bündig in die Schienen zurückdrücken, sondern schlugen Wellen. Fürs Auge ist das kein schö-ner Anblick, aber der Funktion der Schienen tut das keinen Abbruch. Auch die Sitzbezüge ha-ben sich als pflegeleicht erwiesen. Nur wenige Flecken ließen sich nicht herausputzen. Bei ei-ner professionellen Fahrzeugaufbereitung soll-ten aber auch sie verschwinden.

Das Augenmerk des gewerblichen Nutzers dürfte aber nicht auf solchen Petitessen liegen. Im Fokus stehen hier vielmehr die wesentlichen Funktionalitäten des Fahrzeugs. Schon zu Be-ginn des Tests präsentierte sich das Infotain-mentsystem Becker Map Pilot – Audio 15 des Vito Tourer zwar als ausreichend funktional, aber nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Während der schöngeistige Bruder, die V-Klasse, schon

TEXT: THOMAS ROSENBERGER | FOTOS: THOMAS KÜPPERS

ADIOS, AMIGO!Dauertest: Nach zwei Jahren und rund 74.000 Kilometer Laufleistung heißt es für die Redaktion Abschied nehmen vom Mercedes Vito Tourer. Wir sprachen mit Vito-Entwicklungs-leiter Andreas Hasselwander über Stärken und Schwächen des Kombis.

MesswerteMin./max. Dieselverbrauch 7,2/11,1 l/100 kmDurchschnittlicher Diesel­verbrauch (vor/nach Update)

9,0/9,0 l/100 km

Adblue­Verbrauch (vor/nach Software­Update)

0,15–0,16 l/100 km 0,14–0,16 l/100 km

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[ 50 ] FAHRZEUGE | Mercedes Vito 116 CDI

Reparatur und Wartungkm-Stand Art der Arbeit Kosten19.270 Reifenwechsel Winter, RDKS kalibriert, Reifen ausgewuchtet 75,00 Euro

Prüfung Abstandssensor 0,00 Euro

Kratzer Schiebetür auspoliert (mutwillige Beschädigung) 0,00 Euro

42.418 Schiebetür links läuft unsauber, Laufwagen gereinigt 39,00 Euro

Display meldet offene Tür bei Bodenwellen, Kontaktplatte Schiebetür gereinigt 26,10 Euro

Radwechsel Sommer, RDKS kalibriert, Reifen ausgewuchtet 65,54 Euro

Rückruf, Update Motorsoftware 0,00 Euro

46.646 Service A nach Anzeige (Fehlerspeicher auslesen, 9 l Ölwechsel, Ölfilterwechsel) 381,74 Euro

Spur verstellt (Gewaltschaden), Vorderachse ausmessen, 2 Reifen erneuern (Flanke beschädigt), Montage, Auswuchten

457,81 Euro

59.808 Reifenwechsel Winter, zzgl. 2 Reifen ersetzen 212,02 Euro

Montage, Auswuchten, RDKS kalibrieren 241,28 Euro

Software­Update (Rückruf) 0,00 Euro

62.082 Leuchte Bremsflüssigkeit, alle Bremsbeläge getauscht, Bremsscheiben vorn erneuert, inkl. Montagematerial

408,09 Euro

63.037 Leuchte Licht, H7­Abblendlicht vorn rechts getauscht 13,03 Euro

70.811 Reifenwechsel Sommer, zzgl. 2 Reifen ersetzen 402,40 Euro

Wischerblätter vorn erneuern 52,07 Euro

über eine neue Elektronikarchitektur und einen neuen Armaturenträger verfügt, muss das Nutz-fahrzeug noch mit der Vorgängergeneration aus-kommen. Das bedeutet: verhältnismäßig klei-nes Navi- und Infotainmentdisplay, nicht immer intuitive Benutzerführung, wenige USB-Ports – und auch eine gewisse Anfälligkeit für Soft-ware-Abstürze. Und von Annehmlichkeiten wie Apple Carplay fehlt jede Spur.

Das Thema der nicht mehr zeitgemäßen Navi- Radio-Kombination sei der Van-Sparte von Daimler bekannt, sagt Andreas Hasselwander,

1 Mit dem Multifunktionslenkrad lässt sich unter anderem das Telefon gut bedienen. Das automatisierte 7G-Getriebe mit Lenk-stockbedienung erfährt bald ein Update.

2 Die halbrunden Ablagen sind nicht ideal. Inzwischen gibt’s links zwei USB-Ports.

3 Das Navi mit der kleinen Anzeige arbeitet zuverlässig, ist aber nicht mehr up to date.

4 Mit der alten Elektronikarchitektur ließen sich nicht alle Smartphone-Funktionalitäten nutzen. Apple Carplay beispielsweise fehlte.

1 Der Vito verfügt über eine Armada von sinnvollen Assistenzsystemen.

2 Bei Bedarf lassen sich die Systeme zeitweise außer Betrieb setzen.

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plettabstürze der Kombi in Verbindung mit ge-koppelten Smartphones kein Problem, das aus dem Feld bekannt ist, und damit dürfte diese Erscheinung wohl die Ausnahme sein. Bleibt zu hoffen, dass mit der Sanierung der Elektronik-architektur auch ein neuer Armaturenträger einzieht – und damit ein optimiertes Ablagen-konzept, worin auch moderne Kommunika-tionsmittel ihren sicheren Platz finden.

Dass die überaus solide ausgeführte A- Säule den freien Blick neben das Fahrzeug, etwa auf Radfahrer, einschränkt, ist ebenfalls schon seit langer Zeit bekannt und rührt von einem unver-meidlichen Kompromiss her. „Entweder haben wir eine massive A-Säule und dafür eine durch-gehende Seitenscheibe oder wir bauen die Eck-säule schmaler und müssen dann aber die Sei-tenscheibe unterteilen. Das hat den Nachteil, dass sich das Seitenfenster nicht mehr vollstän-dig versenken lässt, und auch die Sicht in die Außenspiegel ist damit problematisch“, begrün-det der Entwicklungsleiter. Große Querschnitte der A-Säule seien aber unbedingt nötig, um im Falle eines Crashs den Überlebensraum für die vorn im Fahrzeug Sitzenden sicherzustellen.

Genauso wie der Umfang der A-Säulen wird seit jeher das Gewicht der Sitze im Fond des Vito diskutiert. Man kann sie zwar allein ausbauen, aber es macht keinen Spaß, denn das Gestühl ist vergleichsweise schwer. Insbesondere der Ein-bau gestaltet sich daher schwierig. „Das Gewicht

der Sitze besprechen wir jedes Mal, wenn wir das Fahrzeug erneuern. Es ist ebenfalls der Si-cherheit der Passagiere und der Flexibilität des Innenraums geschuldet. Entweder wir schlagen die Sicherheitsgurte an der Karosserie an oder wir integrieren sie in die Sitze. Letzteres ist für den Passagier die komfortablere Lösung und hinterlässt beim Ausbau der Sitze einen mög-lichst unverbauten Laderaum. Daher ist es aus Sicht unserer Ingenieure die beste Lösung.“

Gehen im Winter die Temperaturen in den Keller, tun sich die Gasdruckdämpfer der Heck-klappe schwer damit, die Klappe ganz oben zu halten. „Wir liefern auch verstärkte Ausführun-gen. Diese richten sich aber eher an Kunden, die dauerhaft einen Fahrradträger auf der Heckklap-pe verwenden. Mit diesen Gasdruckdämpfern steigt der Kraftaufwand beim Öffnen der Klap-pe nämlich deutlich, daher sind die verstärkten Varianten nicht im Standard inbegriffen.“

Für einen außerplanmäßigen Stopp bei der Werkstatt war eine Rückrufaktion des Kraft-fahrtbundesamts (KBA) beziehungsweise eine Serviceaktion des Herstellers für den OM-651- Motor in Euro-6b-Ausführung verantwortlich. Das Software-Update soll eine über größere Be-reiche des Fahrzeugbetriebszyklus effizientere Abgasreinigung sicherstellen. Die Erwartung war, dass der Dauertester sich fortan einen kräf-tigeren Schluck Diesel und Adblue genehmigt. Das stellte auch die Werkstatt in Aussicht. Von

Leiter der Entwicklung Mercedes-Benz Mid-size Van und damit auch für die Vito-Baureihe verantwortlich. „Eine Erneuerung wird folgen und Abhilfe schaffen. Die Generationswechsel sind gerade im Bereich Elektronik und Infotain-ment sehr häufig. Wir können daher nicht jeden Sprung mitmachen, da immer eine sorgfältige Integration neuer Geräte nötig wird. Das kostet Zeit und Geld“, erklärt er. Jedoch seien die Kom-

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1 Mehr Platz nötig? Die Sitze lassen sich leicht wickeln. Der Ausbau ist aber schwierig.

2 Wer auch Ladung befördert, sollte unbedingt Zurrösen für das Schienensystem bestellen.

3 Die Sitzbezüge sind ausreichend robust, tarnen aber nicht jeden Fleck.

4 Auch in der zweiten Reihe gibt’s Ablagen für Flaschen und dies und das.

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Kurzer Link xoxoxoxox:Alle technischen Daten und Angaben zur Ausstattung des Dauertestfahrzeugs finden Sie auf: www.eurotransport.de/dtvito

Dank der Dachhöhe von weniger als zwei Metern passt der Vito beinahe in jede Tiefgarage.

einigen Prozent war die Rede. Doch ein Mehr-verbrauch weder von Adblue noch von Diesel stellte sich ein. „Ob sich ein Mehrverbrauch im Vergleich zu der Zeit vor dem Update tatsäch-lich einstellt, hängt vom Fahrprofil ab. Wir ha-ben aus dem Feld unterschiedliche Rückmeldun-gen“, berichtet Hasselwander. Auch die nervige, extrem frühe Warnung, wenn der Adblue-Tank sich leert, lässt sich laut dem Entwicklungslei-ter nicht vermeiden. „Das ist der Gesetzgebung geschuldet. Sie schreibt im Falle des Vito eine ständige Warnung ab einer Restreichweite von 2.400 Kilometern vor.“ Die Höhe der gesetzlich vorgeschriebenen Restreichweite orientiert sich am NEFZ-Verbrauch und muss acht Prozent da-von betragen.

Mit der kommenden Modellpflege der Vito- Baureihe will das Team um Hasselwander auch den 7G-Tronic-Automaten etwas auf Vorder-mann bringen. Der schaltet zwar immer kom-fortabel, aber in manchen Situationen auch et-was pomadig. Wem der Wechsel der Schaltstufen zu träge vonstattengehe, der dürfe sich bald über einen zusätzlichen Dynamikmodus freuen, ver-rät Hasselwander.

Fazit: Als Kombi Tourer ist der Vito ein sehr guter Kompromiss zwischen Kosten und Fahr-

beziehungsweise Sitzkomfort. Aufgrund der ro-busten Innenausstattung lässt er sich auch als Lastenesel einsetzen. Wer das vorhat, sollte aber unbedingt zusätzliche Zurrösen für die Airline-Schienen bestellen, da es sonst schlecht um die Ladungssicherung bestellt ist. Und für den Um-bau sollte man die Hilfe eines Kollegen in An-spruch nehmen. Allein die Elektronikarchitek-

tur und das Ablagenkonzept sind nicht mehr auf dem neuesten Stand. Abhilfe für viele der ge-nannten Kritikpunkte ist jedoch schon in Sicht. „Es ist eine Kunst, Pkw-Luxus und die Funktio-nalität eines Nutzfahrzeugs in einer Fahrzeug-plattform zu vereinen“, sagt Hasselwander. Der Dauertester beweist, dass sich Daimler beim Vito auf diese Kunst versteht. ◼

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