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Antisemitismus als identitäre Metapolitik und rechter Jihad in Ungarn 21. September 2019 Evangelische Akademie der Nordkirche, Haus der Kirche, Güstrow Magdalena Marsovszky [email protected] https://independent.academia.edu/MagdalenaMarsovszky

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Page 1: 21. September 2019 Evangelische Akademie der Nordkirche ......Heute „Corona borealis“ (Nordische Krone) genannt. Wichtiger Ideologe (auch allgemein äußerst beliebt): Béla Hamvas

Antisemitismus als identitäre Metapolitik und rechter Jihad in Ungarn

21. September 2019

Evangelische Akademie der Nordkirche,

Haus der Kirche, Güstrow

Magdalena [email protected]

https://independent.academia.edu/MagdalenaMarsovszky

Page 2: 21. September 2019 Evangelische Akademie der Nordkirche ......Heute „Corona borealis“ (Nordische Krone) genannt. Wichtiger Ideologe (auch allgemein äußerst beliebt): Béla Hamvas

Aufnahme: Internet

Ungarn war (und ist) kulturell eingebettet in die Kultur- und Ideengeschichte Mitteleuropas (Deutsches Reich, Habsburgerreich, Österreich-Ungarische Monarchie)

Ungarn ist - trotz der eigenständigen Sprache - keine kulturgeschichtliche Insel!

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Definitionen

Antisemitismus:

keine eindeutige Definition, weil der Gegenpart zum Anti, also der „Semitismus“ fehlt. Der Antisemitismus ist nicht identisch mit dem Hass gegen Jüdinnen und Juden, der antisemitische Hass kann

sich auch gegen Menschen richten, die keine Jüdinnen oder Juden sind.

Vor der Aufklärung sprechen wir von einem religiös dominierten Antisemitismus, d.h. vom Antijudaismus (der Hass richtete sich gegen eine gut sichtbare Gruppe - sichtbar an Kleidung, den Haaren usw.).

Nach der Aufklärung (ab etwa 1800) erlebte der Antisemitismus - im Zuge der Säkularisierung und der Nationenbildung - eine anthropologische Verschiebung.

Der „Jude“ des Antisemitismus war nunmehr nicht unbedingt mit der Person identisch, die auch von Außen wahrnehmbar zu einer religiösen Gemeinschaft gehörte, sondern wurde in Bezug zur Nation, Kultur und

Identität gesetzt.

Das heißt auch, dass nunmehr nicht die „andere“ Religion dafür ausschlaggebend war, festzumachen, wer nun „der Fremde“ sei, sondern einzig die vermeintlich fehlende nationale Identität.

Der „Jude“ des Antisemitismus wurde auch in Ungarn ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts derjenige, der vermeintlich die Antithese der ethnischen Homogenität, bzw. der „magyarischen Rassennation“ verkörperte.

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Identitäre Metapolitik

gr. „meta“ = außerhalb der realen Wirklichkeit

Nach der Aufklärung entwickelte sich in Mitteleuropa bei den so genannten verspäteten Nationen (in denen es kein selbstbewußtes Bürgertum gab) anstelle des universalen, transzendenten Gottesglaubens (Gnade +

Nächstenliebe) eine neue „Religionsart“:

Eine diesseitige Metaphysik, ein diesseitiger Glaube - die Sakralisierung der Nation. Hierbei wurde die Nation zu einer neuartigen Materialisierung Gottes, das heißt: zu einer neuen, irdischen,

diesseitigen Gottheit, zur Gottheit-Nation oder zum Nation-Gott. Identitäte Metapolitik heißt eine Politik im Sinne der Sakralisierung der Nation, der homogenen Kultur, der

homogenen Identität.

Homogene Kulturen und homogene Identitäten gibt es in der Wirklichkeit nicht, die Vorstellung ihrer Existenz kann nur durch Mythenbildung und eine Metapolitik „untermauert“ werden.

Im Prozess der Sakralisierung der Nation erfolgte eine radikale Umdeutung der christlich-universalistischen Eschatologie und Erlösungslehre.

Begründungsnarrativ: Die christliche Erlösung sei nicht gelungen, es muss eine neue Erlösung her.Während die christlich-universalistische Erlösungslehre eine Erlösung nach dem Tode verspricht, verspricht die

identitäre Metapolitik eine irdische, diesseitige Erlösung.

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Mythenbildung, Mythen und Neomythen

Mythen sind Erzählungen von hoher symbolischer Bedeutung mit religiösem Inhalt.

In ihnen werden irdische Erscheinungen mit der Existenz von Göttern oder Geistern in Verbindung gebracht.

Im Mittelalter hatten viele Mythen einen monotheistisch-religiösen Charakter, z.B. christlich-apokryphe Legenden mit der nicht hinterfragbaren Autorität des theistischen Gottesbegriffs.

Von Neomythen sprechen wir ab der Zeit der Aufklärung.

Im Gegensatz zur theistischen Religion und zum Atheismus, die die radikale Endlichkeit des Menschen anerkennen, negieren Neomythen die menschliche Endlichkeit.

Neomythen sind ein kulturelles und individuelles Sich-Beziehen auf Endlichkeit ohne Bewusstsein ihrer Radikalität und im Bewusstsein der realen Aufhebung derselben durch das Handeln des Menschen oder

anderer endlicher Mächte (Linus Hauser).

Neomythen versprechen, die radikale Endlichkeit des Menschen aufzuheben, bis hin zu dem Modell, dass es möglich sei, den apokalyptischen Untergang zu überleben und in den nächsten Lebenszyklus durch

Reinkarnation hineinzuschlüpfen.

Der Glaube an „Göttermenschen“, wenn sich der Mensch als ein „Neugott“ stilisiert, ermöglicht dem Menschen, in seiner Allmachtsphantasie sich selbst in der Rolle des kosmischen Schöpfers oder Vernichters

zu wähnen.

Motiviert wird die Entstehung von Neomythen vor allem auch durch die Suche nach der verloren geglaubten Urharmonie im Kosmos.

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Erlösung von den Feinden der Nation (ethnische Reinigung, Massenmord).

Die Tendenz zur Sakralisierung der Nation war in Ungarn bereits Anfang des 19. Jahrhunderts bemerkbar, erfuhr aber in den nächsten hundert Jahren eine äußerst starke Verbreitung.

In dem Maße, wie die Nation, die nationale Identität, die nationale Kultur sakralisiert (vergöttlicht) werden, wird auch deren vermeintlicher Feind verteufelt.

Der „Jude“ des Antisemitismus wird in diesem Prozess der Judas der Nation, d.h. derjenige, der vermeintlich die nationale, kulturelle Homogenität und Identität gefährdet.

Er wird verteufelt, er sollte entfernt, ausgebürgert, liquidiert werden.

Der „Jude“ des Antisemitismus ist eine Projektion der individuellen und kollektiven Ängste von dem Verlust der Homogenität und der Identität.

Judas der Nation in Ungarn: „Volksverräter“, „Zersetzer der Nation“, „Kommunisten“, „Kapitalisten“ („Oligarchen“), „Bankenwesen“, „Liberale“, „Demokraten“.

Diese sollen entfernt, hinausgefegt werden.

Bedeutung 1 für Erlösung: Erlösung von den Feinden der Nation (ethnische Reinigung, Massenmord).

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Jihad

Bedeutung: „heiliger Krieg“Wenig bekannt: den Begriff gibt es auch bei faschistischen Autoren (z.B. Julius Evola), übernommen vom Islam.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts (im Zuge der Abwendung vom universalen Christentum) erfolgte in Europa eine Hinwendung zum Osten und zu den fernöstlichen Philosophien (Buddhismus/ Hinduismus).

Unter ihrer Einwirkung entstand in Europa ein religiöser Synkretismus (eine Vermischung christlich-, islamisch-, jüdisch religiöser und mythischer Elemente mit buddhistischen und hinduistischen). Das eschatologische Versprechen hing fortan mit der Seelenwanderung zusammen.

Durch den dynamischen Kreislauf, d.h. die Wiederholungen vom apokalyptischen Untergang + Reinkarnation alle paar tausend Jahre sollte die Menscheit den kosmisch-göttlichen Zustand der arischen Reinheit erreichen.

Durch die Übernahme des Prototyps des Gottmenschen aus den östlichen Philosophien entstand der Typus des

diesseitigen Erlösers in Person eines spirituellen Führers (eines neuen Buddha).

Neben Theorien wurden auch Begriffe, Gesellschaftskonzepte und Ziele übernommen:Das gesellschaftliche Muster wurde das hinduistische Kastensystem, das Ziel wurde die Erleuchtung, und auch der Begriff „Tschandala“ wurde übernommen (aus ind. Chandala – Rasse der Ausgestoßenen, diejenigen, die

außerhalb der Kasten stehen) für die „Entarteten“.

Es ist nicht einmal mehr die Rede von „Juden“, sondern von „verräterischen Entarteten“!

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Jihad - heiliger Krieg

Bedeutung 2 für Erlösung:

Bedeutung Swastikas aller Art:Apokalyptischer Untergang + Reinkarnation der Arier alle paar tausend Jahre in einer dynamischen

Kreisbewegung hin zum Kosmos (göttlich-arischen Urzustand). Im Prozess dieser Dynamik sollen die „Tschandala“, bzw. wird das „Tschandalentum“ abgestoßen werden, untergehen und aussterben.

Das eschatologische Versprechen der identitären Metapolitik ist die „völkisch-arische Reinheit“ (die eine „Tschandalen freie Reinheit“ meint).

SwastikaRegierungsnahes

Architekturbüro in Ungarn

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Das völkische Denken als Metaidentität in Ungarn

Das völkische Denken war und ist seit der Aufklärung - mal stärker, mal schwächer ausgeprägt, aber - immer kontinuierlich vorhanden, auch im Realsozialismus.

Auch die Wende 1989/ 90 war keine wirklich demokratische, sondern eine stark völkisch orientierte Wende.

Die autoritären, völkischen Akteure waren und sind die völkische Intelligenz, vor allem Literaten, Kulturphilosophen.

Die völkische Bewegung war und ist intellektuell.

Das völkiche Denken entbehrt jeglicher Realität als Grundlage!

Seine Basis ist eine metaphysische Vorstellung, ein Glaube, der nur mit Mythen untermauert werden kann.

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Strukturen der völkischen Ideologie in Ungarn:

Ethnisierung ist das Denken in „Ethnien“, d.h. in voneinander gut abgrenzbaren Volksgruppen, die - so wird angenommen - eine homogene Kultur und eine gemeinsame blutmäßige Abstammung hätten.

In der Realität gibt es so etwas nicht.

Denkweise in Ungarn. Nicht in Individuen, sondern in „homogenen Volksgruppen“

Ethnopluralismus

„Magyarentum“

„Zigeunertum“ „Judentum“

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Strukturen der völkischen Ideologie:

Selbstethnisierung der Nation:

Völkische Nation: Volksgemeinschaft der

Magyaren

Volk oder Nation: organische Vorstellung von einer kulturellen und blutmäßigen Abstammungsgemeinschaft, Volksgemeinschaft der Magyaren, Magyarentum, Blutsgemeinschaft, Rassengemeinschaft.

Homogenisierend, deshalb ausgrenzend.

Identitär: Identitätsbildung durch Ausgrenzung.

Gnostisch: das Böse wird gesucht und überall vermutet.Die „Volksgemeinschaft“ empfindet sich als Opfer „böser Mächte“.

Z.B.: „Wir sind fremd in unserer eigenen Heimat“, „Wir werden von den Migrantenhorden übervölkert“. So wird eine andere Wirklichkeit erschaffen, die nicht einfach als Lüge bezeichnet werden kann, sondern viel

mehr eine paranoide Konstruktion ist.Die Mythen untermauern nicht nur, sondern sakralisieren auch diese andere Wirklichkeit, wodurch der Kampf

um sie zum „heiligen Kampf“ wird.  

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Das Europabild in Ungarn (sehr verbreitet)

Regierungsphilosophie: Europa der Nationen, Europa der Vaterländer, d.h. nebeneinander existierender homogener Volksgemeinschaften, im Grunde: Rassengemeinschaften.

Geschlossene Gemeinschaften nebeneinander. (Rassentheoretisches Konzept, faschistische Konzeption [Roger Griffin])Ethnopluralismus wird vermeintlich für Demokratie gehalten

„Magyarentum“

„Deutschtum“

„Polentum“

„Tschechentum“ „Slovakentum“

Aufnahme: Internet

Die Vorstellung eines Europa mit homogenen Volksgemeinschaften nebeneinander

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Strukturen der völkischen Ideologie:

Typisch: Autoritäres Denken, Gegenkultur, Modernisierungsabwehr, Nach dem Holocaust: Täter-Opfer-Umkehr, Relativierung, Leugnung.

Antiindividualistisch, antidemokratisch, sein Feindbild ist - im Gegensatz zum vorgestellten Ethnos - der „Demos“ (im Sinne eines Nebeneinanders autonomer [Staats-]Bürger, citizens).

Nach der Wende völkisches Denken Mainstream, Zunahme vom Antisemitismus, Antiziganismus (Antiziganismus seit den ersten Erhebungen [70 er Jahre] kontinuierlich 75-80 %,

Antisemitismus dürfte ebenfalls so hoch sein, nur werden die sog. Täter-Opfer-Umkehr + der sog. „antikapitalistischer oder antiimperialistischer“ Antisemitismus nicht gemessen).

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Grundlage der Gesetzgebung: das Grundgesetz:

Wichtigster Symbol:- „Heilige Krone“ - Sinnbild für die nationale, kulturelle Befreiungsbewegung, für einen messianistischen Antiuniversalismus, für arische Fantasien und für den rechten Jihad.

Völkische Esoterik und Götzenverehrung statt christliche Nächstenliebe, Suche nach einer verloren geglaubten Urharmonie statt nach der christlichen Erlösung, identitäre Metapolitik, Kampf gegen die offene Gesellschaft, Wissenschaft- und Intellektuellenfeindlichkeit (verantwortlich für die „Entspiritualisierung der Menschheit“), gegen liberale Intellektuelle („materialistische Manipulanten“).

Arbeits orientierte Gesellschaft, Sozialdarwinismus (nur der zählt, der arbeitet, andere fallen aus dem sozialen Netz),Heute dringender Handlungsbedarf: In den letzten Jahren steigt die Zahl der Kinder, die aus ihren Familien „herausgehoben“ werden (Umerziehung, „liebevolle Segregation“).

Aufnahme: Internet

Der Status quo

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Die Bedeutung der „Hl. Krone“ (Pendant zum Neomythos des „Hl. Grals“), Sinnbild der „nationalen Souverenität“ und der „magyarischen Rassenhegemonie“ (Ende 19. Jh.) wurde (in Verbindung mit den östlichen Philosophien)

zum Symbol des Magyarentums als Teil eines nordisch-arischen „Weiss-Seins“ (ab Anf.-Mitte 20. Jh.). Heute „Corona borealis“ (Nordische Krone) genannt.

Wichtiger Ideologe (auch allgemein äußerst beliebt): Béla Hamvas (1897-1968) - auf den Spuren u. A. von Oswald Spengler und Julius Evola.Vision einer indoarischen Gesellschaftsordnung, in die er das Magyarentum integrierte. Als Symbol für den ewigen Kreislauf „apokalyptischer Untergang und Wiederauferstehung im gereinigten Urzustand des Neuen Menschen und der Urharmonie“ bestimmte auch Hamvas die Swastika (Lebensrad).

Aufnahme: Internet

Arische Fantasien

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Regierung und Jobbik hoffen, auch die EU umgestalten und gegenüber der kritisch-emanzipatorisch-menschenrechtlichen Wertegrundlage eine konservativrevolutionäre, männlich-hierarchisch aufgebaute

neue Ordnung schaffen zu können.

Rechter Jihad, Heiliger Krieg

„Der Heilige Krieg wird geführt, um den Urzustand wiederherzustellen. Deshalb ist dieser Krieg nicht gegen das Gesetz. Der Urzustand bedeutet die Vollkommenheit der Harmonie, die der Frieden selbst ist.

Das ist kein Schein-Friede, sondern die wahre Ordnung und die wahre Harmonie. Deshalb ist dieser Krieg legitim. Der Jihad, der Heilige Krieg bedeutet die Wiederherstellung des Goldenen Zeitalters und des

Urzustandes“

(Tibor Imre Baranyi, Philosoph)

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Rolle der „demokratischen“ Opposition: gleicher struktureller Kontext

Magyarische Krake. Der postkommunistische Mafiastaat, Hg. Bálint Magyar + Júlia Vásárhelyi (2 Bde, 2013, 2014):

Rregressiver Antikapitalismus, ähnliche Feindbildkonstruktionen. Regierung als Feindbild.

Regierung als Finanzmafia, als Teil des „Globalkapitalismus“.

Ursache der Krise: nicht etwa der Rassismus oder „irgend eine Ideologie“, sondern „die ungerechte

originäre Kapitalakkumulation“.

Die AutorInnen der Studien sind renommierte sozialliberale Intellektuelle.

Antisemitischer Stereotyp der Krake als Sinnbild der „weltumspannenden jüdischen Verschwörung“

Aufnahmen: Internet

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Ursachen des permanenten Rechtsrucks:

Keine Menschenrechts orientierte politische Bildung,

Grundwerte der EU werden kaum kommuniziert,

auch die Stiftungen der Bundesrepublik betreiben eher eine Partei- statt eine Demokratiepolitik,

zusammen mit einem Großteil der Medien werden vorhandene Vorurteilsstrukturen nicht reflektiert, sonden von Außen bestätigt

(z.B. Regierung als Feindbild „Fidesz-nahe Finanzoligarchen“ [antisemitische Konnotation], „Opposition wird immer größer gegen die Regierung“ [unbeachtet bleibt, dass die größte Oppositionspartei Jobbik ist]).

Ein Großteil der christlichen Kirchen teilt die Bildung von Neomythen und völkischer Esoterik, es entwickelt sich eine neue Art der Los-Von-Rom-Bewegung (wie Anf. des 20. Jahrhunderts).

Vorschlag zur Gegenstrategie:

Menschenrechts orientierte politische Bildung,das Beharren auf christlich-universalistische Werte seitens der Kirchen,

integrative (statt exclusive), reflexive Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik,Kommunikationsstrategie zum Thema „EU-Grundwerte, Menschenrechte“,

Internetseiten zur Aufklärung (Menschenrechts orientierte Übersetzungen [viele Texte kommen in Ungarn völkisch an]).

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Entscheidendes Jahr nach der Wende: 2002

Nach den verlorenen Wahlen der ersten Regierungszeit von Fidesz (1998-2002):

Bewusste Strategie zur völkisch-kulturellen Hegemonisierung (Orbáns Diplomarbeit 1987 über Antonio Gramscis Hegemoniethese im Hinblick auf die polnische Solidarnosc-Bewegung).

1.) Idee, durch die Gründung einer „radikaleren Partei rechts von uns“ ins Zentrum zu gelangen. 2003 Gründung der rechtsradikalen Partei Jobbik (Unterstützung von Fidesz). Seitdem Zusammenarbeit ideologisch + vielfach auch auf politischer Koalitionsebene.

2.) Gründung (in der Opposition) so genannter Bürgerkreise, deklariert als außerparlamentarische Bewegung (Jobbik-Chef Gábor Vona gehörte dazu). Revolutionäre Bürgerkreisrhetorik: „Anti-68er nationale Befreiung“.

3.) Top-Down-Politik Orbáns vermischt mit Bottom-Up-Elementen. - Spitze: „Haus der Bürger“ in Budapest (kulturelle Programme und Vortragsreihen), - Basisebene: unzählige „Grassroots“-Aktivist_Innen in den Bürgerkreisen. - Mittlere Kommunikationsebene: neue private, von der damals oppositionellen Fidesz finanzierte, „national gesinnte“ Medien und deren rechtsradikale Varianten.

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Bis 2010 entstand so eine gegenkulturelle Massenbewegung, die die diskursive Deutungshoheit erlangte und mit einer glatten Zweidrittelmehrheit die Parlamentswahlen gewann. Völkisch-autoritäre Wende.

Bald danach Gesetzesänderungen:

1.) Staatsbürgerschaftsgesetz: Ius-Sanguinis-Prinzip (volksgemeinschaftliche Abstammung, „universelles Magyarentum“, Einbindung der Diasporamagyaren)Opposition hat mitgestimmt.

2.) Mediengesetz - in der Präambel: Mehrheit (Volksgemeinschaft schützenswert)Redakteur_Innen mit rechtsextremen Ansichten kamen in Spitzenpositionen,Medien fast vollständig gleichgeschaltet, seit 2018 Finanzierung durch Medienholding.

3.) Ablösung der gültigen Verfassung durch das Grundgesetz (in Kraft seit 2012).Gundgesetz, weil --> im Hintergrund die sog. Historische Verfassung (nämlich der Neomythos der „Lehre der Heiligen Ungarischen Krone“; vermeintlich Tausend Jahre alt, weiterhin und immerwährend gültige Grundlage der Gesetzlichkeit).