3d-druck erobert die mikroskala

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© 2013 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Lithografie 55 Laser Technik Journal 4/2013 3D-Druck erobert die Mikroskala Laserlithografie als Innovationstreiber für Schlüsseltechnologien Martin Hermatschweiler Die 3D-Drucktechnologie gilt welt- weit als ein entscheidender Schlüssel für wirtschaftliches Wachstum in den kommenden Jahrzehnten. Schon heute ist Drucken in 3D in vielen Bereichen realisiert. Tägliche Pressemeldungen zu neuen Produkten wie Fahrzeug- komponenten, Prothesen und anderen künstlichen Körperteilen bis hin zu Skurrilitäten wie Lebensmitteln aus dem 3D-Drucker sorgen regelmäßig für Aufsehen. Ohne teure Werkzeuge herstellen zu müssen, können am Computer entworfene Modelle einfach und schnell gedruckt werden. Rapid Prototyping in der Nanotechnologie Häufig wird der Begriff „3D-Druck“ als Synonym für die generative Fertigung bzw. das Rapid Prototyping verwendet. Der Einsatz dieser Verfahren, zu denen unter anderem auch die Stereolithogra- fie oder das selektive Laserschmelzen gehören, ist ökonomisch insbesondere bei der Einzelfertigung von Teilen mit einer hohen geometrischen Komplexi- tät interessant. Die Herstellung der Pro- totypen erfolgt auf der Basis von virtu- ellen Modellen, die per CAD-Software entworfen und per STL-Datenschnitt- stelle an den 3D-Drucker übergeben werden. Dieser fertigt dann mittels chemischer und/oder physikalischer Prozesse aus formlosen Ausgangsma- terialien (Flüssigkeiten, Pulver u. ä.) ein Abbild des Modells. Doch nicht nur in der Welt großer Bauteile, auch in der Nanotechnolo- gie setzt man heute auf dieses High- Tech-Verfahren. Unter Anwendung der 3D-Laserlithografie werden kom- plexe dreidimensionale Mikro- und Nanostrukturen aus photosensitiven Materialien hergestellt. Zur einfachen, vollautomatischen Realisierung derart komplexer 3D-Strukturen entwickelte die Nanoscribe GmbH aus dem Raum Karlsruhe mit dem Photonic Profes- sional ein Laserlithografiesystem, das auf der Technik des direkten Laser- schreibens basiert und die Herstellung nahezu beliebiger dreidimensionaler Objekte auf der Nano- und Mikroskala mit einem Höchstmaß an Designfrei- heit ermöglicht. Zu den Einsatzgebieten der Geräte zählen die Optik und Pho- tonik, Optoelektronik, Mikrofluidik, Mikrosysteme (MEMS) wie auch weite Bereiche der Biotechnologie und Medi- zintechnik. Bei der 3D-Laserlithografie wird durch die Bündelung ultrakurzer La- serimpulse lichtempfindliches, unter dem Einfluss von UV-Licht aushär- tendes Material im Laserfokus mittels Zwei-Photonen Polymerisation ausge- härtet. Nach einem Entwicklerbad blei- ben die beschriebenen Bereiche als frei- tragende Mikro- und Nanostrukturen stehen. Die Auflösung und Präzision der 3D-Laserlithografie übertrifft gän- gige 3D-Druckverfahren wie die Ste- reolithografie um Größenordnungen. Objekte mit Detailgrößen und einer Auflösung im Submikrometerbereich sind Standard. War die 3D-Laserlithografie auf- grund ihres Funktionsprinzips bis- her zwar bereits hochpräzise, aber für industrielle Anwendungen häufig zu langsam, ist es nun gelungen, den An- wenderwunsch nach höheren Druck- geschwindigkeiten in die Praxis umzu- setzen. Galvotechnologie: Schnell, präzise, hochauflösend Mit dem Photonic Professional GT (Abb. 1) hat Nanoscribe den weltweit schnellsten, kommerziell erhältlichen 3D-Drucker für die Mikro- und Na- nostrukturierung entwickelt. Winzige dreidimensionale Objekte, zumeist we- sentlich kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares, lassen sich innerhalb kürzester Zeit und in höchs- ter Auflösung herstellen. Die enorme Reduzierung der Druckzeit um das bis zu Hundertfache ebnet den Weg zu zahlreichen neuen Applikationen. Der Schlüssel zu dieser Geschwin- digkeitssteigerung liegt in der Imple- mentierung eines Galvospiegelsystems. Abb. 1 Nanoscribes 3D-Drucker für Mikro- und Nanostrukturen.

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Page 1: 3D-Druck erobert die Mikroskala

© 2013 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Lithografie

55 Laser Technik Journal 4/2013

3D-Druck erobert die MikroskalaLaserlithografie als Innovationstreiber für SchlüsseltechnologienMartin Hermatschweiler

Die 3D-Drucktechnologie gilt welt-weit als ein entscheidender Schlüssel für wirtschaftliches Wachstum in den kommenden Jahrzehnten. Schon heute ist Drucken in 3D in vielen Bereichen realisiert. Tägliche Pressemeldungen zu neuen Produkten wie Fahrzeug-komponenten, Prothesen und anderen künstlichen Körperteilen bis hin zu Skurrilitäten wie Lebensmitteln aus dem 3D-Drucker sorgen regelmäßig für Aufsehen. Ohne teure Werkzeuge herstellen zu müssen, können am Computer entworfene Modelle einfach und schnell gedruckt werden.

Rapid Prototyping in der Nanotechnologie

Häufig wird der Begriff „3D-Druck“ als Synonym für die generative Fertigung bzw. das Rapid Prototyping verwendet. Der Einsatz dieser Verfahren, zu denen unter anderem auch die Stereolithogra-fie oder das selektive Laserschmelzen gehören, ist ökonomisch insbesondere bei der Einzelfertigung von Teilen mit einer hohen geometrischen Komplexi-tät interessant. Die Herstellung der Pro-totypen erfolgt auf der Basis von virtu-ellen Modellen, die per CAD-Software entworfen und per STL-Datenschnitt-stelle an den 3D-Drucker übergeben werden. Dieser fertigt dann mittels chemischer und/oder physikalischer Prozesse aus formlosen Ausgangsma-terialien (Flüssigkeiten, Pulver u. ä.) ein Abbild des Modells.

Doch nicht nur in der Welt großer Bauteile, auch in der Nanotechnolo-gie setzt man heute auf dieses High-Tech-Verfahren. Unter Anwendung der 3D-Laserlithografie werden kom-plexe dreidimensionale Mikro- und Nanostrukturen aus photosensitiven Materialien hergestellt. Zur einfachen,

vollautomatischen Realisierung derart komplexer 3D-Strukturen entwickelte die Nanoscribe GmbH aus dem Raum Karlsruhe mit dem Photonic Profes-sional ein Laserlithografiesystem, das auf der Technik des direkten Laser-schreibens basiert und die Herstellung nahezu beliebiger dreidimensionaler Objekte auf der Nano- und Mikroskala mit einem Höchstmaß an Designfrei-heit ermöglicht. Zu den Einsatzgebieten der Geräte zählen die Optik und Pho-tonik, Optoelektronik, Mikrofluidik, Mikrosysteme (MEMS) wie auch weite Bereiche der Biotechnologie und Medi-zintechnik.

Bei der 3D-Laserlithografie wird durch die Bündelung ultrakurzer La-serimpulse lichtempfindliches, unter dem Einfluss von UV-Licht aushär-tendes Material im Laserfokus mittels Zwei-Photonen Polymerisation ausge-härtet. Nach einem Entwicklerbad blei-ben die beschriebenen Bereiche als frei-tragende Mikro- und Nanostrukturen stehen. Die Auflösung und Präzision der 3D-Laserlithografie übertrifft gän-gige 3D-Druckverfahren wie die Ste-reolithografie um Größenordnungen. Objekte mit Detailgrößen und einer

Auflösung im Submikrometerbereich sind Standard.

War die 3D-Laserlithografie auf-grund ihres Funktionsprinzips bis-her zwar bereits hochpräzise, aber für industrielle Anwendungen häufig zu langsam, ist es nun gelungen, den An-wenderwunsch nach höheren Druck-geschwindigkeiten in die Praxis umzu-setzen.

Galvo technologie: Schnell, präzise, hochauflösend

Mit dem Photonic Professional GT (Abb. 1) hat Nanoscribe den weltweit schnellsten, kommerziell erhältlichen 3D-Drucker für die Mikro- und Na-nostrukturierung entwickelt. Winzige dreidimensionale Objekte, zumeist we-sentlich kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares, lassen sich innerhalb kürzester Zeit und in höchs-ter Auflösung herstellen. Die enorme Reduzierung der Druckzeit um das bis zu Hundertfache ebnet den Weg zu zahlreichen neuen Applikationen.

Der Schlüssel zu dieser Geschwin-digkeitssteigerung liegt in der Imple-mentierung eines Galvospiegelsystems.

Abb. 1 Nanoscribes 3D-Drucker für Mikro- und Nanostrukturen.

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Ähnliche Galvospiegelsysteme sind beispielsweise von Lasershow-Geräten oder den Abtasteinheiten in CD- und DVD-Laufwerken bekannt. Für die flä-chige Belichtung muss die Probe nicht mehr wie zuvor selbst bewegt werden, sondern der Laserstrahl wird über die hochdynamisch drehbaren Galvospie-gel abgelenkt. Dies übersetzt sich in eine laterale Translation des Laserfokus im photosensitiven Material (Abb. 2).

Die Galvotechnologie ist somit für die Beschleunigung des 3D-Druckvor-gangs von wesentlicher Bedeutung. Um großflächige Strukturen auf eine Pro-benoberfläche zu bringen, ist zusätzlich – ähnlich wie beim Verlegen von Flie-sen – ein nahtloses und akkurates Anei-nanderfügen und Ausrichten (horizon-tal wie vertikal) der Schreibfelder bzw.

-volumina (sog. Stitching) notwendig. Dies wird durch sehr präzise Positio-niereinheiten sowie ein optisches Refe-renzieren des Laserfokus (Autofokus) erreicht.

Um auch hohe Bauteile mit gleich-zeitig bester Auflösung zu drucken, lässt sich die physikalische Limitierung der Bauhöhe auf den Arbeitsabstand des fokussierenden Objektivs mittels der Dip-in-Laser-Lithografie (DiLL) über-winden. Zudem ermöglicht DiLL einen einfachen und schnellen Workflow zur Umsetzung der gewünschten Struktu-ren.

Werkstoffe und Materialien

Für den 3D-Druck auf der Mikroskala eignet sich eine Vielzahl photosensitiver Materialien wie IP-Lacke, AZ-Lacke, SU-8 oder ORMOCERE. Je nach Photo-chemie löst ein Entwicklerbad entweder die unbelichteten (Negativton-Lacke) oder belichteten Bereiche (Positivton-Lacke) nasschemisch heraus. Speziell für die DiLL Technik entwickelte Fo-tolacke, die zugleich als Immersions-flüssigkeiten fungieren, ermöglichen Bauhöhen bis in den mm-Bereich. Ei-nen erweiterten Nutzen entfalten diese Mikrostrukturen oftmals in anderen funktionellen Materialien als den zu-meist polymeren Ausgangsmaterialien. Die gedruckten 3D-Objekte können in weiteren Prozessschritten als Mas-ter für die Abformung in metallische, halbleitende, anorganische oder orga-nische Materialien dienen, z. B. in Gold, Silizium dioxid, Silizium oder PDMS. Hier wird u. a. Gebrauch gemacht von der elektrischen Leitfähigkeit, den opti-schen oder mechanischen Eigenschaf-ten sowie der Biofunktionalität der Ziel-materialien.

Problemlösungen für die Biowissenschaften

Bereits seit mehreren Jahren arbeitet man am Karlsruher Institut für Tech-nologie (KIT) im Bereich der Biowis-senschaften mit 3D-Laserlithografie-geräten. So lassen sich per direktem Laserschreiben dreidimensionale Ge-rüste für die Zellbiologie herstellen, die der räumlichen Matrix im natürlichen Gewebe entsprechen. Während der klassischen Zellkultivierung in der fla-chen Petrischale Grenzen gesetzt sind,

können sich die Zellen nun in dieser dreidimensionalen Umgebung nahezu natürlich verhalten. Das mittels 3D-Druck hergestellte Gerüst aus einem protein-abweisenden Polymer besteht aus 25 µm hohen Pfosten, die in unter-schiedlichen Höhen mit dünnen Stre-ben verbunden sind. (Abb. 3) An diesen Streben wurden kleine „Zuckerwürfel“, d. h. protein-bindende „Andockstel-len“ für die Zellen angebracht, an denen diese sich definiert anheften können [1].

Auch komplexere Zellkäfige können mit dem Verfahren umgesetzt und stu-diert werden (Abb. 4). Auf diese Weise lassen sich wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse hinsichtlich des Einflusses von Wirkstoffen auf die Geweberege-neration wie zum Beispiel die Wund-heilung gewinnen. Des Weiteren lassen sich mittels der 3D-Laserlithografie auch Oberflächen mit bestimmten bio-mimetischen Eigenschaften ausstatten. Dies spielt beispielsweise in der Erfor-Nanoscribe GmbH

Eggenstein-Leopoldshafen

Die Nanoscribe GmbH wurde 2007 aus dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ausge-gründet. Innerhalb kürzester Zeit hat sie sich als Markt- und Technologieführer im Bereich der 3D-Laserlithografie etabliert. Die von Nanoscribe entwickelten und weltweit vertriebenen Systeme zur Herstellung dreidimensionaler Mikro- und Nanostrukturen eignen sich für eine Vielzahl von Anwendungen. Gegenwärtig werden sie u. a. als Rapid-Prototyping-Instrumente in den Forschungsschwerpunkten Optik und Photonik, für Studien in der Zellbiologie und Biomimetik, in den Materialwissenschaften sowie in der Mikrofluidik eingesetzt.

www.nanoscribe.de

Die Firma

Laser

Galvospiegel

Mikroskopobjektiv

Substrat

XY

X

Y

Abb. 2 Die Ablenkung des Laserstrahls über drehbare Galvospiegel bewirkt eine laterale Ablenkung des Laserfokus.

Abb. 3 Dreidimensionales Zellgerüst: Die Zellen docken an den „Zuckerwürfeln“ (rot) an. (Quelle: Martin Bastmeyer, Zoologisches Institut am KIT).

Abb. 4 Zellkäfig in Form eines Fullerens für biowissenschaftliche Studien.

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Lithografie

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schung des Gecko- oder Lotus-Effektes eine tragende Rolle.

Vielfältige Anwendungen und Chancen

Dem neuen, schnellen und dabei gleich-zeitig hochgenauen 3D-Druckverfah-ren erschließen sich in noch vielen an-deren Bereichen neue Möglichkeiten wie z. B. in der Mikrofluidik, der Mikro-optik oder der Mikrosystemtechnik. So findet es in den Materialwissenschaften bei der Fertigung künstlicher Materi-alien mit maßgeschneiderten mecha-nischen oder optischen Eigenschaften Anwendung. Erst kürzlich gelang dem Forscherteam um Professor Dr. Mar-tin Wegener am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit der Herstellung einer standfesten kristallinen Meta-flüssigkeit die Schaffung einer neuen Materialklasse. Durch die besonderen

mechanischen Eigenschaften verhalten sich diese Pentamode-Metamaterialien näherungsweise wie Flüssigkeiten und eröffnen beispielsweise in der Transfor-mationsakustik gänzlich neue Möglich-keiten. Aufgrund ihrer geringen Dichte eignen sie sich auch für die Erforschung ultraleichter Materialien für den Leicht-bau und ermöglichen so energieeffizi-entere Anwendungen (Abb. 5) [2].

Bei der Herstellung von Mikrooptik-Arrays (Abb. 6) bietet das neue Verfah-ren größtmögliche Freiheit im Design, sei es in der Topologie, der Flanken-steilheit oder der Eliminierung von Totzonen. Zudem ermöglicht die addi-tive Fertigung unter Verwendung von Negativton-Lacken einen robusten, reproduzierbaren Fertigungsprozess.

Auch im Bereich der Mikrosystemtech-nik lassen sich diese Vorteile bei der Fertigung mikromechanischer Bauteile nutzen (Abb. 7).

Dem 3D-Druck eröffnen sich durch immer schnellere Produktzyklen, den steigenden Kostendruck und den Trend zur Individualisierung künftig noch viele weitere Einsatzbereiche.

DOI: 10.1002/latj.201300001

[1] F. Klein, B. Richter, T. Striebel , C. M. Franz, G. von Freymann , M. Wegener, M. Bast-meyer: Adv. Mater. 23 (2011) 1341

[2] M. Kadic, T. Bückmann, N. Stenger, M. Thiel, M. Wegener: Appl. Phys. Lett. 100 (2012) 191901

Der Autor

Martin Hermatschweiler studierte in Ulm und Karlsruhe Physik. Am Karlsruher Institut für Technologie forschte er in der Gruppe um Martin Wegener an der Herstellung dreidimensionaler photonischer Kristalle mittels der 3D-Laserlithografie. Sein Hauptaugenmerk lag auf der Abformung von dreidimensionalen, polymeren Strukturen in Silikate und Silizium. Seit der Unternehmensgründung im Jahr 2007 steht Hermatschweiler der Firma Nanoscribe als Geschäftsführer vor.

Nanoscribe GmbH, Hermann-von-Helmholtz-Platz 1, 76344 Eggenstein-Leopoldshafen, Tel: +49(0)721 60 82 88 40, Fax: 0721 60 82 88 48, E-Mail: [email protected]

Abb. 5 Zukunftspotenzial für die Transformationsakustik: Mechanische Metamaterialien. Abb. 6 Nahezu grenzenlose Möglichkeiten in der Fertigung mikrooptischer Bauteile.

Abb. 7 Prototyp mikromechanischer Zahnräder.