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34 Wohnung + Gesundheit 3/08 - Nr. 126 Baubiologische Architektur Bei der fachgerechten Sanierung leer stehender Altbauten ist die Ver- meidung synthetischer Baumateri- alien von großer Wichtigkeit, um vorzeitige Bauschadensbildung zu verhindern. Die Verwendung natür- licher Baustoffe sorgt dabei nicht nur für die Herstellung einer diffusi- onsdurchlässigen Gebäudehülle und den damit verbundenen Schutz der alten Holzbauteile vor Durchfeuch- tung und Schimmel-, Pilz- oder Schädlingsbefall, sondern auch für ein baubiologisch gesundes und aus- gewogenes Raumklima ohne Schad- stoffe. Umbau einer Fachwerkscheune zu Büroräumen In Lottstetten-Balm, einem Weiler im Südwesten Deutschlands, direkt an der schweizer Grenze, die vom tief eingeschnittenen Hochrhein- graben markiert wird, ist in den letzten Jahren solch ein ökologisch- baubiologischer Scheunenumbau ausgeführt worden. Das angebaute Wohnhaus war bereits saniert, als der Architekt und Baubiologe mit seiner Familie beschloss, in der seit mehr als 30 Jahren leer stehenden Fachwerkscheune seine Büroräume unterzubringen. Dabei wurde das verdeckte Fachwerk von außen frei- gelegt und das Gebäude mit seinen bestehenden verschiedenen Niveaus im Grundsatz beibehalten und den- noch eine moderne Nutzung mit optimierter Wärmedämmung und zeitgemäßer Innenraumgestaltung realisiert. Scheunenumbau Ökologisch, baubiologisch und gesund Vor allem im ländlichen Raum besteht ein großer Leerstand von ungenutzten Ökonomiegebäuden. Die Wohn- häuser werden meist noch entsprechend der Möglichkeiten saniert und instand gehalten, wohingegen die Scheunen-, Stall- und Schuppengebäude zunehmend verfallen. Dabei muss es nicht besonders aufwändig sein, den brachliegenden Gebäuden mit einem modernen Umnutzungskonzept neues Leben einzuhauchen. Die Scheune stand mehrere Jahrzehnte leer, bevor sie zu Büroräumen ausgebaut wurde. Das vorher verdeckt liegende Fachwerk wurde beim Umbau freigelegt Der Ausbau alter Gebäude bietet räumliche Möglichkeiten, die im Neubau nur zu unverhältnismäßig höheren Kosten realisierbar wären

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34 Wohnung + Gesundheit 3/08 - Nr. 126

Baubiologische Architektur

Bei der fachgerechten Sanierung leer stehender Altbauten ist die Ver-meidung synthetischer Baumateri-alien von großer Wichtigkeit, um vorzeitige Bauschadensbildung zu verhindern. Die Verwendung natür-licher Baustoffe sorgt dabei nicht nur für die Herstellung einer diffusi-onsdurchlässigen Gebäudehülle und den damit verbundenen Schutz der alten Holzbauteile vor Durchfeuch-tung und Schimmel-, Pilz- oder Schädlingsbefall, sondern auch für ein baubiologisch gesundes und aus-gewogenes Raumklima ohne Schad-stoffe.

Umbau einer Fachwerkscheune zu Büroräumen

In Lottstetten-Balm, einem Weiler im Südwesten Deutschlands, direkt an der schweizer Grenze, die vom tief eingeschnittenen Hochrhein-graben markiert wird, ist in den letzten Jahren solch ein ökologisch-baubiologischer Scheunenumbau ausgeführt worden. Das angebaute Wohnhaus war bereits saniert, als der Architekt und Baubiologe mit seiner Familie beschloss, in der seit mehr als 30 Jahren leer stehenden Fachwerkscheune seine Büroräume unterzubringen. Dabei wurde das verdeckte Fachwerk von außen frei-gelegt und das Gebäude mit seinen bestehenden verschiedenen Niveaus im Grundsatz beibehalten und den-noch eine moderne Nutzung mit optimierter Wärmedämmung und zeitgemäßer Innenraumgestaltung realisiert.

Scheunenumbau Ökologisch, baubiologisch und gesund

Vor allem im ländlichen Raum besteht ein großer Leerstand von ungenutzten Ökonomiegebäuden. Die Wohn-häuser werden meist noch entsprechend der Möglichkeiten saniert und instand gehalten, wohingegen die Scheunen-, Stall- und Schuppengebäude zunehmend verfallen. Dabei muss es nicht besonders aufwändig sein, den brachliegenden Gebäuden mit einem modernen Umnutzungskonzept neues Leben einzuhauchen.

Die Scheune stand mehrere Jahrzehnte leer, bevor sie zu Büroräumen ausgebaut wurde. Das vorher verdeckt liegende Fachwerk wurde beim Umbau freigelegt

Der Ausbau alter Gebäude bietet räumliche Möglichkeiten, die im Neubau nur zu unverhältnismäßig höheren Kosten realisierbar wären

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Maßnahmen für giftfreie Innenräume

Der festgestellte Holzschädlings-befall wurde mit einer Heißluftbe-handlung dauerhaft behoben. Dabei wurde die gesamte Gebäudekuba-tur zuerst ausgeräumt (altes Stroh, Inventar und verschiedenes land-wirtschaftliches Gerät) und dann während drei Tagen bis auf eine Innentemperatur von ca. 80 °C aufgeheizt, bis im Mittelpunkt ver-schiedener Holzbalkenquerschnitte eine konstante Temperatur von 55

°C gehalten werden konnte. Dadurch wurden komplett giftstofffrei alle im Gebäude vorhandenen Eiweiße (Holzschädlinge und Eier) zerstört. Die baulichen Maßnahmen wur-den anschließend so durchgeführt, dass alle Hölzer gut belüftet und dauerhaft trocken liegen. Dank des konstruktiven Holzschutzes konnte auf eine Holzschutzbehandlung mit Holzschutzmitteln komplett verzich-tet werden.

Die vorhandenen Materialien wurden wieder verwendet

Das Dach wurde abgedeckt, die vorhanden Dachsparren und Pfetten wurden für die statischen Erforder-nisse verstärkt. Als Unterdachebene

wurden naturharzgebundene Holz-faserplatten verwendet und anschlie-ßend wurde eine mit 5 cm hinterlüfte-te Falz-Biberschwanz-Dachdeckung ausgeführt. Die Sparrenzwischen-räume wurden komplett mit Holzfa-serdämmung, die einen verbesserten Schall- und sommerlichen Wär-meschutz gewährleistet, gedämmt. Die Fachwerkwände erhielten eine reduzierte zweischichtige Holzfaser-

Innendämmung, um eine ungüns-tige Verschiebung des Tau- (und Gefrier-)punktes in den Innenraum zu verhindern. Der Diffusionsein-trag in die Außenwände und bei der Dachkonstruktion wurde durch eine Dampfbremse mit optimiertem sd-Wert gesteuert. Verwendet wur-de hierfür ein gewebeverstärktes Wachspapier. Trotz der reduzierten Fachwerk-Innendämmung wurden die Vorgaben der Energieeinsparver-ordnung EnEV übertroffen.Bei der Materialwahl im Innenraum wurden vorhandene Baustoffe er-gänzt. Auf den Einsatz synthetischer Baustoffe wurde verzichtet. So wurden die Kalkgefache der inne-ren Fachwerkwand mit Lehmputz neu verputzt und mit einem Kase-ingrund gegen Absanden geschützt. Die Wandbekleidungen wurden aus Gipsfaserplatten, die anschließend abgeglättet wurden, ausgeführt. Die Bodenaufbauten wurden mit Holzfa-ser-Trittschalldämmungen und An-hydrid-Estrichauflagen zur Wärme-speicherung erstellt. Für die Böden in den Büroräumen wurde geöltes Massivholz-Buchen-Stabparkett gewählt, im Hallenbereich (frühere Heueinfahrt) wurden passend zur bestehenden Sichtbacksteinwand neue Terracottaplatten verlegt.Alle Innenwände wurden mit Kase-

Baubiologiscshe Architektur

Innenraum der Scheune – vorherDas Innenfachwerk wurde mit naturbelassenem Lehmputz versehen und mit Kaseingrund gegen Absanden geschützt

... baubiologisch ausgebaut – nachherAlle Ausbaumaterialien sind naturbelassen und mit diffusionsoffenen Oberflächen ausgeführt worden

Die Scheunenhalle wurde in Größe und Raumhöhe beibehalten – die ver-schiedenen Ebenen blieben im umge-bauten Zustand erkennbar

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infarben gestrichen, die Holzbauteile mit farblosen Hartöl-Holzlasuren behandelt. Die Fachwerkbalken an der Fassade erhielten einen Schutz-anstrich aus naturharzgebundenem Wetterschutzlack. Die mineralisch verputzten Gefache wurden mit Silikatfarbe gestrichen. So ist der Feuchteaustausch der Wandkons-truktion weiterhin sichergestellt.

Gesundes Ergebnis zum gesunden Preis

Das Ergebnis der konsequenten Ver-wendung ausschließlich natürlicher und schadstofffreier Baumaterialien führte zu einem sehr angenehmen Raumklima, das durch die guten Dämmwerte im Winter nur einen sehr geringen Energiebedarf hat und gleichzeitig durch die schwere Holzfaserdämmung gegen Überhit-zung im Sommer gut geschützt ist. Die Wahl von feuchte- und wärme-speichernden Konstruktionen, wie z.B. die lehmverputzte Innenfach-werkwand, Anhydrid-Estrichböden und Terracottaplatten, macht sich als ausgleichend bemerkbar.Trotz umfangreicher Grundsiche-rungen mit Wandunterfangungen,

Instandsetzung der alten Statik und Anpassung der bestehenden Decken-lagen betrug die reine Umbauzeit nur ein Jahr. Zur gestaffelten Finan-zierung und zur Erbringung von Ei-genleistungen wurde die Bauzeit in zwei Etappen unterteilt. Im zweiten Halbjahr 2003 wurde der Rohbau komplett durchgeführt und im zwei-ten Halbjahr 2005 der gesamte In-nenausbau. Die Abschlussrechnung ergab, dass baubiologisch-gesundes Bauen nicht teurer als konventionelles Bauen sein muss. So kostete der komplette Umbau der Scheune mit 150 qm nutzbarer Fläche lediglich ca. 300 EUR/m3 umbauter Raum. Für Neu-bauten wird dagegen bereits mit bis zu 500 EUR/m3 gerechnet.

Altbau als Chance

Dies ist auch ein deutlicher Hin-weis darauf, dass sich der Umbau alter und leerstehender Bausubstanz durchaus auch finanziell rechnen kann. Wichtige Grundvorausset-zungen hierfür sind ein schlüssiges und tragfähiges Umnutzungskon-zept, das die Besonderheiten des Be-standes berücksichtigt und aktiv in

die Umplanung einbezieht. Weitere wichtige Bedingungen für einen dau-erhaft werterhaltenden Umbau sind die konsequente Vermeidung von Bauschadensstoffen und die Weiter-führung bestehender Konstruktionen mit ihren diffusionsoffenen Quali-täten. So können sich Baubiologie, Ökologie und Ökonomie im Sinne einer nachhaltigen Gebäudenutzung optimal ergänzen.

Christian KaiserDipl.-Ing. Arch. SIA

Baubiologe IBR79807 Lottstetten

Tel. [email protected]

www.zekadesign.de

Christian Kaiser

Baubiologie und Ökologie sind für Planende und Bau-handwerker heutzutage unver-zichtbare Mittel zur Schaffung nachhaltiger, qualitativ hoch-wertiger Bauten.

Freier Architekt mit Schwer-punkten “Nachhaltige Gebäu-deplanung” und „Ökologische Altbausanierung“, Lehrbe-auftragter an der HTWG Kon-stanz, redaktioneller Leiter der Fachzeitschrift „baubiologie“, hrsg. von der Schweizerischen Interessengemeinschaft Bau-biologie/ Bauökologie SIB.

Trotz zeitgemäßem Ausbau mit modernem Ausstattungs- und Dämmkomfort bleibt der einmalige Charakter des alten Gebäudes erhalten