2.2 silber- und kupfer-sinterkörper · 2.2 silber- und kupfer-sinterkörper in den...

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2 Katalytisch aktive Materialien 34 2.2 Silber- und Kupfer-Sinterkörper In den Hochdruckanlagen für Partialoxidationen in überkritischen Medien sollen Silber und Kupfer-Vollmetallkatalysatoren mit möglichst grossen Oberflächen ver- wendet werden. Im äusseren Ringspalt der Differentialkreislaufreaktoren kann eine Katalysatorschüttung eingebracht werden. Aufgrund der Reaktorgeometrie und der Versuchsführung wird ein kompakter Katalysator gefordert. Grosse Oberflächen bieten Metallpulver. Allerdings kann ein Pulver nicht direkt eingesetzt werden, da das Katalysatormaterial als Schüttung im Differentialkreislaufreaktor der Hochdruck- anlage fixiert werden muss. Kompakte Metalle mit einer gleichzeitig grossen Ober- fläche stellen Sinterkörper dar. Ein Einsatz der katalytischen Materialien in unterschiedlichen Formen (Sinterkörper, Granulat und Blech) ist nicht nur aus Gründen der Oberflächenvergrösserung von Interesse, sondern auch aus morphologischen Gründen. Die Sinterkörper sind eine Alternative zu den kompakten Metallen, da sie die Eigenschaften eines Metalls mit einer grossen Oberfläche (z. B. Pulver) und eines kompakten Metalls (z. B. Granulat und Blech) vereinen. Ein zweistufiger Prozess zur Herstellung solcher Sinterkörper des Silbers und des Kupfers wird folgend beschrieben. Nach der Kaltverfestigung (Pressen) der Pulver und anschliessender Wärmebehandlung (Sintern) der Formkörper werden tabletten- förmige Sinterkörper hergestellt (Durchmesser 10 mm, Dicke ca. 1 mm). Zunächst wurden mit einer hydraulischen Presse die Pulver kalt verfestigt. Die Höhe der Presslinge ist von der Füllmenge (ca. 500 mg) und dem gewählten Pressdruck (ca. 50 MPa) abhängig. Der Druck wurde gerade so gewählt, dass die kompaktierten Pulver (Presslinge) beim Freilegen nicht zerbrechen. Eine zu hohe Druckbelastung würde aufgrund der vermehrten Verdichtung zu einer Verringerung der Porosität und damit auch zu einer Verringerung der Oberfläche führen. Im anschliessenden Sinterprozess wird eine weitere mechanische Festigkeit der Presslinge erreicht, indem durch Diffusion Sinterbrücken zwischen den einzelnen Pulverteilchen entstehen. Eine zu hohe Temperatur während des Sinterns würde die Poren- bzw. Gerüststruktur zerstören. Als Richtwert für die Wahl der Sinter-

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Page 1: 2.2 Silber- und Kupfer-Sinterkörper · 2.2 Silber- und Kupfer-Sinterkörper In den Hochdruckanlagen für Partialoxidationen in überkritischen Medien sollen Silber und Kupfer-Vollmetallkatalysatoren

2 Katalytisch aktive Materialien 34

2.2 Silber- und Kupfer-Sinterkörper

In den Hochdruckanlagen für Partialoxidationen in überkritischen Medien sollen

Silber und Kupfer-Vollmetallkatalysatoren mit möglichst grossen Oberflächen ver-

wendet werden. Im äusseren Ringspalt der Differentialkreislaufreaktoren kann eine

Katalysatorschüttung eingebracht werden. Aufgrund der Reaktorgeometrie und der

Versuchsführung wird ein kompakter Katalysator gefordert. Grosse Oberflächen

bieten Metallpulver. Allerdings kann ein Pulver nicht direkt eingesetzt werden, da das

Katalysatormaterial als Schüttung im Differentialkreislaufreaktor der Hochdruck-

anlage fixiert werden muss. Kompakte Metalle mit einer gleichzeitig grossen Ober-

fläche stellen Sinterkörper dar.

Ein Einsatz der katalytischen Materialien in unterschiedlichen Formen (Sinterkörper,

Granulat und Blech) ist nicht nur aus Gründen der Oberflächenvergrösserung von

Interesse, sondern auch aus morphologischen Gründen. Die Sinterkörper sind eine

Alternative zu den kompakten Metallen, da sie die Eigenschaften eines Metalls mit

einer grossen Oberfläche (z. B. Pulver) und eines kompakten Metalls (z. B. Granulat

und Blech) vereinen.

Ein zweistufiger Prozess zur Herstellung solcher Sinterkörper des Silbers und des

Kupfers wird folgend beschrieben. Nach der Kaltverfestigung (Pressen) der Pulver

und anschliessender Wärmebehandlung (Sintern) der Formkörper werden tabletten-

förmige Sinterkörper hergestellt (Durchmesser 10 mm, Dicke ca. 1 mm).

Zunächst wurden mit einer hydraulischen Presse die Pulver kalt verfestigt. Die Höhe

der Presslinge ist von der Füllmenge (ca. 500 mg) und dem gewählten Pressdruck

(ca. 50 MPa) abhängig. Der Druck wurde gerade so gewählt, dass die kompaktierten

Pulver (Presslinge) beim Freilegen nicht zerbrechen. Eine zu hohe Druckbelastung

würde aufgrund der vermehrten Verdichtung zu einer Verringerung der Porosität und

damit auch zu einer Verringerung der Oberfläche führen.

Im anschliessenden Sinterprozess wird eine weitere mechanische Festigkeit der

Presslinge erreicht, indem durch Diffusion Sinterbrücken zwischen den einzelnen

Pulverteilchen entstehen. Eine zu hohe Temperatur während des Sinterns würde die

Poren- bzw. Gerüststruktur zerstören. Als Richtwert für die Wahl der Sinter-

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temperatur dient der Quotient aus der Sintertemperatur Ts und der Schmelztem-

peratur Tm (Ts/Tm ≈ 0,75 bis 0,8) [Schatt96]. Dieser Wert wurde bei den in dieser

Arbeit präparierten und eingesetzten Sinterkörpern unterschritten (vgl. Kap. 3.1.2).

Die Kupfer-Rohlinge wurden bei 700 °C (Tm(Cu) = 1083 °C [Wiberg85]) und die

Silber-Rohlinge bei 660 °C (Tm(Ag) = 961 °C [Wiberg85]) jeweils 2 h gesintert. Durch

das Sintern in Inertgasatmosphäre (Stickstoff) konnte die Oxidation der Proben ver-

mieden werden. Im Folgenden sind die rasterelektronenmikroskopischen Aufnahmen

(SEM) (Abb. 2-4) der Oberflächen der präparierten Sinterkörper und der verwen-

deten Pulver gegenübergestellt.

Abb. 2-4.1: Kupfer-Pulver Abb. 2-4.2: Kupfer-Sinterkörper

Abb. 2-4.3: Silber-Pulver Abb. 2-4.4: Silber-Sinterkörper

Abb. 2-4: SEM-Aufnahmen der Pulver und der Sinterkörper.

Die SEM-Aufnahmen zeigen Oberflächen der Sinterkörper mit einer hohlraum- bzw.

gerüstartigen Beschaffenheit. Neben den Versuchsparametern, den Press- und

Sinterbedingungen, wirken sich auch die Eigenschaften der eingesetzten Pulver

10 µm

100 µm 100 µm

20 µm

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(Korngrösse, Korngrössenverteilung und Kornform) auf die Morphologie der gefertig-

ten Sinterproben aus. Die gesinterten Kupferproben wurden ausgehend von einem

dendritischen Pulver (Abb. 2-4.1) hergestellt. Zur Präparation der Silber-Sinterkörper

diente ein Pulver mit agglomerierten Partikeln (Abb. 2-4.3).

Die Oberfläche der Sinterkörper ist im Vergleich zu Blechen (Abb. 2-5) deutlich

vergrössert. Die Bleche zeigen nur eine durch das Walzen bedingte aufgerauhte

Oberfläche. Eine innere Oberfläche bieten nur die gesinterten Proben.

Abb. 2-5.1: Silber Abb. 2-5.2: Kupfer

Abb. 2-5: SEM-Aufnahmen der Bleche.

Umfassendere Informationen zur Oberflächenbeschaffenheit erhält man erst durch

eine gleichzeitige Betrachtung der spezifischen Oberfläche (BET) und der Mor-

phologie der Oberflächen (SEM) unter Berücksichtigung der geometrischen Ab-

messungen der Proben.

Die Oberflächen wurden durch Stickstoffadsorption nach der BET-Methode bestimmt

[Seifert87]. Zuvor wurden die Proben während eines Zeitraums von 2 bis 3 h bei

einer Temperatur von 200 °C im Vakuum vorbehandelt. Die berechneten BET-Ober-

flächen ABET der metallischen Proben sind alle kleiner als 1 m2/g. Für Sinterkörper

wurden spezifische Oberflächen ABET von ca. 0,3 m2/g und für die Bleche von ca.

0,1 m2/g ermittelt. Genauere Bestimmungen der relativ kleinen Oberflächen dieser

Metallproben (ABET < 1 m2/g) wären mit Helium als Adsorbat möglich, das im Ver-

gleich zu Stickstoff einen geringeren Platzbedarf hat.

20 µm 20 µm

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Beim Vergleich der BET-Oberflächen müssen die geometrischen Abmessungen

berücksichtigt werden. Während die Bleche mit einer Dicke von 0,5 mm eingesetzt

wurden, betrug die Dicke der Sinterproben ca. 1 mm. Ein Ziel ist deshalb, dünne

Sinterkörper zu präparieren, um ein möglichst hohes Verhältnis der Oberfläche zum

Volumen zu erreichen. Die Fertigung der Sinterkörper ist allerdings an eine

Mindestprobendicke gebunden, um eine mechanische Stabilität allein schon

während der Präparation zu gewährleisten. Bleche dagegen besitzen schon mit

Dicken im Bereich von 0,3 bis 0,5 mm eine ausreichende Stabilität.

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2.3 Strukturelle und funktionelle Charakterisierung von

Silberkatalysatoren

Silber kommt in technisch durchgeführten heterogen katalysierten Prozessen sowohl

als geträgerter Katalysator als auch als Vollmetallkatalysator zum Einsatz. Die

Partialoxidation des Ethens zu Ethylenoxid wird an einem Silber-Trägerkatalysator

durchgeführt, wobei die Aktivierung des molekularen Sauerstoffs an der metallischen

Oberfläche des Silbers erfolgt [Rebsdat87]. Elementares Silber in granulierter Form

katalysiert die Formaldehyd-Herstellung aus Methanol [Reus88, Sperber69]. Diese

beiden technischen Silberkatalysatoren und die im vorhergehenden Kapitel 2.2

vorgestellten Silber-Vollmetallkatalysatoren werden hinsichtlich gemeinsamer struk-

tureller und katalytischer Eigenschaften untersucht.

• Charakterisierung der Oberflächen

Zur Interpretation der Versuchsergebnisse, z. B. der noch folgenden Temperatur

Programmierten Reaktion (TP-Reaktion) an verschiedenen Silberkatalysatoren, ist

eine Charakterisierung der Oberflächenbeschaffenheit erforderlich. Die Abbildung

2-6 zeigt eine Übersicht der in dieser Arbeit eingesetzten Silberkatalysatoren.

Anhand der rasterelektronenmikroskopischen Aufnahmen (SEM) werden am Silber

deutliche morphologische Unterschiede sichtbar. Eine Abschätzung der Grösse der

Oberfläche erfolgte durch Stickstoffadsorption nach der BET-Methode.

Das grösste Oberfläche besitzt der geträgerte Silberkatalysator (Abb. 2-6.1). Die

Korundoberfläche ist homogen mit isolierten sphärischen Silberpartikeln belegt.

Durch Imprägnierung mit einem Silbersalz wird Silber auf Korundpellets (Hohl-

zylinder mit äusseren Abmessungen 8x8 mm) entsprechend einem Patent [Alter83]

aufgebracht. Silber-Trägerkatalysatoren werden in der technisch durchgeführten

Epoxidierung des Ethens zu Ethylenoxid unter Druck (ca. 30 bar) bei moderaten

Temperaturen (ca. 200 bis 300 °C) eingesetzt [Rebsdat87].

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Metalle haben grosse spezifische Oberflächen in Form eines Pulvers (Abb. 2-6.4).

Allerdings müssen diese für den Einsatz in Reaktoren in eine kompakte Form

gebracht werden (vgl. Kap. 2.2). Deshalb wurden ausgehend von diesem Silber-

pulver auch Sinterkörper präpariert (Abb. 2-6.5). Diese gesinterten Proben besitzen

im Gegensatz zu den Metallen in Form eines Granulats und eines Blechs (Abb.

2-6.3) auch eine innere Oberfläche.

Auch in technischen Prozessen wird Silber als Vollmetallkatalysator genutzt. Elektro-

lytisch präpariertes Silbergranulat (Körnung ca. 3 mm) (Abb. 2-6.2) katalysiert bei

hohen Temperaturen (ca. 600 bis 700 °C) die oxidative Dehydrierung des Methanols

zu Formaldehyd [Reus88, Sperber69]. Dieser Silberkatalysator besitzt selbst im

Vergleich zum Silberblech (Abb. 2-6.3) keine grössere spezifische Oberfläche.

Diese Beispiele der technischen Silberkatalysatoren zeigen, dass Silber als aktives

Metall mit unterschiedlichen Morphologien (geträgertes Silber und Vollmetall) in

verschiedenen Partialoxidationen in der Gasphase (Epoxidierung und Oxidehydro-

genierung) eingesetzt wird. Dabei sind auch die Prozessparameter, besonders Tem-

peratur und Druck, mit ausschlaggebend für die Wahl des Silberkatalysators.

Für den Einsatz des Silbers als Heterogenkatalysator in den überkritischen Medien

werden aufgrund der Korrosivität des sauerstoffhaltigen Wassers Vollmetallkataly-

satoren favorisiert. Die Abbildungen 2-6.2 bis 2-6.5 zeigen, dass selbst an metalli-

schem Silber durch verschiedene Präparationswege unterschiedliche Oberflächen-

beschaffenheiten (Morphologie und Grösse der Oberfläche) eingestellt werden

können.

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.

Abb. 2-6.1: Silber geträgert (Ag/α-Al2O3)ABET ≈ 2 m2/g

Abb. 2-6.2: Silber (Granulat)ABET ≈ 0,1 m2/g

Abb. 2-6.3: Silber (Blech)ABET ≈ 0,1 m2/g

.

Abb. 2-6.4: Silber (Pulver)ABET ≈ 0,3 m2/g

Abb. 2-6.5: Silber (Sinterkörper)ABET ≈ 0,3 m2/g

Abb. 2-6: SEM-Aufnahmen von Silberkatalysatoren mit unterschiedlichen Morpho-logienund Oberflächen.

10 µm

2 µm2 µm

20 µm

20 µm

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2 Katalytisch aktive Materialien 41

• Temperatur Programmierte Reaktion (TP-Reaktion)mit Ethen und Sauerstoff an Silber

Ein Ziel ist, das katalytische Verhalten eines geträgerten Silberkatalysators mit

metallischem Silber (Vollmetall) zu vergleichen. Darüber hinaus ist von Interesse,

elementares Silber mit unterschiedlichen Morphologien und Oberflächen zu testen.

Silber kommt in Form eines Pulvers und eines Granulats zum Einsatz. Die Silber-

oberflächen sind in der Abbildung 2-6 dargestellt. Als Testreaktion dient die Partial-

oxidation des Ethens zu Ethylenoxid mit Sauerstoff als Oxidationsmittel, die tech-

nisch am geträgerten Silberkontakt durchgeführt wird.

Die Experimente erfolgten am Institut für Chemische Technologie der TU Darmstadt

in einer Anlage für transiente Untersuchungen. Eine detaillierte Beschreibung der

Anlage ist den Arbeiten von Böhling und Fehlings zu entnehmen [Böhling97,

Fehlings00]. Diese Apparatur erlaubt die Durchführung von Temperatur Program-

mierten Reaktionen (TP-Reaktion) in einem Mikroreaktor mit nachgeschalteter

Massenspektrometrie. Der Reaktor besteht aus einem U-Rohr aus Quarzglas mit

einem Innendurchmesser von 4 mm und einer Gesamtlänge von 25 cm. Der Einlass

des Rohrs dient zur Aufheizung der Gase. In dem Auslass ist die Katalysator-

schüttung fixiert. Die Silberproben werden kontinuierlich mit einem verdünnten

Reaktionsgasstrom von 20 mL/min umspült. Das Reaktionsgas besteht aus

15,0 %(L/L) Ethen und 7,5 %(L/L) Sauerstoff. Als inertes Trägergas wird Stickstoff

verwendet. Gleichzeitig wird die Temperatur mit einer konstanten Heizrate β von

5 K/min erhöht. Am Reaktorausgang werden die Änderungen der Gaszusammen-

setzung als Funktion der Zeit bzw. der Temperatur detektiert. Ein Quadrupol-

massenspektrometer eignet sich zur qualitativen und quantitativen Analyse der

Gase. Dabei wurden zeit- bzw. temperaturaufgelöst sowohl der Verbrauch der

Edukte (Ethen und Sauerstoff) als auch die sich bildenden Produkte aufgezeichnet.

Neben dem Partialoxidationsprodukt Ethylenoxid werden auch Kohlendioxid und

Wasser als Totaloxidationsprodukte erfasst.

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In der folgenden Abbildung 2-7 sind die Konzentrationsänderungen während der

TP-Reaktion mit Ethen und Sauerstoff dargestellt. Die drei unterschiedlichen Silber-

proben wurden nacheinander unter identischen Versuchsbedingungen behandelt.

Abb. 2-7.1:Silber geträgert (Ag/α-Al2O3)

m = 0,25 gABET ≈ 2 m2/g

0

2

4

6

8

10

12

14

16

100 150 200 250 300 350 400 450Temperatur [°C]

Vo

lum

enan

teil

[%

(L/L

)]

Ethen (C2H4) Ethylenoxid (C2H4O) O2 CO2 H2O

Abb. 2-7.2:Silber (Pulver)

mAg = 0,20 gABET ≈ 0,3 m2/g

Æ AAg ≈ 0,1 m2

0

2

4

6

8

10

12

14

16

100 150 200 250 300 350 400 450Temperatur [°C]

Vo

lum

enan

teil

[%

(L/L

)]

Ethen (C2H4) Ethylenoxid (C2H4O) O2 CO2 H2O

Abb. 2-7.3:Silber (Granulat)

mAg = 1 gABET ≈ 0,1 m2/g

Æ AAg ≈ 0,1 m2

0

2

4

6

8

10

12

14

16

100 200 300 400 500 600Temperatur [°C]

Vo

lum

enan

teil

[%

(L/L

)]

Ethen (C2H4) Ethylenoxid (C2H4O) O2 CO2 H2O

Abb. 2-7: Temperatur Programmierte Reaktion von Ethen und Sauerstoff an Silber,

V� = 20 mL/min, β = 5 K/min, ψ(C2H4) = 15,0 %(L/L), ψ(O2) = 7,5 %(L/L), Rest N2.

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Das Experiment mit geträgertem Silber (Abb. 2-7.1), das auch im technischen

Prozess eingesetzt wird, dient als Referenz zur Beschreibung des katalytischen Ver-

haltens der Metallkatalysatoren (Pulver und Granulat).

Im Temperaturbereich zwischen 150 und 450 °C wird am geträgerten Silber-

katalysator (Abb. 2-7.1) die Bildung des Partialoxidationsprodukts Ethylenoxid

beobachtet. In diesem Bereich treten zwei Extrema bei 250 und 340 °C auf. Zeit-

gleich mit der Bildung des Ethylenoxids nehmen erwartungsgemäss die Volumen-

anteile der Edukte Ethen und Sauerstoff ab. Mit der Bildung des Ethylenoxids bei

150 °C setzt ebenso die Bildung der Totaloxidationsprodukte Kohlendioxid und

Wasser ein. Ab dem zweiten Maximum des Volumenanteils an Ethylenoxid bei

340 °C wird mit zunehmender Temperatur die Totaloxidation begünstigt. Sauerstoff

ist ab der Temperatur 370 °C nicht mehr in der Gasphase vorhanden.

Das TP-Reaktionsdiagramm des Silberpulvers (Abb. 2-7.2) beschreibt einen

temperaturabhängigen bzw. zeitlich ähnlichen Verlauf der Volumenanteile wie das

geträgerte Silber (Abb. 2-7.1). Die Bildung des Ethylenoxids findet im Bereich

zwischen 200 und 450 °C statt und ist damit im Vergleich zum geträgerten Silber nur

um 50 °C zu höheren Temperaturen verschoben. Die Umsätze sind am Silberpulver

geringer, da höhere Volumenanteile der Edukte Ethen und Sauerstoff im Tempera-

turbereich der Ethylenoxid-Bildung detektiert wurden.

Die TP-Reaktion mit Silbergranulat (Abb. 2-7.3) zeigt in dem bisher diskutierten

Temperaturbereich des geträgerten Silbers und des Silberpulver keine Änderung der

Gaszusammensetzung. Erst oberhalb 500 °C setzen die bereits beschriebenen

Prozesse ein (vgl. Abb. 2-7.1 und Abb. 2-7.2). Dieses TP-Reaktionsdiagramm

konnte aus apparativen Gründen nur bis 600 °C gemessen werden. Dennoch ist zu

erkennen, dass auch am Silbergranulat das Partialoxidationsprodukt Ethylenoxid

gebildet wird, obgleich nur das erste Maximum des Ethylenoxid-Volumenanteils in

dem dargestellten Temperaturbereich erfasst werden kann. Allerdings ist die Selek-

tivität bezüglich Ethylenoxid am Silbergranulat verglichen mit dem Silberpulver und

dem geträgerten Silber wesentlich geringer.

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2 Katalytisch aktive Materialien 44

Eine Leerrohrmessung zeigt keine Veränderungen der Volumenanteile der Edukte

Ethen und Sauerstoff. Diese Messung ist im Anhang beigefügt (vgl. Abb. 7-8). Somit

können die beobachteten Effekte eindeutig den Probeneinflüssen zugeschrieben

werden.

Die Bildung des Ethylenoxids ist stets von der Totaloxidation begleitet. Dies kann

durch einen vereinfachten Reaktionsmechanismus erklärt werden [Weisser-

mel88]. Dabei wird angenommen, dass nur der am Silber chemisorbierte und

aktivierte molekulare Sauerstoff zum Partialoxidationsprodukt Ethylenoxid umgesetzt

werden kann (Glg. 2-1). Der dabei ebenfalls entstehende atomare Sauerstoff rea-

giert zu den Totaloxidationsprodukten ab (Glg. 2-2). Die Totaloxidation kann in einer

Folgereaktion über Ethylenoxid oder direkt von Ethen aus erfolgen.

6 C2H4 + 3 O2 → 6 C2H4O Partialoxidation (2-1)

C2H4 + 3 O2 → 2 CO2 + 2 H2O Totaloxidation (2-2)

7 C2H4 + 6 O2 → 6 C2H4O + 2 CO2 + 2 H2O Summe (2-3)

Die Gleichungen 2-1 und 2-2 sind als Summengleichungen der Partial- bzw.

Totaloxidation zu verstehen. Dabei wird berücksichtigt, dass Sauerstoff zu gleichen

Teilen zu Ethylenoxid und zu Totaloxidationsprodukten reagiert. Dementsprechend

ist die auf Ethen bezogene Selektivität der Ethylenoxid-Bildung – der Quotient der

Stoffmengen des Ethylenoxids und des Ethens – limitiert und kann maximal 6/7

betragen (Glg. 2.3). Diesen Annahmen liegt ein Eley-Rideal-Mechanismus [Jaku-

bith91] zugrunde, wonach der am Silber end on adsorbierte Sauerstoff mit dem

Ethen aus der Gasphase reagiert.

Mechanistische Details der Epoxidierung an Silber sind aber noch immer nicht

vollständig aufgeklärt und werden in der neueren Literatur kontrovers diskutiert.

Einerseits werden Sauerstoffspezies an der Silberoberfläche betrachtet. Neben

atomar und molekular adsorbiertem Sauerstoff werden auch ionische Spezies in

Betracht gezogen. So wird z. B. an der Silberoberfläche nach der end on Adsorption

von molekularem Sauerstoff die Ausbildung einer Superoxidspezies vorgeschlagen

[Nakatsuji97].

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2 Katalytisch aktive Materialien 45

Ausserdem wird im Zusammenhang mit Epoxidierungen auch der Einfluss der im

Silber interkalierten Sauerstoffspezies und damit der Einfluss von oberflächennahem

Sauerstoff Oγ und Volumensauerstoff Oβ diskutiert [Bertole99, Bukhtiyarov99]

(vgl. Kap. 2.1.1). Besonders durch Sauerstoff Oγ verursachte elektronische Ver-

änderungen der Silberoberfläche in Verbindung mit dem Adsorptionsverhalten des

Ethens sind Gegenstand der Diskussionen. Aufgrund der niedrigen Temperatur der

Ethylenoxid-Synthese ist die Mobilität des Sauerstoffs im Silber allerdings gering.

Durch die Verwendung von Promotoren, wie z. B. 1,2-Dichlorethan [Yeung98] und

Cäsiumsalzen [Epling97, Hoflund96], können Selektivitäten gesteigert und das

Alterungsverhalten verbessert werden. Auch Selektivitäten grösser 6/7 (vgl. Glg. 2.1

und Glg. 2.2) wurden erreicht [Deng92], was mechanistische Diskussionen weiterhin

fördert.

Zusammenfassend wird bei allen verwendeten Silberkatalysatoren die Bildung des

Partialoxidationsprodukts Ethylenoxid beobachtet. Alle Silberproben zeigen darüber

hinaus qualitativ ähnliche Abfolgen der Extrema der Volumenanteile und zwei

Extrema des Volumenanteils an Ethylenoxid. Eine überraschende Übereinstimmung

hinsichtlich des Temperaturbereichs der Extrema zeigte die Reaktion am geträger-

ten Silber und am Silberpulver. Das TP-Reaktionsdiagramm des Pulvers und des

Granulats unterscheiden sich deutlich im Temperaturbereich und in der Selektivität

bezüglich Ethylenoxid. Es stellt sich die Frage, ob die Ursache in der Grösse der

Oberfläche (BET-Oberfläche) und/oder in der Morphologie des Silbers zu suchen ist.

Zur Klärung morphologischer Einflüsse tragen rasterelektronenmikroskopische

Untersuchungen (SEM) bei. BET-Analysen zur Bestimmung der spezifischen

Oberfläche ABET in Verbindung mit der eingesetzten Probenmasse mAg in den TP-

Reaktionen ermöglichen eine Aussage zum Einfluss der Silberoberflächen AAg

(vgl. Abb. 2-6 und Abb. 2-7).

Die weitgehende Übereinstimmung des Verhaltens des Silber-Trägerkatalysators

und des Silberpulvers wird mit der ähnlichen Morphologie des Silbers erklärt. Die

rasterelektronenmikroskopischen Aufnahmen (SEM) bilden die Silberpartikel an der

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2 Katalytisch aktive Materialien 46

des Trägerkatalysators und des Silberpulvers ab (Abb. 2-8). In beiden Fällen werden

Silberpartikel im Grössenbereich von 0,5 bis 1 µm erkannt. An der Trägeroxidober-

fläche (α-Al2O3) liegen einzelne sphärische Silberpartikel vor (Abb. 2-8.1). Auch das

Silberpulver besteht aus sphärischen Primärpartikeln, die zu Sekundärpartikeln

agglomeriert sind (Abb. 2-8.2). Diese Abbildung zeigt nur einen Ausschnitt eines

kompletten Pulverteilchens (Sekundärpartikel).

Abb. 2-8.1: Silber geträgert (Ag/α-Al2O3),Silberpartikel auf dem Träger.

Abb. 2-8.2: Silber (Pulver), Ausschnitteines Pulverteilchens.

Abb. 2-8: SEM-Aufnahmen von Silberkatalysatoren mit einer ähnlichen Morphologie derSilberpartikel der TP-Reaktion in Abb. 2-7.

Die TP-Reaktion am Silbergranulat (Abb. 2-7.3), die in einem höheren Temperatur-

fenster abläuft als im Falle des Silberpulvers, kann nicht allein mit der Grösse der

Silberoberfläche AAg begründet werden. Aufgrund der geringeren BET-Oberfläche

ABET des Granulats wurde im Vergleich zum Pulver die fünffache Probenmasse mAg

eingewogen. Dadurch erreicht das Granulat aufgrund der höheren Probenein-

waage mAg eine der Gasphase zugänglichen Oberfläche AAg von ca. 0,1 m2 und die

Oberflächen AAg des Pulvers und des Granulats unterscheiden sich nicht signifikant

(vgl. Abb. 2-7.2 und Abb. 2-7.3). Vielmehr ist die unterschiedliche Morphologie

dieser beiden Silberproben (vgl. Abb. 2-6.2 und Abb. 2-6.4) verantwortlich für das

katalytische Verhalten.

2 µm2 µm

1 µm

0,5 µm

0,2 µm

1 µm

1 µm0,5 µm

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2 Katalytisch aktive Materialien 47

2.4 Binäre Silberlegierungen

Neben Silber und Kupfer, die als katalytisch aktive Metalle bekannt sind, sollen auch

binäre Legierungen der Münzmetalle (Kupfer, Silber und Gold) in den überkritisch

durchgeführten Partialoxidationen eingesetzt werden. Dafür werden binäre Silber-

legierungen der Systeme Silber/Kupfer und Silber/Gold ausgewählt.

Silber aktiviert molekularen Sauerstoff, oxidiert aber bei Normaldruck in sauerstoff-

haltigen Atmosphären nicht. Hier ist von Interesse, wie ein Zulegieren der beiden

anderen Münzmetalle Gold und Kupfer das katalytische Verhalten beeinflusst. Dazu

sollen die einphasigen binären Silberlegierungen mit Silber verglichen werden.

Einen weiteren Schwerpunkt nehmen kupferhaltige Metallkatalysatoren ein. Neben

Kupfer sollen auch Legierungen im System Silber/Kupfer untersucht werden. In den

sauerstoffhaltigen Atmosphären der Partialoxidationen liegt nicht mehr ausschliess-

lich das Kupfer an der Katalysatoroberfläche vor, sondern auch Kupferoxid. Deshalb

soll im Falle des Kupfers und der Silber/Kupfer-Legierungen die Charakterisierung

der Oxidbildung verfolgt werden.

Alle Münzmetalle liegen in einer kubisch-flächenzentrierten Struktur vor [JCPDS96].

Die Systeme Silber/Kupfer und Silber/Gold bilden Substitutionsmischkristalle mit

einer statistischen Verteilung der Legierungsatome in ebenfalls kubisch-flächen-

zentrierten Strukturen. Die Mischbarkeit der Komponenten (Silber und Kupfer bzw.

Silber und Gold) wird mit Zustandsdiagrammen beschrieben und bezieht sich auf

den thermodynamischen Gleichgewichtszustand. Die abgebildeten Zustandsdia-

gramme (Ag/Cu: Abb. 2-9 und Ag/Au: Abb. 2-13) [Madelung91] geben in Abhäng-

igkeit der Temperatur und der Konzentration der Legierungselemente (Massen-

anteil w und Stoffmengenanteil ϕ) eine Übersicht der Legierungsphasen bei kon-

stantem Druck (Normaldruck). Die in dieser Arbeit eingesetzten Legierungen sind

durch Pfeile in den entsprechenden Phasendiagrammen hervorgehoben.

Alle Metalle und Legierungen werden mit identischen Probenabmessungen und

Oberflächen als Bleche mit der Dicke von 0,5 mm bereitgestellt. Dies gewährleistet

einen identischen Ausgangszustand der Proben vor deren Einsatz und einen

direkten Vergleich der charakterisierten Materialien.

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2 Katalytisch aktive Materialien 48

2.4.1 Das System Silber/Kupfer

Die beiden Metalle Silber und Kupfer sind im festen Zustand nur begrenzt mischbar

und bilden eine eutektische Entmischung. In diesem Zustandsdiagramm (Abb. 2-9)

werden zwei Mischkristallphasen α und β beobachtet.

Abb. 2-9: Silber/Kupfer-Zustandsdiagramm (T-x) [Madelung91].

Silber kann durch die Bildung des α-Mischkristalls bis zu 8.8 %(g/g) Kupfer lösen

(silberreiche Phase α). Kupfer kann bis zu 8.1 %(g/g) Silber im β-Mischkristall

aufnehmen (kupferreiche Phase β). Die grösste Löslicheit der Legierungselemente

Kupfer und Silber in der entsprechenden silberreichen bzw. kupferreichen Matrix

liegt somit an dem Schnittpunkt der Soliduslinie, der Segregatlinie und der

Eutektikalen vor. Diese Schnittpunkte entsprechen den Endpunkten der Eutektikalen

bei Kupferanteilen von 8.8 %(g/g) und 91.9 %(g/g). Die maximalen Löslichkeiten

AgCu

W [%(g/g)]

ϕ [%(mol/mol)]

T [K]

8.814.1

28.1

39.991.995.1

1233.5 K

1356 K

1052 Kα β

Cu

Cu

Ag/Cu 72/28 %(g/g)α und β

Ag/Cu 92.2/7.8 %(g/g)α

α und β

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2 Katalytisch aktive Materialien 49

sind nur bei der eutektischen Temperatur gegeben und sinken mit abnehmender

Temperatur entsprechend den Segregatlinien. Der Bereich der einphasigen Gefüge

α und β ist jeweils durch die Liquiduskurve und die Segregatlinie begrenzt. Im

Bereich der Mischungslücke liegt ein zweiphasiges Gefüge (α und β) vor.

Die Gitterkonstanten der kubisch-flächenzentrierten Mischkristallphasen α und β

können mit der Vegard-Regel abgeschätzt werden und gehen näherungsweise linear

vom Wert des Kupfers bei Raumtemperatur (aCu = 3,6150 Å) mit zunehmen-dem

Silberanteil zum Wert des Silbers (aAg = 4,0862 Å) über [Madelung91]. Dem-

entsprechend bewirkt eine Einlagerung von Silber im Kupfer (β-Phase) eine Auf-

weitung des Gitters. Liegt Kupfer im Silber gelöst vor (α-Phase), so ist die Gitter-

konstante im Vergleich zu reinem Silber verkleinert.

Für die späteren Versuche sollen die Legierungsphasen α und β mit dem maximalen

Anteil des darin gelösten Legierungselements bereitgestellt werden. Deshalb wurde

die Silber/Kupfer-Legierung der eutektischen Zusammensetzung gewählt Ag/Cu

72/28 %(g/g). Die eutektische Legierung besteht aus der Ag-reichen α-Phase

(α-Mischkristalle) und der Cu-reichen β-Phase (β-Mischkristalle) im Stoffmengen-

verhältnis von 68:32 %(mol/mol).

Um den Einfluss der beiden Phasen α und β separieren zu können, ist auch der

Einsatz der einphasigen Legierung α oder β notwendig. Ausserdem wird in dieser

Arbeit das Ziel verfolgt, einphasige binäre Silberlegierungen einzusetzen. Auch aus

diesem Grund wurde die silberreiche α-Phase ausgewählt. Diese konnte nicht wie

die eutektische Legierung direkt erworben werden, sondern musste schmelz-

metallurgisch als Legierung der Zusammensetzung Ag/Cu 92.2/7.8 %(g/g) präpa-

riert werden. Dazu wurden die reinen Metalle Silber und Kupfer in einem mit

Graphitfolie ausgekleideten Korundtiegel im Induktionsofen unter Stickstoffatmo-

sphäre aufgeschmolzen. Die Schmelze musste abgeschreckt werden, damit beim

Abkühlen das thermodynamische Gleichgewicht nicht eingestellt werden kann.

Dadurch wird die Segregatbildung – ein Ausscheiden der β-Phase aufgrund der mit

der Temperatur abnehmenden Löslichkeit des Kupfers im Silber – weitgehend unter-

drückt. Bei Raumtemperatur liegen dann übersättigte α-Mischkristalle (Ag-reiche

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2 Katalytisch aktive Materialien 50

α-Phase) vor. Im anschliessenden Glühprozess in Stickstoffatmosphäre bei der

Temperatur 770 °C, die mit einer Sicherheit von 10 °C unterhalb der eutektischen

Temperatur liegt, und anschliessendem Abschrecken wurde eine Homogenisierung

der Legierung erreicht. Um eutektische Anteile zu vermeiden, wurde nicht der

maximal lösbare Kupferanteil von 8.8 %(g/g), sondern ein geringerer Anteil von

7.8 %(g/g) eingewogen.

Die nachfolgende Abbildung 2-10 zeigt Lichtbilder der verwendeten Proben im

System Silber/Kupfer. Beide Legierungen gliedern sich entsprechend ihrer Zu-

sammensetzung optisch zwischen Silber und Kupfer ein.

Abb. 2-10: Lichtbilder der Bleche im System Silber/Kupfer.

Im Falle der zweiphasigen Legierung Ag/Cu 72/28 %(g/g) interessiert die Ver-

teilung der beiden Phasen α und β. Um das Gefüge zu erkennen, ist eine metallo-

graphische Präparation der Probe erforderlich [Petzow88]. Dazu wurden zwei Blech-

plättchen dieser Legierung in einer Polymermasse eingebettet, wobei einmal eine

Probenkante in Walzrichtung und einmal senkrecht zur Walzrichtung des Blechs

parallel zur Oberfläche des einbettenden Körpers liegt. Durch Schleifen und

Ag/Cu 72/28 %(g/g)α-Phase und β-Phase

Ag/Cu 92.2/7.8 %(g/g)α-Phase

Silber

Kupfer

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2 Katalytisch aktive Materialien 51

Polieren mit einer Diamantsuspension (Körnung 1 µm) wurde mechanisch die Ober-

flächenrauhigkeit der Anschliffe verringert. Mit dem Rasterelektronenmikroskop

(SEM) wird ein lamellares Gefüge im Schliffbild sichtbar, das in der Walzrichtung

des Blechs ausgerichtet ist (Abb. 2-11). Die hellen bzw. dunklen Bereiche ent-

sprechen der silberreichen Phase α bzw. der kupferreichen Phase β.

Abb. 2-11.1: Schliff parallelzur Walzrichtung.

Abb. 2-11.2: Schliff senkrechtzur Walzrichtung.

Abb. 2-11: SEM-Aufnahmen des Gefüges der eutektischen Silber/Kupfer-LegierungAg/Cu 72/28 %(g/g) (α-Phase und β-Phase).

Mit der Röntgendiffraktometrie (XRD) wurden kubisch-flächenzentrierte Reflex-

folgen der Legierungsphasen α und β dieser zweiphasigen Legierung nachgewiesen

(Abb. 2-12.1). Der geringere Phasenanteil der β-Phase in der eutektischen

Zusammensetzung (vgl. Abb. 2-9) erklärt die intensitätsschwächeren Reflexe dieser

Phase im Diffraktogramm. Aufgrund der kleineren Gitterkonstante sind die Reflexe

der kupferreichen β-Phase im Vergleich zur silberreichen α-Phase zu grösseren

2θ-Werten verschoben. Die Auswertung der Reflexlagen liefert die Gitterkonstanten

der Legierungsphasen (Tab. 2-1).

5 µm5 µm

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2 Katalytisch aktive Materialien 52

25 35 45 55 65 75 850

500

1000

1500

2000

2500

α : Ag-reiche Phaseβ : Cu-reiche Phase

β (2

20)

β (2

00)

β (1

11)

α (

222)

α (3

11)

α (2

20)

α (

200)

α (1

11)

inte

nsi

ty [

a.u.

]

2 θ [deg.]

25 35 45 55 65 75 850

2000

4000

6000

8000

10000

α : Ag-reiche Phase

α (2

22)

α (3

11)

α (2

20)

α (2

00)

α (1

11)

inte

nsity

[a.u

.]

2 θ [deg.]

Abb. 2-12.1: Ag/Cu 72/28 %(g/g) Abb. 2-12.2: Ag/Cu 92.2/7.8 %(g/g)

Abb. 2-12: Diffraktogramme (XRD θ/2θ, Cu Kα1) der Silber/Kupfer-Legierungen.

Den experimentellen Gitterkonstanten, die mit dem Extrapolationsverfahren be-

stimmt wurden (vgl. Kap. 1.3.1), sind in der Tabelle 2-1 die berechneten Werte

gegenübergestellt. Die Gitterkonstanten der Legierungsphasen α und β wurden mit

der Vegard-Regel berechnet, wobei die Gitterparameter der Metalle Silber und

Kupfer der JCPDS-ICCD-Datenbank [JCPDS96] verwendet wurden.

Tab. 2-1: Gitterkonstanten im System Silber/Kupfer.

Metall bzw.Legierung

Ag Ag/Cu Ag/Cu 72/28 Cu

α-Phase α-Phase β-Phasew [%(g/g)] 92.2 / 7.8 91.2 / 8.8 8.1 / 91.9

a [Å]

experimentell 4,088(8) 4,088(0) 4,080(0) 3,637(7) 3,616(3)

berechnet 4,086(2) a 4,027(1) b 4,019(9) b 3,638(2) b 3,615(0) a

a JCPDS-ICCD-Datenbank [JCPDS96] b

Vegard-Regel

Die Gitterkonstante des Kupfers stimmt mit dem Literaturwert gut überein und

bestätigt so eine genügende Zuverlässigkeit der Ergebnisse. Das Gitter des Silbers

dagegen ist geringfügig aufgeweitet.

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2 Katalytisch aktive Materialien 53

Eine Einlagerung von Silber in eine Kupfermatrix bewirkt aufgrund des grösseren

Atomradius des Silbers eine Aufweitung des Kupfergitters. Der experimentelle

Gitterparameter dieser kupferreichen β-Phase und der mit der Vegard-Regel abge-

schätzte Wert sind näherungsweise gleich.

Dagegen führt das Lösen des vergleichsweise kleineren Legierungselements Kupfer

in einer Silbermatrix nicht zu der durch die Vegard-Regel beschriebenen Verklei-

nerung der Gitterkonstante verglichen mit reinem Silber. Die Gitterkonstanten der

silberreichen α-Phasen liegen trotz des gelösten Kupfers im Bereich des Silbers.

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2 Katalytisch aktive Materialien 54

2.4.2 Das System Silber/Gold

Die Metalle Silber und Gold sind im flüssigen und im festen Zustand unbegrenzt

mischbar und bilden eine lückenlose Mischkristallreihe (Abb. 2-13).

Abb. 2-13: Silber/Gold-Zustandsdiagramm (T-x) [Madelung91],

Diffraktogramm (XRD θ/2θ, Cu Kα1) und Lichtbildder Gold/Silber-Legierung 97.2/2.8 %(g/g).

Die im Zustandsdiagramm hervorgehobene Legierung Au/Ag 97.2/2.8 %(g/g) wurde

schmelzmetallurgisch präpariert. Um eine Seigerung zu unterdrücken, wurde die

Schmelze abgeschreckt. Die Liquidus- und Soliduskurve dieses Systems liegen

ohnehin besonders dicht zusammen, so dass das Zweiphasengebiet beim Erstarren

der Schmelze rasch durchlaufen wird.

Au/Ag97.2/2.8 %(g/g)

AgAu

ϕ [%(mol/mol)]

T [K]

1233.5 K

1336 K

Au

AuW [%(g/g)]

25 35 45 55 65 75 850

3000

6000

9000

12000

Au/

Ag

(111

)

Au/

Ag

(200

)

Au/

Ag

(220

)

Au/

Ag

(222

)

Au/

Ag

(311

)

inte

nsity

[a.u

.]

2 θ [deg.]

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2 Katalytisch aktive Materialien 55

Es liegen goldreiche Substitutionsmischkristalle vor, wobei in der Goldmatrix das

Silber mit einem geringen Anteil von 5 %(mol/mol) statistisch verteilt ist. Da die

Gitterkonstanten von Gold (aAu = 4,0786 Å) und Silber (aAg = 4,0862 Å) sich nicht

signifikant unterscheiden [JCPDS96], ist auch der Wert der Legierungsphase nicht

deutlich verschieden. Das Röntgendiffraktogramm zeigt eine kubische Phase

(Abb. 2-13).