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UNIVERZITÄT BIHAĆ PÄDAGOGISCHE FAKULTET DEUTSCHE SPRACH- UND LITERATURWISSENSCHAFT Das Wort als sprachliche Einheit (Seminararbeit)

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Page 1: 1.Das Wort Als Sprachliche Einheit- Jasna

UNIVERZITÄT BIHAĆ

PÄDAGOGISCHE FAKULTET

DEUTSCHE SPRACH- UND LITERATURWISSENSCHAFT

Das Wort als sprachliche Einheit

(Seminararbeit)

Grozdanić Jasna

Bihać, 2011

Page 2: 1.Das Wort Als Sprachliche Einheit- Jasna

Einleitung

0. Einführung........................................................................................................................4

1. Probleme einer Wortdefinition..........................................................................................5

2. Kriterien zur Abgrenzung von Wörtern............................................................................7

2.1. Phonetisch/phonologisches Kriterium......................................................................7

2.2. Orthografisches Kriterium........................................................................................7

2.3. Morphologisches Kriterium......................................................................................7

2.4. Syntaktisches Kriterium............................................................................................8

2.5. Semantisches Kriterium............................................................................................8

3. Klassifikation....................................................................................................................8

4. Aufbau von Wörtern.........................................................................................................9

5. Das Wortformativ...........................................................................................................10

6. Auftreten von Polysemie................................................................................................11

6.1. Beispiele für Polysemie..........................................................................................12

6.2. Beispiele für Homonymie.......................................................................................13

7. Leeres Morph..................................................................................................................13

8. Der Wortstamm..............................................................................................................14

8.1. Stamm als morpholodische Basis...........................................................................15

9. Die Worthülse.................................................................................................................16

10. Einsilber........................................................................................................................16

10.1. Vorkommen in Texten und Wörterbüchern.........................................................17

11. Fuge und Fugenelement................................................................................................18

12. Fragen............................................................................................................................19

13. Antworten......................................................................................................................19

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0. Einführung

Die Wortbildung untersucht und beschreibt Verfahren und Gesetzmäßigkeiten bei der

Bildung neuer komplexer Wörter (Lexeme) auf der Basis schon vorhandener sprachlicher

Mittel. Hierfür werden sprachliche Elemente wie einfache und

komplexe Wörter, Morpheme, Affixe und Fugenelemente eingesetzt. Sie ist also eine

Möglichkeit der Wortschatzerweiterung.

Weitere Arten der Wortschatzerweiterung sind Entlehnung,

Bedeutungswandel und Neuschöpfung. Die Wortbildung ist neben Bedeutungswandel und

Entlehnung eines der Hauptverfahren der Bezeichnungsfindung beziehungsweise des

Bezeichnungswandels; diese sind Untersuchungsgegenstand der Onomasiologie.

Hauptverfahren im Deutschen zur Bildung neuer Wörter ist die Neukombination

vorhandener Wörter oder besonderer Wortbildungselemente.

Im Einzelnen beschäftigt sich die Wortbildungslehre mit den Arten, Modellen und Mitteln

der Wortbildung: diachronisch als Prozess, synchronisch als Ergebnis. Neben

traditionellen, auf das Sprachsystem ('langue') bezogenen Fragestellungen, kristallisiert

sich gegenwärtig eine stärker am Sprachgebrauch ('parole') orientierte Forschungsrichtung

heraus.

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Das Wort als sprachliche Einheit

1. Probleme einer Wortdefinition

„Weil es trotz hunderter bestehender Definitionen des Wortes, bisher nicht gelungen ist,

eine nach allen Seiten befriedigende Definition zu erreichen, haben viele zeitgenössische

Linguisten bei ihrer Sprachanalyse diesen seit alters bekannten und gebrauchten Begriff

zugunsten des Morphems völlig aufgegeben. Alle bisher vorgebrachten Argumente gegen

das Wort vermögen noch viel weniger zu überzeugen, als die Erklärung für das Wort”

(Lehnert, 1969: 47f )

Wörter fassen wir als sprachliche Zeichen auf, sie sind Mittel der Kommunikation und der

Kognition. Humbold betonte die Erkenntnisfunktion der Sprache: „Durch die gegenseitige

Abhängigkeit des Gedankens und des Wortes voneinander, leuchtet es klar ein, dass die

Sprachen nicht eigentlich Mittel sind, die schon erkannte Wahrheit darzustellen, sondern

weit mehr, die vorher unerkannte zu entdecken”. (Humboldt, 1820: 24 ).

Jeder könnte ohne langes Nachdenken auf die Aufforderung, Wörter zu nennen, die

Farben bezeichnen , eine Liste solcher Wörter wie grün, gelb, rot, blau zusammenstellen;

jeder könnte Wörter aufzählen, die einander ersetzen können, wie laufen und gehen, klug

und intelligent, Gebäude und Bauwerk, die eine ,,Gegenbedeutung” haben wie klug und

dumm, nah und fern, Vater und Mutter. Dass es Wörter gibt, ist eine unserer

elementarsten Erfahrungen. Zu den ersten Fragen des Kindes nach den ,, Dingen” gehört

die Frage nach ihrer Benennung. Mit ,,Was ist das?” und „Wie heißt das?” erfragen wir

die gesellschaftlich visuellen Benennungen und Verallgemeiunerungen, die Auffassungen

der Menschen von den Dingen. Das Individuum gleicht seinen Wortschatz schrittweise

dem der Sprachgemeinschaft an, bildet seine Sprachkompetenz aus. Worterfahrung

gewinnen wir auf einem weiteren Weg. Verstehen wir eine Äußerung nicht, so sind uns

abgesehen von akuistischen Schwierigkeiten, meist die Wortbedeutungen nicht bekannt.

Noch eine weitere Erfahrung macht schon das Kleinkind. Es lernt, welche Wörter in einer

Situation angemessen sind, welche als „gute” , welche als „schlechte” Wörter gelten. In

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der Kommunikation erwerben wir Gebrauchsbedingungen, die Gebote und Verbote für

jedes einzelne Wort. Diesen Lernprozess vollziehen wir auch im Erwachsenenalter. Wir

erwerben Fachwörter, kommunikative Varianten, bestimmte Kommunikationspläne und

Strategien. Im Mittelalter zeugen Euphemismen, Hüllwörter davon, dass man sich scheute

Dinge beim Namen zu nennen, um nicht von ihnen gestraft zu werden. So gibt es für

Teufel viele verhüllende Bennenungen; der Schwarze, der Pferdefuß, der Böse.

Wörter sind Benennungseinheiten für Gegenstände, Prozesse, Handlungen, Merkmale,

Zustände usw. Sie haben eine nominative Funktion.

Wörter haben eine relativ selbständige Bedeutung, sie haben eine semantische Funktion.

Wörter existieren als System- und Textwort. In der sprachlichen Tätigkeit wird das Wort

abgewandelt, verändert, geformt, tritt u. U. in einer formativischen oder semantischen

Variante, in einer grammatischen Form auf. Wörter sind aus dem Redestrom oder

Schrifttext isolierbare Einheiten, die aufgezählt, aufgelistet, nach dem Formativ

alphabetisch oder nach der Bedeutung geordnet werden können. Als Einheiten des

Systems haben sie grammatische Eigenschaften, auf denen die Fügungspotenzen beruhen.

Wörter lassen sich nach formalen und/oder inhaltlichen Kriterien zu Klassen ordnen, z.B.

werden Wörter mit den Suffixen –ig, -lich, -bar, -ung, -heit, -schaft, -ieren, bestimmten

Wortbildungsarten oder Wortklassen zugeordnet. Man kann verschiedene Arten von

Wörtern unterscheiden: Wörter die benennen und begrifflich verallgemeinern, Wörter die

Beziehungen zwischen sprachlichen Einheiten herstellen und so der Organisation von

Texten dienen; Wörter mit denen wir Einstellungen kundtun, appellieren, kommunikative

Handlungen vollziehen, ohne dass wir mit diesen Einheiten benennen und

verallgemeinernde Wörter haben auch eine grammatische Bedeutung,

Beziehungsbedeutung, haben somit Anteil an der Textgestaltung.

2. Kriterien zur Abgrenzung von Wörtern

Muttersprachler glauben oft, durch ihr Sprachgefühl ein intuitives Verständnis davon zu

haben, was in ihrer Sprache ein Wort ausmacht; die Sprachwissenschaft aber tut sich

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damit schwer, allgemeingültige Kriterien zur Abgrenzung von Wörtern zu finden. Je nach

Blickwinkel sind verschiedene Kriterien möglich, die je nach theoretischem Hintergrund

und Erkenntnisinteresse miteinander kombiniert oder ergänzt werden:

2.1. Phonetisch/phonologisches Kriterium

Wörter sind Lautfolgen, die durch Grenzsignale wie zum Beispiel Pausen voneinander

abgehoben sind. Im Deutschen hat jedes Wort genau eine Hauptakzentstelle. Nach dem

phonetischen Kriterium würden auch Laute wie "Äh" usw. zu den Wörtern gezählt.

2.2. Orthografisches Kriterium

Ein Wort ist eine Buchstabengruppe zwischen zwei Trennzeichen, meistens Leerzeichen.

Diese Definition schließt Orthografien ohne Trennzeichen sowie Sprachen ohne

Schrifttradition aus und ist stark vom Wandel der Orthografie abhängig.

2.3 Morphologisches Kriterium

Ein Wort ist eine möglichst kleine sprachliche Einheit, die eine Bedeutung trägt und frei

vorkommen kann. In dieser Definition entspricht „Wort” etwa einem freien Morphem, das

aber durch Prä - oder Suffixe erweitert sein kann (Bsp: Herr, herrlich, verherrlichen). Ein

so definiertes Wort kann mit Flexionsendungen versehen werden, wodurch man die

Wortformen dieses Wortes erhält (zum Beispiel Frau, Frauen; laut, lauter, mache,

machst, macht etc.).

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2.4 Syntaktisches Kriterium

Wörter sind Einheiten, die sich innerhalb eines Satzes verschieben, durch andere

austauschen und durch das Einfügen weiterer Wörter voneinander trennen lassen.

Problematisch an dieser Definition ist, dass man mit diesem Kriterium Wortformen wie

Frau und Frauen nicht als zusammengehörig bestimmen kann. Weitere Probleme werfen

zum Beispiel die trennbaren Verben im Deutschen auf, die sich zwar voneinander trennen

lassen, aber trotzdem als Ganzes ersetzbar sind.

2.5 Semantisches Kriterium

In semantischer Hinsicht sind Wörter kleinste, relativ selbständige Träger von Bedeutung,

die im Lexikon angeführt sind. Die Bedeutung von Wörtern wird aber von ihrem

Äußerungskontext mitbestimmt und ist deshalb nicht ohne weitere Untersuchungen

fassbar. Einigen Wörtern lässt sich keine lexikalische Bedeutung zuordnen, allenfalls eine

grammatische (Funktionswörter)

3. Klassifikation

In der Grammatik werden Wörter nach Wortarten (zum Beispiel Substantiv, Adjektiv,

Verb...) unterschieden und hinsichtlich Satzstellung, Flexion, Tonalität (in Tonsprachen

wie Mandarin-Chinesisch) usw. untersucht.

Es gibt verschiedene Ansätze, Wörter nach Wortarten zu gliedern. Es werden

syntaktische, morphologische und funktionale Kriterien verwendet. Im Wesentlichen geht

die heutige Klassifikation schon auf die Antike (Dionysos Thrax) zurück, hat aber auch

deren Probleme mitgeschleppt.

Für „Wort“ gibt es zwei Pluralformen.

„Wörter” bezieht sich auf die Form bzw. die grammatische Einheit „Wort“.

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„Worte” bezieht sich auf den Inhalt, zum Beispiel für im Sinnzusammenhang stehende

Wörter eines bekannten Ausspruchs. Die Unterscheidung wird inzwischen oft ignoriert.

4. Aufbau

Wörter bestehen aus Morphemen, das sind die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten

im Sprachsystem, in flektierenden Sprachen aus Stamm- und Flexionsmorphem

(Haus+es).

Das Wort „Tische“ zum Beispiel ist aus zwei Morphemen aufgebaut: „Tisch-e“; dabei ist

„Tisch“ der Wortkern mit der Bedeutung „Möbel mit Platte, auf der man etwas tun kann“;

„-e“ ist die Endung mit der grammatischen Bedeutung/Funktion „Mehrzahl/Plural“. Das

Wort „Wälder“ kann ebenfalls in zwei Wortteile „Wäld-er“ zerlegt werden. Bei „Wald -

Wälder“ zeigt sich aber, dass das Morphem, das den Wortkern ausmacht, in zwei

verschiedenen Formen, nämlich „Wald“ (Einzahl/Singular) und „Wäld-“ (im Falle der

Mehrzahl/des Plurals), vorkommt. Genauso hat auch das grammatische Morphem, das die

Bedeutung „Mehrzahl/Plural“ ausdrückt, verschiedene Formen: „-e“ bei „Tisch“, (Umlaut

und) „-er“ bei „Wald“, und noch andere Formen bei anderen Substantiven: „Auto-s“ usw.

Ein Morphem hat immer eine Bedeutung oder grammatische Funktion; es kann entweder

immer in der gleichen Form geäußert werden (Beispiel „Tisch“), oder aber auch mehrere

Formen haben (Beispiel „Wald - Wäld-“ oder im Falle des grammatischen Morphems

„Plural“: „-e, -er, -s“ und noch andere).

5. Das Wortformativ

Das Formativ ist eine korrelaltive linguistische Kategorie. Es ist das verallgemeinerte,

invariante Abbild des Lautkörpers, das der Meterialisation durch Laut oder Schriftzeichen

zugrundeliegt. Formative können entsprechend ihrer phonemischen Struktur gegliedert

werden in Sprechsilben oder in Morphemformative, in Morphe. Die Sprechsilbe als

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Einheit des Redestroms ergibt sich durch Sprechpausen bei intensiver Artikulation als

natürliche Sprecheinheit. So zerfallen die Formative folgender Wörter bei langasamem,

intensivem Sprechen in Silben: ver-gel-ten, Bü-cher, grü-ner. Die Silbe wird offen

genannt, wenn sie vokalisch auslautet, geschlossen, wenn sie konsonantisch schließst. Die

Ortographie der deutschen Sprache verfährt nicht einheitlich, wenn sie die Worttrenung

regelt. Einmal betont sie das Sprachsilbenprinzip: lau-fen, for-men, zum anderen wird

nach Morphemen getrennt: Päd-ago-gik, syn-onym. Die Formative der Wörter lassen sich

unter Berücksichtigung der Bedeutung in Formativkonstituenten, Morphemformative

Morphe glidern, in:

Silben Morpheme

lau-fen lauf-en

ge-stal-ten ge-stalt-en

lü-gen lüg-en

Va-ter Vater

Du lügst du lüg-st

Formative als Signalabbilder liegen der schriftlichen oder mündlichen Zeichengestalt

zugrunde. Diese Entscheidung für schriftliche oder mündliche Materialisation hat

kommunikative Bedeutung. Die mündliche Kommunikation kann Auskunft über Alter,

Geschlecht und den aktuellen psychischen Zustand des Sprechers, über Zorn, Erregung,

Freude, über die regionale Herkunft oder Gebundenheit des Sprechers, seinen Beruf oder

Bildungsstand geben. Vgl. Bühler 1934 über den Symptomwert sprachlicher; über

Mündlichkeit und Schriftlichkeit Antos 1982, ›Deutsche Sprache‹ 1983

Bei Morphemen wie bei Wörtern erhebt sich die Frage nach der Abgrenzung von

Polysemie und Homonymie. Auch hier kann zunächst nur eine Adhoc-Festellung

erfolgen: Wir sprechen dann von Polysemie wenn, es sich um Affixe handelt , die einen

gemeinsamen Bedeutungskern haben und eines oder mehrere variable Merkmale. Das

Präffix ver- tritt an Verben die eine gerichtete bewusste Handlung benennen. Die Art der

Richtung wird durch ver- modifiziert: ,falsch‛ oder ‚auseinander‛. Daher werden

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semantische Varianten, also Polysemie, angenommen. Es handelt sich um ein Morphem

ver-. Auch -er dient zur Bildung von Personenbenennungen: Radfahrer, Trinker, Städter

oder Bennenungen von Geräten: Fernseher, Haartrockner, Müllschlucker. Das

Wort Polysem bildet sich aus griechisch poly „viel“ und sema „Zeichen“, und ist der

Gegenbegriff zur Monosemie (gr. monos „einzeln“). Abzugrenzen ist die Polysemie auch

von der Homonymie  (gr. „Gleichlautung“).

Die Abgrenzung zwischen Homonymie und Polysemie erfolgt unterschiedlich, so

dass Polysemie bedeuten kann:

a) eine systematische Mehrdeutigkeit auf Grund etymologischer Verwandtschaft;

b) eine systematische Mehrdeutigkeit auf Grund einer Verwandtschaft der einzelnen

Bedeutungen, die eine gemeinsame Grundbedeutung oder gemeinsame Kernbedeutung

haben, was vielfach – aber nicht zwangsläufig – auf eine gemeinsame etymologische

Wurzel zurückzuführen ist.

Letzteres ist die Hauptverwendung in sprachwissenschaftlichem Kontext.

Polysemie ist nicht auf Wörter beschränkt. Es gibt Polysemie generell eines Zeichens im

allgemeinen eines Ausdrucks bzw. konkret eines  Morphems, eines Lexems oder

des Syntagmas eines Satzes.

6. Auftreten von Polysemie 

Die meisten Wörter sind polysem, beschreiben also mehrere mehr oder minder

unterschiedliche Sachverhalte, die sich aus einem gemeinsamen Kontext entwickeln.

Polysemie gilt als natürlichsprachlicher Normalfall und als Ausdruck des sprachlichen

Ökonomie-Prinzips. Polyseme können auf verschiedene Weise entstehen. Die Ursachen

der Polysemie sind Metaphorik (bildhafte Verwendung),  Metonymie (nicht wörtliche

Verwendung), Bedeutungsentlehnung (erweiterte Verwendung), elliptischer Gebrauch

(weglassende Verwendung), Belebung von  Archaismen (wiederaufnehmende

Verwendung).

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Von Homonymie ist dann zu sprechen, wenn sich die Funktionen der Morpheme

unterscheiden. Es handelt sich dann nich mehr um Varianten, also nich mehr um ein

Allosemem, sondern um ein homonymes Morphem. Das gilt z.B. für er-, das einmal als

Wotbildungsmorphem und zum anderen als Pluralmorphem auftritt: Kinder, Männer.

Homonyme sind auch freies Morphem und Affix, wenn die Bedeutungen nicht

aufeinander zu beziehen sind: Werk ,Betrieb‛ und –werk in Hilfswerk, Zuckerwerk,

Schuhwerk. Zu diesen Fällen gibt es eine umfangreiche Literatur. Man erklärte diese

Morpheme als zwischen Wort und Affix stehend und prägte die Termini Hlabaffix,

Affixoid. In Duden-Bedeutungswörterbuch wurden z.B. Hobby -in Hobbygärtner,

Problem –in Problemfamilie als Affixoide genannt (Duden, 8)

6.1 Beispiele für Polyseme

Föhn, der (Wettererscheinung) und Föhn, der (Elektrogerät)

Geist, der (Intellekt), Geist, der (übernatürliches Wesen), Geist, der (Gesinnung – „wes’

Geistes Kind“) und Geist, der (Weingeist, Destillat)

Himmel, der oder die (religiöser Ort, metaphysisches Jenseits) und Himmel, der

(astronomischer Ort)

Lehre, die (Berufsausbildung), Lehre, die (Messinstrument) und Lehre, die (theoretische

Wissenschaftsgrundlage, Dogma)

Leiter, die (Stufengerät), Leiter, der (Chef) und Leiter, der (physikalischer Leiter )

Schloss, das (Bauwerk) und Schloss, das (Schließanlage)

Steuer, das (Lenkvorrichtung) und Steuer, die (Abgabe an den Staat)

Stimme, die (Sprachfähigkeit), Stimme, die (Wahlstimme, Votum) und stimme (Imperativ,

Indikativ Präsens 1. Person Singular und Konjunktiv Präsens 3. Person Singular von

stimmen: „Er fragte, ob es stimme, dass …“)

Strom, der (Fluss) und Strom, der (elektrische Größe)

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6.2. Beispiele für Homonyme

Arm, der (Körperteil) und arm (Adjektiv – mittellos)

Elf, der (Märchengestalt) und elf (Zahl)

Fest, das (Feier) und fest (Adjektiv – beständig, hart)

gefahren (Partizip Perfekt des Verbs fahren) und Gefahren (Plural von Gefahr)

Kiefer, die (Baum) und Kiefer, der (beweglicher Teil des Gesichtsschädels)

Reif, der (Ring) und Reif, der (Eiskristalle) und reif (Adjektiv – ausgereift)

Lose, die (Glücksspielanteile) und lose (umgspr. für „nicht angebunden“)

sieben (Zahlwort) und sieben (Verb – „durch ein Sieb geben“)

Strauß, der (Vogel) und Strauß, der (Blumengebinde)

Tau, der (Niederschlag), Tau, das (Seil) und Tau, das (19. griech. Buchstabe)

laut (Adjektiv – hoher Geräuschpegel), laut (Präposition) und Laut, der (akustische

Einheit)

7. Leeres Morph

Die Bestimmung des Morphems als Einheit von Formativ und Inhalt wirft jedoch noch

eine weitere Frage auf. Es gibt phonemische Einheiten, die keine Bedeutung tragen:

heiterkeit /s/ ausbruch, eigen /t/ lich. Es sind Fugenelemente der Komposita, Gleitlaute,

die der Ausspracheerleichterung dienen. Bei synchroner Betrachtung sind die dadurch

gekennzeichnet, dass sie ohne Einfluss auf die Bedeutung sind. Stepanova/Čerenyševa

sprechen von ,,leeren Morphen”, „Restelementen”, „Pseudowurzeln im Bestand des

Wortstammes” (vgl. Stepanova/Čerenyševa, 1975, 100ff.). Sie verweisen auf die Herkunft

der Fugenelemente aus dem Bestand der grammatischen Morpheme. ,, Was es die

Semantik angeht, so entspricht das Fugenelement bei weitem nicht immer der

genitivischen oder pluralischen Bedeutung der Verbindung [...]”(S. 100)

Ein großer Teil des deutschen Wortschatzes besteht aus Wörtern, die anderen Sprachen

entstammen, sogenannte Fremd- und Lehnwörter. Der Anteil der Entlehnungen am

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Wortschatz ist in verschiedenen Sprachen unterschiedlich hoch. So wurden im Englischen

unter rund 80 000 Wörtern fast 75% nichtgermanischen Ursprungs gezählt. In einem

deutschen etymologischen Wörterbuch wurden unter knapp 17 000 Wörtern über 30%

Entlehnungen ermittelt.

Mit den 207 häufigsten Wörtern im Wortschatz eines deutschen Muttersprachlers lassen

sich bereits 50% eines fast beliebigen Textes darstellen. Davon sind einsilbige Wörter die

häufigsten. Je länger ein Wort, desto geringer seine Häufigkeit. Diese Beobachtung kann

man in nahezu allen Sprachen machen.

8. Der Wortstamm

Mit 'Wortstamm' oder 'Stamm' (auch: Stammwort, Wurzelwort, Wurzel, Stamm-

Morphem, Grundmorphem, lexikalisches Morphem) wird manchmal der lexikalische

"Kern" eines Wortes bezeichnet. Es handelt sich dabei um den Bestandteil eines Wortes,

der nicht weiter zerlegt werden kann (also ein Morphem) und der den Zusammenhang

einer Wortfamilie konstituiert.

Beispiele:

{trink} ist Stamm-Morphem von tränken, Getränk, Umtrunk, trinkst, tranken, trinken,

ertrinken

{haus} ist das Wurzelwort von Wohnhaus, häuslich, hausen, Haus, Haustür, behausen

{strick} ist das Stammwort von Stricknadel, Strickmuster, Strick, Galgenstrick, stricken,

verstrickt, bestricken, umstrickend

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Page 14: 1.Das Wort Als Sprachliche Einheit- Jasna

8.1 Stamm als morphologische Basis 

Mit 'Wortstamm' oder kurz 'Stamm' wird häufig auch die Form bezeichnet, die als Basis

zur Bildung von flektierten Wortformen dient, typischerweise durch das Hinzufügen

von Affixen. Ein Stamm kann dabei selber schon eine flektierte Wortform repräsentieren,

zum Beispiel Traum; durch Anhängen des Flexionsaffixes -es für Genitiv Singular an den

Stamm entsteht Traumes.

Beispiele:

Traum ist der Stamm der flektierten Wortformen

Traum (Nominativ Singular)

Traums (Genitiv Singular)

Traum (Dativ Singular),

Traume (Dativ Singular),

Traum (Akkusativ Singular), etc.

schnarch ist der Stamm der flektierten Wortformen

schnarche (1. Person Singular Präsens),

schnarchst (2. Person Singular Präsens),

schnarcht (3. Person Singular Präsens), etc.

9. Die Worthülse

Als Worthülse wird ein sinnentleertes oder ein gedankenlos gebrauchtes Wort bezeichnet.

Häufig wird von der leeren Worthülse gesprochen, die - wie die hohle Phrase - dem Hörer

oder Leser leer und damit hülsenhaft erscheint. Es kann sich dabei um Kritik an einem

Sprachgebrauch handeln, bei dem Begriffe nur aufgrund ihrer Medienpräsenz oder

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sonstiger Popularität (gedankenlos) verwendet werden. Ganze Sätze oder Satzteile, mit

vergleichbaren Eigenschaften werden auch als Leerformeln kritisiert.

Es können auch Begriffe angesprochen sein, die je nach Rezipient zu unterschiedlichsten

Assoziationen einladen, die von späteren Verwendern neu und in einem abweichenden

Sinne interpretiert werden. So spricht Fritz Mauthner Anfang des 20. Jahrhunderts in

Bezug auf  Georg Wilhelm Friedrich Hegel und den „linksstehenden Jung-

Hegelianern“ davon, „daß die luftleeren Abstraktionen Hegels Worthülsen boten, in die

auch rebellische Gedanken hineingesteckt werden konnten“.

Die Bezeichnung ist jedoch kein fest definierter Begriff und kann selbst als Worthülse

betrachtet werden. Was für jemanden als fester Terminus erscheint, kann für andere

bereits eine sinnlose Worthülse darstellen. Mauthner bezeichnete Worthülsen auch

als „leere Termini“.

10. Einsilber

Ein Einsilbler (auch Einsilber genannt) ist in der Linguistik ein Wort, das aus einer Silbe

besteht, im Deutschen zum Beispiel Blech (Substantiv), sein (Verb), lang (Adjektiv), wir

(Pronomen), das (Artikel), dort (Adverb) oder ja (Antwortpartikel). Die einzelnen

Sprachen unterscheiden sich hinsichtlich der jeweils erlaubten Silbenstrukturen, womit

der Aufbau der Silben aus den Lauten der Sprache gemeint ist. Für das Deutsche gilt, dass

die Silbe im Anfangsrand bis zu 3 und im Endrand bis zu 4 Konsonanten enthalten kann.

Solche Konsonantenhäufungen im Anfangs- oder Endrand der Silbe sind in vielen

Sprachen nicht erlaubt. Dies ist der Grund, weshalb zum Beispiel im Japanischen aus dem

deutschen Wort „Rucksack“ das Fremdwort „ryukkusakku“ geworden ist.

10.1. Vorkommen in Texten und im Wörterbuch

In vielen Sprachen kann man beobachten, dass die Einsilbler in Texten häufiger

vorkommen als Wörter mit 2, 3 oder mehr Silben. Dies gilt auch für das Deutsche. Dies

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gilt für Sprachen, die zum analytischen Sprachtyp neigen; bei stärker synthetischen

Sprachen wie zum Beispiel dem Finnischen oder Lateinischen sind in der Regel die zwei-

und dreisilbigen Wörter häufiger. Die Vorkommen von Einsilblern in Wörterbüchern sind

wie folgt zu beobachten: Im Frequenzwörterbuch des Deutschen, das ja die Verhältnisse

in Texten abbildet, sind ebenfalls die Einsilbler am häufigsten; in alphabetisch geordneten

Wörterbüchern dagegen sind im Deutschen die dreisilbigen Wörter am häufigsten. Das

gleiche gilt für das alphabetisch geordnete Wörterbuch des Niederländischen und des

Ungarischen.

Betrachtet man die unterschiedlichen Längen von Silben, gemessen etwa nach der Zahl

der Phoneme je Silbe, so folgen diese dem Gesetz der Verteilung von Silbenlängen. Für

das Deutsche wurde beobachtet, dass Silben zwischen 1 und 6 Phonemen enthalten

können. In den slawischen Sprachen wurden unterschiedliche Beobachtungen gemacht; so

fanden sich in altkirchen slawischen Texten bis zu 4 Phoneme je Silbe, im Bulgarischen

bis zu 5 sowie im Russischen und Slowenischen bis zu 6 Phoneme je Silbe.

Die Komposition ist (im Deutschen) neben der Derivation (Ableitung) die wichtigste Art

der Wortbildung. Sie ist neben der Entlehnung – die nicht als Wortbildungsart zählt – das

wichtigste Mittel, um bei Bedarf den bestehenden Wortschatz zu erweitern. Die

Kompositionsbildung folgt einem Prinzip der Univerbierung oder

Informationsverdichtung. Das bedeutet, ein Syntagma wird im Sinne der Sprachökonomie

in einem Wort ausgedrückt.

11. Fuge und Fugenelement

Die Nahtstelle zwischen den Wortstämmen, die die Glieder eines Kompositums bilden,

wird Fuge oder Kompositionsfuge genannt. Diese kann durch ein spezielles Fugenelement

gekennzeichnet sein.

Beispiel:

Das „s“ in „Komposition-s-fuge“

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Als Fugenelemente erscheinen im Deutschen hauptsächlich -(e)s-, -e-, -(e)n- und -er- wie

in Liebeslied, nötigenfalls, Wartezimmer und gewissermaßen. Die Fugenelemente im

Deutschen sind aus Flexionsendungen oder andernorts geschwundenen Teilen des

Wortstamms entstanden, wurden aber später in Analogie dazu gebildet. Man unterscheidet

paradigmatische Fugenelemente, d. h. Laute bzw. Lautverbindungen, die dem

Flexionsparadigma des Erstglieds entsprechen, z. B. Genitiv-/Plural-Morphologie

(Geistesblitz, Geisterfahrer) und unparadigmatische Fugen, die nicht zum

Flexionsparadigma des Erstglieds gehören, z. B. Liebesbrief, Beobachtungssatellit.

Vollständige Regeln für ihr Auftreten gibt es nicht. Einige Suffixe verlangen jedoch

immer das Anhängen eines Fugen-s, so etwa bei -keit, -heit, -schaft, -ung, -ut, -ion, -tät, -

tum. Zum Beispiel: Achtungserfolg und Heiterkeitsausbruch.

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Fragen :

1. Nennen sie Kriterien, die zur Abgrenzung von Wörtern möglich sind?

2. Wonach werden Wörter in der Grammatik untersucht und woraus bestehen sie?

3. Was ist ein Formativ und wie kann es gegliedert werden?

4. Nennen sie den Unterschied zwischen Homonymie und Polysemie und geben sie

Beispiele?

5. Was wird mit dem Wortstamm bezeichnet?

6. Was sind Einsilbler?

7. Was ist eine Fuge und wie kann sie gekennzeichnet sein?

Antworten:

1. Je nach Blickwinkel sind verschiedene Kriterien möglich, die je nach theoretischem

Hintergrund und Erkenntnisinteresse miteinander kombiniert oder ergänzt werden:

Phonetisch/phonologisches, orthografisches, morphologisches Kriterium, syntaktisches,

semantisches

2. In der Grammatik werden Wörter nach Wortarten (zum Beispiel Substantiv,

Adjektiv,Verb...) unterschieden und hinsichtlich Satzstellung, Flexion, Tonalität) et cetera

untersucht. Wörter bestehen aus Morphemen, das sind die kleinsten bedeutungstragenden

Einheiten im Sprachsystem, in flektierenden Sprachen aus Stamm- und Flexionsmorphem

(Haus+es).

3. Das Formativ ist eine korrelaltive linguistische Kategorie. Es ist das verallgemeinerte,

invariante Abbild des Lautkörpers, das der meterialisation durch Laut oder Schriftzeichen

zugrundeliegt. Formative können entsprechend ihrer phonemischen Struktur gegliedert

werden in Sprechsilben oder in Morphemformative, in Morphe.

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4. Wir sprechen dann von Polysemie, wenn es sich um Affixe handelt , die einen

gemeinsamen Bedeutungskern haben und eines oder mehrere variable Merkmale. Von

Homonymie ist dann zu sprechen, wenn sich die Funktionen der Morpheme

unterscheiden. Es handelt sich dann nich mehr um Varianten, also nich mehr um ein

Allosemem, sondern um ein homonymes Morphem.

Beispiele für Polyseme:

Föhn, der (Wettererscheinung) und Föhn, der (Elektrogerät)

Geist, der (Intellekt), Geist, der (übernatürliches Wesen), Geist, der (Gesinnung – „wes’

Geistes Kind“) und Geist, der (Weingeist, Destillat)

Beispiele für Homonyme:

Arm, der (Körperteil) und arm (Adjektiv – mittellos)

Elf, der (Märchengestalt) und elf (Zahl)

Fest, das (Feier) und fest (Adjektiv – beständig, hart)

gefahren (Partizip Perfekt des Verbs fahren) und Gefahren (Plural von Gefahr)

5. Mit 'Wortstamm' oder kurz 'Stamm' wird häufig auch die Form bezeichnet, die als Basis

zur Bildung von flektierten Wortformen dient, typischerweise durch das Hinzufügen

von Affixen.

6. Ein Einsilbler (auch Einsilber genannt) ist in der Linguistik ein Wort, das aus einer

Silbe besteht, im Deutschen zum Beispiel Blech (Substantiv), sein (Verb), lang

(Adjektiv), wir (Pronomen), das (Artikel), dort (Adverb) oder ja (Antwortpartikel).

7. Die Nahtstelle zwischen den Wortstämmen, die die Glieder eines Kompositums bilden,

wird Fuge oder Kompositionsfuge genannt. Diese kann durch ein spezielles Fugenelement

gekennzeichnet sein.

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