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2.1 Informationsfunkt ion www.uni-graz.at/iufwww/EU www.wiwi.uni-frankfurt.de/ Professoren/Ewert/EU Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten.

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Page 1: 2.1 Informationsfunktion   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.1

Informationsfunktion

www.uni-graz.at/iufwww/EUwww.wiwi.uni-frankfurt.de/Professoren/Ewert/EU

Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten.

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2.2Ziele

Modellierung und Analyse von Informationssystemen

Darstellung grundsätzlicher Einflussfaktoren für die Vorteilhaftigkeit von Informationssystemen im Individualkontext

Darstellung der Wirkungen von Informationssystemen im Mehrpersonenkontext

Aufzeigen von Problemen, optimale Informationssysteme im Rahmen des Mehrpersonen- und Kapitalmarktkontextes zu finden

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2.3Problemstellung

Externe Rechnungslegung Ist ein kapitalmarktorientiertes InformationsinstrumentEnthält Angaben über die wirtschaftliche LageBeeinflusst Erwartungen der AnlegerHat Konsequenzen für Kapitalkosten und

Investitionstätigkeit

Wie aber soll die Rechnungslegung konkret gestaltet werden?

Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, Umfang der geforderten Angaben und Informationen?

Was beeinflusst ganz grundsätzlich den Bedarf an und den Nutzen von Informationen?

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2.4

Entscheidungstheoretische Grundlagen (1)

Nutzen von Informationen ergibt sich nicht durch deren „Konsum“

Wert von Informationen resultiert indirekt durch Verbesserung der Entscheidungen

Präferenzen Entscheidungsfeld

Gewählte Alternative

Zielerreichung (Nutzen)

Informationen

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2.5

Entscheidungstheoretische Grundlagen (2)

EntscheidungsfeldAktionsraum A mit a AZustandsraum mit Verteilung F mit Wahrscheinlichkeiten f()Ergebnisfunktion x(a, )

PräferenzenNutzenfunktion U(x) des Entscheidungsträgers

Maximierung des Erwartungsnutzens

,EU a U x a f

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2.6

Entscheidungstheoretische Grundlagen (3)

Optimale Entscheidung

maxa A

EU a EU a

•Beispiel: Drei gleichwahrscheinliche Zustände, Nutzenfunktion U(x) = x

Aktion 1

2

3

a 1 30 20 20

a 2 10 22 16

a 3 8 25 35

1 mit 4,807a a EU a

1

130 20 20 4,807

3EU a

2

110 22 16 3,951

3EU a

3

18 25 35 4,582

3EU a

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2.7Informationssysteme

Basisinformationen des Entscheiders sind in f() Beschaffung zusätzlicher Informationen beinhaltet

den Erhalt eines Signals y Y

•Neue signalbedingt optimale Entscheidung:

arg maxa A y

a y EU a y

Erhalt von y

Neue Wahrscheinlichkeiten f(y)

Geänderte Erwartungsnutzen EU(ay)

•Interpretation

Page 8: 2.1 Informationsfunktion   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.8Interpretation der Signale

Voraussetzung für eine ErwartungsänderungSystematische Beziehung zwischen den Zuständen und den

Signalen yDiese Beziehungen sind regelmäßig stochastisch

Die Beziehungen werden in sogenannten Likelihoods f(y) ausgedrückt

Sie geben an, mit welcher Wahrscheinlichkeit man das Signal y erhalten wird, wenn der tatsächlich eintretende Zustand ist

In den Likelihoods spiegelt sich das Wissen um die Eigenschaften des Informationssystems wider

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2.9Vollkommene Information (1)

Zustände Signale

1

2

3

1y

2y

3y

•Ausgangspunkt: Obiges Beispiel mit drei gleichwahrscheinlichen Zuständen

•Informationssystem hat folgende Signale

1 2 3, ,Y y y y

Jeder Zustand ist also umkehrbar eindeutig mit einem bestimmtenSignal verbunden!

Eindeutiger Rückschluss vom Signal auf den Zustand möglich!

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2.10Vollkommene Information (2)

•Likelihoods

1, 0 1,2,3j j i jf y f y i j j

Zustände

Signal 1

2

3

y1 1 0 0

y2 0 1 0

y3 0 0 1

•Daraus erhält man zB für die Wahrscheinlichkeit f(y1)

1 1 1 2 3 11 0 0j

jjf y f y f f f f f

•Entsprechend folgt

2 2 3 3f y f f y f

Page 11: 2.1 Informationsfunktion   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.11Vollkommene Information (3)

Die Erwartungsrevision zu den a posteriori-Wahrscheinlichkeiten f(y) ergibt sich allgemein aus dem Bayes-Theorem

f y f f y ff y

f y f y f

Im Beispiel führt dies für y1 auf

1 2 31 1 2 1 3 1

1 1 1

1 0 01; 0; 0

f f ff y f y f y

f f f

1 2 2 2 3 2

1 3 2 3 3 3

0; 1; 0

0; 0; 1

f y f y f y

f y f y f y

Die anderen a posteriori-Wahrscheinlichkeiten sind analog

Page 12: 2.1 Informationsfunktion   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.12Partitionierung und InformationPartitionierung

Gegeben sei eine Menge M und ein System von Teilmengen Ti M (i = 1,...,n). Die n Teilmengen bilden eine Partitionierung der Menge M, wenn sie paarweise disjunkt sind und ihre Vereinigung gerade der Menge M entspricht:

, 1, , ;i jT T i j n i j

ii

T M

Sei etwa M = {a,b,c, d}. Partitionierungen von M sind zB T1 = {a,b}, T2 = {c,d}, ebenso T1 = {a,d}, T2 = {b,c}. Keine Partitionierungen wären dagegen T1 = {a,b}, T2 = {d} (die Vereinigung beider Teilmengen ergibt nicht M) oder T1 = {a,b,c}, T2 = {b,c,d} (die beiden Teilmengen sind nicht disjunkt).

Der Erhalt von Informationen kann als Partitionierung aufgefasst werden:Nach Empfang von y ist nur noch eine Teilmenge von relevant!

Im obigen Beispiel mit vollkommener Information gilt etwa

1 2 3

1 2 3, ,y y y

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2.13Unvollkommene Information (1)

Beziehung zwischen Signalen und ZuständenJeder Zustand ist eindeutig mit einem bestimmten Signal

verknüpftEs gibt aber mehrere Zustände, mit denen das gleiche Signal

verbunden istDaher keine umkehrbar eindeutige Beziehung

Verdeutlichung

Zustände Signale

1

2

3

1y

2y

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2.14Unvollkommene Information (2)Die Likelihoodstruktur für dieses System ist

Zustände

Signal 1

2

3

y1 1 1 0

y2 0 0 1

Daraus erhält man die Partitionierung

21

1 2 3, ,yy

Die revidierten Erwartungen gemäß Bayes-Theorem sind daher

1 21 1 2 1 3 1

1 2 1 2

1 2 2 2 3 2

; ; 0

0; 1

f ff y f y f y

f f f f

f y f y f y

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2.15Allgemeine Partitionsdarstellung (1)Informationssystem wird aufgefasst als Funktion von Zuständen in Signale

y Y

Mit jedem Signal ist daher eine Teilmenge von Zuständen verbunden

y y Y

Die Likelihoods ergeben sich dabei generell wie folgt

1 ; 0 sonstf y y f y

Dies ergibt die Partitionierung

, ;i jy

y y i j y

Page 16: 2.1 Informationsfunktion   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.16Allgemeine Partitionsdarstellung (2)

Man erhält daher das Signal y mit folgender Wahrscheinlichkeit

y

f y f

Und die Erwartungsrevisionen ergeben sich allgemein wie folgt

für

0 sonst

y

fy

ff y

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2.17

Vorteil von (kostenlosen) Informationen - Überblick

Ohne Information Entscheider hat

Aktionsraum A Er besitzt Erwartungen

gemäß der Verteilung F Er wählt die optimale

Aktion a* Zielerreichung EU(a*)

Mit Information Entscheider erhält Signal y Sein Aktionsraum ist A(y) Seine neuen Erwartungen

sind F(y) mit f(y) Er wählt die signalbedingt

optimale Aktion a*(y) Signalbedingte

Zielerreichung EU(a*(y)y)

Ermittlung des Wertes des

Informations-systems EU[Y]

Information y erlangt

Erwartungs-revision auf

EU[a y]

Entscheidung a

Ergebnis

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2.18Signalbedingte Entscheidungen

Nach dem Erhalt von y resultiert bei Wahl einer Aktion a der Nutzen

1, ,

y

EU a y U x a f y U x a ff y

Die signalbedingt optimale Entscheidung ergibt sich aus

arg maxa A y

a y EU a y

Beim Individualkontext wird typischerweise unterstellt

A y A y

Die Verwendung des Informationssystems lohnt sich genau dann, wenn gilt

y

EU Y f y EU a y y EU a

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2.19

Vorteil von Informationen im Individualkontext (1)Erwartungsnutzen EU(Y) bei beliebiger Strategie a(y)

,y Y y Y y

EU Y f y EU a y y U x a y f

Gilt stets a(y) = a* (bei A(y) = A immer möglich), folgt

, ,

y Y

y Y y

EU Y a y a f y EU a y

U x a f U x a f EU a

Man kann sich also nie verschlechtern, weil der Status Quoohne Information stets erreichbar ist!

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2.20

Vorteil von Informationen im Individualkontext (2)

Wählt man dagegen für wenigstens ein Signal y´ eine von a*abweichende Aktion a*(y´), so muss gelten

EU a y y EU a y

Daraus folgt dann für die Differenz der Erwartungsnutzen

0EU Y EU a f y EU a y y EU a y

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2.21Beispiel

•Drei gleichwahrscheinliche Zustände, Nutzenfunktion U(x) = x

Aktion 1

2

3

a 1 30 20 20

a 2 10 22 16

a 3 8 25 35

(a*=a1 mit EU(a*)=4,807)

Informationssystem sei

1 2

1 2 3, ,y y

Offenbar ist a*(y1) = a1. Beim Erhalt von y2 ergibt sich a*(y2) aus:

1 2

120 20 4,472

2EU a y

2 2

122 16 4,345

2EU a y

3 2

125 35 5,458

2EU a y

2 3a y a

1 25,477 5,458 5,464 4,807

3 3EU Y EU a

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2.22

Informationsumfang Konzept

Fragestellung: Ist mehr (kostenlose) Information stets besser als weniger (kostenlose) Information?

Problem: Präzisierung des Informationsumfangs Idee

Angenommen, man hat zwei Informationssysteme Y und Yf

Das System Yf beinhaltet mehr Information als Y, wenn man für jedes Signal yf Yf exakt angeben kann, welches

Signal y Y man erhalten hätte, so dass man letztlich beim System Yf stets mindestens so viel

weiß wie beim System Y, regelmäßig aber die Zustände noch genauer eingrenzen kann,

was impliziert, dass die mit Yf verbundene Partitionierung „feiner“ ist als diejenige von Y

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2.23Partitionierung und Feinheit (1)Folgende beiden Informationssysteme sollen verglichen werden:

Zustände System Y

1

2

31y

2y4

System Y f

1fy

2fy

3fy

1 1 2 3 2 4, ,y y 1 1 2 2 3 3 4,f f fy y y

1 1 2 1

1 2 1 2 1

, ,

,

f f

f f f f

y y y y

y y y y y

Yf beinhaltet weitere Partitionierung der Teilmenge (y1):

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2.24Partitionierung und Feinheit (2)

Allgemeine Definition der FeinheitsrelationEin System Yf ist genau dann feiner als ein System Y, wenn es

zu jedem Signal yf aus Yf ein Signal y des Systems Y gibt, so dass (yf) eine Teilmenge von (y) ist:

: mitf f fy Y y Y y y

Folgende beiden Systeme lassen sich zB nicht danach ordnen:

Zustände System Y

1

2

31y

2y4

System Y n

1ny

2ny

3ny

3 1 3 2undn ny y y y

1 1 2 1undn ny y y y

Aber:

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2.25Feinheitstheorem

Feinheitstheorem (Blackwell-Theorem)Seien zwei (kostenlose) Informationssysteme Yf und Y gegeben,

wobei Yf feiner als Y ist. Dann ist im Rahmen einer Individualanalyse die Zielerreichung bei Yf mindestens so groß wie diejenige bei Y, dh: EU*(Yf) EU*(Y).

Beweis Analog zur Vorteilhaftigkeit eines (einzelnen) kostenlosen

InformationssystemsEs ist wegen A(y) = A und A(yf) = A beim System Yf stets der

Status Quo des Systems Y erreichbarWird also eine Teilmenge (y) durch mehrere yf weiter

partitioniert, so kann man für jedes dieser yf stets a*(y) wählen und erzielt die gleiche Zielerreichung wie bei y.

Weicht man für wenigstens ein yf davon ab, dann nur deswegen, weil man dort einen höheren Nutzen erzielt

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2.26Aspekte des Feinheitstheorems

Eigenschaften Feinheitstheorem gilt für Individualkontext (A(y) = A) Informationskosten werden nicht betrachtetAnsonsten gilt es problemunabhängig, dh

für beliebige Nutzenfunktionen für beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilungen für beliebige Aktionsräume und Ergebnisfunktionen

Feinheitstheorem knüpft rein an Eigenschaften von Informationssystemen an

Allerdings können nicht alle Informationssysteme gemäß der Feinheitsrelation geordnet werden

Page 27: 2.1 Informationsfunktion   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.27Informationskosten (1)

Einsatz eines Informationssystems typischerweise nicht kostenlos

Allgemein können die Informationskosten k vom System Y, der gewählten Aktion a und dem Zustand abhängen, dh k = k(Y,a,)

Der signalbedingte Erwartungsnutzen bei Wahl einer Aktion a ist dann:

, , ,

1, , ,

k

y

EU a y U x a k Y a f y

U x a k Y a ff y

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2.28Informationskosten (2)

Zielerreichung beim Einsatz des Systems Y beträgt

kk ky Y

EU Y f y EU a y y

Der Einsatz von Y lohnt sich genau dann, wenn gilt

kEU Y EU a

Bei Risikoneutralität und aktionsunabhängigen Kosten folgt

, ,

1, , ,

k

y

EU a y x a k Y f y

x a k Y f x a y k Y yf y

Informationskosten beeinflussen die Aktionswahl nicht!

Page 29: 2.1 Informationsfunktion   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.29Informationskosten (3)

Zielerreichung des Entscheiders

,

,

ky Y

y Y

EU Y f y x a y y k Y y

f y x a y y k Y EU Y k Y

Einsatz von Y genau dann vorteilhaft, wenn

EU Y EU a k Y

„Informationsinduzierte Bruttoverbesserung des Erwartungsnutzensmuss die erwarteten Informationskosten übersteigen“

(Diese Formulierung gilt unter allgemeineren Bedingungen aber nicht mehr)

Page 30: 2.1 Informationsfunktion   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.30Mehrpersonenkontext

Die externe Rechnungslegung wendet sich an eine Vielzahl von Personen

Ihnen gehen die Informationen gemeinsam zu Die Entscheidung über „gute“ Varianten der

Rechnungslegung muss dies berücksichtigen Relevante Aspekte sind insbesondere

Probleme eines Standardsetters bei der Auswahl von Informationssystemen

Wert von Informationssystemen bei Handlungsverbundenheit im Kapitalmarktkontext

Potenzielle Unterschiede zwischen den Kriterien „Entscheidungsnützlichkeit“ und „Anreiznützlichkeit“

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2.31Probleme eines Standardsetters

Wie kann ein Standardsetter unter dem Aspekt der Entscheidungsnützlichkeit das „allgemein optimale“ Informationssystem finden?

Antwort: Allgemein gar nicht! Begründung

Die Parameter der individuellen Entscheidungsprobleme (Nutzenfunktionen, Erwartungen, Aktionsräume...) können sehr unterschiedlich sein

Selbst bei Vernachlässigung der Kosten ist Feinheitskriterium nicht anwendbar, weil sich nicht alle Informationssysteme danach ordnen lassen

Eine Entscheidung über derart nicht vergleichbare Systeme hängt aber vom spezifischen Entscheidungskontext ab

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2.32BeispielZwei Investoren mit jeweils U(x) = x und folgenden Entscheidungsproblemen:

(die Zustände sind gleich wahrscheinlich)

Aktion 1

2

3

a 1 30 20 20

a 2 10 22 16

Investor 1

11a I a

Aktion 1

2

3

a 2 10 22 16

a 3 8 25 35

Investor 2

32a I a

Zwei (gemäß Feinheit nicht vergleichbare) Informationssysteme stehen zur Wahl:

1 1 3 2 2 1 2 3: , , : , ,Y Y

Investor 1:

- würde gerne genau wissen, ob 2 vorliegt, - weil er dann stets die Aktion wählen kann, die zum höchsten zustandsbedingten Ergebnis führt,- so dass er System Y1 präferiert,- während Y2 für ihn völlig wertlos ist

Investor 2:

- würde gerne genau wissen, ob 1 vorliegt, - weil er dann stets die Aktion wählen kann, die zum höchsten zustandsbedingten Ergebnis führt,- so dass er System Y2 präferiert,- während Y1 für ihn völlig wertlos ist

Page 33: 2.1 Informationsfunktion   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.33Folgerungen

Ohne InformationskostenStandardsetter müsste sich für einen Investor entscheidenDer jeweils andere wird aber nicht schlechter gestellt (für

jeden Investor gilt immer noch A(y) = A)Ausweg: Sind die Systeme kostenlos, könnte man einfach

beide zur Verfügung stellen (muss feiner sein als jedes einzelne System und daher für jeden Investor besser)

Mit InformationskostenBeurteilung kann generell nicht unabhängig vom konkreten

Entscheidungsproblem vorgenommen werdenObige Lösung ist schon a priori nicht mehr plausibelStandardsetter kennt zudem die Parameter der individuellen

Probleme nicht, müsste sich aber selbst bei deren Kenntnis für bestimmte Investoren entscheiden

Dies kann andere Investoren streng benachteiligen

Verteilungseffekte

Page 34: 2.1 Informationsfunktion   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.34

Handlungsverbundenheit an Kapitalmärkten

ProblemDie Informationen ändern Erwartungen und EntscheidungenDaraus ergeben sich veränderte MarktpreiseDiese sind ihrerseits Determinanten der AktionsräumeMan kann nicht mehr von A(y) = A ausgehen

Entscheidungen der Anleger

Präferenzen

Erwartungen

Aktionsräume

Marktpreise

Informationen

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2.35Portefeuillemodell - AnnahmenEinperiodiger Markt

Ein risikobehaftetes Wertpapier mit Preis P

Überschuss (Endwert) am Periodenende x = µ + Störgröße normalverteilt mit Erwartungswert 0 und Varianz σ2

Erwartungswert der Überschüsse daher E(x) = µ

I Investoren, homogene Erwartungen, ai = Anteile von Investor i am

risikobehafteten Wertpapier

bi = Betrag, den Investor i sicher zum Zinssatz 0 investiert

Nutzenfunktion negativ exponentiell: Ui(Wi) = -exp(-ri·Wi)

Wi = unsicheres Endvermögen = ai·x + bi

Endvermögen Wi normalverteilt, daher Orientierung am

Sicherheitsäquivalent SÄ möglich 1

2i i i iSÄ W r Var W

Page 36: 2.1 Informationsfunktion   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.36Lösung ohne Information (1)

Budgetrestriktion eines Investors bindet im Optimum

i i i ia P b m P b i i i ib P m a b

Für den Endwert erhält man

i i i i i iW a x b a x P m P b

Sicherheitsäquivalent

2 21 1

2 2i i i i i i i i iSÄ W r Var W a P m P b r a

Optimaler Wertpapierbestand

22

0ii i i

i i

SÄ PP r a a

a r

Page 37: 2.1 Informationsfunktion   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.37Lösung ohne Information (2)

Im Gleichgewicht muss der Markt geräumt sein

i ii i

a m M

Einsetzen der optimalen Politiken erbringt

12 2 2i i

i i ii

R

P P Pa r R M

r

Dies lässt sich nach dem Preis P auflösen

1 2P R M

Page 38: 2.1 Informationsfunktion   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.38Lösung ohne Information (3)

Einsetzen von P in die Lösung für die Politiken führt auf

11

1i

ii i

i

rM Ra M

r r

Sicherheitsäquivalent im Gleichgewicht

2

2

2i

i i i i i i

aSÄ m b r a m

Page 39: 2.1 Informationsfunktion   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.39

Bereitstellung perfekter Information

Die Anleger erhalten vor dem Handel folgende Signale y:

y x

E r w a r t u n g s r e v i s i o n b e i n o r m a l v e r t e i l t e n Z u f a l l s v a r i a b l e n

A n g e n o m m e n , z w e i n o r m a l v e r t e i l t e Z u f a l l s v a r i a b l e n w e r d e n w i e f o l g t d e f i n i e r t :

2,x xx N

2,y yy N

D e r K o r r e l a t i o n s k o e f f i z i e n t l a u t e t , x yC o v x y .

D a n n f o l g t a u s d e r T h e o r i e b i v a r i a t n o r m a l v e r t e i l t e r Z u f a l l s v a r i a b l e n f o l g e n d e B e z i e h u n g f ü r d i e b e d i n g t e n E r w a r t u n g s w e r t e u n d V a r i a n z e n :

2

,Ε x

x y x yy y

C o v x yx y y y

2

2 2 22

,1x x

y

C o v x yV a r x y

F ü r v o l l k o m m e n e I n f o r m a t i o n v o n y ü b e r x g e m ä ß o b i g e m A u s d r u c k g i l t :

2 2 2,x y x y u n d 2, ,C o v x y C o v . E i n s e t z e n i n d i e

a l l g e m e i n e n A u s d r ü c k e e r b r i n g t

Ε u n d 0x y y V a r x y

Page 40: 2.1 Informationsfunktion   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.40Lösung mit Information (1)

Nach Erhalt von y ist kein Risiko mehr vorhanden, daher folgt für SÄ

i i i iSÄ y a y P y m P y b

Signalbedingt optimaler Wertpapierbestand

0i

i

SÄ yy P y P y y

a

- Marktpreis ist perfekt mit der Information y korreliert- Keine Risiken mehr nach Erhalt von y- Daher eigentlich kein Grund mehr zum Handeln am Markt aus Gesichtspunkten der Risikoteilung- Verbleibender Handelsgrund: Unterschiedliche Anfangsausstattungen- Dieses Motiv wird wegen der obigen Preiseigenschaft ausgehebelt- Beim gleichgewichtigen Preis ist ein Handel für jeden Investor faktisch egal

Page 41: 2.1 Informationsfunktion   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.41Lösung mit Information (2)Nach Erhalt von y hat jeder Anleger daher ein sicheres Endvermögen,das faktisch alleine von seiner Anfangsausstattung abhängt:

i i i i iSÄ y m y b m b

- Vor dem Erhalt von y besteht aber (Informations-) Risiko- Ex ante ist das Endvermögen weiterhin normalverteilt

Sicherheitsäquivalent dieses risikobehafteten Vermögens

2 21

2Yi i i i iSÄ m b r m

Page 42: 2.1 Informationsfunktion   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.42Lösung mit Information (3)

Vorteil aus dem Einsatz des Informationssystems

2

2 2 2

22 2

22

1

2 2

12

21

02

iYi i i i i i i

i i i i i

i i i

aSÄ SÄ r m r a m

r a m a m

r a m

- Kein Anleger kann sich wirklich verbessern- Jeder, der ohne Information handeln würde, erfährt eine echte informationsinduzierte Nutzeneinbuße

„Informationsablehnungstheorem“

Page 43: 2.1 Informationsfunktion   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.43Diskussion Auf den ersten Blick günstige Informationslage

Information y kommt vor dem Handel an den MarktMan kann daher darauf reagierenDie Information ist vollkommen und eliminiert jegliches RisikoAußerdem ist sie kostenlos verfügbar

Wäre im Individualkontext hinreichend für maximalen Informationswert

Im Marktkontext diametral umgekehrtRisikovernichtung gilt ja nur ex post, nicht aber ex anteDas ex ante verbleibende Informationsrisiko ist jetzt wegen der ex

post-Preise P(y) nicht mehr am Markt handelbarEs entspricht aber faktisch dem ursprünglichen Risiko σ2, welches

ohne Information durch Handel geteilt worden wäreDaher kann die Information niemandem nützen

Page 44: 2.1 Informationsfunktion   Wagenhofer/Ewert 2003. Alle Rechte vorbehalten

2.44Relativierungen Zeitliche Struktur des Problems

Modell enthielt keine Möglichkeit zum Handel vor InformationErfassung über sogenanntes „sequenzielles“ MarktregimeDort gilt Informationsablehnung für ein System Y nicht mehrGgf aber noch möglich beim Vergleich mehrerer Systeme

Einbeziehung von Investition und Produktion eröffnet neue Vorteile für Informationen

Private Beschaffung eines Systems YEinzelner Anleger handelt bei gegebenen Preisen gemäß

individuellem Kosten-Nutzen-TradeoffKann dazu führen, dass jeder privat das System Y beschafftGesamtwirkungen wie bei Informationsablehnung, kann aber

nicht wirksam unterdrückt werdenÖffentliche Bereitstellung kann dann effizienter sein

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2.45

Entscheidungsnützlichkeit und Anreiznützlichkeit

Aktuell viele Bestrebungen zur Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen

KostengünstigerMan verspricht sich von einer entscheidungsnützlichen

Bilanzierung zugleich Vorteile für die interne Steuerung

Besonders pointiert bei wertorientierter Steuerung Interne Performancegrößen werden an „Value Relevance“

gemessenKriterium: Korrelation mit Marktpreis bzw Marktrendite

ProblemeZweckmäßige interne Performancegrößen ergeben sich

grundsätzlich aus Prinzipal-Agenten-BetrachtungenFührt dies zwingend zur gleichen Beurteilung wie nach der

Entscheidungsnützlichkeit?

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2.46Ein LEN-Modell

Spezifisches Agency-Modell: LEN-Modell Annahmen

Risikoneutraler PrinzipalRisikoscheuer Agent, (negativ) exponentielle Nutzenfunktion

mit Risikoaversionsparameter rNur lineare Entlohnungskontrakte, die an (noch zu

bestimmende) Performancegrößen y anknüpfenErgebnis x ist unbeobachtbar, kann also nicht direkt zur

Anreizsetzung verwendet werdenEs lässt sich zB interpretieren als der Barwert künftiger Überschüsse

Ergebnis ist normalverteilt mit

2mit 0,x a N

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2.47Lösung (1)Die erste betrachtete Performancegröße sei eine risikobehafteteMessung des Ergebnisses x

21 0, , , 0y a N Cov

Sie ist ein unverzerrter Schätzer der Arbeitsintensität mit einemgegenüber dem Ergebnis höherem Risiko

1y a x 2 2 21Var y Var x

Im Rahmen der LEN-Struktur ergibt sich für den Prinzipalfolgende Zielerreichung bei der optimalen Lösung

2 21

1 1

2 1 2 1r Var y r

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2.48Lösung (2)Alternativ steht folgende Performancegröße zur Wahl

22 0, , , 0y a N Cov

Für sie gilt gleichfalls

2y a x

Zielerreichung für den Prinzipal

22

1 1

2 1 2 1r Var y r

Diese Größe ist genau dann besser als y1 wenn

2 2 22 1Var y Var y

(Davon wird im Folgenden ausgegangen)

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2.49Verbindung zum Marktkontext

Einfaches „overlapping generations“-SzenarioRisikoneutrale Anleger kennen den vom Prinzipal implementierten

Entlohnungskontrakt, die gewählte Performancegröße sowie deren Realisierung am Periodenende

Preis P(y) entspricht dem erwarteten Barwert der künftigen Überschüsse

Anleger revidieren ihre Erwartungen nach Beobachtung von y

Prinzipal bietet Vertrag s() an;

Agent akzeptiert; Vertrag s() wird bekannt gegeben

Aktion a y realisiert Prinzipal zahlt s(y)

Prinzipal ver- kauft Unter-

nehmen an neue Eigner

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2.50Preise und Erwartungsrevisionen (1)

Bei Verwendung von y1 folgt für den Preis

2 21

1 1 1 1 1 1 12 2 2 21

,Cov x yP y x y a y a a y

Var y

Ex ante folgt für den erwarteten Marktpreis

1 1 1P y x y a

Bezüglich der „Value Relevance“ ergibt sich ein positiver Wert wegen

2 2

21 1 1 1 12 2 2 2, , 0Cov y P y Cov y y Var y

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2.51Preise und Erwartungsrevisionen (2)

Die Größe y2 ist dagegen nicht mit dem Ergebnis x korreliert

2 2 2, , , 0Cov x y Cov a a Cov

Es findet daher auch keine Erwartungsrevision statt

2

2 2 2 2 22

,Cov x yx y a y a a

Var y

Daher ergibt sich auch keine Preisänderung

2 2 2 2P y x y a P y

Ebenso wäre keinerlei „Value Relevance“ vorhanden

2 2 2 2, , 0Cov y P y Cov y a

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2.52Implikationen Anreiznützlichkeit

Performancegröße y2 ist offenbar optimalGeringeres Risiko als y1, daher geringere RisikoprämieErmöglicht höhere ArbeitsintensitätFührt zu höherem ex ante Marktwert als y1 trotz nicht

vorhandener Value Relevance

EntscheidungsnützlichkeitNur Performancegröße y1 kann entscheidungsnützlich aus

Sicht der Anleger seinSie gibt Informationen über „bewertungsrelevante“ AspekteDie Größe y2 beinhaltet keine diesbezüglichen Informationen

FazitEs handelt sich um grundsätzlich unterschiedliche KonzepteFunktion der Rechnungslegung bestimmt die Bewertung

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2.53Folgerungen für Standardsetter Präzisierung der Funktion der Rechnungslegung Beachtung des Mehrpersonenkontextes

Distributionseffekte verhindern Standards, die einmütig als optimal gelten können (ggf sogar Informationsablehnung)

Abschätzen der Verteilungswirkungen erfordert Kenntnisse der individuellen Entscheidungsprobleme

Diese sind realiter kaum zu erheben Man agiert faktisch „im Nebel“ Umgekehrt kann mit geeigneter Argumentation fast alles

begründet werden

Ausweg: Typisierung der AnlegerproblemeProblem: In welche konkrete Richtung?

Ergänzung durch empirische Forschung zur Abschätzung der Kapitalmarktkonsequenzen