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Herbert Schliffka Der Achberger Impuls - für Freiheit, Direkte Demokratie und globale Solidarität im Wirtschaftsleben - In seiner Entwicklung ins 21. Jahrhundert

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Page 1: Achberger Impuls - ergänz. Titel m. neuer Graphik - o.RS_ 31 S

Herbert Schliffka

Der Achberger Impuls - für Freiheit, Direkte Demokratie und globale Solidarität im Wirtschaftsleben -

In seiner Entwicklung ins 21. Jahrhundert

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Inhalt

Kapitel Seiten

Inhaltsverzeichnis

Vorwort 1

I. Gründungen aus dem Achberger Impuls – Eine einleitende Aufzählung einiger Aktivitäten im Raum Achberg 2

II. Einige erste überregionale Aktivitäten aus dem Achberger Impuls - und mein Beteiligtsein 5

III. Einige Projekte des Achberger Instituts im Zusammenwirken mit Aktivitäten von Joseph Beuys und der FIU 9

IV. Zwei Konstitutionen, ihre Probleme und Projekte zu deren Lösungen aus dem Achberger Impuls 17

V. Geopolitische Strategien: Gefahren für ein selbstbestimmtes Europa? – Achberger Beiträge für ein „gemeinsames Haus Europa“ im 21. Jh., als eigenständige Mitte zwischen West und Ost 19

Zur Person 29

______________________________________________

Zur Titel- und Rückseite des Manuskriptes Titelseite:

Das Titelbild ist entstanden unter der Verwendung einer Karte von San Jose, veröffentlicht unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Cold_war_europe_military_alliances_map_de.png Als eine mögliche Rückseite siehe die Graphik zum „neuen kalten Krieg“ beim folgenden Link:

http://www.20min.ch/interaktiv/Russland/web/timeline/images/out/HAUPTKARTE-neu.gif

________________

Fragen, Stellungsnahme und sonstige Kommentare an:

[email protected]

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Der Achberger Impuls - In seiner Entwicklung ins 21. Jahrhundert

Vorwort

Im Zusammenhang von einigen sozialen Ereignissen, die nur möglich geworden sind, weil sich Men-schen begegneten, die letztlich vom Achberger Impuls zusammengeführt worden sind, habe ich mich entschieden, die nun vorliegende Beschreibung zu verfassen. Das Vorhaben, ein Buch mit vielen Bei-trägen verschiedener Autoren über das Internationale Kulturzentrum Achberg zu seinem 40. Jubiläum zu veröffentlichen, war von Beginn an entscheidend für mich, auch einen Beitrag über einige Achberger Aktivitäten zu schreiben, die aus dem geistigen Impuls entstanden sind, die Gesellschaft im Sinne einer bestimmten Idee neu zu gestalten. Fünf Personen hatten sich 2010 vorgenommen, das Buchprojekt zu realisieren. Die meisten von ihnen waren in der Gründungszeit des Kulturzentrums am Geschehen in Achberg aktiv beteiligt gewesen. Die-se Publikation sollte im FIU-Verlag veröffentlicht werden. Der dort verantwortliche Verleger Rainer Rappmann hatte die Idee dazu. Er gewann drei weitere potentielle Mitherausgeber für das Buchprojekt, die zusammen mit ihm schon ab September 2009 die „Petitionsgemeinschaft Achberger Kooperative“ gebildet hatten, die zur Krise der Hypo Real Estate–Bank eine Petition an den Deutschen Bundestag eingereicht hatte. Das waren Christoph Klipstein, der die Initiative zu diesem Achberger Petitionspro-jekt in den Jahren 2009/10 ergriffen hatte, Ingrid Feustel und ich (zur Petition siehe: https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2009/_10/_09/Petition_7672.nc.html). Der fünfte Mitherausgeber war Ulrich Rösch.

Wie mit den anderen Beteiligten vereinbart, übernahm ich die Aufgabe, viele mir im Laufe meiner Ach-berger Aktivitäten bekannt gewordene Menschen anzuschreiben. Ich fragte sie, ob sie einen Text für die geplante Publikation schreiben und einen finanziellen Beitrag zu ihrer Veröffentlichung beisteuern wol-len. Rainer hatte dieses finanzielle Konzept vorgeschlagen. Da es nicht dazu führte, genügend Mittel zusammenzubringen, wurde das Buchprojekt „auf Eis“ gelegt.

Bei der im Mai 2014 im Humboldt-Haus in Achberg stattfindenden Präsentation des im Info3-Verlag erschienen Buches, in dem Wolfgang Zumdick über „Joseph Beuys und die Architektur“ geschrieben hat, die Beuys für das Achberger Projekt konzipiert hatte, teilte ich dem Info3-Verleger Ramon Brüll mit, dass das Buch über die 40-jährige Achberger Arbeit aller Voraussicht nach nicht im FIU-Verlag erscheinen wird. Ich fühlte mich verpflichtet, ihm dieses mitzuteilen, weil er mir auf meine Anfrage von November 2010 seinen Beitrag mit dem Arbeitstitel „Achberg 1972“ für das „Achberg-Buch“ schon im Dezember 2010 zugesandt hatte. Meine Mitteilung an Ramon über das Schicksal des geplanten FIU-Buchprojektes, war dann wohl ein Auslöser dafür, dass dieses Buch nun gemeinsam vom FIU- und In-fo3 Verlag herausgegeben wird. Darüber gab es wohl nach der Buch-Präsentation im Mai Gespräche und eine Vereinbarung zwischen Ramon und Beteiligten des ursprünglich fünfköpfigen Herausgeber-kreises (Ulrich Rösch war schon am 14.2.2014 verstorben). Der angekündete Titel ist: „Freiheit, Gleich-heit, Brüderlichkeit? – Die Gründung des Internationalen Kulturzentrums Achberg.“ Ich erfuhr später davon und habe dann auf gute Zurede von mitwirkenden Freunden aus dem Achberg-Wiener Arbeitszu-sammenhang im Internationalen Kulturzentrum den hier vorliegenden Essay geschrieben. Ob er - trotz seines Umfangs und des vorgesehenen Erscheinungsdatums - Platz finden wird in dem Achberg-Buch der beiden Verlage, wird sich zeigen. Mit diesem Gedanken bin ich bei der Verfassung meines Essays herangegangen, um erst einmal von jeglichen Vorgaben frei das zu Papier bringen zu können, was ich für mitteilenswert halte. Mit Ramon Brüll ist nun vereinbart, dass ein Auszug aus dem hier vorliegenden Text im gemeinsamen „Achberg-Buch“ des FIU- und Info3 Verlages veröffentlicht wird.

Da ich die Texte kenne, die mir als ursprünglicher Mitherausgeber für das Buch zum vierzigsten Ach-berger Jubiläum zugesandt worden waren, kann ich sagen, dass der Inhalt meines hier vorgelegten Bei-trages so noch nicht in den mir bekannten anderen Texten beschrieben worden ist. Es mag in später hin-zugekommenen Texten, teilweise einige Überschneidungen geben. Doch können sie nicht im selben Kontext stehen. Denn mit meiner Darstellung beschreibe ich Ereignisse, die einen roten Faden in der mehr als 40-jährigen Geschichte des Achberggeschehens sichtbar werden lassen. An einigen davon war ich selbst direkt mit beteiligt. Die Ereignisse, mit denen ich den „roten Faden“ hier im Essay kennzeich-ne, werden von den erzählten Erlebnissen der anderen Autoren des Achberg-Buches ergänzt. Sie können

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wie Perlen auf diesen Faden aneinander gereiht werden. Viele dieser Beiträge handeln vom Beginn des Achberggeschehens in den 70er Jahren. Wenige können ihre Erlebnisse seit dem Ende der 90er Jahre des 20. Jh. bis heute beitragen.

Ich beschreibe besonders die Ereignisse ab Ende der 70er bis zur Mitte der 90er Jahre, bevor ich zur Problematik der Gegenwart komme, die mir wie eine Weichenstellung für das 21. Jahrhundert erscheint. Die zeitgeschichtlich relevanten Achberger Aktivitäten zur Mitgestaltung von gesellschaftlichen Ereig-nissen erzähle ich hier im Wesentlichen nicht vergangenheits- sondern gegenwartsbezogen. Diese Pro-jekte zur gesellschaftlichen Mitgestaltung beschreibe ich also deshalb, weil die darin zum Ausdruck kommenden Erkenntnisse - z.T. zeitgemäß erneuert - in Aktivitäten der Gegenwart und der nächsten Zukunft weiterwirken. Sie werden hier skizziert, wie sie in den zeitgeschichtlichen Ereignisse ab den 70er Jahre gewirkt haben, weil sie die begrifflichen Inhalte der Achberger Schule verdeutlichen, die im letzten Kapitel für das Verständnis notwendig sind, wenn ich dort meine Gedanken über die zu erneuernde „Sozialgestalt Eu-ropas als eigenständige Mitte zwischen Ost und West“ andeute. Im Fokus meines Essays steht also das aktuelle Geschehen im Gesellschaftsorganismus. Die derzeit beobachtbaren Ereignisse stellen sich mir als eine Weggablung für das 21. Jahrhundert dar, an der die Menschheit sich entscheiden muss, welchen Weg sie gehen will. Oben habe ich geschrieben, dass ich den „roten Faden“ sichtbar machen will. Aber das heißt nicht, dass ich alle Projekte skizziere, die aus dem Internationalen Kulturzentrum – meist aus dem dort wirkenden Achberger Institut, das von Wilfried Heidt bis zu seinem Tod am 2. Februar 2012 geleitet wurde, - her-vorgegangen sind. So werden z.B. die Projekte in und für Rumänien, die ab 1990 nach dem Ende des Systemkonfliktes zwischen Ost und West initiiert wurden, von mir gar nicht beschrieben, weil ich daran nicht beteiligt war. Und obwohl die vielfältigen Ereignisse, die durch das Projekt „Unternehmensver-band Dritter Weg“ in Gang gebracht wurden, ein sehr wichtiges Element sind für die Skizzierung der Projekte, die den „roten Faden“ kennzeichnen, werden sie hier von mir nur kurz beschrieben. Denn dar-an war ich kaum beteiligt. Und leitende Mitarbeiter in diesem Komplex „Unternehmensverband“ und dessen Stiftung bereiten eine eigene Publikation vor, in der dieses Kapitel eines aus dem Achberger Impuls gewachsenen Projektes beschrieben wird.

In den vielen Fußnoten (Fn.) des nun folgenden Textes wird häufig auf ausführliche Darstellungen zu einzelnen Projekten und Ereignissen im Zeitgeschehen hingewiesen, z.T. werden aber auch Inhalte ein wenig ausführlicher skizziert. Ein gründliches Studium der Texte, auf die ich in den Fn. hinweise, ermöglicht es, sich mit den erarbei-teten begrifflichen Inhalten der „Achberger Schule“ genauer vertraut zu machen.

Wie zuvor schon einmal geäußert, schreibe ich hier einerseits aus der Erinnerung des selbst Miterlebten (das schließt die Aufnahme der jeweils schriftlich kommunizierten Inhalte mit ein). Andererseits be-schreibe ich hier Ereignisse des Zeitgeschehens und die darauf bezogenen Achberger Projekte, an denen ich mehr oder weniger beteiligt war, auf der Grundlage vorliegender Texte. Sie helfen mir, meine Erin-nerungen aufzufrischen und solche Ereignisse und Abläufe innerhalb der komplexen Projekte ergänzend zu beschreiben, die ich nicht unmittelbar miterlebt habe. Andere mögen andere Ereignisse, an anderen Orten, innerhalb derselben Projekte, die bundesweit stattgefunden haben, miterlebt haben und sie aus ihrer Erinnerung beschreiben. Ob deren Darstellung meine ergänzen oder ihnen vielleicht (teilweise) widersprechen, das mag vom jeweils subjektiven Erleben oder von Phänomenen des sozialen Lebens, an denen wir immer beteiligt sind, wenn wir anderen Menschen begegnen, herrühren. Beschriebene Diffe-renzen können das eigene Nachforschen anregen. Auch dazu will ich mit dem vorgelegten Text beitra-gen.

I. Gründungen aus dem Achberger Impuls – Eine einleitende Aufzählung einiger Aktivitäten im Raum Achberg

Es ist ein sehr schönes Fleckchen Erde, nahe am Bodensee gelegen, zu dem der geistige Impuls Men-schen, die sich für eine grundlegende Erneuerung des gesellschaftlichen Lebens engagieren wollen, seit 1971 in Achberg zusammenführt. Treffpunkt der sich versammelnden Menschen ist das Humboldt-Hauses, der Tagungsstätte des Interna-

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tionalen Kulturzentrums Achberg1 (abgekürzt INKA genannt). Umgeben von einer parkähnlichen Anla-ge mit einem Swimmingpool für die Gäste, steht es wie eingebettet in einer grünen Oase alleine auf einer kleinen Anhöhe des Achberger Ortsteils Esseratsweiler, oberhalb des in einiger Entfernung liegen-den Ortkernes. Von seiner Cafe-Terrasse hat man bei klaren Sichtverhältnissen einen herrlichen Pano-ramablick auf die Österreichischen und Schweizer Alpen und eine sehr schöne Sicht auf den unten, in einigen Kilometern entfernt gelegenen Bodensee in der Region Lindau.

Das Humboldt-Haus2 mit seinem gastronomischen Angebot ist der Ort der Begegnungen und der Bewe-gungen, die sich im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts bis heute auch überregional und europaweit aus dem Achberger Impuls heraus seit über 40 Jahren gebildet haben und sich auch zu Beginn des ersten Drittels des 21. Jahrhunderts immer noch bilden. Aus diesem geistigen Impuls heraus, der die Menschen bis zum heutigen Tag zusammenführt, bildeten sich dann im Laufe der letzten Jahrzehnte auch in der Region um Achberg herum weitere Institutionen, die mittel- oder unmittelbar von Menschen, die der Achberger Impuls zum INKA führte, initiiert und betrieben wurden und zum Teil bis heute noch betrieben werden. Unmittelbar aus dem Kulturzentrum in Achberg heraus sind in dessen Umgebung entstanden:

Zuerst – schon 1973 mit der Zwischenstation „Alte Post“ in Hergensweiler - das von Peter Schilinski und seinen Freunden geschaffene „Modell Wasserburg“. Es wird heute als „Projekt Eulenspiegel“ feder-führend von Dieter Koschek weitergeführt (siehe: http://eulenspiegel-wasserburg.de/).

1976 die Freie Waldorfschule in Wangen (http://www.fws-wangen.de/). Vor allem von Ulrich (Uli) Rösch und weiteren INKA-Mitarbeitern mit Lehrerausbildung wurde ihre Gründung betrieben. Sie soll-te zunächst als Freie Schule Achberg – wie viele andere der geplanten INKA-Einrichtungen - ihren Standort in Achberg, in der Nähe des Humboldt-Hauses haben.

Das Humboldt-Haus war zuerst als die „Bauhütte“ gedacht, von der aus die Einrichtungen einer alterna-tiv zusammenlebenden Gemeinschaft entstehen sollten – so ähnlich wie man das heute von der Gemein-schaft „Schloss Tempelhof“3 kennt.

Anders als bei dieser gegenwärtig erfolgreich entstehenden Gemeinschaft ließ sich vieles, was als Ge-meinschaft projektiert war, so nicht realisieren. Sehr schnell differenzierten sich - initiiert von willens-starken Einzelpersönlichkeiten – selbständig werdende Institutionen heraus. Das war bei den schon ge-nannten und vielen anderen (hier nicht genannten) Einrichtungen der Fall.

So gründete sich dann später in Wangen – federführend initiiert von Ingrid Feustel - die IG Lebensges-taltung, in der einige Einrichtungen, die aus dem Achberger Impuls hervorgingen, kooperative Mitglie-der sind (http://ig-lebensgestaltung.de/). Sie gibt die im Bodenseeraum verbreitete Zeitschrift „Die Wel-le“ heraus, die vierteljährlich mit einem Veranstaltungskalender erscheint.

Ingrid Feustel (geb. Dörnte) arbeitet schon in den 60er Jahren mit Ulle Weber und Peter Schilinski in Sylt4. Sie setzten sich dort - wohl als die erste alternative politische „Kommune“ (Lebensgemeinschaft) in Deutschland - zugleich mit dem Betrieb der Witthüs-Teestuben für die Verwirklichung der Idee der Dreigliederung des sozialen Organismus ein, wie sie von Rudolf Steiner nach dem Ende des 1. Welt-krieges - aus den Beobachtungen des gesellschaftlichen Lebens und dem geistigen Erfassen von dessen sozialen Strukturen - begrifflich entwickelt worden ist5. Zusammen mit Jutta und Fred Lauer6 waren sie

1 Siehe: http://www.kulturzentrum-achberg.de/ 2 Siehe: http://www.humboldt-haus.de/ 3 Siehe: http://www.schloss-tempelhof.de/ - Für den Kenner zeigen sich hier verschlungene, dünne Beziehungsfäden von unüberschaubar vielen Kommunikationsverläufen, die u.a. auch vom INKA zu der Tempelhofgemeinschaft führen. 4 Siehe dazu den Bericht von Ulle Weber: Peter Schilinski – Sein Wirken in den 50 und 60 Jahren mit einem Beitrag von Rhea Thönges und Walter Kugler, in: Rainer Rappmann (Hrsg.) Denker, Künstler, Revolutionäre. Beuys, Dutsch-ke, Schilinski, Schmundt: Vier Leben für Freiheit, Demokratie und Sozialismus. FIU-Verlag, Wangen/Allgäu 1996, S.38 ff. 5 Steiner, Rudolf, (1919): Die Kernpunkte der sozialen Frage, R. Steiner Gesamtausgabe (GA) Nr. 23, Dornach, 51961. 6 Die Witthüs-Teestuben- und Speiselokalbetreiber auf Sylt, Ulle Weber, Jutta und Fred Lauer hatten gastronomische Erfahrungen und Fähigkeiten, die den Tagungs- und Teestubenbetrieb im Humboldt-Haus in den Anfangsjahren mög-lich machte. Fred Lauer übernahm mit der Aufgabe der hauptamtlichen Geschäftsführung die Verantwortung für die Finanzen.

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die aus dem Norden stammende Gruppe, die das Kulturzentrum in Achberg als ein Teil der Kerninitiati-ve mit gegründet hatte. Peter Schilinski7 hatte mit seinen Aktivitäten in den 50er und 60er Jahren er-möglicht, dass sich einige politisch aktive Gruppen zur Verwirklichung der Dreigliederungs-Idee gebil-det hatten. Die Kommunikation zwischen den Gruppen ermöglichte Peter mit der von ihm herausgege-benen und hergestellten Monatszeitschrift „Jedermann“ (später dann „jedermensch“, der heute viertel-jährlich erscheint, siehe: http://eulenspiegel-wasserburg.de/jedermensch.html).

Diese frühen Aktivitäten der 50er und 60er Jahre des letzten Jahrhunderts schafften die Vorraussetzun-gen für die Gründung des Internationalen Kulturzentrums Achberg.

Doch erst die Begegnung von Wilfried Heidt mit Peter Schilinski und seinen Freunden auf Sylt, die 1966 stattfand8, führte in den darauf folgenden 60er Jahren des kulturellen und politischen Aufbruchs der außerparlamentarischen Opposition (APO) dazu, gemeinsam die Vorstellungen zu entwickeln und den genügend starken Willen aufzubringen, um Anfang der 70er Jahre eine neue Begegnungsstätte zu schaffen, in der sich engagierte Dreigliederungsaktivisten mit Engagierten aus anderen Strömungen zur Erneuerung des gesellschaftlichen Lebens9 zusammenfinden konnten. Gemeinsam sollte erkundet wer-den, ob es schon jetzt möglich sei oder in einem anzustrebenden besseren gegenseitigen Verständnis (in „aktiver Toleranz“) bald möglich werden könnte, gemeinsam Projekte zu initiieren, durch die Alternati-ven zu den herrschenden Ideologien in Ost und Westen in einen breiten öffentlichen Diskurs gebracht werden können. Dies wären erste Schritte, die dazu beitragen sollten, politisch solche gesellschaftliche Strukturen zu schaffen, durch die sowohl die existierende Geldherrschaft10 im Kapitalismus, als auch jegliche demokratisch nicht legitimierte Staatsmacht überwunden sein wird, da an deren Stelle eine drit-

7 Zu Peter Schilinski (* 1916 - † 1992) siehe: http://eulenspiegel-wasserburg.de/ 8 Siehe: Institut für Zeitgeschichte und Dreigliederungsentwicklung im Internationalen Kulturzentrum Achberg: 1966 - 1999: Arbeit für die Dreigliederung des sozialen Organismus im letzten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts. Eine Wegbeschreibung, für Weggefährten und Freunde erzählt von Wilfried Heidt, Selbstverlag, 1995, S. 11. (Im Weiteren abgekürzt als „Wegbeschreibung“, a.a.O.), http://www.stiftung-gw3.de/files/1995-heidt-wegbeschreibung.pdf 9 „...führten im Frühjahr 1969 zu der Entscheidung, jetzt alle Kräfte in den Aufbau einer alternativen Bewegung zu investieren. Deren Grundkonzeption sollte die Idee eines dritten Weges ...“ sein. „Aus kleinsten Anfängen begannen wir dann für diese Einsichten in der Bundesrepublik und im benachbarten Ausland zu wirken.“ „Dabei dachten wir oft an ein Bild, mit dem wir unsere Arbeit verglichen: das Bild des Seismographen oder eines feinfühligen Antennensystems, das selbst leiseste Schwingungen noch empfangen und ihnen nachspüren kann. So verstanden wir uns als Organe, die sich die Aufgabe gestellt hatten, die geistige Landschaft abzutasten nach dem Fre-quenzbereich "dritter Weg". Wir bemühten uns, möglichst viele verwandte Tendenzen zu erfassen und selbst schon eine gewisse "Basis" zu bilden, um dann in einem nächsten Schritt die schwierige aber zugleich faszinierende Arbeit der Koordinierung möglichst vieler Strömungen und Initiativen in Richtung eines 3. Weges in Angriff zu nehmen.“ (Hervorhebung von HS): Die Zitate stammen aus dem Beitrag von Wilfried Heidt, VERSUCH EINER STAND-ORTBESTIMMUNG. - Über die geistige und historische Position des Internationalen Kul-turzentrums Achberg, seine Gegenwarts- und Zukunftsaufgaben. 1974, S. 14 (Im Weiteren abgekürzt als: WH, Standortbestimmung 1974) in: DAS INTERNATIONALE KULTURZENTRUM ACHBERG 1973 - BE-RICHTE AUS EINER WERKSTATT DER NEUEN GESELLSCHAFT", Selbstverlag, Esseratsweiler 1974 (Im Weiteren abgekürzt als: BERICHTE - INKA 1973, a.a.O.) Diese sich anzueignende Fähigkeit des „Seismographen“ kennzeichnet den Achberger Impuls im Besonderen. Sie er-gänzt diejenigen Fähigkeiten, die Rudolf Steiner als notwendig anzueignende für Aktivisten ansieht, wenn sie eine leitende Funktion in der Dreigliederungsbewegung zu erfüllen haben. Diese beiden Fähigkeiten sind: 1. der „...Besitz einer sehr fein eingestellten seelisch-sozialen Magnetnadel...“ Das heißt: „Dasjenige, was hier vom Bund für Dreigliederung ausgehen soll, ... das muß so sein, daß man gewissermaßen jede Woche die Aufgaben erst entdeckt, die einem jede Woche neu gestellt werden; ...“ Und 2. Die Überwindung „des Unehrlichen und Schlechten“ der „alten Diplomatie für die öffentlichen Angelegenheiten“. An-stelle dessen muss die folgende Fähigkeit angeeignet werden: „Eine bis in die Beobachtung der sozialen Seelenvorgänge hin-eingehende Menschenkenntnis, Kenntnis von Menschengruppen, Kenntnis von Menschenzusammenhängen, Kenntnis von Menschenparteiungen, Kenntnis von Menscheninstinkten, all das gehört zu der Grundlage erst, aus der derjenige heraus zu wirken hat, der in einem richtigen Sinne wirken soll in demjenigen, was gemeint ist unter Bund für Dreigliederung des sozialen Organismus. Das ist etwas, was herauswirken muß aus der unmittelbaren Beobachtung, der aus gründlichster Menschenkenntnis hervorgehenden Anschauung von den wirksamen Kräften in der Gegenwart...“ Im Arbeitszusammenhang des Achberger Instituts bezeichnen wir diese Fähigkeit der „Kenntnis von Menschenzusammenhängen“ als „neue Diplomatie“. Die Zitate sind aus der Ansprache von Rudolf Steiner S.75-78: „Ansprache ...bei der Einführung des Herrn Walter Kühne in die Leitung des Bundes für Dreigliederung des sozialen Organismus. Stuttgart, den 1. August 1920, in: Beiträge zur Drei-gliederung, Anthroposophie und Kunst, Heft Nr. 40/41, Sommer 1994, S. 71 ff. 10 Vgl. dazu Rudolf Steiner im Vortrag vom 19. Oktober 1919: „Denn sobald das Geld als solches herrscht...“, veröf-fentlich in der Steiner GA 191, Dornach, 1972 auf S. 177.

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te, neue Gesellschaftsform tritt. Eine totalitäre Staatsdiktatur hatte bekanntlich bis 1989/91 in der (als „Kommunismus“ bezeichneten) Gesellschaftsform des Ostblocks geherrscht. Im Unterschied dazu, blieb in den Variationen des Faschismus (die einschließlich des Nationalsozialismus historisch existieren) das privatkapitalistische System weitgehend erhalten. Also das Wirtschaftsleben war – anders als das Kul-turleben - der staatlichen Diktatur nicht vollständig unterworfen. Auch heute noch werden die meisten Menschen durch verschiedenste Formen der Staatsmacht mehr oder weniger beherrscht und unterdrückt. Sowohl jegliche Form von demokratisch nicht vollständig legitimierter Staatsmacht, als auch die Geld-herrschaft ist zu überwinden durch die Verwirklichung einer echten Demokratie und eines solchen Rechtstaates, der einerseits die Freiheit der sich zunehmend individualisierenden Menschen in den ge-sellschaftlichen Einrichtungen des Geistes- und Kulturlebens ermöglicht und schützt, sowie andererseits eine zuvor demokratisch erneuerte Wirtschafts- und Geldordnung bewahrt, damit sie es ermöglichen, den Bedarf der Menschen in globaler Solidarität zu befriedigen. Diese strukturelle Erneuerung gelingt nur durch eine wirklich demokratische Gesetzgebung, die durch freie schöpferische Menschen jederzeit initiiert werden kann. Die Suche nach Mitwirkenden, die sich für solche Projekte engagieren, die Schritte sind auf dem Weg, der zur hier angedeuteten „dritten“ Gesellschaftsform führet, ist der Kern des Impulses, der dann bis heute viele Menschen, die das soziale Leben auf allen drei Ebenen (der mikro-, meso- und makro-sozialen) erneuern wollen, nach Achberg führt11. Sie wollen die unmenschlichen sozialen Herrschafts-verhältnisse überwinden. Hier können nicht alle Institutionen (wie z.B. Bio-, Buch- und Wollläden, künstlerische Initiativen und viele kleinere Betriebe), die von Menschen aus dem INKA-Zusammenhang in der Region um Achberg herum gegründet und betrieben wurden und werden, aufgezählt werden. Nennen möchte ich hier aber noch zwei von Rainer Rappmann initiierte Institutionen, die heute noch sehr aktiv sind: Den FIU-Verlag (http://fiu-verlag.com) und den Verein „ Soziale Skulptur“ (http://www.sozialeskulptur.com/). Mittelbar entstanden weitere kulturelle Institutionen in der Umgebung von Achberg, die sich in Folge des Kulturimpulses gründeten, der durch die Arbeit der (ursprünglich Achberger) Freien Waldorfschule in Wangen weit hinausstrahlte. So entwickelte sich die Christengemeinschaft in Wangen und weitere Waldorfschulen im Umkreis. Diese Aufzählung ist nicht vollständig. Sie soll die Wirkung des Achber-ger Impulses in der Region ein wenig veranschaulichen.

II. Einige erste überregionale Aktivitäten aus dem Achberger Impuls - und mein Beteiligtsein

Überregional bildete sich schon 1971/72 die „Jugendinitiative Freie Kultur“12 (JFK), die in einigen Städten zum entstehen von Jugend- und Kultureinrichtungen führte. INKA-Mitarbeiter und Mitarbeiter des in Stuttgart schon seit 1969 entstehenden Forum 313 (siehe http://www.forum3.de/) versuchten ge-meinsam diese Jugendinitiativ-Bewegung bundesweit aufzubauen. Zwischen beiden Kulturinitiativen besteht in diesen Anfangsjahren des INKA eine sehr enge Zusammenarbeit.

Auf der Webseite des Forum 3 ist in der Rubrik „Über uns - Chronik eines Impulses“ für das Jahr 1971 zu lesen: „...Viele Menschen gehören zur sogenannten »Dreigliederungsbewegung«. Ein Zentrum wird in Ach-berg (Bodensee) begründet. Jedes Wochenende hin zum Ausbau“. Und zu 1972: „Zunehmende Politikmüdigkeit der Jugend. Aber antiautoritäre Bewegung geht weiter. Kinderläden, alternative Jugendzentren. ... Wir fahren zu Tagungen nach Achberg. Themen z.B.: Urbild des sozialen Organismus. – Gründungen der »Arbeitsgemeinschaft für Dreigliederung« und der »Jugendinitiative Freie Kultur«“ (siehe: http://forum3.de/de/top-navigation/uber-uns/chronik/)

11 Auslöser dafür, dass die Wahl auf Achberg fiel, war eine Einladung des Künstlerehepaars Mila und Hans Hoffmann-lederer, die in Achberg lebten und in der Dreigliederungszeitschrift „Jedermann“ lasen, dass ein Ort für eine Begeg-nungsstätte zur grundlegenden Erneuerung der Kultur gesucht wurde. 12 http://www.sozialimpuls.info/Assets/PDF_Dateien/Jugendinitiative.PDF 13 Nennen möchte ich hier Elke und Siegfried Woitinas und Ingrid Lotze.

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Durch meine Begegnung mit (Michael) Ursus von der Osten im Herbst 1971 fand ich dann Zugang zur Düsseldorfer Gruppe der »Jugendinitiative Freie Kultur«. Sie wollte auch in Düsseldorf ein Jugend- und Kulturzentrum entstehen lassen. Ursus, ein Student der großen Beuys-Klasse, und Peter Schata, ein wei-terer Student der Düsseldorfer Kunstakademie, waren die Initiatoren dieser Gruppe. Sie waren Ende der 60er Jahre Schüler am Kolleg der Hibernia-Waldorfschule in Wanne-Eickel gewesen. Ursus war in Wanne-Eickel in einer Dreigliederungs-Aktionsgruppe aktiv, die über die Planungen und die Grün-dungsereignisse in Achberg informiert war. Peter hörte von seinen Lehrern Markus Kühn und Hartwig Wilken vom Entstehen des Kulturzentrums in Achberg. Dessen Aufgabe sollte sein, permanent solche Art von Fragen zu bearbeiten: Wie ist die Gesellschaft menschen- und damit wesensgemäß zu gestalten? Welche Initiativen müssen dafür ergriffen und welche Projekte durchgeführt werden?

So lernte ich das INKA durch die Erzählungen von Peter und Ursus kennen, bevor unsere Düsseldorfer Dreigliederungs-Gruppe zur Osterzeit 1972 auch zu einer großen Tagung der JFK nach Achberg fuhren, wo sich viele JFK-Aktivisten trafen. Das Zusammentreffen von ca. 200 jungen Menschen im Humboldt-Haus und die dort stattfindende Schulung für das Wirken zur Realisierung der Idee der Dreigliederung des sozialen Organismus war ein einschneidendes Erlebnis für mich. Es wurde einerseits bewirkt durch die gemeinsame Gedankenarbeit und durch ein schönes Gemeinschaftsempfinden, das ich beim Zu-sammensein mit vielen Gleichgesinnten erleben konnte. Alle aßen zusammen und übernachteten dort in den mit Matratzen ausgelegten Räumen, obwohl das Tagungshaus im normalen Betrieb auf etwa 40 Betten ausgelegt ist. Zu diesem Zeitpunkt wohnten auch noch die meisten leitenden Persönlichkeiten der Gründergruppe des INKA im Humboldt-Haus. Als ein Teilnehmer einer der Arbeitsgruppen, die während der JFK-Tagung von Peter Schilinski geleitete wurde, erinnere ich mich z.B., dass sie in seiner „Kajüte“ stattfand.

Da ich begeistert vom Ostertreffen im INKA war, fuhr ich direkt im Sommer 1972 – bevor ich meinen 2. Bildungsweg im Herbst 1972 begann - wieder nach Achberg, um mehr von der Arbeit zu erfahren. Dort angekommen, machten sich die INKA-Aktivisten gerade auf den Weg nach Dornach in der Schweiz. Sie fuhren zu einer sehr großen Tagung der allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft (aAG) zu der ca. 3000 Jugendliche aus aller Welt kamen, um sich mit Themen der Anthroposophie zu befassen. Wilfried Heidt nahm mich spontan zur Fahrt dorthin, in seinem Auto mit. Die Achberger Gruppe beteiligte sich nicht nur an den Veranstaltungen des vorgesehen Tagungspro-gramms, sondern vor allem auch an Treffen von anwesenden Verantwortungsträgern der weltweit orga-nisierten (deshalb allgemeinen) AG. Diese wurden dort abgehalten, um zu beraten und gemeinsam kund zu tun, dass sie sich dafür einsetzen, dass die vakante Leitungsposition der sozialwissenschaftlichen Sektion im Goetheanum, der Hochschule für Geisteswissenschaft in Dornach wieder besetz werden soll. Ihre Forderung war, dass Manfred Schmidt-Brabant – den die Achberger von den Dreigliederungstref-fen im Studienhaus Rüspe14 kannten – Leiter dieser Sektion werden sollte. Was später dann auch ge-schah. Dort fielen mir u.a. die Aktivitäten von Ramon Brüll auf, der als junger Mann mit einer handbe-triebenen Farbmatrizenvervielfältigungsmaschine in seinem VW-Bus in Dornach Texte von Wilfried Heidt zu diesem Vorgang vervielfältigte. Ich begegnete ihm dann Mitte der 70er Jahre regelmäßig bei den Treffen des „Arbeitskreises für Sozial-gestaltung“ (AKS15), zu dem wir beide gehörten. Eine der ersten politischen Aktivität der mit den Achbergern verbundenen Düsseldorfer Dreigliede-rungsgruppe war, dass wir uns im Herbst 1972 am Protest und der Unterschriftensammlung der Studen-ten der Kunstakademie gegen die Entlassung von Joseph Beuys16 durch Johannes Rau, den damaligen 14 Vgl. „Wegbeschreibung“, a.a.O., S. 13 15 Zur Aufgabenstellung dieser Gruppe junger Leute (von denen sich die meist im Studium oder in einer anderen Aus-bildung befanden) siehe die Fn. 18. Sie trafen sich Mitte der 70er Jahre alle 6 Wochen als AKS in verschiednen mit dem Dreigliederungsimpuls verbundenen Institutionen in Deutschland, mit denen einzelne von ihnen sich jeweils verbunden wussten. 16 Siehe z.B. die Darstellung bei Wikipedia: „Ende Januar 1972 fand an der Kunstakademie eine Konferenz über ein neues Zulassungsverfahren statt, an der Beuys selbst teilnahm. Die Größe einer Klasse war begrenzt auf 30 Studenten. Im Sommer wurden 227 Studienbewerber aufgenommen, 125 abgewiesen. 1052 Studenten waren an der Düsseldorfer Kunstakademie immatrikuliert, davon 268 in der Klasse Beuys. Als Beuys mit abgewiesenen Studenten 1972 erneut das Sekretariat der Kunstakademie Düsseldorf besetzte, entließ ihn Minister Rau fristlos.[44] Von Polizisten begleitet musste Beuys zusammen mit seinen Studenten die Akademie verlas-sen. Johannes Rau gab am 11. Oktober 1972 eine Pressekonferenz zum Fall Beuys und nannte die Entlassung „das

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Wissenschaftsminister in NRW, beteiligten.

Parallel zu diesen Vorgängen in Düsseldorf wurde dann im Herbst 1972 in Achberg die »Arbeitsge-meinschaft für Dreigliederung des sozialen Organismus«17 (AGfD) gegründet. Die Arbeitskraft der Achberger Aktivisten wurde nun für die Realisierung dieses Projekt benötigt. So verlor die Arbeit der JFK an Schubkraft und „versandete“ schließlich. Das erging dann später – mangels hinreichender Ar-beitskraft - vielen der Achberger Initiativen so, weil das fortschreitende Zeitgeschehen die (denkerische und organisierende) Gestaltungskraft der Achberger Aktivisten zum Aufbau neuer Projekte herausfor-derte18.

Nach der Gründung dieser Arbeitsgemeinschaft19, deren Sekretariat von Anneliese und Hartwig Wilken in Bochum besorgt wurde, war von den INKA-Aktivisten dann sofort der erste „Achberger Jahreskon-gress Dritter Weg“ vorzubereiten, damit er im August 1973 zum 5. Jahrestag der Niederschlagung des Prager Frühlings stattfinden konnte. Er hatte das Thema „Prager Frühling: An der Schwelle einer neuen Gesellschaft20.

Vorbereitet wurde das Zusammentreffen verschiedener Strömungen während des Jahreskongresses. Begegnen konnten sich dadurch viele Mitwirkende. Besonders wichtig für dieses Thema waren die emigrierten Prager Reformer21, die 1968 einen „Dritten Weg“ in der Tschechoslowakei verwirklichen wollten. Sie konnten bei diesem (und dem folgenden) Achberger Kongress einerseits solchen Anthropo-sophen begegnen und mit ihnen in einen gedanklichen Austausch treten, die in der AGfD zusammenar-beiten wollten, also die Kenner und z.T. widerstreitende Interpreten der Dreigliederungsidee waren, und andererseits konnten sie – ebenso wie die teilnehmenden Anthroposophen - diesen Austausch mit vielen nicht anthroposophisch orientierten Sozialwissenschaftlern, Künstlern und vielen anderen Menschen pflegen, die im Westen Ideen für einen Dritten Weg suchten und nach Möglichkeiten, ihn zu verwirkli-chen.

letzte Glied in einer Kette ständiger Konfrontationen.“ In den nachfolgenden Tagen reagierten die Studenten der Aka-demie mit Hungerstreiks, einem dreitägigen Vorlesungsboykott, Unterschriftenaktionen, Transparenten („1000 Raus ersetzen noch keinen Beuys“) und Informationswänden über die Ereignisse. Zahlreiche Protestbriefe und Telegramme aus aller Welt erreichten das Wissenschaftsministerium. Die Resonanz in Rundfunk, Fernsehen und Presse war groß.“ (Aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Beuys#Die_Entlassung) 17 http://www.sozialimpuls.info/Assets/PDF_Dateien/AG-fuer-Dreigliederung.PDF 18 Siehe dazu Fn. 9 in der Mitte: Die für leitende Dreigliederungsaktivisten hier zuerst genannte notwendige Fähigkeit ist der „...Besitz einer sehr fein eingestellten seelisch-sozialen Magnetnadel...“. Das heißt: „Dasjenige, was hier vom Bund für Dreigliederung ausgehen soll, ... das muß so sein, daß man gewissermaßen jede Woche die Aufgaben erst entdeckt, die einem jede Woche neu gestellt werden; ...“Aus der Ansprache Rudolf Steiners vom 1. August 1920 in Stuttgart, a.a.O. 19 Da die Aktivitäten dieser „Arbeitsgemeinschaft für Dreigliederung“ schon bald nachließen, stellte sich der schon erwähnte „Arbeitskreis für Sozialgestaltung“ die Aufgabe, die Ursachen dafür zu ergründen. Sie wollten Antworten auf die Fragen finden, ob und wie die AGfD zu aktivieren ist. Dazu veranstalteten sie auch zwei Tagungen: Die erste fand in der Weihnachtszeit 1976/77 im INKA statt (siehe dazu die – dazumal mit dem AKS verbundenen - Zeitschrift Info3 Nr. 6 vom Februar 1977). Die zweite 1978 in der anthroposophisch orientierten Alanus-Kunsthochschule in Alfter. Zur Weihnachtstagung 1976/77 im INKA siehe auch den schönen Bericht von Dr. Manfred Leist, Von Initiativen zur Sozi-algestaltung. in: Erziehungskunst - Monatsschrift zur Pädagogik Rudolf Steiners, Nr. 1, Januar 1977, S. 37 ff. Enthalten auf der Erziehungskunst-Webseite: http://www.erziehungskunst.de/fileadmin/archiv_alt/1970-1979/1977_Jg_41_01.pdf 20 Siehe das Programm der Internationalen Sommertagung im INKA: „An der Schwelle zu einer neuen Gesellschaft: Prager Frühling 1968 - Der Aufbruch zu einem Dritten Weg - Ideen, Erfahrungen, Perspektiven, 1973“: http://www.sozialimpuls.info/Assets/PDF_Dateien/Sommertagung-1973_sw.PDF und die Einladung zu dieser Som-merkonferenz: http://www.sozialimpuls.info/Assets/PDF_Dateien/Prager-Fruehling-Jahreskongress-1973.pdf 21 Vgl. z.B. zu dem Teilnehmer des Achberger Jahreskongresses 1973: „Ota Šik (* 11. September 1919 in Pilsen; † 22. August 2004 in St. Gallen) war ein tschechisch-schweizerischer Maler und Wirtschaftswissenschaftler. Berühmt wurde er als der Schöpfer der Wirtschaftsreformen des Prager Frühlings, die auch unter der Bezeichnung Der dritte Weg be-kannt wurden.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Ota_%C5%A0ik - Und zu Eugen Löbl, einem Teilnehmer des Kongresses 1974: Er veröffentlichte sein ›Wirtschaft am Wendepunkt‹ bereits Anfang der 70er Jahre im Achberger Verlag. „Löbl war während der Zeit des Prager Frühlings Direktor der Staatsbank in Bratislava und damit neben Ota Šik einer der führenden Wirtschaftstheoretiker des ›Sozialismus mit menschlichem Antlitz‹. Nach seiner Emigration aus der Tsche-choslowakei war er Mitbegründer und mehrere Jahre Mitarbeiter des Instituts für Sozialforschung und Entwicklungsleh-re im Internationalen Kulturzentrum Achberg und lehrte danach an wirtschaftwissenschaftlichen Fakultäten amerikani-scher Hochschulen.“ In: http://www.ak-grundeinkommen.de/i-fr-Fl4.htm - Sowie zum „Prager Frühling“: https://de.wikipedia.org/wiki/Prager_Fr%C3%BChling – Ergänzend zur Literaturempfehlung auf dieser Wikipediaseite möchte ich hinweisen auf die kleine Schrift von Walter Kugler, Was war der Prager Frühling, Achberg, 1976.

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Ich hatte damals, bei diesen großen Sommerkongressen, bei denen bis zu 500 Menschen beteiligt waren, ein erhebendes Gefühl, das recht gut auf der ersten Seite der Asterix Comic-Bände in Bild und Worte einen Ausdruck findet. Es ist selbstverständlich abgewandelt auf die Situation der 70er Jahre des 20. Jh. vorzustellen. Auf die damaligen Gegebenheiten zu der Zeit der Achberger Jahreskongresse „Dritter Weg“ übertragen, müsste es dann heißen: Die ganze Welt ist von den beiden Imperien in Ost und West besetzt... Die ganze Welt? Nein! Eine Versammlung von „unbeugsamen“ Menschen in Achberg „hört nicht auf“ den Imperien „Widerstand zu leisten“. Und im Bild wäre dann anstelle des „gallischen Dor-fes“ Achberg unter der Lupe vergrößert zu sehen, in dem die beim Kongress Versammelten „unbeug-sam“ den beiden Imperien in Ost und West, die die Welt in zwei feindliche Blöcke teilen, Widerstand leisten. Und so wie die Gallier dieses Dorfes ihre übermenschliche Kraft durch den „Zaubertrank“ ihres Druiden erhalten, so erhalten die mit dem Achberger Impuls verbunden Menschen, ihre Überzeugungs-kraft durch eine Idee einer Neugestaltung der Gesellschaft, die dazu geeignet ist, sowohl die Blockkon-frontation der Systeme, als auch das Monopol der Herrschaft eines Systems (eventuell in verschiedenen Varianten oder in einer dualistischen Erscheinungsform) zu überwinden. Es ist die von Rudolf Steiner erkannte Idee, dass die in Funktionssysteme gegliedert Weltgesellschaft22 gemäß den Idealen neu zu gestalten ist, die historisch zum ersten Mal während der Französischen Revolution ihre gesellschaftsver-ändernde Kraft unter Beweis gestellt hatten. Und dazu gehört die Einsicht, dass das Zeitgeschehen im-mer wieder erneut zeitgemäße Beiträge für die Verwirklichung dieser - der heutigen Entwicklung der Menschen gemäßen - Gesellschaftsgestalt fordert. In den 70er Jahren des letzen Jahrhunderts waren es die Jahreskongresse „Dritter Weg“, die solche Begegnungen ermöglichten, die dann zum Ende der 70er den Aufbruch mit ganz neuen Beiträgen für das folgende Jahrzehnt ermöglichten.

Besonders diese Ermöglichung solcher Begegnungen hatten sich Wilfried Heidt mit seinen Mitstreitern zur Aufgabe gemacht. Sie gehörten zur 2. Gründungsgruppe des INKA23. Viele davon hatten schon ge-gen Ende der 60er Jahre in dem - aus der APO hervorgehenden - Republikanischen Club24 (RC) in Lör-rach mit Wilfried Heidt zusammengearbeitet. Nennen möchte ich hier nur Ulrich Rösch und Franz Han-sert. Weitere „Lörracher“ Aktivisten nennt Wilfried Heidt in der 1995 von ihm verfassten „Wegbe-schreibung“ auf der Seite 11. Aus dieser Gruppe heraus entstand im Mai 1973 das von Wilfried Heidt geleitete „Freie Institut“ im INKA25. Als nicht aus der Lörracher Arbeit kommende Mitarbeiter dieses Achberger Instituts in dessen Anfangszeit möchte ich hier noch Christoph Klipstein, Peter Schata26 und den etwas später hinzugekommen Michael Bader nennen. Ebenso die beiden noch ein wenig später, während der Vorbereitungsphase zur Gründung der Grünen, hinzugekommenen Gerald Häfner und Thomas Morgenroth.

Die Forschungsergebnisse, die dieses Instituts für Sozialforschung im Laufe der Jahrzehnte hervorge-bracht und dargestellt hat, können als Lehrinhalte der „Achberger Schule“ verstanden werden.27

22 Die Ausdifferenzierung der Weltgesellschaft in (mehr oder weniger autonome, bzw. autopoietische) gesellschaftliche Funktionssysteme, wie das Wirtschaftssystem, das politische System und die geistig-kulturellen Subsysteme, wie Bil-dung, Wissenschaft, Kunst, Religion usw., sind von großen, weltweit rezipierten Sozialwissenschaftlern des 20. Jh., wie Talcott Parsons, Niklas Luhmann, Jürgen Habermas u.v.a. in ihren Beschreibungen der Gesellschaft und von sozialen Systemen ausführlich geleistet worden. Doch die geniale Erkenntnis Steiners, die drei grundlegenden Gesellschaftsglie-der mit den drei Idealen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit wesensgemäß zu verbinden, fehlt diesen bloß deskriptiv darstellend sein wollenden Theorien, die jeden kleinsten Anschein einer normativen Beschreibung zu vermeiden su-chen, vollständig. Hier sehe ich eine Aufgabe für eine moderne anthroposophisch orientierte Sozialwissenschaft. 23 Die dritte INKA-Gründungsgruppierung war ein Kreis aus der Bauhaus-Strömung, um die schon genannten Mila und Hans Hoffmannlederer, deren Beiträge hier in meiner Darstellung aber nicht weiter beschrieben werden. 24 Siehe dazu: "Die Verbraucher sind nur Konsumsklaven" Drei Republikanische Clubs entwickelten das Modell einer sozialistischen Gesellschaft, Frankfurter Rundschau, 23.1.1969 25 Vgl. Wilfried Heidt, Aufgaben, Wege und Ziele der Initiative „FREIES INSTITUT FÜR SOZIALFORSCHUNG UND ENTWICKLUNGSLEHRE“ in: BERICHTE - INKA 1973, a.a.O., S. 50-62. Der RC Lörrach wurde dann „Studio Haagen“ genannt. Vgl. „Wegbeschreibung“, a.a.O., S. 11. 26 Nach dem Abschluss des Studiums an der Düsseldorfer Kunstakademie wirkte er in Achberg. Er übernahm u.a. die Verantwortung für den Achberger Verlag, der später ein Unternehmen des 1977 gegründeten Unternehmensverbandes „Dritter Weg“ wurde (siehe dazu die Fn. 53 und 54). 27 Achberger Schule ist hier in dem Sinne gemeint, wie man von der „Frankfurter Schule“ spricht. Die Erkenntnisinhalte der Frankfurter Schule, die als „kritische Theorie“ bezeichnet werden, sind Forschungsergebnisse einer „...Gruppe von Philosophen und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen, die an die Theorien von Hegel, Marx und Freud anknüpf-te und deren Zentrum das 1924 in Frankfurt am Main eröffnete Institut für Sozialforschung war“. Aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Frankfurter_Schule

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In einigen von mir als wichtig angesehenen sozialgestalterischen Projekten dieses Instituts für Sozialfor-schung habe ich dann in den folgenden Jahrzehnten auch mitgewirkt. Diese überregionalen Aktivitäten aus dem Achberger Institut heraus - als praktizierte „Entwicklungslehre“ (oder später als Dreigliede-rungsentwicklung) verstanden - waren mein Arbeitsbereich im INKA – schon als ich noch von Düssel-dorf aus daran mitwirkte.

III. Einige Projekte des Achberger Instituts im Zusammenwirken mit Aktivitäten von Joseph Beuys und der FIU

Folgende Projekte sind hier aus meiner Sicht vorrangig zu nennen, weil sie bis heute in größter und gro-ßer Öffentlichkeit wirksam sind, wenn auch nicht in Allem so, wie wir es angestrebt hatten. Im Zeitver-lauf vorgreifend, möchte ich zuerst schon einmal auf die spannende Beteiligung des „Achberger Krei-ses“28 an der Gründung der Grünen Partei in der Zeit von 1978-1980 hinweisen, in deren Folge es dann ab 1982/83 aus dem Achberger Impuls heraus (erst einmal innerhalb der Grünen und der Friedensbewe-gung) zur Initiierung der neuen Demokratiebewegung29 - zunächst in Deutschland - kam. Deren Ziel ist es bis heute, den bestehenden demokratischen Parlamentarismus durch eine Demokratie zu ersetzen, wie sie im Artikel 20.2 des Grundgesetzes grundlegend durch das Wahl- und Abstimmungsrecht des Volkes rechtverbindlich beschrieben ist, aber – was das Abstimmungsrecht betrifft – bisher nicht ausgeübt wer-den kann. Denn auf Grund der historischen Teilung Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg unterließ es der Grundgesetzgeber 1948/49, weitere, das Abstimmungsrecht konkretisierende Bestimmungen zu beschließen. Die Mehrheit der entscheidungsbefugten Politiker fürchtete, dass das Volk sich für das Angebot der UdSSR, also für ein vereintes, neutrales Deutschland entscheiden würde, anstelle für die Westbindung, die von der Bundestagsmehrheit gewollt war30.

Bis heute wird das damals, beim Neuanfang der Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg, Unterlassene nicht nachgeholt, obwohl dadurch die unmittelbare Entscheidungsmöglichkeit des Volkes - grundge-setzwidrig - auf den Wahlakt reduziert wird. Darauf macht die aus dem Achberger Impuls initiierte De-mokratie-Bewegung zur Verwirklichung des Abstimmungsrechts des Volkes seit 1983 das Parlament durch Petitionen, sowie - ab 1987 durch die interne Arbeit des grünen Bundestagsabgeordneten Gerald Häfner - in den Fraktionen aufmerksam. Und sie versucht bis heute, die Öffentlichkeit mit unterschied-lichen Vorgehensweisen darauf aufmerksam zu machen, dass die Demokratie in Deutschland auf der Bundesebene noch nicht verwirklicht ist, dass wir mehr Demokratie benötigen, das sie deshalb ausge-hend vom bestehenden demokratischen Parlamentarismus weiterentwickelt werden muss. Neben per-sönlichen Problemen im Initiativkreis der Aktion Volksentscheid und unterschiedlichen Vorstellungen über die richtige Organisationsform, waren die verschiedenen Vorstellungen von der Vorgehensweise zur Aufklärung der Öffentlichkeit und der Entscheidungsbefugten in den Parlamenten der tiefere geisti-ge Grund dafür, dass die Demokratiebewegung dann ab 1986 begann, sich in mehrere Organisationen zu differenzieren31. Sie setzen sich bis heute in unterschiedlicher Weise dafür ein, dass die politischen Ent-

Die Achberger Schule knüpft vor allem an geistes- und sozialwissenschaftliche Forschungsergebnisse von Rudolf Stei-ner und viele seiner Schüler, sowie an die Arbeitsergebnisse der Prager Reformer des „Dritten Weges“, wie Eugen Löbl und Ota Sik, an. Besonders sind aber die Erkenntnisse der Steiner-Schüler Wilhelm Schmundt, Peter Schilinski und die sozialkünstlerische Praxis von Joseph Beuys Grundlage der eigenen Erkenntnisarbeit des von Wilfried Heidt geleiteten Sozialforschungs- und Sozialgestaltungsinstitutes. 28 Siehe: „Wegbeschreibung“, a.a.O., S. 17 und die zeithistorische Dissertation von Silke Mende: „Nicht rechts, nicht links, sondern vorn.“ – Eine Geschichte der Gründungsgrünen, Oldenbourg Verlag, München 2011, S. 141 ff: 3. Institu-tionen, Organisationen, Netzwerke I: Der Achberger Kreis, im Vierten Kapitel: Dreigliederung, Dritter Weg und direkte Demokratie – die antiautoritären Anthroposophen, S. 135 ff. Sowie: http://www.stiftung-gw3.de/dokumentation/achberg-kreis-in-den-gruenen 29 Sie entfaltete sich aus der „Aktion Volksentscheid (AVE), die sich in Achberg ab 1983 als erste Demokratieinitiative dieser Bewegung gebildet hat. Zu ihrer weiteren Entwicklung siehe die Fn. 31. 30 Siehe dazu: Jung, Otmar (1992): Kein Volksentscheid im Kalten Krieg! Zum Konzept einer plebiszitären Quarantäne für die junge Bundesrepublik 1948/49, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B45/92, 30.Oktober 1992, S. 16 -30 31 An der Arbeit der Gruppe, die die Kernpunkte für ein dreistufiges Volksgesetzgebungsverfahren ausgearbeitet hatte, waren beteiligt: Günter Gehrmann, Gerald Häfner, Bertold Hasen-Müller, Wilfried Heidt, Brigitte Krenkers, Peter Schata und Herbert Schliffka. Im Sommer 83 wurde dann auch eine "Überparteiliche Arbeitsgemeinschaft Demokratie und Recht e.V." gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern dieser Arbeitsgemeinschaft gehörten unter andren Michael Bader, Joseph Beuys, Johannes Stüttgen und Rhea Thönges. In einem Rundbrief der Aktion Volksentscheid vom Juni

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scheidungsbefugnisse und besonders die Gesetzgebung durch das Parlament ergänzt werden sollen durch Entscheidungsverfahren, die es ermöglichen, dass mündige Menschen in freier Initiative – also auch ohne die Parteien – außerparlamentarisch Volksentscheide über politische Entscheidungsvorlagen oder ein „Volks-Gesetzgebungsverfahren in drei Schritten“ initiieren können, wenn sie genügend Unter-stützer finden.

Die drei Schritte des Abstimmungs-Verfahrens sind:

1. die vom freien Individuum ausgehende außerparlamentarische Gesetzes-Initiative, die durch die Sammlung von Unterstützerunterschriften zur Volksinitiative wird. Sie legt dem Parlament ihre Vorlage bzw. ihren Gesetzesentwurf zur Entscheidung vor, wenn sie das vom Abstimmungsge-setz vorgegebene Quorum im vorgegebenen Zeitrahmen erreicht hat.

2. das Volksbegehren, das mit genügender Unterstützung (erreichtes Quorum) zum Volksentscheid führt, wenn zuvor das Parlament gegen die von der Volksinitiative vorgelegte Entscheidungs-vorlage bzw. gegen den von ihr vorgelegten Gesetzesentwurf entschieden hat.

3. der Volksentscheid nach vorheriger freier und gleichberechtigter Informations- und Diskussi-onsphase über das Pro und Contra des zur Abstimmung vorgelegten.

Wilfried Heidt, der ab 1983 die Initiative zum Aufbau der Aktion Volksentscheid ergriffen hatte, nach-dem die Friedensbewegung ab 1982 eine unverbindliche Volksbefragungskampagne gegen die Statio-nierung von Mittelstrecken in der BRD starteten wollte, hatte bereits 1969 zusammen mit Peter Schi-linski versucht, mit den demokratisch gesinnten Resten der APO die Partei „Demokratische Union“32, zu gründen. „DU wie Dubcek“ titelte der Spiegel (Der Spiegel 14/1969, S. 41). Und Peter Schilinski hatte bereits 1951 mit der „Selbsthilfegemeinschaft für die Volksabstimmung über die Wiederbewaffnung“ in der jungen Bundesrepublik versucht, eine selbstorganisierte Volksabstim-mung zu initiieren. Weil es diese Vorläuferaktivitäten in den 50er, 60er und 70er Jahren gab, die dann 1983 zur Aktion Volksentscheid führten, aus der sich dann ab 1986 - nach einigen Zwischenschritten - letztlich die Or-ganisationen „Mehr Demokratie“ und das Demokratie-Bildungsunternehmen auf Rädern, der „Omnibus für Direkte Demokratie“ herausdifferenziert hatten, habe ich meinem Artikel für das mdmagazin den

1987, werden alle Personen, die hier genannten sind, und außerdem Lothar Udert, als Mitglieder des Initiativkreises der Aktion Volksentscheid bezeichnet, der "sich während des Jahres 1983 in mehreren Beratungskonferenzen ... herauskris-tallisierte" (Vgl., Rundbrief der Aktion Volksentscheid, Achberg, Juni 1987, S. 1) Aus diesem Initiativkreis sind die in der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ vom 30.12.1983 genannten Unterzeichner der am 28.12.83 im Bundestag eingereichten Petition der Aktion Volksentscheid: „Gerald Häfner, Berthold Hasen-Müller, Wilfried Heidt, Brigitte Krenkers, Peter Schata, Herbert Schliffka und Johannes Stüttgen“.

Gerald Häfner, Brigitte Krenkers, Johannes Stüttgen gehören dann im Mai 1986 - nach der Atomkraftkatastrophe in Tschernobyl vom 26. April 1986 - neben vielen anderen (wie z.B. Lukas Beckmann) zum Initiativkreis von „Volksent-scheid gegen Atomanlagen“ (VegA), die personell und von ihrer Arbeitsweise her gesehen, zur Vorläuferorganisation der 1988 gegründeten „IDEE - Initiative DEmokratie Entwickeln“ wird, die dann seit 1996 „Mehr Demokratie“ heißt. Gerald Häfner war - gemeinsam mit Lukas Beckmann - und mit der tatkräftigen Unterstützung von Thomas Mayer, Angela von Bandemer und Daniel Schily, die treibende Kraft für die Gründung von IDEE im Herbst 1988. Thomas Mayer war dann als Geschäftführer verantwortlich für die Aktivitäten von IDEE. Vgl.: Arbeitsbericht 1989 der IDEE, in: IDEE-Zeitschrift, Dez. 1989, Heft 3, S. 6 und auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Mehr_Demokratie - Gründung.

Schon zuvor wurde seit dem Sommer 1987 der Start des "OMNIBUS FÜR DIREKTE DEMOKRATIE" vorbereitet, der dann am 14.9.87 während der documenta 8 in Sichtweite des Fridericianums, dem Hauptgebäude der Ausstellung in Kassel stattfand. Im meinem Verständnis war das auch ein Projekt, das u.a. aus dem Achberger Impuls heraus möglich geworden war. Das OMNIBUS-Unternehmen wurde im März 1988 als gemeinnützige GmbH ins Handelsregister Düsseldorf eingetra-gen. Gesellschafter zu diesem Zeitpunkt waren Brigitte Krenkers, Herbert Schliffka, Johannes Stüttgen, Jürgen Binder, Dieter Neubert. Geschäftsführer/in waren Brigitte Krenkers und (bis zum Sommer 1989) Herbert Schliffka. Dies zeigt, dass die personelle Verflechtung zu diesem Zeitpunkt der organisatorischen Ausdifferenzierung der Demo-kratiebewegung noch sehr eng war. Genaueres siehe z.B. in der Darstellung der Ereignisse in den Jahren 1987/88 im 4. Kapitel des 2. Teils meiner Diplom-arbeit „Eine chronologisch geordnete, tabellarische Darstellung der Entwicklung der Demokratiebewegung und von Ereignissen, an denen sie mit ihren Beiträgen in Kommunikationsprozessen im politischen System beteiligt war“: http://www.willensbekundung.net/Assets/PDF_Dateien/Die_neuere_DemokratieBewegung_Schliffka.pdf. 32 Siehe: „Wegbeschreibung“, a.a.O., S. 11

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Titel „Neubeginn vor 30 Jahren“ gegeben. Er wurde in dieser Mitglieder- und Fachzeitschrift der Orga-nisation „Mehr Demokratie“ im April 2014 veröffentlicht. Von 2013 aus gesehen, ereignete sich dieser Neubeginn vor 30 Jahren. Denn die vom Achberger Institut initiierte Aktion Volksentscheid reichte ihre Petition am 28.12.1983 beim Bundestag ein und sie infor-mierte darüber die Öffentlichkeit mit einer ganzseitigen Anzeige in der Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 30.12.198333. Damit wurde zum ersten Mal die Idee der Dreistufigkeit des Volksabstimmungs-Verfahrens in die Kommunikationsprozesse eines Parlamentes – also der politischen Entscheidungsor-ganisation des bestehenden politischen Systems - und in die Öffentlichkeit der Bundesrepublik Deutsch-land eingebracht. Einen solchen dreistufigen Reglungsvorschlag - wie ihn, neben den sich in der Zeit weiterentwickelnden Achbergern Demokratie-Initiativen34, auch Mehr Demokratie, der Omnibus und viele andere vertreten - gab es zuvor so noch nicht in der Welt. Joseph Beuys war, mit vielen seiner Mitarbeiter – vor allem ist hier Johannes Stüttgen zu nennen -, bis zu seinem Tod 1986 an diesem Neuanfang beteiligt. Er hatte ja bereits 1972 das in Düsseldorf eröffnete Büro der 1971 gegründeten „Organisation für Direkte Demokratie durch Volksabstimmung“ auf der documenta 5 in Kassel ausgestellt und dort mit den aus aller Welt angereisten, kunstinteressierten Ausstellungs-Besuchern 100 Tage über die Volksabstimmungs-Idee als künstlerische Gestaltungsaufga-be im Zusammenhang mit dem Impuls zur Verwirklichung der Dreigliederung des sozialen Organismus besprochen35. Damit übernahm er den „Staffelstab“ für direkte Demokratie von den Achberger Demokratie-Aktivisten der 50er und 60er Jahren, die in dieser Zeit mit der Gründung des INKA, der JFK, der AGfD und der Vorbereitung des ersten „Achberger Jahreskongresses Dritter Weg“ voll ausgelastet waren.

Dieser vom Achberger Institut initiierte Neuanfang von 1983 führte bis heute in Deutschland, Europa und vielen Staaten der Welt36 zu einem Netz von unüberschaubar vielen, verschiedenartigen Kommuni-kationsprozessen über die Weiterentwicklung der bloß „repräsentativen“ zur „echten“, d.h. komplemen-tären Demokratie. Den ursprünglichen Auslöser kennen nur wenige. Für die aktuelle Gesellschaftsges-taltung halte ich deshalb dieses Achberger Projekt zur Erneuerung des politischen Systems, dessen zent-rale Aufgabe die Gesetzgebung ist, als den bisher wichtigsten Gestaltungsbeitrag, der aus dem Achber-ger Impuls zur Verwirklichung der Dreigliederungsidee geleistet werden konnte37.

33 Zur Petition und zum „Aufruf an die Bevölkerung“, der als Anzeige in der „Zeit“ veröffentlicht wurde, und zu ande-ren, hier genannten Ereignissen siehe die Dokumentation auf der Webseite: http://www.wirsinddeutschland.org/dokumentation.htm Außerdem findet sich im 4. Kapitel des II. Teils meiner Diplomarbeit „Eine chronologisch geordnete, tabellarische Darstellung ...“: http://www.willensbekundung.net/Assets/PDF_Dateien/Die_neuere_DemokratieBewegung_Schliffka.pdf. 34 „Volksgesetzgebung – jetzt!“, die Jüngste dieser Achberger Demokratie-Initiativen, reichte 2009 ihre Petition an den 17. Deutschen Bundestag ein (siehe: http://www.volksgesetzgebung-jetzt.de/). Sie liegt – laut einer Mittelung des Peti-tionsausschusses - dem 18. Bundestag noch zur Entscheidung vor. 35 Vgl. in: Bodenmann-Ritter, Clara (Hrsg.) (1975): Joseph Beuys, Jeder Mensch ein Künstler: Gespräche auf der do-cumenta 5 / 1972, geringfügig veränderte Ausgabe, Frankfurt/M., 1988. 36 Siehe dazu: http://www.democracy-international.org/de 37 Auch Steiner sagt, dass das Rechtsleben - und das ist auf der Staatsebene im Kernbereich die Gesetzgebung – die Aufgabe hat „...abzuwerfen nach links und rechts das Geistes- und das Wirtschaftsleben, damit diese sich selbst gestal-ten und verwalten können.“ Rudolf Steiner, Neugestaltung des sozialen Organismus, öffentlicher Vortrag vom 16.5.1919, in Stuttgart, Steiner GA. Nr. 330/331, Dornach 1963, S. 212. „Aber das ist eben das Wesentliche: daß das Staatsleben erst entstehen wird - ... wenn die beiden anderen Gebiete abge-trennt sind ... Denn heute hat man noch keinen rechten Begriff von einer selbständigen Demokratie ..." Rudolf Steiner, Wie wirkt man für den Impuls der Dreigliederung des sozialen Organismus, 3. Vortrag, gehalten am 13.2.1921 in Stuttgart, GA Nr.338, Dornach 1952, S.56. Im Folgenden wird Steiner noch deutlicher: „Das demokratische Prinzip ist aus den Tiefen der Menschennatur heraus die Signatur des menschlichen Strebens in sozialer Beziehung in der neueren Zeit geworden. Es ist eine elementare Forderung der neueren Menschheit, dieses demokratische Prinzip. ... Das demokratische Prinzip ... besteht darinnen, daß die in einem geschlossenen sozialen Organismus zusammenlebenden Menschen Beschlüsse fassen sollen, welche aus jedem einzelnen hervorgehen. Dann können sie natürlich nur für die Gesellschaft bindende Beschlüsse dadurch werden, daß sich Majoritäten ergeben. Demokratisch wird, was in solche Majoritätsbeschlüsse einläuft, nur dann sein, wenn jeder einzelne Mensch als einzelner Mensch dem anderen einzelnen Menschen als ein gleicher gegenübersteht. Rudolf Steiner, Soziale Zukunft, sechs öffentliche Vorträge, Zürich, 3.Vortrag, 26.10.1919, Dornach 1981, Tb. Nr. 631, Steiner GA. 332a, S.85.

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Für die gegenwärtig vorzubereitende Aufgabe, den sozialen Organismus, verstanden als ein globaler Wirtschaftsorganismus38, seiner Funktion gemäß zu gestalten, ist die Begegnung von Wilfried Heidt mit Wilhelm Schmundt, die zur Weiterentwicklung der Achberger Arbeit geführt hat, zumindest genau so wichtig, wenn nicht noch von wesentlich höherer Bedeutung, als es die Idee von der zuvor skizzierten komplementären Demokratie für die gegenwärtigen Aktivitäten der Demokratiebewegung zur sachge-mäßen Gestaltung des politischen Systems ist.

Dass die Arbeitsergebnisse von Wilhelm Schmundt ab 1973 in die Arbeit des Achberger Instituts einge-fügt werden, ist nicht nur für diesen Arbeitsbereich im INKA, sondern für die weitere Entwicklung des gesamten INKA von einer richtunggebenden und deshalb Differenzen bewirkenden Bedeutung. Wilfried Heidt beschreibt 1995 rückblickend diese Integration der Elementarlehre von Schmundt in seine Arbeit und die daraus entstehende Entfremdung zum Wirken von Peter Schilinski in seiner „Weg-beschreibung“ so: „Das alles überstrahlende geistige Ereignis, aus dem schließlich eine weit über Ach-berg hinausgehende Strömung entstand, war das Wirken Wilhelm Schmundts. Wenn oft spekuliert und auch vorschnell geurteilt wurde, warum es zwischen mir und Peter Schilinski in jenen Jahren und dann nach 1976, zehn Jahre nachdem wir uns kennengelernt hatten, zu einer Entfrem-dung kam, die gelegentlich auch als Bruch empfunden oder so dargestellt wurde, so ist der tiefere und wahre Grund die Tatsache, daß nach meinem Bemühen, Wilhelm Schmundts Beitrag in mein Weltbild zu integrieren und ihm auch tatkräftig das Feld in Achberg zu öffnen - ... -, meine Beziehung zu Peter Schilinski keine neuen Früchte mehr tragen konnte, ... Ganz anders war die Reaktion eines anderen Freundes auf dasselbe Phänomen. Joseph Beuys war mit der Achberger Initiative schon in ihrer Grün-dungszeit bekannt geworden.“ Dann lernte Beuys 1973 beim 1. Achberger Jahreskongress „auch Wilhelm Schmundt kennen, erkennen und hier gründete sich ihre tiefe Freundschaft und gegenseitige Wertschätzung“. Nachdem Beuys dann ab 1973 „zunächst bei den Achberger Kongressen ... und später dann auch unab-hängig davon bei separaten Veranstaltungen, Treffen und Initiativen“ mitwirkte39, kam es zu einer di-rekten Zusammenarbeit. Johannes Stüttgen bezeichnet die Schmundt - Beuys Begegnung „als Ereignis der Kunst“40

Denn so wie Wilfried Heidt den Beitrag von Schmundt in sein Weltbild integrierte, so führte die Schmundt - Beuys Begegnung dazu, dass Beuys die Elementarlehre von Schmundt in sein Hauptwerk integrierte. Aus meiner Sicht besteht es darin, seine künstlerischen Beiträge zur Gestaltung der „Sozia-len Skulptur“ in den von der Öffentlichkeit wahrgenommenen Kunstbetrieb einzubringen.

Mit seiner Tätigkeit als Lehrer an der Düsseldorfer Kunstakademie41 und seinem dort öffentlichkeits-wirksam geführten Kampf für die Freiheit im Verhältnis von Lehrer und Studenten gab er einen solchen Beitrag zur sozialen Kunst im gesellschaftlichen Bereich des Geistes- und Kulturlebens.

Mit der Gründung der „Organisation für Direkte Demokratie“, deren Büro er 1972 in einem der größten Kunstevents der Welt ausstellte, gab er einen solchen Beitrag, der die menschengemäße Neugestaltung des politischen Systems öffentlichkeitswirksam als Aufgabe der sozialen Kunst thematisiert.

38 Vgl. dazu auch gegen Ende des Vortrages (S. 22), mit dem Rudolf Steiner am 24.7.1922 den Nationalökonomischen Kurs (NÖK) beginnt. Die 14 Vorträge des Kurses, die er vom Juli bis August 1922 hält, sind in der Steiner GA 340 veröffentlicht. Dornach, 4. Auflage, 1965, auf die sich die Seitenangabe oben bezieht. Und vgl. den Aufsatz von Rudolf Steiner vom August 1919: „INTERNATIONALE WIRTSCHAFT UND DREI-GLIEDRIGER SOZIALER ORGANISMUS“. veröffentlicht in der Steiner GA 24, S. 220 ff 39 So besprach Beuys in seinem Vortrag vom 23. März 1978 im Internationalen Kulturzentrum Achberg den Wirt-schaftsorganismus als die soziale Skulptur und den Geld- und Kapitalbegriff nach Wilhelm Schmundt anhand der „drei Achberger Tafeln“, die er zuvor dort vorbereitet hatte. Siehe dazu z.B.: Joseph Beuys, “KUNST = KAPITAL” – Ach-berger Vorträge, FIU-Verlag, Wangen, 1992 40 Schriftliche Wiedergabe eines Vortrages, den Johannes Stüttgen am 12. Mai 1994 im INKA gehalten hat: „Die Be-gegnung Wilhelm Schmundts und Joseph Beuys als Ereignis der Kunst“, in: Rappmann (Hrsg.) 1996, a.a.O., S. 144 ff. Siehe auch Wilfried Heidt in der „Wegbeschreibung“ a.a.O., S. 15 41 Siehe ausführlich dazu: Stüttgen, Johannes, Der Ganze Riemen. Der Auftritt von Joseph Beuys als Lehrer – die Chro-nologie der Ereignisse an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf 1966-1972, Köln, 2008, 1047 Seiten.

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Und die Integration der Schmundtschen Elementarlehre und deren Unternehmensbegriff in sein Werk ermöglichten Beuys nun drittens solche Beiträge, durch die er das Ziel einer demokratisch legitimierten Geldordnung, die eine solidarische Weltwirtschaft ermöglicht, zum Gegenstand der sozialen Kunst, der schöpferischen Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens machen konnte. So führte diese Erweiterung des Kunstbegriffs 1977 zur Gründung des Unternehmens „Freie Internatio-nale Universität“ (FIU)42, deren Gruppen, sowie andere zivilgesellschaftliche Gruppierungen 1977 ihre Vorstellungen zur Erneuerung des sozialen Lebens 100 Tage lang während der documenta 6 im Beuys-raum, in dem er die „Honigpumpe am Arbeitsplatz“ installiert hatte, den aus aller Welt kommenden kunstinteressierten Besuchern dieser Ausstellungen mitteilen konnten. Dieses Einfügen der Elementarlehre von Schmundt in das Beuys-Werk ermöglichte auch das enge Zu-sammenwirken des Achberger Kreises mit den FIU-Gruppen beim Gründungsprozess der Grünen Par-tei. Ihr gemeinsames Ziel war, dass Grüne sich öffentlichwirksam aus dem Bundestag heraus für ein demokratisch legitimiertes Geld- und Bankensystem einsetzen können, damit eine solidarische Welt-wirtschaft möglich wird. Ihr Ziel war also erst einmal, dass die Menschen die Idee vom „Sozialen Orga-nismus in seiner Freiheitsgestalt“43, die Schmundt schon 1968 beschrieben hatte, etwas erfahren können. Neben der komplementären Demokratie und der Ermöglichung des freien Geistesleben in der Partei durch das EVI-Konzept44, war dies das wichtigste Ziel für die Beteiligung von FIU und der „Aktion Dritter Weg“, die bei den Grünen den Namen „Achberger Kreis“ bekommen hatten.

Zuvor schon ermöglichte der „Gemeinschaftsspaten“45 den „Aufruf zur Alternative“46, den Wilfried Heidt auf Anfrage von Beuys in Achberg geschrieben hatte und den sie dann unter Mitwirkung von Pe-ter Schata in Düsseldorf gemeinsam zur Zufriedenheit der Beteiligten so überarbeitet hatten, dass auch die Vorgaben der Frankfurter Rundschau erfüllt waren, in der er dann in der Weihnachtsausgabe 1978 auf einer ganzen Seite veröffentlicht worden war.

Damit lag einer größeren Öffentlichkeit ein Konzentrat der Elementarlehre von Schmundt bereits in der Zeit vor, in der die Umweltschutz-, die Anti-AKW- und andere soziale Bewegungen und Initiativen der Zivilgesellschaft begannen, eine parlamentarische Alternative zu entwickeln, die dann 1979 den Namen „Die Grünen“ bekam. Gegen Ende des Aufrufs wird auch auf die 1977 gegründete „AUFBAUINITIA-TIVE AKTION DRITTER WEG“ hingewiesen. Auch das 1982 bei der documenta 7 begonnene sozial-ökologische Kunstwerk „7000 Eichen“, das 1987 – nach dem Tode von Beuys - während der documenta 8 fertig gestellt wurde, und viele weitere Beiträ-ge zur sozialen Kunst wurde durch die Einbeziehung der Idee von der Freiheitsgestalt des sozialen Or-ganismus, die für Beuys die durch soziale Kunst hervorzubringende Soziale Plastik47 ist, mit ermöglicht.

So bringt Beuys in seinem künstlerischen Schaffen die Idee der Dreigliederung des sozialen Organismus mit seinen Beiträgen der sozialen Kunst nicht mehr nur als sprachliche Mitteilungen von mehr oder we-niger abstrakt gedachten Vorstellungen der Idee, sondern in Form von sozialen Kunstwerken in die - nun zur Kunstgeschichte gewordenen - Entwicklungsprozesse der Kunst selbst ein.

Vor allem ermöglichte die ab 1973 gemeinsam geteilte Erkenntnis von dieser Freiheitsgestalt generell das enge Zusammenwirken von Beuys und seinen Mitarbeitern in den FIU-Gruppen mit dem Achberger Institut in den Projekten zur Gesellschaftserneuerung, auch wenn sie im Bereich des freien Geistes- und Kulturlebens oder wie ab 1983 - bei dem schon skizzierten Demokratie-Projekt – im Bereich des Rechts- und Staatslebens wirksam sein sollten. Die angestrebte Freiheitsgestalt ist das gemeinsame Ziel

42 Siehe dazu: Stüttgen, Johannes, Freie Internationale Universität - FIU, Organ des erweiterten Kunstbegriffs für die soziale Skulptur - Eine Darstellung der Idee, Geschichte und Tätigkeit der FIU, Düsseldorf 1984. 43 Schmundt, W., (1968): Der soziale Organismus in seiner Freiheitsgestalt, Dornach, 2. durchgesehene Aufl. 1977, 3. Auflage im FIU-Verlag: http://fiu-verlag.com/der-soziale-organismus-in-seiner-freiheitsgestalt/ 44 Siehe dazu die Fn. 55 zum ‚Achberger Appell zur Wiederherstellung der Einheit der ökologischen Bewegung’ und die Quellenangabe in der Fn. 56 für das Zitat, in dem die Funktion für die „Formel“ ‚Einheit in der Vielfalt’ (also das EVI-Konzept) bei der Gründung der Grünen gespielt hat. 45 Siehe dazu (im Humboldt-Haus) die von Beuys an Wilfried Heidt gesendete Ansichtskarte mit der „Wärmezeitma-schine in der Ökonomie“ (dem Apfel als Globus) und sein Schreiben an ihn auf der Rückseite. So war der „Gemein-schaftsspaten“ schon da im Spiel, auch wenn er faktisch als Ansichtskarte erst beim Demokratieprojekt 1983 ins Spiel gebracht wurde. 46 http://www.sozialimpuls.info/assets/pdf/Beuys-Aufruf-1978.pdf 47 Harlan, Volker, Rappmann, Rainer, Schata, Peter, Soziale Plastik. Materialien zu Joseph Beuys, Achberg, Achberger Verlag, 1976, auch im FIU-Verlag: http://fiu-verlag.com/harlan-rappmann-schata-soziale-plastik/

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der Aktivitäten zur gesellschaftlichen Ausformung des von Schmundt aufgezeigten „Urbildes des sozia-len Organismus“, das als grundlegende Struktur einer jeden Erscheinungsform der modernen, global arbeitsteiligen Industriegesellschaft, die durch das moderne Geld- und Bankensystem ermöglicht wird, und die bewirkt, dass alle immer nur für andere arbeiten können und jeder darauf angewiesen ist, das er von allen anderen versorgt wird, wirksam und zu erkennen ist.

Diese Zusammenarbeit ging im Omnibus für Direkte Demokratie über den Tod von Beuys im Jahre 1986 hinaus. Bis 1989 erfüllte diese soziale Plastik des mesosozialen Bereiches (d.h. ein Unternehmen im Sinne von Wilhelm Schmundt) die selbstergriffene Aufgabe, Stimmbriefe der Aktion Volksentscheid zu verteilen.

Und in dem aktuellen Projekt „Europa 2019 Credit Initiative48“, das zunächst auf dem Boden des Ach-berger Instituts im INKA heranwächst, scheint sich diese Zusammenarbeit auf der gemeinsamen Grund-lage der Schmundtschen Elementarlehre zu erneuern. Auf dieser Grundlage will sie einen „europäischen Weg der Wirtschaft und des Geldes“ aufzeigen. Sie strebt eine „zeitgemäße Geld- und Unternehmensordnung“ an, als einen ersten Schritt zur globalen Soli-darität. Deshalb will sie eine Europäische Bürgerinitiative (EBI) auf den Weg bringen. Weitestgehend bekannt ist in der Zivilgesellschaft ja die selbstorganisierte EBI gegen die „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“, das TTIP-Abkommen der USA mit der EU. Das Ziel der Europa 2019 Credit Initiative49 scheint dagegen unspektakulärer zu sein. Sie strebt eine Einfügung in die Satzung der Europäischen Zentralbank (EZB) an. Doch das Ergebnis kann ein Beitrag sein, der zur Heilung des schwer erkrankten Geldsystems führen kann. Ermöglicht werden soll, dass „Freie Unternehmen“ (FU), die sich in Assoziationen verbinden, durch diese EZB-Satzungsänderung das Recht erhalten, unmittelbar Kredite von der EZB zu bekommen, wenn die assoziierten FU sich be-stimmte Reglungen geben, die dem wirtschaftlichen Gemeinwohl dienen. Sie sind dann nicht mehr vom Geld privater Investoren (sogenannte „Anleger“) abhängig, die oft aus bloßem Eigennutz, also wegen eines hohen Gewinns, gewerblichen Geldverleih betreiben50. Denn dann ermöglicht die neue Rechtsla-ge, dass realwirtschaftliche Vorgänge die Kreditvergabe bewirken. Dieses aktuelle INKA-Projekt will die EBI so vorbereiten, dass es bis 2019 gelingen könnte, sie durch-zuführen. Das ist das Wahljahr zum EU-Parlament. Und ein Jahrhundert zuvor wurde Steiner 1919 ver-stärkt für die Verwirklichung der Dreigliederungs-Idee aktiv, um den Wandel vom Kaiserreich zur Re-publik in Deutschland – der durch den verlorenen 1. Weltkrieg in Gang gebracht worden war - mit zu gestalten. Sein Aufklärungsversuch stand in Konkurrenz zu den anderen, kommunistischen, kapitalisti-schen und reaktionären bis hin zu monarchistischen Bestrebungen in diesem sozialen Umgestaltungs-prozess. Damit unternahm er den – bei diesem ersten geschichtlichen Durchgang – voraussehbar aus-sichtslosen Versuch, diesen historischen Wandlungsprozess auf den rechten Weg zu bringen, indem er sich von dem Ideen-„Stern“ am „Himmel“ geistiger Errungenschaften leiten ließ, dem er den Namen „Dreigliederung des sozialen Organismus“ gab. Es ist der Weg, der dem Entwicklungsstand der sich zunehmend individualisierenden Menschen entspricht. Kann dieser ideelle Leitstern nach 100 Jahren51 48 http://www.europe2019.net/ 49 Nach einigen Beratungskonferenzen im INKA seit 2013 wurde der von Daniel Schily gemachte Vorschlag, eine EBI zu initiieren, und seine Idee für das Ziel der EBI zur Grundlage der weiteren Arbeit des Projektes, dessen Beschreibung im Wesentlichen und federführend von Gerhard Schuster geleistet wurde, aber von allen an dem Projekt beteiligten mit getragen wird. So kristallisierte sich aus dem Arbeitsprozess heraus, dass das INKA-Vorstandsmitglied Gerhard Schus-ter und der Geschäftsführer von „Democracy International“ Daniel Schily – mit Unterstützung von Kurt Wilhelmi, dem Berliner Büroleiter des Omnibus für Direkte Demokratie, u.a. - die „Europa 2019 Credit Initiative“ operativ leiten. 50 Vgl. dazu z.B. den F.A.Z.-Artikel „Wie man eine Milliarde Dollar im Jahr einstreicht. - Für viele Hedgefonds war 2014 kein erfolgreiches Jahr / Einige Fondsmanager haben trotzdem sehr gut verdient.“ Darin wird das jeweilige Jah-resgehalt von drei Hedgefonds-Chefs genannt und verglichen, das über eine Milliarde Dollar betrug. Der Bestverdiener dieser drei war 2014 Kenneth Griffin. Sein „geschätzter Verdienst von 1,3 Milliarden Dollar setzt sich aus einem Gehalt und aus einer erfolgsabhängigen Komponente zusammen.“ „Der 46 Jahre alte Amerikaner ist Gründer und Vorstands-vorsitzender der in Chicago ansässigen Hedgefonds-Gruppe Citadel, die in mehreren Fonds insgesamt rund 25 Milliar-den Dollar verwaltet. In einem Jahr, in dem viele Hedgefonds keine guten Anlageergebnisse lieferten, war Citadel mit seinen Fonds erfolgreich. Sie kamen auf eine Rendite von 18,3 Prozent, die vor allem auf Geschäften am Aktienmarkt beruhte.“ F.A.Z., Mittwoch den 06.05.2015, Finanzen, S. 23 51 Am 23. Dezember 1917 und in den weiteren Vorträgen bis zum 26. Dezember 1917; (veröffentlich in der Steiner GA 180) weist Rudolf Steiner auf einen fundamentalen Zusammenhang für das Wesen des Geschichte hin, auf den der „ 33-jährigen Umlaufszeit geschichtlicher Ereignisse“. Er sagt: „Im geschichtlichen Werden ist die Menschheit so mit Ver-antwortlichkeit durchtränkt, daß die vorhergehende Generation in den Weibnachtsimpuls nur legen kann, was die nach-

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nun der Orientierung dienen, um mit der europäischen Credit Initiative einen bedeutenden sozialgestal-terischen Schritt zu vollziehenden? Der Weg ist nun – anders als vor 100 Jahren - nicht in einer revolu-tionären Situation zu gehen. Gelingt es nun, einen evolutionär angelegten Versuch, durch den die Drei-gliederungsidee in vielen einzelnen Schritten verwirklicht werden soll, in Gang zu bringen? Wird er erfolgreicher sein? Weiterentwickelte Begriffsinstrumente der „Achberger Schule“ liegen vor. In der Projektbeschreibung der Europa 2019 Credit Initiative werden sie in grundlegender und sehr verdichte-ter Weise in eine sprachliche Form gebracht, die zumindest für Kenner der Elementarlehre von Wilhelm Schmundt gut verständlich sein dürfte. Viele weitere Beschreibungen sollen folgen, damit sich Reso-nanzen bei vielen unterschiedlichen Menschengruppierungen bilden können.

Zurück von diesem Ausblick auf Zukünftiges, das gegenwärtig mit dem aktuellen INKA-Projekt vorbe-reitet wird, zur konfliktreichen Entwicklung im INKA ab 1977. In dem Zitat aus der Wegbeschreibung kam schon zur Sprache, dass die Aufnahme der Elementarlehre in der Gründungsgruppe des Internatio-nalen Kulturzentrum Achberg zur Entfremdung führte. So kam es dann dazu, dass der Achberger Jahreskongress 1977 nicht auf dem INKA-Gelände stattfinden konnte, weil im Humboldt-Haus das von Ulle Weber, Jutta und Fred Lauer geleitet Humboldt-Kolleg52 betrieben wurde. Auf Einladung von Beuys fand der Kongress u.a. auch deshalb im Arbeitszusammen-hang der FIU während der documenta 7 in Kassel statt. Unter anderem auch wegen der Krise in Achberg setzte „die AKTION DRITTER WEG um die Mitte des Jahres 1977“ organisatorisch einen neuen praktischen Beginn „...durch dasjenige, was (sie) gegrün-det hat als Interessengemeinschaft Dritter Weg (Unternehmensverband), als Stiftung der IG Dritter Weg e.V. und als Mitgliedervereinigung Aktion Dritter Weg e.V.“53 Weitere Konflikte brachen dann ab 1978 in der Sylter-Gruppe auf, die schon in ihrem Zusammenwirken auf Sylt angelegt waren. Nachdem das Humboldt-Kolleg das Humboldt-Haus dann 1978 wegen interner Konflikte und mangeln-der Einnahmen verlassen hatte und nach Wangen ins viel kleinere, deshalb leichter zu finanzierende Christopherus-Haus gezogen war, führte das - auf dem Höhepunkt der Entfremdung in der INKA-Gründungsgruppe – zu der Frage, ob Wilfried Heidt seine Arbeit im Humboldt-Haus weiterführen will. Dazu mussten ja die Finanzen zum Erhalt des Humboldt-Haus aufgebracht werden. Als Franz Hansert sich bereit erklärte, die INKA-Geschäftsführung zu übernehmen und das Humboldt-Haus als gut ausge-lastete Tagungsstätte zu führen und Marianne Rothenhäusler für den Küchenbetrieb die Verantwortung übernahm, sah Wilfried Heidt sich der Aufgabe gewachsen, mit den verbleiben Mitstreitern das Hum-boldt-Haus für das INKA zu erhalten. Von da ab standen die Aktivitäten des von Wilfried Heidt geleiteten Achberger Instituts, das im Laufe der Jahrzehnte - auch entsprechend des jeweils aktuellen Aufgabenschwerpunktes der Projekte – den Namen wechselte, im Wesentlichen für die INKA-Arbeit insgesamt. So konnten die INKA- und weitere Achberger Unternehmungen sich mit den hauptsächlich in Bad Boll, Göppingen und Hamburg angesie-delten Unternehmen des Unternehmensverbandes Dritter Weg assoziieren. Neben dem schon genannten Michael Bader, sind aus meiner Sicht hier die mit dem Achberger Impuls verbundenen, mir bekannten leitenden Mitwirkenden im Unternehmensverband Thomas Klipstein und Rolf Sacke zu nennen. „Wichtig auch: Die im ‚Aufruf’ angekündigte Aufbauinitiative Aktion Dritter Weg mit entsprechender folgende Generation als Osterimpuls zu empfangen hat.“ Und im Vortrag vom 26.12.1917 ergänzt er wie folgt: „Von diesem Elementarvorgang bis hinauf zu den großen politischen und sozialen Maßnahmen ist ein weiter Weg, aber alles, was auf diesem Wege liegt, gehört in das Gebiet des also nach dreiunddreißig Jahren recht wirksam Werdenden. Und dann, wenn gewissermaßen ein solcher Keim, der gelegt worden ist, ausgereift ist, dann wirkt er weiter. Eine Men-schengeneration von dreiunddreißig Jahren reift einen Gedankenkeim, einen Tatenkeim aus. Ist er dann ausgereift, so wirkt er durch sechsundsechzig Jahre weiter noch im geschichtlichen Werden. Man erkennt die Intensität eines Impul-ses, den der Mensch ins geschichtliche Werden hineinlegt, auch in seiner Wirksamkeit durch drei Generationen, durch ein ganzes Jahrhundert hindurch.“ 52 Zum Humboldt-Kolleg siehe z.B. eine kurze, frühe Beschreibung mit dem Studienplan 1977/78 in der Info3 Nr. 6 vom Februar 1977, S. 15. und: Humboldt-Kolleg in Achberg, Seminar für Anthroposophie, Studienplan 1977/78, in: Erziehungskunst - Monatsschrift zur Pädagogik Rudolf Steiners, Nr. 1, Januar 1977, S. 44. Enthalten im Archiv der Erziehungskunst-Webseite: http://www.erziehungskunst.de/fileadmin/archiv_alt/1970-1979/1977_Jg_41_01.pdf 53 Vgl. das Heft: Aktion Dritter Weg -Aufbauinitiative- Idee und praktischer Versuch, eine Alternative zu den in Ost und West bestehenden Gesellschaftssystemen zu verwirklichen, S. 14 f. Siehe dazu das pdf-Dokument auf der Websei-te: http://www.sozialimpuls.info/Assets/PDF_Dateien/A3W-Aufbauinitiative-1977.pdf

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Stiftung und eigenem Unternehmensverband war so konkret gefasst, dass dieses Projekt mit dem Ergeb-nis einer Fülle von Praxiserfahrung zum Thema ‚alternative Wirtschaftsformen’ über 20 Jahre durchge-führt werden konnte. Die damals gegründete Stiftung der IG Dritter Weg besteht unter dem Namen Stif-tung Media bis zum heutigen Tag und arbeitet an interessanten Projekten sozial-ökologischer Prägung nicht zuletzt auch in Rumänien.“54 Michael Bader ist amtierender Vorstand der Stiftung Media. Verfolgt man die sozialen Prozesse zurück, die zu diesen Institutionen führten, so stößt man auch auf den Achberger Impuls und das daraus hervorgegangene Institut im INKA. Damit war alles dafür vorbereitet, dass die Aktion Dritter Weg (A3W) zusammen mit der FIU ihren Beitrag leisten konnte, damit die Gründung der Grünen als parlamentarische Kraft gelingen konnte. Denn - betrachtete man die mehrfachen Gegensätzlichkeiten, ja die teilweise sogar feindlichen Unver-einbarkeiten der politischen Vorstellungen, mit denen so viele Beteiligte aus den unterschiedlichsten politischen und geistig-kulturellen Strömungen in den Gründungsprozess hinein kamen, dann konnte den aufmerksamen Beteiligten schnell klar werden, dass die Gründung von einer einzigen Grünen Partei - anstelle von mehreren konkurrierenden - eigentlich unmöglich gelingen konnte. Wie es dennoch gelingen konnte, beschreibt Wilfried Heidt in seiner Wegbeschreibung so: „Dann nahmen die Dinge ihren Lauf: In kürzester Zeit existierten drei, fünf grüne Parteien und nahmen sich bei den Wahlen die Stimmen gegenseitig ab. Die ökologische Bewegung drohte sich selbst lahmzu-legen. Das beantworteten wir durch jenen sog. ‚Achberger Appell zur Wiederherstellung der Einheit der ökologischen Bewegung’55, den eine Arbeitsgruppe aufgrund eines Entwurfes, den ich verfertigt hatte, redigierte und die Teilnehmer des Jahreskongresses 1978 mit ihrer Unterschrift besiegelten. In diesem Appell wurde zum ersten Mal in Grundzügen das sog. EVI-Konzept entwickelt, also jener Vorschlag für die ‚Einheit in der Vielfalt’, der nach unserer Überzeugung das einzige Mittel sein würde, zu einer sach-gemäßen parteipolitischen und schließlich auch parlamentarischen Darstellung der Kraft der ökologi-schen Bewegung zu kommen.“56 Das EVI-Konzept des Achberger Kreises fand dann im Januar 1980 beim Gründungsparteitag in Karls-ruhe - in einer rudimentären Form - Eingang in die Bundessatzung der Grünen Partei. Doch nach der Parteigründung wurde EVI in der Praxis bei Programmbeschlüssen der Bundesebene nicht beachtet. Ausnahmen gab es in wenigen Landesprogrammen. Das heißt, die Grünen verabschiede-ten (satzungswidrig) nur ein normales Programm, indem alle Inhalte durch (das „Fallbeil“ der) Mehr-heitsentscheidung beschlossen wurden. Gemäß EVI sollte nur der gemeinsame A-Teil mit einer - mög-lichst dem Konsens nahe kommenden - qualifizierten Mehrheit beschlossen werden. Während die unter-schiedlichen Positionen der verschiedenen Strömungen bei einem niedrigen (doch nicht zu niedrigem) Quorum (vielleicht 10 oder 20 Prozent der Delegierten) in den B-Teil des Programm aufgenommen werden sollte. Da dieser B-Teil schon beim ersten Programm-Parteitag in Saarbrücken57 im März 1980 nicht zustande kam, also die Positionen von Minderheiten nicht im Programm vorkamen, führte das dann bald zu den üblichen parteiinternen Machtkämpfen (später zwischen Fundis und Realos) um der jeweiligen Position des „kleineren Übels“ die Mehrheit zu verschaffen. Und es führte am Anfang zu Spaltungen. Schon bald nach der Bundestagswahl 1980 und dann verstärkt ab 1981 bis 1982 verließen die (sich in die Minderheit erlebenden) Mitglieder der ehemaligen GAZ, eine der konservativen Grün-dungsgruppierungen der Grüne um den ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Herbert Gruhl, die Partei, weil sie dort ihre politischen Positionen nicht genügend im Einheitsprogramm wiederfanden. Um diese den Wählern nahe zu bringen, gründeten sie dann die – allerdings wenig erfolgreich - konkurrie-rende Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP). So zeigte EVI nur bis zur Gründung der Grünen im Januar 1980 Wirkung.

In einigen Landesverbänden wurden Mitarbeiter aus den zusammenwirkenden Gruppen von A3W und FIU in Leitungsfunktionen gewählt und Lukas Beckmann aus dem FIU Arbeitszusammenhang wurde erster Bundesgeschäftsführer. Michael Bader wurde als Mitglied des Achberger Kreises 1979 zum stell-vertretenden Landesvorsitzenden in den Gründungsvorstand der neugegründeten Grünen Baden-

54 http://stiftung-media.de/de/media/blogread?key=7 55 http://www.wilfried-heidt.de/pdf/achberger-appell.pdf 56 „Wegbeschreibung“, a.a.O., S. 17 und: http://www.wilfried-heidt.de/2010/01/12/30-jahre-gruene/ 57 Siehe z.B.: http://www.1000dokumente.de/index.html/index.html?c=dokument_de&dokument=0024_gru&object=context&l=de

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Württembergs gewählt. Gerald Häfner kam in Bayern im Laufe der Zeit in verschiedne Leitungsfunkti-onen der Partei. Später erhielt er Mandate im Bundestag und im EU-Parlament. In NRW wurden Jürgen Binder (FIU) zum Landesschatzmeister und Martin Schata (FIU) zu einem der Mitglieder des Landes-vorstandes gewählt. Bei der Gründungsversammlung des Kreisverbandes der Grünen in Düsseldorf wurde ich am 29.11.1979 zum Vorstandsvorsitzenden gewählt und habe als solcher 1980 beim Bundes-tagswahlkampf mit Joseph Beuys und Otto Schily zusammengearbeitet58. Denn diese beiden, in der Öffentlichkeit weithin bekannten Menschen, die auch mit der Dreigliederungsidee verbunden waren, hatten für die Grünen in jeweils einem der beiden Düsseldorfer Wahlkreise direkt für ein Bundestags-mandat kandidiert. Nicht alle aus unserem Zusammenhang, die in diesem Sozialgestaltungsprozess mitwirkten, sind hier genannt. Bei den ersten Bundesversammlungen der Grünen, waren wir mit einer Gruppe von bis zu 60 Personen beteiligt. Gezeigt ist damit aber, dass Ideen und fähige Persönlichkeiten aus dem Achberger Impuls in diesen Gründungsprozess mit eingeflossen sind.

IV. Zwei Konstitutionen, ihre Probleme und Projekte zu deren Lösungen aus dem Achberger Impuls

1996 wurden Peter Schlefsky (geb. Barth) und mir die INKA-Geschäftsführung59, einschließlich des Tagungshaus- und Gastronomiebetriebs übertragen und wir beide wurden 1997 in den INKA-Vorstand gewählt. Mit dem verbliebenen Vorstandsmitglied Franz Hansert hatten wir dann gemeinsam die Ange-legenheiten des INKA-Vereins und den Tagungshaus- und Gastronomiebetrieb zu bewältigen und zu verantworten60. Wilfried Heidt leitete weiterhin die vom Achberger Institut initiierten Projekte, an denen wir auch beteiligt waren. Als Sozialwissenschaftler mit einem Hochschulabschluss sollten wir beide ursprünglich als wissenschaftliche Mitarbeiter des Achberger Instituts bei den aktuellen Projekten und dem Aufbau einer Ausbildungseinrichtung, dem neuen „Humboldt-Kolleg“, einer „Initiative für profes-sionelle Dreigliederungsarbeit (Studium, Berufsbildung, Praxis)“61 mitwirken. Da die Geschäftsstelle neu besetzt werden musste, übernahmen wir diese Aufgabe als jeweils halbe Stelle zu zweit, so dass wir uns – wie vorgesehen - an der sozialwissenschaftlichen und sozialgestalterischen Arbeit in den Projek-ten beteiligen konnten. Mit den zwei neuen Projekten sollten ab 1996 Fragen und Probleme der Konstitution - einerseits im Organisationsbereich, andererseits auf der makrosozialen EU-Ebene - bearbeitet werden.

Das eine Projekt bearbeitete die Konstitutionsproblematik des Organisationszusammenhangs „Allge-meine Anthroposophische Gesellschaft“ (AAG). Das von Rudolf Steiner 1923/24 verfolgte Ziel der Konstitution dieser Gesellschaft war, einen Prototyp für eine Organisation des freien Geisteslebens als ein »Musterbeispiel« zu schaffen. Es ging darum, der "Anthroposophischen Gesellschaft eine Form zu geben, wie sie die anthroposophische Bewegung zu

58 Mehr dazu siehe im Mittelungsblatt des Grünen Kreisverbandes: Herbert Schliffka, 15 Jahre Kreisverband der Grü-nen Düsseldorf - DIE GRÜNEN damals! - und heute? In: GRÜNE TOMATE“ Jg. 2, Ausgabe 1, Januar 1995. S. 5 59 Wir waren damit als fest angestellte Geschäftsführer nach Fred Lauer, Franz Hansert, Wolfgang Müller und Ansgar Wüst, die fünfte hauptamtliche Geschäftsführung des INKA. Da ab 2000 nicht nur der Teestubenbetrieb, sondern in Folge einer Umstrukturierung der gesamte Tagungshausbetrieb an die Humboldt-Haus GbR verpachtet wurde, ist Birgit Irmer, die uns seit 2000 nachfolgende Geschäftsführerin, mit verantwortlich tätig in diesem Wirtschaftsbetrieb, der die Finanzen für den Erhalt des Humboldt-Hauses und für die (teilweise) zu subventionierenden INKA-Tagungen erwirtschaften muss. Sie leitet zusammen mit den Gesellschaftern der GbR und den anderen leitenden Mitarbeitern im Leitungskreis den Tagungshaus-, Übernachtungs- und Gastronomiebetrieb - also das wirtschaftliche Standbein des INKA Unternehmenszusammenhangs. Die beiden Gesellschafter sind derzeit Uwe Scheibelhut und Loes Swart, die ab diesem Jahr an Stelle von Franz Hansert die rechtliche Verantwortung für diesen Unternehmensbereich übernommen hat – nachdem Franz, der schon seit den 80er Jah-ren in Hamburg lebt (und dort zunächst als Geschäftsführer des IT-Unternehmens im Unternehmensverband Dritter Weg CCS-Nord wirkte), im letzten Jahr aus der Gesellschaft ausgeschieden ist. Am Ideal der Selbstverwaltung orientiert, sind alle leitenden Mitarbeiter der Humboldt-Haus Betriebsgesellschaft stimmberechtigte Mitglieder im INKA-Verein und Mit-wirkende im INKA-Tätigkeitsbereich, der die Aufgaben, die sich aus dem Achberg-Impuls ergeben, zu erfüllen versucht. 60 Ab Dezember 1998 haben dann Wilfried Heidt, Gerhard Meister und Herbert Schliffka im Vorstand den INKA-Verein bis zum Tod von Wilfried vertreten. Danach wurden 2012 Christoph Klipstein, Ulrich Rösch und Gerhard Schuster in einen fünfköpfigen Vorstand hinzu gewählt. 61 „Wegbeschreibung“, a.a.O., S. 3 ff.

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ihrer Pflege braucht"62. Die vom Achberger Institut auf den Weg gebrachte „Initiative an Alle“63 (IAA) strebte die Verwirklichung dieses ideellen Ziels an, denn auf den Grundlagen von Ergebnissen vieler langjähriger Forschungsbemühungen zeigte sich, dass die konstitutionelle Gegebenheiten des Status quo der AAG nicht der Form entspricht, die eine Organisation des freien Geisteslebens benötigt. Eine solche wäre aber hilfreich, eventuell sogar notwendig für das Gelingen des zweiten Projektes64, nicht nur we-gen der Größe der Aufgabe. Damit sie bewältigt werden kann, wollten wir mit diesem Projekt Beiträge dazu aus dem Dreigliederungsimpuls erarbeiten. Deshalb werden mit dem zweiten Projekt schon seit 1996 vorbereitend Ideen für eine zeitgemäße EU-Verfassung zur dreigliederungsgemäßen Sozialgestalt Europas erarbeitet und ab 2000 wurde dann ver-stärkt versucht, in mehreren Schritten den Kontakt zu verwandten Strömungen65 aufzunehmen, mit de-nen gemeinsam ein Netzwerk „Bürgerkonvent“66 organisiert werden sollte. Dessen Aufgabe sollte sein, grundlegende Beiträge für eine EU-Verfassung zu erarbeiten und eine große zivilgesellschaftliche Kraft zu organisieren, damit die Öffentlichkeit auf die Notwendigkeit aufmerksam werden kann, dass alle EU-Bürger/innen, die an der Beratung und Abstimmung über die EU-Verfassung mitwirken wollen, betei-ligt sein können, wenn dieser soziale Gestaltungsprozess in Europa ein freier und demokratischer sein soll. Zu einem solchen kann er nur dann werden, wenn zivilgesellschaftliche Beiträge aus freien Initiati-ven in die Beratungsprozesse einfließen können, damit deren Ergebnisse dann in Volksabstimmungsver-fahren eingebracht werden können, wenn sie zuvor genügend Unterstützung gefunden haben. Die mündigen EU-Bürger/-innen müssen sich an einer solchen EU-weiten Abstimmung beteiligen kön-nen, sowohl in ihrer Eigenschaft als Entscheidungsbefugte innerhalb der EU-Bürgerschaft, als auch als

62 Rudolf Steiner, Die Bildung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft durch die Weihnachtstagung 1923, in: "Was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht – Nachrichten für deren Mitglieder", Nr. 1 vom 13. Januar 1924, Fassung in der Steiner GA 260 a, Dornach 2. Auflage 1987, S. 27. 63 „In der Arbeit von Wilfried Heidt und der „Initiative an Alle“ wurden Ergebnisse erzielt, die teilweise großen Konsens fanden. Darüber hinaus wurden Vorschläge zu einer Weiterentwicklung der AAG gemacht, die sich an der Idee der „einheitlichen Konsti-tuierung“ mit ihrer typologisch zu differenzierenden Gliederung orientiert. Diese Vorschläge und eine Dokumentation der Arbeit findet man unter: www.stiftung-gw3.de/aag/konstitutionsarbeitdokumentation“. Aus dem Aufsatz von Gerhard Schuster: AAG und „Gemeinsames Wollen“, Teil 3 - Ein Nachrichtenblatt, Für Mitglieder der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft, 6. Februar 2014 | 4. Jg., Nr. 1. 64 Vgl. zum Zusammenhang der beiden Konstitutionsprojekte die Mitgliederbeilage in der Wochenzeitschrift „Das Goetheanum“ vom 13. Juli 1997. Dort im Forum der Nr. 16 dieses Nachrichtenblattes, “Was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht“ schreibt Wilfried Heidt in seinem Aufsatz „Die Anthroposophische Gesellschaft will sein‚ eine Erfüllung dessen was die Zeichen der Zeit mit leuchtenden Lettern zu den Herzen der Menschen sprechen“* folgendes: „Das Nachrichtenblatt, ‚Was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht’ hat in der Nr. 46 des Arbeitsjahres 1996/97, .... , ein Arbeitsergebnis** aus dem ‚Achberger Institut für Zeitgeschichte und Dreigliederungsentwicklung’ veröffentlicht, das ein noch nicht gelöstes Problem ..., nämlich die Erhellung des Konstitutionsprozesses von der Weihnachtstagung (Ende 1923) bis zur 1. Generalversammlung des Vereins der AAG (Ende1925), behandelte und Fragen aufwarf, welche konstruktiven Konsequenzen wir für die heutigen Verhält-nisse daraus ziehen könnten. Der nachstehende Aufsatz bildet sozusagen das auf das gegenwärtig Zeitgeschehen Bezug nehmende allgemeingesellschaftliche Gegenstück zur Konstitutionsfrage im engeren Sinne: ‚Muß nicht auch die Erdenzivilisation insgesamt in ihren Fundamenten neu begründet werden?’ (R. Steiner, Vortrag vom 20.7.1924, GA 217a, S.126)“ (*Rudolf Steiner in seinem die Weihnachtstagung 1923 eröffnenden Vortrag vom 24.12.1923, GA 260, S. 36) (**Titel dieses Textes von Wilfried Heidt ist: »Muß die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft neu begründet werden?« Erstveröffentlichung in dem Mitteilungs-blatt für Mitglieder Nr. 46, vom 16. Februar 1997), Vgl. auch: http://www.sozialimpuls.info/Wer-ist-die-AAG-Buchprospekt.PDF. Der jeweilige Entwurf für diese Texte des Achberger Instituts ist von Wilfried geschrieben worden und dann wurde jeder Text immer gemeinsam mit allen in Achberg ansässigen – bzw. per Internet - Mitwirkenden im Institut mehrfach durchgearbeitet. 65 Siehe dazu z.B. den Rundbrief an die Teilnehmer des Achberger ICC-Treffens vom 6. – 8. 10. 2000: http://www.ig-eurovision.net/files/igev-rundbrief-2000.pdf Darin findet sich auf der 2. Seite der Aufruf der Startinitiative EU 21, der während der Inter Citizens Conferences (ICC) am, 8. Oktober 2000 in Achberg beschlossen wurde. Eine Unterstützungserklärung für den „Aufruf zum Projekt »EU 21« Für einen europäischen Verfassungsprozess von unten“ (auf S. 3) wurde gemeinsam getragen von der Achberg IG-EuroVision und der in Stuttgart ansässigen, von Christoph Strawe geleiteten Initiative Netzwerk Dreigliederung. 66 Vgl.: http://www.sozialimpuls.info/Assets/PDF_Dateien/BuergerKonvent-Gruendungserklaerung.pdf Zuvor wurde 1999 für das EU-Projekt die IG EUROVISION als Verein gegründet. Vgl.: „Erste Orientierung für Grundli-nien einer Verfassung der Europäischen Union. Und was wir tun können, sie dem Prozeß der europäischen Integration einzuverleiben. - IG EUROVISION - Die Bodensee-Erklärung, Veröffentlicht bei der Begründung der »Initiativ-Gesellschaft zur Förderung der europäischen Integration durch neue Ideen und demokratische Projekte« (anläßlich des Euregia-Tages »Europa erfahren: Begegnungen, Gespräche, Visionen – Entwicklungs-Perspektiven für das 21. Jahr-hundert« am 24. Juli 1999 auf dem Bodensee)“. EU 21 - EUROPÄISCHE VERFASSUNGS INITIATIVE, c/o IG Eu-roVision im Internationalen Kulturzentrum. http://www.sozialimpuls.info/assets/pdf/ig-eurovision-bodenseeerklaerung1999.pdf

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Staatsbürger der Mitgliedsstaaten. Sowohl die Mehrheit der - eventuell stimmgewichteten - EU-Mitgliedstaaten, als auch die in der EU-Bürgerschaft sollte erreicht werden, damit die zur Abstimmung vorgelegten Gesetzesvorschläge eine EU-weite Rechtsverbindlichkeit erhalten.

V. Geopolitische Strategien: Gefahren für ein selbstbestimmtes Europa? – Achberger Beiträge für ein „gemeinsames Haus Europa“ im 21. Jh., als eigenständige Mitte zwischen West und Ost

Ob und wann es zu dieser demokratischen Weiterentwicklung in Europa kommt, das heute noch immer primär nationalstaatlich geordnet ist, hängt davon ab, ob genügend viele Menschen nicht mehr nur ihre Freizeit selbstbestimmt gestalten wollen, sondern auch ihre Fähigkeiten frei in den Produktionsbereich des Wirtschaftslebens einbringen und auch im Rechtsleben der staatlichen Rechtsgemeinschaft direkt mitentscheiden wollen. D.h. auch, dass sie über die rechtlichen Grundlagen ihres gesellschaftlichen Zu-sammenlebens – und damit auch über den Rechtsrahmen ihres kulturellen und wirtschaftlichen Lebens - nicht mehr nur mittelbar durch ihre Wahlbeteiligung, sondern dazu komplementär auch direkt durch das schon beschriebene direktdemokratische Abstimmungsverfahren in drei Schritten entscheiden wollen. Sonst können „Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben“ und „Freiheit im Geistes- und Kulturleben“ nicht rechtsverbindlich verwirklicht und geschützt werden. Das ist aber notwendig in der gegenwärtigen Kul-turepoche, in der „antisoziale Triebe“ - wegen der zunehmenden Individualisierung der Menschen - immer stärker werden müssen. Allerdings kann der einzelne Mensch in der Regel nicht mit der Über-handnahme der „antisozialen Triebe“ fertig werden. Dazu benötigen die Menschen eine von ihnen in Freiheit, demokratisch geschaffene, menschengemäße soziale Struktur als Gegengewicht67, damit es nicht zum Kampf jeder gegen jeden kommt oder - in Folge des daraus entstehenden Chaos - die Bereit-schaft zur Akzeptanz einer totalitären Diktatur, die die Ordnung mit brutaler Staatsgewalt erzwingt, so groß wird, das sie verwirklicht werden und jede Freiheit unterdrücken kann. D.h., der Wille zur selbst-bestimmten Entwicklung der jeweils unterschiedlichen Fähigkeiten der sich zunehmend individualisie-renden Menschen behindert sich selbst, wenn es ihm nicht zugleich gelingt, gemeinsam mit den anderen die angemessene soziale Struktur für ihre jeweils individuelle Entwicklung hervorzubringen. Ihr Wollen zur direkten Mitbestimmung im Gesetzgebungsverfahren muss stark genug werden, damit es zu der menschengemäßen Weiterentwicklung in Europa kommt. Sie mit Beiträgen zu fördern, wird aus dem Achberger Impuls angestrebt. Dieses Wollen wird nicht durch bloß theoretisches Erkennen stark genug werden können, sondern nur im übenden sozialgestalterischen Mittun in allen Bereichen des sozialen Lebens und in den Gemeinschaften des Rechts auf allen Ebenen. Es bedarf also nicht nur einer individu-ellen, sondern auch eines sozialgestalterischen (sozialkünstlerischen) Schulungsweges. Diesen zu er-möglichen ist auch eine Aufgabe des Internationalen Kulturzentrums Achberg. Beiträge zur menschengemäßen Weiterentwicklung des gesellschaftlichen Lebens in Europa hat das Achberger Institut auch deshalb bis heute erarbeiten, damit wir zumindest in Europa beginnen können, mit einer globalen Problematik fertig zu werden, die Rudolf Steiner schon 1919 beschreibt. Dieses Grundproblem erwächst aus dem bestehenden Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft. In die-sem Verhältnis stehen die - wie einzelne Segmente nebeneinander geordneten - Nationalstaaten, die jeweils eigenständig Recht setzen und ökonomisch miteinander konkurrieren, dem global zu einer Ein-heit zusammengewachsenen Wirtschaftsorganismus gegenüber. In dessen Produktionssphäre müssen die global agierenden Unternehmen – trotz des (im Wettbewerbsrecht) privatkapitalistisch verordneten Konkurrenzkampfes - schon heute (also noch ohne eine der ökonomischen Gegebenheit angemessenen Rechtsordnung) miteinander kooperieren, wenn sie den Bedarf der Konsumenten weltweit befriedigen

67 Siehe dazu den Vortrag von Rudolf Steiner vom 12.12.1918 in Bern, Soziale und antisoziale Triebe im Menschen, 7. Vortrag in der Steiner GA 186, Dornach 1961. Zur Aussage, dass die Verwirklichung der richtigen (d.h. dreigliederi-gen) sozialen Struktur möglichst schnell in der gegenwärtigen Kulturepoche als notwendiges Gegengewicht zu den immer stärker werdenden antisoziale Triebe unbedingt notwendig ist, siehe besonders S. 164 in dieser Auflage. In die-sem Vortrag wird auch auf das „Urphänomen der Sozialwissenschaft“ hingewiesen. Den Begegnungen der Menschen und den dabei entstehenden Abläufen bewusster und unbewusster Kommunikations-Ereignissen, die Steiner in diesem Vortrag als dieses Urphänomen „im Goethischen Sinne“ bezeichnet, weil er damit nur den Bereich der Abläufe bewuss-ter und unbewusster Kommunikation, die sich im Vorstellungsleben ereignen, sprachlich kennzeichnen will, wird in den letzten 4 Jahren der Arbeit des Achberger Instituts viel Aufmerksamkeit gewidmet. In dem Kommunikationsprozess, den Steiner als soziales Urphänomen bezeichnet, sind immer sowohl soziale als auch antisoziale Triebe wirksam. Auch die vorliegende Ausarbeitung zum Achberger Impuls ist mit besonderer Aufmerksamkeit darauf geschrieben worden.

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wollen. Das gelingt allerdings nicht zufriedenstellend unter den gegebenen Rechtsverhältnissen, die aus den Vorstellungen der privatkapitalistischen Marktideologie heraus entstehen. Das führt zu den unfried-lichen Verhältnissen in der Welt.

R. Steiner beschrieb 1919 das aus diesem Verhältnis entstehende Grundproblem so: „Diesem Streben steht gegenüber die Entwickelung, welche das Wirtschaftsleben in der neuesten Zeit genommen hat. Dieses hat die Tendenz, ohne Berücksichtigung der gegebenen Staatsgrenzen, sich zur einheitlichen Weltwirtschaft zu entwickeln. Die Menschheit über die ganze Erde hin will eine einzige Wirtschaftsgemeinschaft werden. In dieser stehen die Staaten darinnen so, daß die in ihnen lebenden Menschen nach Interessen zusammengehalten werden, die in weitem Umfange den wirtschaftlichen Beziehungen, die sich entfalten wollen, widersprechen. Das Wirtschaftsleben will hinauswachsen über die Staatsgebilde, die aus geschichtlichen Bedingungen erstanden sind, die keineswegs den wirtschaft-lichen Interessen immer angepaßt waren. Die Weltkriegskatastrophe hat das Mißverhältnis der historisch gewordenen Staatsgebilde und der Weltwirtschaftsinteressen zur Offenbarung gebracht. Ein großer Teil der Kriegsursachen wird darin gesucht werden müssen, daß die Staaten das Wirtschaftsleben zur Verstärkung ihrer Macht ausnütz-ten, oder daß die wirtschaftenden Menschen durch die Staaten die Förderung ihrer wirtschaftlichen Interessen suchten. Die nationalen Wirtschaften stellten sich störend in die nach Einheit strebende Weltwirtschaft hinein. Sie suchten wirtschaftend für sich als Gewinne einzuheimsen, was nur in dem allgemeinen Wirtschaftsleben zirkulieren sollte. In den Staaten verbinden sich die geistigen und politisch-rechtlichen Interessen mit den wirtschaftli-chen. So, wie sich im Laufe des geschichtlichen Werdens die Staatsgrenzen ergeben haben, wird in-nerhalb ihrer die beste Art, das Geistige oder Politisch-Rechtliche zu besorgen, nicht zusammenfallen mit der vorteilhaftesten Betätigung auf wirtschaftlichem Gebiete. Und wenn ernst gemacht wird mit den berechtigten Forderungen der neueren Menschheit nach Freiheit im geistigen Leben, nach Demokrati-sierung des Staatslebens und Sozialisierung des Wirtschaftswesens, dann kann gar nicht daran ge-dacht werden, daß die Verwaltungen des Geistigen und der Rechtsverhältnisse auch maßgebend sein sollen für die Ordnung des Wirtschaftslebens. Denn es müßten die internationalen geistigen und Rechtsbeziehungen sklavisch den Wirtschaftsverhältnissen sich anpassen, die in ihrer Art etwas Zwin-gendes für ihre Gestaltung haben.“68

Was Steiner so beschreibt: „...daß die wirtschaftenden Menschen durch die Staaten die Förderung ihrer wirtschaftlichen Interessen suchten“, das wird heute als „Standortpolitik“ bezeichnet. Die nationalen Staaten unterstützen die Unternehmen, die in ihrem Hoheitsgebiet produzieren, damit diese im globalen Verdrängungswettbewerb nicht untergehen, weil sonst Arbeitsplätze und damit Einkommen und Steuer-einnahmen verloren gehen. Die nationalen Staaten sehen heute (wegen des zunehmend zum globalen Wettbewerb fortgeschritten Konkurrenzkampfes) in der Standortpolitik zum Erhalt der Unternehmen ihre primäre politische Aufgabe. Steiner sah darin schon 1919 einen großen „Teil der Kriegsursachen“ von 1914. Einhundert Jahre sind seitdem vergangen, ohne dass eine grundlegende Erneuerung des ge-sellschaftlichen Lebens gelungen ist, auch nach dem 2. Weltkrieg nicht.

So dient auch die EU, so wie sie durch die - als „Eliten“ bezeichneten - Entscheidungsträger der Wirt-schaft und Politik hervorgebracht worden ist, bisher vor allem der Standortpolitik. Ein größerer, nun supranationaler Standort soll die Unternehmen im EU-Hoheitsgebiet stärken. Jedoch kann das nur ge-lingen, wenn die europäische Wirtschaftsgemeinschaft nicht durch zu starke nationalstaatliche Egois-men ihrer Mitgliedsstaaten konterkariert wird, sondern solidarisch zusammenwirkt.

Wenn dieses Grundproblem „Teil der Kriegsursachen“ von 1914 war, so liegt es nahe, zu untersuchen, ob es auch Ursache für viele Probleme in der Gegenwart ist. Denn die gemäß der privatkapitalistischen Marktideologie organisierte Globalisierung des Wirtschaftssystems hat sich im 20. Jahrhundert - bei gleichzeitigem Erhalt des in Nationalstaaten segmentierten politischen Systems der Weltgesellschaft - weiterentwickelt. Also besteht das Grundproblem weiter und hat sich besonders nach dem Ende der Blockkonfrontation ab 1989 verstärkt. Nach dem der „Kalte Krieg“ zwischen den beiden hochgerüsteten, feindlich gegenüberstehenden Blö-cken zu Ende ging, weil von 1989-1991 das staatlich zentral verwaltete Sowjetsystem des Ostblocks zusammenbrach, begann das privatkapitalistische Gesellschaftssystem des Westens unter der Führung 68 Diese Textstelle stammt aus dem Aufsatz von Rudolf Steiner, „INTERNATIONALE WIRTSCHAFT UND DREI-GLIEDRIGER SOZIALER ORGANISMUS“, der im August 1919 zum ersten Mal in der Zeitschrift „Soziale Zukunft“ (Zürich), veröffentlicht wurde, dann in: Rudolf Steiner, Aufsätze über die Dreigliederung des sozialen Organismus und zur Zeitlage 1915 – 1921, Steiner GA 24, Dornach, 2. Auflage 1982, S. 220 ff.

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der USA die - möglichst uneingeschränkte - Vormachtstellung in der Welt zu übernehmen. Von da ab versuchten diejenigen, die über die Bewegungen der großen Geldströme herrschen, die Weltwirtschaft weitgehend uneingeschränkt im Sinne der Marktideologie zu gestalten. Unter dem Schlagwort „Deregu-lierung“ wurde die politische Macht der einzelnen Staaten bis zum Beginn der Finanzkrise 2007 ge-schwächt. Dann wurden sie ab 2012 durch die Staatsschuldenkrise in Europa erneut geschwächt. Zuvor schon stagnierten die Lohnkosten, weil sonst die Produktion noch schneller und umfangreicher nach Osteuropa und Ostasien verlagert worden wäre. Ab 2002 wurde der Staat in Deutschland durch die so-genannte „Agenda 2010“ der rot-grünen Regierung unter der Führung des Kanzlers Gerhard Schröder geschwächt. Um mit den Preisen der Konkurrenten am Weltmarkt mithalten zu können, wurden die Steuer- und Sozialausgaben der Unternehmen verringert. Der Staat musste deshalb seine Ausgaben – besonders die zur Erfüllung seiner sozialen und (bildungs-) kulturellen Verpflichtungen – kürzen. Aus der Perspektive der herrschenden sogenannten „neoliberalen Ideologie“ sah man keine Alternativen, um die deutschen Unternehmen im globalen Kampf um Marktbeherrschung zu stärken. Die neoliberale Strategie erscheint den Machtausübenden im politischen System alternativlos, wenn sie mit ihrer Stand-ortpolitik erfolgreich sein wollen. Sie werden von der Vorstellung beherrscht, dass sie nur so die Unter-nehmen in ihrem Hoheitsgebiet vor der Verdrängung vom Weltmarkt bewahren können. Aus dem Achberger Impuls heraus bildete sich im Zusammenhang mit der Protestbewegung gegen die Agenda 2010 ab 2002 die „Offensive für Arbeit, soziale Sicherung und Bildung“69. Sie war eine von mir geleitete Initiative, die im Rahmen der IG EuroVision70 agierte. Diese »Initiative für eine ‚demokrati-sche und soziale Offensive’« versuchte dann eine Alternative zur neoliberalen Abwärtsspirale in die Kommunikation der Protestbewegung einzubringen. In der kleinen Denkschrift „Plädoyer für einen Paradigmenwechsel bei den Steuer- und Sozialabga-ben“71 beschrieb ich, dass in Zeiten der Globalisierung die Umstellung von der Einkommens- und Ge-winnabgabe hin zu einer am Verbrauch bemessenen Steuer-, Sozial- und Kulturabgabe eine grundlegen-de Voraussetzung für den Erhalt von Arbeit und sozialer Sicherheit im bestehenden System ist. Als dann der dm-Gründer Götz W. Werner begann, mit einer Initiative72 in der Bewegung für ein bedin-gungsloses Grundeinkommen öffentlich zu wirken, gelang es ihm ab 2005 diesen Kerngedanke der „Konsumsteuer“ in eine breite öffentliche Kommunikation einzubringen. Von da ab unterstützte die „demokratische und soziale Offensive“ seinen Vorschlag zur Einführung eines bedingungslosen Grund-einkommens, damit die schon seit langem real existierende Trennung von Einkommen und Arbeit73 vielen Menschen bekannt und zunächst in dieser Form rechtsverbindlich werden kann. Denn diese be-stehende Trennung wird durch veraltete Gedanken aus der Zeit der Selbstversorgung und die gegebene Rechtsordnung verdeckt, die auf Grund der alten Vorstellungen und Semantik, die verschleiernd wirkt, entstanden ist. Sie bewirken den Erhalt der Marktideologie74, welche durch die - von der bürgerlichen

69 Siehe: http://willensbekundung.net/Projekte/DeutschlandOffensive/index/index.htm 70 Siehe zur IG EuroVision die Fn. 66 71 Schliffka, Herbert, „Plädoyer für einen Paradigmenwechsel bei den Steuer- und Sozialabgaben“, in: Ders., Initiative für eine demokratische und soziale Offensive, VII. Kapitel, in dem „Lesebuch“: IG-EuroVision (Hrsg.), Für eine Welt nach dem Maß des Menschen, „Die Alternative zur neoliberal dominierten Gesellschaft ist notwendig und möglich. Achberg, 2006. http://www.ig-eurovision.eu/lesebuch2006.htm - Siehe auch den ganzen Text in der Fassung von 2003: http://willensbekundung.net/Assets/PDF_Dateien/Buergeroffensive_Paradigmenwechsel.pdf, und auf der Webseite des Instituts für soziale Dreigliederung: http://www.dreigliederung.de/essays/2003-04-003.html 72 Siehe : http://www.unternimm-die-zukunft.de/de/ 73 Vgl. dazu die drei Aufsätze von Rudolf Steiner, „Geisteswissenschaft und soziale Frage“ von 1905/06, in der Steiner GA 34 74 Die totalitäre Marktideologie will alle sozialen Prozesse durch den Marktmechanismus regeln. Er soll also nicht nur dort, wo es (weitgehend) richtig ist, wirksam sein. Richtig wirkt er bei den Konsumgütermärkten, wo Waren und Dienstleistungen zur individuellen Bedarfsbefriedigung ver- und gekauft werden. Doch beherrscht der Marktgedanke heute auch dort die Vorstellungen der Akteure und damit ihr Handeln, wo die über den Marktmechanismus ablaufenden Kaufprozesse von nicht marktgeeigneten sozialen Vorgängen zerstörerisch wirken müssen, wenn sie über einen längen Zeitraum hin eine bestimmte Größe überschreiten. Zerstörend wirkt der Marktmechanismus besonders, wenn in der gegenwärtig global vernetzten Produktionssphäre Verfügungsrechte über Kapital (also über Produktionsmittel, ein-schließlich des zur Produktion benötigten Grund und Boden) gekauft und verkauft werden. Gleiches gilt für die Steue-rung der Geldprozesse in ihrem Kreislauf von der Geldschöpfung durch Kredit bis zum Rückfluss zur Ausgabestelle und für die Vergabe von vorhandenen Arbeitsplätzen. Da wo die Marktideologie das Vorstellungsleben der Entschei-dungsbefugten weitgehend beherrscht, wird auch die zur Produktion benötigte Arbeit über den „Arbeitsmarkt“ organi-siert. Also Arbeitskraft soll - ohne durch staatliche Eingriffe beeinflusst zu sein – von Eigentümern der Produktionsmit-tel gekauft werden können und die Arbeitsleistenden verkaufen sie an den meistbietenden „Arbeitgeber“ für den

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Ideologie geprägten - Sozial- und vor allem Wirtschaftswissenschaften und Medien propagiert wird, obwohl sie unwahr ist, d.h., nicht den wahren Sachverhalt enthält. Auch das dient der leistungslosen Vorteilnahme derjenigen, die die Nutznießer der real existierenden Geldherrschaft sind.

Nach dem Ende der Systemkonkurrenz, die die Welt spaltete - Staatssozialismus im Osten und privat-kapitalistisch geordnetes Marktsystem im Westen –, begann eine rege Wirtschaftsbeziehung zwischen der EU und den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, deren Rechtsnachfolge Russland übernahm. Das stärkte die EU und brachte das ökonomische Vormachtsstreben der USA in Gefahr. So ist es auch naheliegend, die Frage aufzuwerfen, ob nicht wieder dieselben Kräfte aus denselben Mo-tiven, die Steiner schon in seinen „Memoranden“75 vom Juli 1917 beschreibt, die gegenwärtigen Kon-flikte initiiert haben. Betrachten wir sie im Folgenden einmal aus dieser Perspektive.

Gehört schon die von einigen Geschäftspraktiken der US-Banken ausgelöste Finanzkrise ab 2007 und die dadurch bewirkte Staatsschuldenkrise in der EU mit zur Geostrategie der USA? Diese dient in jedem Fall auch der Abwehr der EU-Konkurrenz an den Weltmärkten (also der Standort-Politik der USA). Und sie ist ebenso eine Mitursache für den Ukraine-Konflikt 76, durch den die bis dahin rege Wirt-schaftsbeziehung zwischen der EU und Russland stark beeinträchtigt wurde. Dieser neue West-Ost-Konflikt dient auch der Politik der militärischen Vormachtstellung der USA, die damit auch die einzige ernstzunehmende konkurrierende Atommacht schwächt. Mir erscheint das Heranrücken des „Westens“ an die Grenze Russlands wie die Fortsetzung der Frontier-Haltung, die schon die 13 Gründerstaaten der USA zum Zweck des Landraubes in Nordamerika bei der Vernichtung der indianischen Völker im 19. Jahrhundert eingenommen hatten und aus der heraus die USA im Ost-West Konflikt des 20. Jh. welt-weit – zum angegebenen Zweck der Verteidigung der eigenen Einflusszone und der Abwehr der „kom-munistischen“ Expansion - handelte.

„Lohn“, den er zahlt. Doch das Verhältnis, das beim Kauf und Verkauf der Arbeitskraft gegenwärtig besteht, wird durch das gegebene Machtgefälle, das durch das bestehende Eigentumsrecht bewirkt wird, bestimmt. Ein bedingungsloses Grundeinkommen (bGE) verändert dieses Verhältnis grundlegend. Das angeblich „freie Spiel der Kräfte“ am sogenann-ten „Arbeitsmarkt“, kann sich besser entwickeln, weil die Entscheidungsfreiheit der Arbeitsleistenden, die ein gesetz-lich geregeltes bGE erhalten, gestärkt wird. Die Macht der Unternehmenseigentümer über die Höhe der Einkommen ihrer Mitarbeiter - also über deren Armut oder Wohlstand – zu bestimmen, wird begrenzt. Der – heute eigentlich un-zeitgemäße - „Arbeitskampf“ (mit Streik usw.) ist dann nicht mehr der einzig gangbare Weg für diejenigen, die die Arbeit weisungsgebunden leisten. Die Feststellung der Einkommenshöhe, die in der Marktideologie als „frei“ auszu-handelnder „Preis“ für die „eingekaufte“ Arbeitskraft verstanden wird, kann nach der Verwirklichung des bGE als das-jenige erkannt werden, was sie in der modernen, globalen Fremdversorgungsgesellschaft immer schon war: das Ergeb-nis einer Rechtsvereinbarung (in Tarif- und Arbeitsverträgen, sowie durch gesetzliche Reglungen, z.B. in der Renten- und Sozialgesetzgebung oder bei Mindestlöhnen). Allerdings sind Tarif- und Arbeitsverträge in der bestehenden Eigen-tumsordnung solche, die zwischen Ungleichen vereinbart werden. Das ändert sich im Falle des Grundeinkommens teilweise. Über das zu Vereinbarende entscheiden dann nicht mehr nur beteiligte Einzelne oder bei Tarifverträgen die Gruppenvertreter, sondern es entscheidet über den Grundeinkommensanteil des Gesamteinkommens die ganze Rechts-gemeinschaft eines Staatsgebildes, mittelbar durch Parlamentsbeschluss oder - wenn die Höhe des bGEs auch durch das dreistufige Volksgesetzgebungsverfahren festgestellt werden kann – unmittelbar durch alle beteiligten, gleichberechtig-ten mündigen Menschen. Dem Ideal, „Gleichheit im Rechtsleben“, wird hier entsprochen. Dazu, dass soziale Vorgänge, die bisher durch die totalitäre Marktideologie unterschiedslos als Marktvorgänge stattfin-den, notwendig differenziert zu handhaben sind, siehe neben Darstellungen von Rudolf Steiner – der es ablehnt, dass Verfügungsrechte am Markt gehandelt werden – auch solche von Udo Herrmannstorfer in seinem Buch: „Schein - Marktwirtschaft. Arbeit, Boden, Kapital und die Globalisierung der Wirtschaft“ und die Werke von Karl Polanyi. Land, Geld und Arbeit sind für ihn nichts als ‚virtuelle Ressourcen’ und dürfen nicht wie ‚normale Güter’ behandelt werden. Wer sie dem wettbewerblichen Preismechanismus ausliefert, wird die Welt zugrunde richten. (Die Aussagen über und von Karl Polanyi sind aus dem Zeitungsartikel: „Der große Transformator“ von Rainer Hank, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 04.07.2009, Seite Z1 f.). 75 Steiner, Rudolf, Die Memoranden vom Juli 1917, in: Ders., Steiner GA 24, Dornach, 2. Auflage 1982, S. 339 ff. 76 Zur Aufdeckung des Propagandacharakters, der in den westlichen Medien weitverbreiteten Falschaussage von der „Annexion der Krim“, als dem auslösenden Faktor für die Handelssanktionen des „Westens“ gegen Russland, das durch diese angebliche Tat als ein völkerrechtlich zu verurteilender Aggressor dargestellt wird, siehe die Artikel in der Frank-furter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.): Reinhard Merkel „Die Krim und das Völkerrecht“, F.A.Z. vom 7.4.14 und Konrad Schuller, „Die überdehnte Verfassung und der verschwundene Präsident“, F.A.Z., 25.02.2015, Politik S. 3. Siehe auch: Drei Artikel in „Die Drei“, Zeitschrift für Anthroposophie in Wissenschaft, Kunst und soziales Leben. Zwei in der Nr. 5. von Mai 2015, 1. ab S. 6 ff.: Gerd Weidenhausen: Ein Jahr nach dem »Euromaidan«: eine Bilanz. Und 2. ab S.84 f.: ders., Politik mit vorab verteilten Rollen, eine Besprechung von Wolfgang Bittners Buch, Die Eroberung Europas durch die USA, Mainz 2015,. Sowie 3. in der Nr. 6 von Juni 2015, S. 7 ff: In der Rubrik „Ohnmacht überwinden“, Bernd Brackmann, Sind wir machtlos?

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Auch die Flüchtlingsproblematik nach dem sogenannten „Arabischen Frühling“ belastet Europa schwer. Sie ist ja nicht bloß eine Folge der allgemeinen Verarmung in der Welt, die durch die globale neolibera-le Politik verstärkt seit den 90er Jahren bewirkt wird, sondern sie ist im Besonderen eine Folge des von der USA im Rahmen des von ihr erklärten „Krieges gegen den Terror“ völkerrechtswidrig geführten Vernichtungskrieges gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein. Das dadurch geschaffene Macht-vakuum führte zum Chaos im Irak und in der umliegenden Region. Es begünstigte die darauf folgenden, vom Westen vielfältig (auch militärisch und geheimdienstlich) geförderten Revolutionen gegen autoritä-re Staatssysteme, sowie gegen den Diktator Gaddafi und den syrischen Staatspräsident Baschar Hafiz al-Assad. Durch diese von den USA betriebenen „Regime Changes“ wurden das Machtvakuum und das daraus entstehende Chaos vergrößert. Es wird durch die „Warlords“, die um die Macht kämpfen, auf Dauer gestellt. In Libyen – aber nicht nur dort - zeigt sich das. In Folge dieser (Bürger-) Kriege im Na-hen und Mittleren Osten und in Nordafrika entstand dort die militärisch bisher so erfolgreiche sunniti-sche Eroberungsbewegung, die gewaltsam zunächst einen „Islamischen Staat im Irak und Syrien“ (ISIS) anstrebte und später einen darüber hinausreichen „Islamischen Staat“ (IS) mit militärischer Gewalt bis heute anstrebt. Eine Folge dieser Kriege und der brutalen Terrorgewalt des IS in dieser Weltregion sind die unübersehbar großen Flüchtlingsströme, die sich bis hin nach Europa bewegen.

Tatsache ist: Der Unternehmens-Standort Europa, das im ständig stattfindenden Vernichtungswettbe-werb der global agierenden Unternehmen um Marktbeherrschung ein starker ökonomischer Konkurrent der USA ist, hat - ebenso wie bei der frontierähnlichen Ukrainepolitik der USA - auch die Folgen der Flüchtlingsströme zu tragen, die durch die US-Geostrategie bewirkt werden. Gestärkt werden dadurch vor allem die nationalistisch gesinnten politischen Kräfte in den Mitgliedsstaaten der EU. Deren Solida-rität wird geschwächt. Das lässt sich vielfach beobachten. Schon die Griechenland-Krise zeigte die Ver-ringerung der immer noch mangelhaften europäischen Solidarität, die nun noch mehr geschwächt wird. Die durchschnittlichen US-Bürger sehen - vermittelt durch die Medien - in der Geostrategie ihrer Regie-rung eine Politik „gegen den Terror“, die moralisch begründet der notwendig militärisch-gewaltsam erzwungen Befreiung und Demokratisierung der von Diktatoren beherrschten Völker dient. Diese Ein-stellung der normalen Amerikaner galt schon für die Beteiligung der USA am 1. und 2. Weltkrieg.

Verheimlicht werden ihnen aber zunächst immer Aktivitäten, durch die ihre Regierung andere (auch demokratisch regierte) Länder (oft zuerst wirtschaftlich) destabilisieren, um autoritäre Regime und Dik-tatoren, die ihnen von Nutzen sind, zu installiert oder - wenn sie an die Macht gekommen sind - sie zu schützen, bzw. zu unterstützen77. Es nutzt ihr dann, wenn die USA ihre globale Vorherrschaft weiter ausüben und dazu auch günstig an Rohstoffe, wie Öl, für ihre Wirtschaft herankommen kann. Solche Aktivitäten der USA bleiben zuerst immer „Geheimsache“. Davon soll der angebliche „Souverän“ – also das amerikanische Volk – erst einmal nichts wissen. Oder will die Mehrheit der Amerikaner aus Eigennutz nichts davon wissen? Auch davon nichts, dass die Geheimdienste die eigenen US-Bürger und viele Entscheidungsträger in der Welt bespitzeln? Edward Snowden konnte diese Praxis der Welt ent-hüllen. Diese Kunst der Enthüllung, wird von den Herrschenden streng bestraft. Doch ohne ein Wissen, von solchen Regierungsaktivitäten, gibt es noch keine wirkliche Demokratie, sondern nur eine Vorstufe davon. Vorstufe deshalb, weil das Volk zumindest seinen gesetzgeberischen Vormund wählen darf, auch wenn es nicht erfährt, was dieser im Geheimen treibt. Aus der Perspektive der hier skizzierten Demokratie-Idee ist das offensichtlich minimaldemokratisch. Wie kann es den unwissend gehaltenen Amerikanern gelingen, das unzeitgemäße präsidentielle Regie-rungssystem in den Vereinigten Staaten – das noch fast wie ein „Ersatzkaisertum“ konzipiert ist - zu überwinden? Das ist sehr schwer. Denn es wird – ebenso wie der (quasi aristokratisch konzipierte) Par-lamentarismus - von Gnaden der Geldherrschaft erhalten. Die politische Herrschaft steht weitgehend im Dienste des Geldmechanismus und dient dessen Betreiber und Nutznießern. Sie bestimmen weitgehend die sozialen Prozesse im Geld- und Wirtschaftssystem und deshalb - sowie zusätzlich durch die gemein-same Ideologie und die dadurch erfolgreiche Lobbyarbeit, die ihnen dient - auch die für sie wichtigen Vorgänge im politischen System. Das gelingt, weil sie durch den Geldmechanismus auch die meisten (ideologisch gefärbten) Inhalte im vorherrschenden kulturellen Leben in Wissenschaft, Bildung, den Medien und besonders auch in der Filmindustrie bestimmen können, deren Produkte das Bewusstsein

77 Offensichtlich ist das der Fall bei der jetzigen - durch einen Putsch an die Macht gekommenen - Militärherrschaft in Ägypten. Der bekannteste Fall eines von den USA bewirkten Regime Changes ist der Militärputsch in Chile 1973.

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einer sehr großen Anzahl von Menschen erreichen und beeinflussen - und damit auch deren Meinungen, politische Einstellungen und Wahlverhalten. Erst wenn es den Europäern gelingt, die dem US-System sehr ähnlichen europäischen Varianten durch die aufgezeigten Schritte zur Freiheitsgestalt zumindest teilweise zu öffnen, kann auch in Amerika ein Wandel einsetzen. Doch es gibt führende Kräfte in den USA, die sich einem solchen Wandel stark widersetzen.

Die sozialwissenschaftliche Forschung des Achberger Instituts nimmt diesbezüglich u.a. auch die Er-gebnisse der geisteswissenschaftlichen Forschung Rudolf Steiners über bestimmte machtausübende Kräfte in den USA ernst. Danach strebt deren Politik die Weltherrschaft an. Das führt in den Niedergang der Kultur und Zivilisation78, falls das durch die Geldherrschaft gesteuerte Weltwirtschaftsystem nicht ergänzt wird durch ein von individueller Freiheit bestimmtes Geistes- und Kulturleben - besonders durch ein von Staatsmacht und Geldherrschaft befreites Bildungswesen - einerseits, und andererseits durch eine echte, d.h., komplementäre Demokratie, in der die Rechtsgemeinschaft der mündigen Men-schen (das „Volk“) durch Wahlen der parlamentarischen, also der stellvertretenden Gesetzgeber und durch unmittelbare Abstimmungen über die rechtlichen Reglungen ihres Zusammenlebens entscheiden können. Dann können Gesetze geschaffen werden, die bewirken, dass das Geld einem global solidari-schen Wirtschaftsleben und dem Gemeinwohl dient, um den weltweiten Bedarf aller Menschen zu be-friedigen. Das sind die in meine Worte gefassten Hinweise, die Rudolf Steiner aus den Ergebnissen der Initiationswissenschaft zur notwendigen Gestaltung der Weltgesellschaft gegeben hat. Sie sind eine Voraussetzung dafür, dass eine Erneuerung der menschheitlichen Kultur- und Zivilisation möglich wird.

Zu diesen Ergebnissen führt die sozialwissenschaftliche Arbeit des Achberger Instituts, das die Anregungen Rudolf Steiners aus dem ersten Drittel des 20. Jh. zur Lösung der grundlegenden Problem-lage des gegenwärtigen gesellschaftlichen Lebens weiterentwickelt hat. Sie sind Grundlage für alle Pro-jekte des Achberger Instituts. Und der geistige Impuls, aus dem die Arbeit des Achberger Instituts her-vorgegangen ist, entsteht aus der – in der Gegenwart objektiv gegebenen - Aufgabe, gleichgesinnte Menschen und verwandte Strömungen in Verbindung zu bringen, sie zu vernetzen und in gemeinsamen Projekten zu vereinigen, damit sie Beiträge auf den Weg bringen können, die zu dem Ziel der Verwirk-lichung der Freiheitsgestalt des globalen Gesellschaftsorganismus führen. Dieses Ziel liegt nach Angaben Steiners nicht im Sinne von bestimmten führenden Kräften in der USA. Versuchen diese mit der gegenwärtigen Geostrategie der USA eine Weichenstellung für das 21. Jahr-hundert, die der Verwirklichung der Freiheitsgestalt entgegenwirkt? Streben sie mit dieser Geostrategie eine erneute West-Ost-Spaltung für das 21. Jh. an, durch die ein selbständiges Europa verhindert werden soll? Zielt sie mit dieser Weichenstellung die Polarisierung zweierlei Systeme innerhalb eines globalen Kapitalismus an? In Ostasien (zunächst in China) hat sich ein staatsdiktatorisches System etabliert, das das geistig-kulturelle Leben vollständig kontrolliert und zugleich ein Wirtschaftssystem zulässt, das zunehmend auch von privatkapitalistischen Eigentümern gesteuert wird, damit es im globalisierten privatkapitalisti-schen Wirtschaftssystem als erfolgreicher „Player“ mitwirken kann. Im Lichte einer - auf das Staats- und Kulturleben beschränkten - totalitären Diktatur im fernen Osten kann das westliche Gesellschaftssystem, in dem „das Geld als solches herrscht“ (Rudolf Steiner am 19.10 1919, a.a.O.), sich den Anschein von Freiheit und Demokratie geben. Denn im Vergleich dazu verstellt der Blick auf die offensichtlich diktatorisch ausgeübte staatliche Gewalt in China einen wirk-lichkeitsgemäßen Blick auf die Auswirkungen einer totalitären Geldherrschaft, die sich im „Westen“ zunehmend etabliert. Eine globalkapitalistische Polarität, die sich einerseits aus einer staatsdiktatorisch ermöglichten und kontrollierten privatkapitalistischen Wirtschaft im Osten (China) und einem westlichen, nur durch die Geldherrschaft technokratisch gesteuerten, privatkapitalistischen Gesellschaftssystem andererseits er-gibt, ist nur dann möglich, wenn es den Kräfte der USA, die der menschlichen Entwicklung zum Frei-

78 Zusätzlich zu den in den Memoranden enthaltenen Aussagen findet man dazu in vielen Vorträgen, die R. Steiner seit dem Beginn des 1. Weltkrieges bis in die 20er Jahre des vorigen Jahrhundert gehalten hat, sehr viele verschiedene Aus-sagen, die er - eigenen Angaben nach - aus geisteswissenschaftlicher Forschung gewonnen hat. Nennen will ich hier nur einige: Zur Notwendigkeit der global gegliederten Dreiheit siehe in der Steiner GA 191, den 4. Vortrag R. Steiners vom 10.10.1919. Zu Hinweisen auf geistige Gegner der dreigegliederten Gestalt des Gesellschaftsorganismus und ihren Vorgehensweisen siehe z.B. den 2. und 3. Vortrag in der GA 200, die Steiner am 22. und 23. Oktober 1920 in Dornach gehalten hat. Sowie die Vortrags-Trilogie vom 18., 19. und 25.11.1917 (GA 178), die Steiner zum Thema „individuelle Geistwesen und einheitlicher Weltengrund“ auch in Dornach gehalten hatte.

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heitswesen feindlich gesinnt sind, gelingt, einen dritten Weg in Europa, also eine eigenständige europäi-sche Gesellschaftsform, in der echte Demokratie und individuelle Freiheit möglich wird, zu verhindern. Dazu müssen sie solche Fakten schaffen, die ein - schon von Gorbatschow erhofftes - „gemeinsames Haus Europa“, zu dem auch Russland gehört, kaum mehr möglichen machen.

Wenn es also den US-Geostrategen gelingt, Russland aus Europa heraus und an das chinesische System eines staatsdiktatorischen Privatkapitalismus im Osten heranzudrücken, dann können die Weichen für das 21. Jahrhundert in Richtung einer neuen globalen West-Ost-Spaltung gestellt werden, in der zweier-lei Formen von privatkapitalistischen Systemen79 existieren.

Russland und die anderen mit ihm in der eurasischen Union verbunden Staaten sind ja gefährdet auf dem Weg ihrer bisherigen neuen Entwicklung zur Freiheit und Demokratie, da sie sich erst seit 25 Jah-ren aus einer totalitären (kommunistisch genannten) Staatsdiktatur, die das geistig-kulturelle und wirt-schaftliche Leben vollständig beherrschte, befreit hatten und von da ab zunächst versuchten, im westli-chen System der Geldherrschaft Fuß zu fassen – aber dabei nicht bereit waren, sich dem Streben der USA nach Weltherrschaft vollständig zu unterwerfen. Die daraus sich ergebenden Unbotmäßigkeiten gegenüber der USA führten zu den gegenwärtigen Konflikten mit Russland. Denn für eine USA, die ihre Vorherrschaft in der Welt behalten will, würde eine viel zu starke Konkur-renz entstehen, wenn eine wissenschaftlich-technisch und kapitalstarke, wirtschaftlich hoch entwickelte EU sich mit einer rohstoffreichen und absatzstarken „Eurasischen Union“ assoziiert, in deren Zentrum das militärisch starke Russland steht. Offensichtlich würde solch ein assoziiertes Gebilde das „gemein-same Haus Europa“ sein, welches stark genug wäre, um eigenständig bei den notwendigen Entschei-dungen im weltgesellschaftlichen Getriebe mit den Mächten im Westen und im fernen Osten auf Au-genhöhe mitwirken zu können. Also was bedeutet eine solche - bis 2013 möglich erscheinende - Entwicklung für die USA? Musste sie nicht versuchen, dieser Gefahr für ihr Bestreben nach Vorherrschaft (hin zu einer Weltherrschaft im Sinne eines neuen „römischen Reiches“ des 21. Jh., also einer „Pax Americana“) entgegenzuwirken? Dass scheint mir - trotz aller, diese Absicht verschleiernde Semantik, die über fast alle „Kanäle“ der meinungsbildenden westlichen Medien hauptsächlich verbreitet wird – offensichtlich zu sein.

Aus dem bisher Ausgeführten entsteht die Frage: Wie stark wird die Bereitschaft der EU-Staaten sein, auf einen eigenständigen Dritten Weg eines sozialverträglichen Kapitalismus, mit einem dienenden Geld- und Bankensystem, das eine solidarische Wirtschaft ermöglicht, einer echten Demokratie und individueller Freiheit zu verzichten? Werden sie nicht zu schnell dazu bereit sein, sich stattdessen der USA und deren System der Geldherrschaft zu unterwerfen, wenn es dieser gelingen sollte, Russland und die mit ihm verbundenen Staaten von Europa abzudrängen und an China zu binden, damit auch Eurasien dessen System der staatsdiktatorischen Form der privatkapitalistischen Wirtschaft annimmt, um die Kluft zur EU zu vergrößern?

Der rechtmäßig gewählte russische Präsident Putin wird seit 2013/14 durch die Taten des neuen, von der USA angeführten „Westblockes“ schon zu solchen Handlungen und einem Verhalten gebracht, die aus russischer Sicht den Status quo erhalten sollen, die es aber den westlichen Medien einfach machen, ihn als einen autokratischen Herrscher mit Expansionsgelüsten darzustellen.

Wird die Mehrheit der Menschen in Europa sich im Falle der Annährung Russlands an das Chinesische System nicht „zu Tode fürchten“? Wenn ein solcher Koloss von Land- und Menschenmassen mit einer so großen militärischen Stärke in unmittelbarer Nachbarschaft der EU-Staaten entsteht, dann benötigten sie ganz real die Vereinigten Staaten von Amerika als militärische Schutzmacht, der sie ihre Eigenstän-digkeit opfern müssten, damit sie nicht von einem staatsdiktatorischen, asiatischen Despotismus unter-worfen werden, wie es in den Zeiten von Attila und Dschingis Khan geschah. Auch der europäische Teil Russlands wird dann wieder dieser asiatischen Despotie unterworfen sein. Will der „Westen“ das? Wol-len wir Europäer - als Teil eines neuen Westblockes - das?

Das sind Fragen, die sich jeder Europäer - insofern er sich seiner Mitverantwortung für die Gestalt des Gesellschaftsorganismus bewusst ist – stellen müsste. 79 R. Steiner beschreibt schon 1919 im 3. Kapitel der „Kernpunkte“ eindeutig - wenn auch sehr differenziert – wie der „private Kapitalismus“ so weiterzuentwickeln ist, dass die von ihm verursachten gesellschaftlichen Schäden überwun-den werden und trotzdem individuelle Fähigkeiten frei die Verfügungsgewalt über Produktionsmittel ausüben können (GA 23, a.a.O, S. 94 ff).

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Und jeder Mensch, besonders wenn er sich mit Anthroposophie so weit verbunden hat und mit beiden Beinen auf dem Boden, also wach, mitten im sozialen Leben steht, so dass er fähig ist, die symptomati-schen Ereignisse unserer Zeit wahrzunehmen, und außerdem Kenntnis von der Gesetzmäßigkeit der „33-jährigen Umlaufszeit geschichtlicher Ereignisse“ 80 hat, müsste sich die Frage stellen: Gibt es politi-sche Kräfte, die darauf hinwirken, dass sich im Jahre 2033 in Russland eine „Auferstehung“ (im Sinne dieses Gesetzes) von dem Impuls ereignen kann, der 1933 zu dem politischen System führte, das sich besonders in Deutschland zeigte? Und begann vorbereitend in China eine solche „Auferstehung“ bereits ab etwa 2000 (1999-2001), obwohl die dort herrschende Partei – die den Staat und durch diesen fast das ganze Geistes- und Kulturleben totalitär beherrscht – sich nicht nationalsozialistisch, sondern immer noch kommunistisch nennt?

Und welche Antworten geben sich Anthroposophen, die in der Lage sind, sich die folgenden Fragen zu stellen? Ist der begonnene Weg des „neuen Westblocks“ der Weg, den Europa an dieser Weggabelung für das 21. Jahrhundert gehen will? Die EU-Staaten müssen sich entscheiden: Will die EU sich in eine neue Welt-Dualität eingliedern, die mit der Polarisierung in einer neuen West-Ost Spaltung entsteht? Oder will es selbstbewusst mitwirken, eine global gegliederte Dreiheit sozialkünstlerisch zu gestalten, weil eine globale Kulturerneuerung eine gegliederte Einheit von West, Mitte und Ost81 benötig? Was kann die anthroposophische Bewegung und die Gesellschaft, „die sie zu ihrer Pflege braucht“, tun, dass genügend Europäer - und besonders Europäerinnen – sich diese Entscheidungssituation bewusst machen können?

Aus dem Achberger Impuls heraus ist es die Aufgabe des INKA, die Verantwortlichen für die Allge-meine Anthroposophische Gesellschaft darauf hinzuweisen, dass sie sich die Frage stellen müssen, was denn ihr Beitrag aus dem Geist der Initiationswissenschaft sein kann, damit Europa sich dieser Ent-scheidungssituation bewusst werden kann. Und da komme mir ja keiner mit der Ausrede, das sei ja Politik und die liege nicht im Aufgabenbereich dieser Gesellschaft. Denn es ist ein Aufgabenfeld des Geisteslebens und deshalb ist einem solchen abs-trakten Urteil aus einem Nominalismus, der keinem zusteht, der sich mit Anthroposophie ernsthaft als deren Repräsentant verbunden hat, nur mit den wesensgemäßen, klaren Gedanken zu antworten, die Steiner am 31. Januar in Dornach ausgesprochen hat.82 Man verwechselt Politik, deren Funktion es ist,

80 Siehe Fn. 51 81 Siehe dazu den Steiner Vortrag vom 10.10.1919 (in der Steiner GA 191 a.a.O., in Fn. 78). 82 „So wurde zum Beispiel von einer gewissen Seite jetzt geurteilt, diese anthroposophisch orientierte Geisteswissen-schaft, die ihren repräsentativen Sitz in Dornach hat, beschäftige sich jetzt mit Politik, und mit Politik sollte sich eine solche Bewegung ja nicht beschäftigen. ... Wenn ein solches Urteil auftritt, so klingt es an an vielerlei, was man gewohnt ist, zu meinen. Und wenn dann jemand ein solches Urteil hört, kommt ihm das doch etwas plausibel vor. Er sagt sich dann: ja, da ist etwas daran, es ist viel-leicht doch ein Unfug, wenn von einer geisteswissenschaftlichen Bewegung ausgeht eine Beschäftigung mit solchen Fragen, wie jetzt die «Dreigliederung des sozialen Organismus» eine ist. Nun gehört sowohl das ursprüngliche Urteil über diese Sache in die Richtung, wie ich es eben charakterisiert habe, wie auch das Nachsprechen in die Klasse der heute zahlreich auftretenden oberflächlichen Denkmethoden. ... Aber dem, was da als Forderung an die Menschheit herantritt mit Bezug auf ein klares, scharfes Denken, vor allen Dingen mit Bezug auf ein innerlich wahrhaftiges Denken - denn das Denken, das unklar ist, ist immer zugleich etwas verlogen -, dem, was da als Aufgabe der Menschheit vorgesetzt ist in bezug auf ein klares, scharfes, innerlich wahrhaftiges Denken, dem steht heute gegenüber der Trieb, unklar zu denken, unfertig zu denken, halb zu denken, nachzuurteilen, das wieder zu sagen, was man da oder dort hört, oder das wieder zu denken. Ich sage aber auch: Ursprünglich liegt eine außeror-dentliche Oberflächlichkeit dem Ausspruche zugrunde, daß die anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft in der Dreigliederungsfrage abgeirrt sei auf das Gebiet des Politischen, das ihr nicht zugehöre. Denn wer so urteilt, urteilt ganz abstrakt. Er nimmt einfach irgend etwas, was für die Katholische Kirche richtig sein mag, herüber auf etwas, was ganz andersartig ist. ...Warum? Worauf geht denn die «Dreigliederung» ursprünglich hinaus? Sie geht darauf hinaus, in der sozialen Ordnung eine reine Gliederung zu schaff en zwischen dem Geistesleben, das seine eigene Verwaltung haben soll, dem Rechts- oder Staatsleben, das in der Mitte stehen soll zwischen den drei Gebieten mit seiner vollen Selbstän-digkeit, und dem wirtschaftlichen Leben, das als drittes Glied reinlich von den beiden andern abgeschieden sein soll. Nun denken wir einmal nicht oberflächlich, wie jener denkt, der da sagt, Anthroposophie habe sich nicht mit Politik zu beschäftigen, sondern denken wir einmal die Sache wirklich objektiv klar durch: Was wird denn durch eine solche rein-liche Scheidung angestrebt? - Nun, das Geistesleben soll ja selbständig dastehen, das Geistesleben soll sich auf seinem eigenen Grund und Boden entwickeln, das Geistesleben soll nur dasjenige zur Geltung bringen, was aus seinen eigenen Impulsen kommt. Es wird also angestrebt, daß das Geistesleben nicht mehr abhängt vom Staatsleben und nicht mehr abhängt vom Wirtschaftsleben, sondern gerade frei und unabhängig sein kann, gerade so sein kann, wie es die Katholi-sche Kirche niemals war, die sich immer mit dem Staat und Wirtschaftsleben zusammen konfundiert hat. Also es han-

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rechtsverbindliche Entscheidungen zu treffen, mit einem Geistesleben, das politische Fragestellung zu seinem Thema macht.

Wenn Europa das zu letzt Genannte - also eine gegliederte Einheit von West, Mitte und Ost - will, dann ist es seine Aufgabe, eine Konstellation in der Welt hervorzubringen, in der es sich als eigenständige Mitte behaupten kann, indem es selbstbestimmt eine dritte Gesellschaftsform zwischen den Systemen in Ostasien und der USA gestaltet.

Zu diesem Ergebnis bin ich gekommen. Es ergibt sich mir aus den gemeinsamen Forschungsbemühun-gen des Achberger Instituts in den letzten Jahrzehnten. Sie wurden – wie hier skizziert - vor allem auf den Gebieten der Sozialwissenschaft und Zeitgeschichte, sowie in dessen Praxis der menschengemäßen Gesellschaftsgestaltung geleistet. In den letzten Jahren sind Ergebnisse der Achberger Tagungen hinzu-gekommen, da wir einigen diesbezüglichen Hinweisen Rudolf Steiners gefolgt sind. Zur aktuellen Lage hatte das Achberger Institut im Internationalen Kulturzentrum Achberg 2014 eine Tagungs-Trilogie zum Thema der Geldherrschaft83 und zu den Wegen der Befreiung aus ihr im Wirt-schafts-, Staats-, sowie im Geistes- und Kulturleben veranstaltet.

Gegen Ende der Achberger Weihnachtstagung, die vom 27.12.2014 bis 6.1.2015 zum Thema: „Das geistig-kulturelle Leben in Zeiten der Geldherrschaft – Wege der Emanzipation“ veranstaltet wurde, entstanden Fragen, wie aus der „anthropologischen und sozialen Kunst“ im Sinne von Joseph Beuys mitgewirkt werden kann am Bau des Gebildes einer “Neuen Sozialen Architektur“84 für Europa, wie es aus dem Achberger Institut, noch unter der Leitung von Wilfried Heidt85, entworfen worden ist. Und wie kann die anthroposophische Bewegung aus der Kunst heraus, die Rudolf Steiner am 2. Januar 1906 in Berlin die „neue Königlich Kunst“86 genannt hat, so daran mitwirken, dass sie zugleich Teil einer solchen Dreigliederungsbewegung wird, die gemeinsam mit verwandten Bestrebungen aktiv ges-taltend daran beteiligt ist, dass Europa sich als eine eigenständige Mitte zwischen den Systemen in Ost-asien und der USA eine Form gibt, die dem Bilde entspricht, wie es sich aus den Ergebnissen der Initia-tionswissenschaft ergibt und von Steiner so dargestellt wurde, dass die Menschen mit gutem Willen das

delt sich darum, gerade das zu schaffen, wodurch man im Geistesleben erst in der Lage ist, alle Impulse dieses Geistes-lebens geltend zu machen. Denken Sie sich daher, wie frivol, wie oberflächlich es ist, wenn jemand sagt, Anthroposo-phie solle sich nicht auf das Gebiet der Politik versteigen, während sie gerade fordert, daß eine solche soziale Ordnung geschaffen werden soll, durch die das möglich ist, daß das Geistesleben sich nicht mehr mit Politik befasse. Es soll ja gerade eine Politik geschaffen werden, durch die das Geistesleben seine eigene Verwaltung, seine eigene innere Organi-sation hat. Und nicht mehr soll es nötig sein, daß man, wenn man eine Schule gründen will, oder einen Lehrplan ausar-beiten will, sich an die politische Behörde oder an den staatlichen Lehrplan zu wenden hat; denn dadurch wird man ja gerade abhängig von der Politik. Sie sehen an diesem Beispiel, was klares, scharfes Denken bedeutet, und wie diejeni-gen denken, die heute eben aus irgendwelchen Dingen, die ihnen angeflogen sind, ein Urteil fällen über das, was aus den Impulsen des geistigen Lebens heraus geschöpft ist. Denn der Dreigliederungsgedanke ist aus der Initiationswissen-schaft heraus geschöpft. Und derjenige, der da sagt, es soll sich anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft nicht mit dem Dreigliederungsgedanken befassen, der versteht erstens nicht, klar zu denken, er denkt konfus; zweitens aber versteht er gar nichts von dem wirklichen Impuls der Geisteswissenschaft, denn er weiß nicht, daß diese Sache im Zu-sammenhange mit den großen Forderungen unserer Zeit gerade aus dem Impulse der Geisteswissenschaft herausgeholt ist.“ Rudolf Steiner im Vortrag vom 31. Januar 1920: „Ist die «Dreigliederung des sozialen Organismus» Politik? - geisteswissenschaftlich beantwortet“. 8. Vortrag in der Steiner GA 196, S. 121ff in der Tb-Ausgabe 752, Dornach, 2001 83 http://www.kulturzentrum-achberg.de/tagungen - Siehe dort die drei Tagungen zum Gedenk- und Verantwortungsjahr 2014 und schon hinführend dazu die Weihnachtstagung vom 27.12.2013 - 6.1.2014 zum Thema: 1914 - 2014 – 100 Jahre Erster Weltkrieg: Zukunftsperspektiven Europas im Ringen um seine Identität. 84 Siehe: http://www.impuls21.net/neue-soziale-architektur.html 85 Zu Wilfried Heidt (*16. 4. 1941 - † 2. 2. 2012) siehe: http://www.wilfried-heidt.de/ und zu seinen Aktivitäten, die zu vielen Impulsen, Initiativen und Projekten geführt haben, die hier nicht alle aufgezählt, skizziert oder gar angemessen beschrieben werden konnten, siehe die Webseite zum „Projekt ... anthroposophischer Sozialimpuls“: http://www.sozialimpuls.info 86 Siehe dazu den Vortrag von Rudolf Steiner vom 2. Januar 1906 in Berlin: „Die Königliche Kunst in einer neuen Form“, Steiner GA 93, Dornach 1979, S. 258 ff: „Denn das heute in der Welt bestehende große Übel, das ungeheure Elend, das mit so furchtbarer Gewalt zum Ausdruck kommt in dem, was man die soziale Frage nennt, kann nicht mehr mit dem Unlebendigen gemeistert werden. Dazu bedarf es einer königlichen Kunst; und diese königliche Kunst ist es, die inauguriert worden ist in dem Symbol des Heiligen Gral. ... Die königliche Kunst wird in der Zukunft eine soziale Kunst sein.“ (GA 93, S. 281)

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Mitgeteilte mit ihrem gesunden Menschenverstand87 erfassen, seine Anregungen weiterentwickeln und sachgemäß verwirklichen können?

Die weitere Arbeit des Achberger Instituts im INKA wird zeigen, ob solche Antworten auf diese Fragen, die sich aus der Aufgabenstellung des Achberger Impulses ergeben, und solche Wege zur Neugestaltung gefunden werden können, die in den Gegebenheiten des ersten Drittels im 21. Jahrhundert wirksam werden können. Entsprechend der Aufgabe eines „Seismographen“88, die den Achberger Impuls besonders kennzeichnet, wird das Internationale Kulturzentrum Achberg zu Beginn des 21. Jh. versuchen, verstärkt ein kollegia-lisches Zusammenwirken89 anzustreben. Es will sowohl mit allen, die den anthroposophischen Sozial-impuls verwirklichen wollen90, als auch mit solchen verwandten Strömungen zusammenwirken, die aus unterschiedlichen Anschauungen des Weltgeschehens zu der Einsicht gekommen sind, dieses oder jenes im sozialen Zusammenleben der Menschen in die Richtung neu gestalten zu wollen, die dahin führt, jeglichen Nationalismus zu überwinden und den Egoismus auf sein berechtigtes Terrain zu begrenzen, also deren Bestreben eine Richtung einschlägt, die auch die Richtung eines solchen „Dritten Weges“ ist, durch den Beiträge geleistet werden, die ermöglichen, dass jenseits von totalitärer Staats- oder Geldherr-schaft ein dem Menschen gemäß gegliederter Gesellschaftsorganismus gestaltet werden kann, in dem die Menschen in Freiheit, komplementärer Demokratie und globaler Solidarität zusammenleben können. Alle Projekte des Achberger Instituts im Internationalen Kulturzentrum sind als Schritte auf diesem Wege zu begreifen und sie können von jedem Menschen guten Willens mitgegangen werden. Achberg im Juli/August 2015 Herbert Schliffka

87 Vgl. Rudolf Steiners Aussagen, die er dazu am 24.11.1918 - zu Beginn seiner Dreigliederungsaktivitäten - gemacht hat (im 8. Vortrag der Steiner GA 185a). Darin auch Gedanken zum Verhältnis von Ideen, Krieg und Frieden, Revoluti-onen. S. 212. 88 Vgl. in Fn. 9 das Zitat aus: WH, Standortbestimmung 1974, a.a.O., S. 14 89 In der folgenden Aussage fordert Rudolf Steiner ein solches kollegialisches Zusammenwirken: „Aber, meine sehr verehrten Anwesenden, dasjenige, was Darinnenstehen ist in der Welt, ...was eindringliche Einsicht und guter, bester Wille ....ist, das wird nur die rechten Früchte tragen können, das wird nur in der rechten Weise auch wirken können auf alles das, auf das gewirkt werden soll - und gewirkt soll werden auf alles das, was verwandt ist mit uns -, kollegialisch zusammengewirkt werden soll mit all dem, was in der ‚Waldorfschule’ leitend ist, kollegialisch zusammengewirkt wer-den soll mit all dem, was in der ‚Anthroposophischen Gesellschaft’ leitend ist, kollegialisch zusammengewirkt werden soll mit allem, was im ‚Kommenden Tag’ belebt werden soll, kollegialisch zusammengewirkt werden soll mit all denen, die neu herankommen, um in unsere Bewegung sich zu begeben, dasjenige alles, was darinnensteht in der Welt,..., was eindringliche wissenschaftliche und soziale Durchbildung und Impulsivität und bester Wille ... ist, es wird seine Früchte tragen nur, wenn jeder einzelne, auf welchem Platz er auch immer ist, so sich einstellen will hier, daß diese Eigenschaf-ten, die ich eben genannt habe, im kollegialischen Zusammenwirken aller - aller, die hier sitzen und noch hier sitzen werden - eine entsprechende Stütze finden. ... Es ist auch natürlich, daß sich die Arbeitsgebiete erweitern, und es wird noch manches, was ursprünglich eine Strömung war, in mehrere Strömungen auseinandergehen und selbständige Leiter erfordern. Das ist das Bemerkenswerte in der geographischen Gestaltung der Länder, daß ein kleiner Fluß zuerst entsteht, sich mit ihm vereinigen Nebenflüsse, daß daraus ein großer Fluß entsteht, der sich ins Meer ergießt. Das muß das Eigentümliche sein solcher Bewegungen wie der unsrigen, daß sie auch zwar als kleine Flüsse entstehen, daß ihnen Nebenflüsse aus aller Welt zuströmen, daß sie sich aber dann spalten und dann, parallel gehend, zusammenwirken und in dieser Weise kollegialisch zusammenwirken, um sich in das große Meer des sozialen Aufbaues der Zukunft zu ergießen.“ Aus der Ansprache von Rudolf Steiner, Stuttgart, den 1. August 1920, a.a.O., S. 84-86 90 Hier möchte ich noch auf einen Vorschlag hinweisen, den Wilfried Heidt zur Organisation eines kollegialischen Zu-sammenwirkens der leitenden Organe möglichst aller weltweit vorhandenen Einrichtungen der anthroposophischen Bewegung 1998 auf wenigen Seiten vorstellt in seinem Text: „Die Aufgabe der Neugestaltung des Ganzen. Vom Ne-beneinander zum Miteinander.“ Ausblick auf an der Dreigliederungsidee orientierte Grundlinien für die Bildung eines Gesamtorganismus der vereinigten anthroposophischen Bewegung ... Eine konkrete Vision.“ in: Wilfried Heidt, „Wer ist die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft? Studien zum Konstitutionsproblem. Darstellung – Klärung, Vor-schlag zur Lösung“, Achberg, 1998, S. 361 ff. Steiner spricht in der oben (in FN 82) zitierten Aussage ja davon, worauf Wilfried Heidt in seinem Vorschlag hinweist, dass ein beziehungsloses Nebeneinander kollegialisch zu verbinden ist, zu einem Miteinander im Zusammenwirken der Leitungsorgane des „parallel gehenden“ Nebeneinanders, also der anthro-posophischen Einrichtungen, die als „Freie Unternehmen“ agieren und sich „zu einer ‚großen Organschaft’ in Gestalt des Netzwerkes einer ‚Assoziation Anthroposophischer Institutionen und Initiativen’ (AAII) verbinden können.“ (Ebd., S. 367)

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Zur Person

Geboren wurde ich 1949 in Düsseldorf, bin verheiratet und habe zwei erwachsene Kinder.

Tätig war ich u.a. als Diplom Sozialwissenschaftler und Sozialgestalter.

Meinen akademischen Titel habe ich durch das erfolgreich abgeschlossene Studium der Sozio-logie, mit den Nebenfächern Philosophie und Volkswirtschaft in der Universität Duisburg auf dem 2. Bildungsweg erlangt.

Das Thema meiner Diplomarbeit ist: »’Soziales System und Mensch’ in der Theorie sozialer Systeme von Niklas Luhmann - darge-stellt an dem Phänomen ’Demokratiebewegung’«

Vor dem Studium war ich in Düsseldorf einige Jahre in einem erlernten Handwerksberuf tätig.

Als Sozialwissenschaftler, Unternehmer und Gesellschaftsgestalter war ich u. a. in verschiede-nen Einrichtungen im Bereich der Erwachsenenbildung und als Geschäftsführer tätig.

Hauptsächlich jedoch wirke ich seit 1972 bei Aktivitäten des Internationalen Kulturzentrum Achberg (INKA) mit. Seit Ende der 70er Jahre gehöre ich zum überregional tätigen Kreis der Mitarbeiter des rechtlich im INKA eingegliederten „Instituts für Sozialforschung“, das von Wil-fried Heidt († 2.2.2012) seit 1973 bis zu seinem Tod geleitet wurde. Dieses sozialwissenschaft-lich und zeitgeschichtlich forschende und sozialgestalterisch tätige „Achberger Institut“ bereitet bis heute Projekte zur Neugestaltung der Gesellschaft vor und initiiert sie oder war – wie z.B. beim Gründungsprozess der Grünen Partei vorbereitend seit 1978 - mit daran beteiligt.

Noch während des Studiums war ich ab 1978 an der Gründung der Grünen Partei in Düsseldorf beteiligt und arbeitete dort 1980 als deren Kreisverbandvorsitzender mit Joseph Beuys und Otto Schily, den beiden Bundestags-Direktkandidaten der Düsseldorfer Grünen, zusammen.

Aus dem „Achberger Institut“ heraus initiierten wir ab 1983 die „Aktion Volksentscheid“. In deren Initiativkreis wirkte ich mit und beteiligte mich aus diesem Verantwortungskreis heraus 1987 in Düsseldorf gemeinsam mit Brigitte Krenkers, der Initiatorin des OMNIBUS FÜR DIREK-TE DEMOKRATIE, und mit Johannes Stüttgen u.a. an der Gründung dieser gemeinnützigen GmbH, deren Gesellschafter ich bis 1996 war. Bis zum Sommer 1989 war ich auch Geschäfts-führer dieses Demokratie-Bildungsunternehmens auf Rädern und ein mitfahrender Aufklärer für die Weiterentwicklung der Demokratie, die in der Bundesrepublik bisher nur eine vormund-schaftlich-parlamentarische Gestalt hat. Diese sollte im Sinne der sozialen Kunst (wie sie von Joseph Beuys durch sein künstlerisches Schaffen als neue Kunst, die den Gegenstandsbereich der bisherigen Kunstdisziplinen erweitert, geschaffen wurde) umgestaltet werden, hin zu der im Grundgesetz in Art. 20.2 veranlagten komplementären Demokratie. Zusammen mit Brigitte und einem Fahrer reiste ich also im großen doppelstöckigen, von Johannes Stüttgen zur fah-renden Skulptur gestalteten, blauen Omnibus als „Lehrer“ im Bereich der politischen Erwach-senen-Bildung und damit zugleich als sozialer Künstler (also als Gestalter des bisher geworde-nen Gesellschaftsorganismus) durch das noch geteilte Deutschland, das damals im Sinne des von Beuys gebildeten „erweiterten Kunstbegriffs“ als das historisch gewordene gesellschaftli-che Ausgangsmaterial verstanden werden konnte, das zur „sozialen Skulptur“ zu gestalten ist. Kommunikativ zu gestalten ist immer der Bewusstseinsinhalt der an den Kommunikationen beteiligten Menschen und deren weiteres kommunikative Handeln, um die sozialen Strukturen, die diese Handlungen mehr oder weniger bestimmen, solange sie akzeptiert werden, zu erneu-ern, damit sie die Entwicklung der Menschen fördern, anstelle sie zu be- oder verhindern.

Um in diesen Sinne besser wirken zu können, lebe ich seit 1996 in Achberg. War dort im INKA e.V. bis 1999 Geschäftsführer. Seit 1997 bin ich dort auch im Vorstand tätig und wirke im For-schungs- und Bildungsbereich des Achberger Instituts im INKA und in verschiedenen Projekten mit. Derzeit trage ich gemeinsam mit Christoph Klipstein, Gerhard Meister und Gerhard Schus-ter die Vorstandsverantwortung. Zugleich bin ich auch Vorstandsmitglied der Initiativ-Gesellschaft zur Förderung der europäischen Integration durch neue Ideen und demokratische Projekte – IG EuroVision e.V., die auch aus dem Achberger Impuls hervorging, um bestimmte Aufgaben im Gesamtkomplex der Achberger Aktivitäten erfüllen zu können.